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Als Abbie Jones einen internationalen Kongress in Paris besucht, traut sie ihren Augen nicht: Einer der Redner ist Özgür. 15 Jahre zuvor trafen sich die beiden in London und verliebten sich unsterblich. Doch damals war ihnen nur ein einziger Tag vergönnt, denn Özgür musste nach Istanbul zurückkehren, um in das Familienunternehmen einzusteigen. Ihre Versuche, einander wiederzusehen, standen unter keinem guten Stern. Das Schicksal funkte jedes Mal dazwischen ...
Nun ist Abbie eine erfolgreiche Anwältin und steht kurz vor der Hochzeit, doch diese unerwartete Begegnung wirft sie aus der Bahn. Sie erkennt, dass sie Özgür nie wirklich vergessen konnte. Hat ihre Liebe diesmal eine Chance?
Ein dramatischer und ereignisreicher Roman um eine schicksalhafte Liebe.
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Seitenzahl: 518
Veröffentlichungsjahr: 2021
Caroline Khoury
Nur ein einziger Tag
Roman
Aus dem Englischen von Christel Dormagen
Insel Verlag
Originaltitel: It Must Be Love. Arrow Books Ltd, London 2022.© 2021 by Caroline Khoury
eBook Insel Verlag Berlin 2021
Der vorliegende Text folgt der 1. Auflage der Ausgabe des insel taschenbuchs 4881.
Erste Auflage 2021insel taschenbuch 4881Deutsche Erstausgabe© Insel Verlag Berlin 2021© 2021 by Caroline KhouryAlle Rechte vorbehalten, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
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Umschlagfotos: Lee Avon/Trevillion Images, Brighton; Erich Lessing/akg-images, Berlin
Umschlaggestaltung: Rothfos & Gabler, Hamburg
eISBN 978-3-458-77083-1
www.suhrkamp.de
Caroline Khoury
Nur ein einziger Tag
Roman
Aus dem Englischen von Christel Dormagen
Insel Verlag
Cover
Titel
Impressum
Inhalt
Informationen zum Buch
Hinweise zum eBook
Cover
Titel
Impressum
Prolog
1
Jetzt
. Dezember
2
Jahre früher
. Juni
3
4
5
Vierzehn Jahre früher
. Februar
6
7
Jetzt
. Dezember
8
Vierzehn Jahre früher
. Februar
9
10
Jetzt
. Januar
11
Vor vierzehn Jahren
. Juli
12
13
14
Jetzt
. Februar
15
Vierzehn Jahre früher
. Juli
16
Jetzt
. April
17
Jetzt
. Mai
18
Neun Jahre früher
. Juni
19
Jetzt
. Juli
20
Jetzt
. September
21
Neun Jahre früher
. Juni
22
23
24
25
Jetzt
. September
26
Sieben Jahre früher
. Dezember
27
Fünf Jahre früher
. Februar
28
Jetzt
. Oktober
29
Jetzt
. November
30
Fünf Jahre früher
. Februar
31
Drei Jahre früher
. Dezember
32
Jetzt
. November
33
34
35
36
Jetzt
. Dezember
37
38
Jetzt
. Januar
39
40
Epilog
Dreizehn Monate später
. April
Fußnoten
Informationen zum Buch
Hinweise zum eBook
Schicksal. Verhängnis. Nennen Sie es, wie Sie wollen. Ich habe an keines geglaubt. Aber das war damals, und jetzt ist jetzt.
Ich nestelte an dem Medaillon um meinen Hals, zog es an der Kette hin und her. Ein Abdruck. Es hinterließ immer einen, eine Spur des Metalls auf meiner Haut. Ich legte den Anhänger an die Lippen und schloss die Augen. Die eine Hälfte des silbernen Herzens war mit einem Bild bestückt: als Erinnerung an einen längst vergangenen Tag. Ich war nie dazu gekommen, die andere Hälfte zu füllen. Nie schien die Zeit dafür zu sein.
Die Kühle des Aprilnachmittags ließ mich erschauern, während ich aufs Meer hinausblickte. Ich schlang mein blassblaues Tuch um die Schultern; weiche Wolle, angenehm an meinen Gänsehautarmen. Meine Mum hatte es selbst gestrickt, die Tücher waren ein Bestseller ihres Geschäfts in Mumbles, einen Steinwurf von hier entfernt. Aber dieses hier war eine spezielle Kreation. Drei Namen waren in eine Ecke eingestickt, zur Würdigung des heutigen Tags.
Mein ärmelloses Kleid war eher für einen warmen Sommertag geeignet. Aber ich hätte es zu jeder Jahreszeit getragen, weil es so viele Erinnerungen barg. Es reichte mir bis an die Knie und war in der Taille angepasst worden.
Ich balancierte über Kiesel und kleine Gezeitentümpel, es zog mich zum Wasser, meine Füße wurden schon taub vor Kälte. In der Ferne erhob sich der Leuchtturm von Mumbles – seit Jahrhunderten ein weißes Signal der Rettung, sichtbar von jedem Punkt der Swansea Bay innerhalb eines Radius von acht Kilometern.
Tiefe Atemzüge im Rhythmus der Wellen, die sich am Ufer brachen, beruhigten meinen Herzschlag. Salzige Gischt, vermischt mit Essiggeruch, füllte meine Nase, unter meinen Zehen knirschte der feuchte Sand.
Ich hätte ihn anrufen sollen. Damals, vor all den Jahren, hätte ich ihn anrufen sollen. Und als wir einander dann Lebewohl sagten, warum hatte ich da nicht den Mut, etwas zu tun? Vielleicht wäre jetzt alles anders.
»Abbie?« Eine Brise trug die Stimme herüber, der sanfte Klang wie immer ein Trost.
Ich drehte mich um und sah meine beste Freundin Liz, die mir mit hohen Absätzen und um die Knie wehendem Kleid vorsichtig über das felsige Ufer entgegenstakste.
»Du hast mich gefunden«, sagte ich.
»Deine Mum meinte, du seist wahrscheinlich hier. Oh, verdammter Mist«, rief sie und zog ihre Schuhe aus. »Ich werde mir später die Füße waschen.«
Ich lächelte und zog die Enden meines Tuchs enger um mich. Der Wind wehte mir die Haare ins Gesicht. Es hatte jede Menge Vorschläge gegeben, wie ich sie heute tragen sollte; ich hatte mich dafür entschieden, sie im Nacken mit einem schlichten Clip zusammenzufassen.
Liz legte mir die Hände auf die Schultern und rieb meine Arme. »Alles in Ordnung?«
»Heilsam, dieser Strand. So viele Erinnerungen.«
»Gerade rief Mary mich an. Sie hat alle am Bahnhof abgeholt. Sie werden in zehn Minuten hier sein. Bist du bereit?«
Ich nickte. Und dieses Mal war ich sicher. Sehr sicher. Ich würde mir nur wünschen, wir wären anders zu diesem Tag gelangt. Doch ich wusste, dass es auf keine andere Weise hätte geschehen können, denn so war es uns vom Schicksal bestimmt.
Dezember
Ich tippte mit dem Stift gegen meine Stirn. Konzentrier dich, Abbie, konzentrier dich.
Nichts. Es hatte keinen Sinn. Ein Stapel aus drei mit Klebeband zusammengehaltenen Bündeln, die unsicher oben auf mehreren Aktenordnern schwankten, türmte sich auf meinem Schreibtisch und sah mich höhnisch an. Die Bündel enthielten drei unterschiedliche Immigrationsfälle, von denen zwei von vornherein keine Aussicht auf einen positiven Bescheid hatten und der dritte hoffnungslos war, sofern ich nicht irgendeinen erstaunlichen Präzedenzfall fand, der die Richter überzeugte und zu meinen Gunsten entscheiden ließ.
Gedanken schwirrten, wie im Schleudergang einer Waschmaschine auf Hochtouren, in meinem Kopf herum, und nicht einer wollte sich zu einem überzeugenden Argument formen. Dabei musste ich bis heute Abend unbedingt noch eins finden.
Grund Nummer eins für meine mangelnde Konzentration: Nick Stovin-Bradford. Mein Erzfeind, der Stachel in meinem Fleisch oder der »fiese Nick«, wie Liz ihn nannte, ein Anwaltskollege für Einwanderungsrecht, der zur selben Zeit wie ich fest in die Greencourt-Kanzlei aufgenommen worden war und mit dem ich unglücklicherweise das Büro teilen musste. Jedes Mal, wenn ich von meinem Computer aufblickte, war da Nick, der mir im Nacken saß und sich um jeden Fall, der hereinkam, mit mir stritt.
Mein Blick fiel auf den riesigen Wälzer, den er heute vorbeigebracht hatte, um ihn mir zu zeigen, und der ein Drittel meines Schreibtischs einnahm – das »Buch der Kanzleien und ihrer Partner« oder »Die Anwaltsbibel«, wie wir alle es nannten, eine Liste von Rechtsanwälten inklusive Rangordnung und Beurteilungen –, die druckfrische diesjährige Ausgabe, in der Nick zwei Seiten mit Eselsohren versehen hatte: die mit meinem und die mit seinem Eintrag.
»Abigail Jones. Ihre Haupteigenschaften sind Zugänglichkeit und Geduld«, hieß es da.
Nick dagegen war ein »aufgehender Stern«.
Mit selbstgefälliger Miene hatte er in der Tür unseres Büros gestanden, während ich die Beurteilungen vorgelesen hatte. Seine gezischelte Reaktion, als ich leise nuschelnd meine kläglichen Eigenschaften vortrug, glich irgendetwas zwischen Prusten und Lachen. Und jetzt fuchste mich das Buch, denn es machte mir klar, dass ich nicht gut genug war und es auch nie sein würde, wenn ich nicht mehr Fälle gewann und mein Ansehen in der Kanzlei verbesserte.
Ich sank in den Stuhl zurück und atmete tief durch, froh, dass Nick gerade bei einem Juristentreffen war und ich das Büro für mich allein hatte. Es war das kleinste Zimmer der Kanzlei: zwei überdimensionierte Walnussholzschreibtische mit grüner Lederplatte, umgeben von Bücherregalen voller roter und gelber Buchrücken – ein staubiger, abgestandener Geruch, vermischt mit den Ausdünstungen des Heizlüfters, der zu unseren Füßen stand. Die Zentralheizung des Gebäudes war vorsintflutlich, und die Fenster hatten Einfachverglasung. Ich hüllte mich beim Arbeiten am Schreibtisch häufig in eine Decke, damit meine Beine nicht zu Eis wurden, besonders seit dem diesjährigen Kälteeinbruch im Dezember.
Ein brauner Briefumschlag auf der anderen Seite meines Schreibtischs war Grund Nummer zwei für meine fehlende Konzentration. Er enthielt die Unterlagen für die am nächsten Morgen und Sonntag stattfindende Einwanderungskonferenz in Paris, zu deren Teilnahme ich mich hatte breitschlagen lassen und die ich mir aus Zeitgründen noch nicht hatte ansehen können. Mary Parker hatte mich gebeten, für sie einzuspringen, da sie wegen eines wichtigen Prozesses nach Sheffield gerufen worden war. Und Mary konnte ich nie etwas abschlagen. Nicht nur, dass sie zu unseren besten Einwanderungsanwälten gehörte, vor zwei Jahren Kronanwältin geworden und glücklich mit meiner besten Freundin Liz verheiratet war; sie war es auch, die dafür gesorgt hatte, dass ich vor sieben Jahren mein Leben wieder in den Griff bekommen hatte.
Ich schaute in den Umschlag und registrierte ein Eurostar-Ticket, ein Konferenzdossier und Notizen zu verschiedenen Sitzungen, an denen ich teilnehmen sollte. Scheiße. Die Teilnehmer würden Marys in einer glanzvollen zwanzigjährigen Karriere erworbenes Expertenwissen erwarten und nicht eine Junior-Anwältin, die erst fünf Jahre auf dem Buckel hatte. Ich schloss den Umschlag und schob ihn aus meinem Blickfeld.
Ticktack. Die Uhr an der Wand schien die Zeit lauter als sonst anzuzeigen. Kostbare Stunden waren verronnen, während ich mit meinen Fällen nicht vorangekommen war. Und nun, da die Konferenz jegliche Hoffnung auf Arbeiten am Wochenende zunichtemachte, würde ich mich darauf gefasst machen müssen, am Montag vor Gericht eine weitere Niederlage einzustecken.
Mein Handy vibrierte in meiner Handtasche. Als ich den Namen meiner großen Schwester Amy auf dem Display aufleuchten sah, warf ich das Telefon auf den Schreibtisch. Keine Zeit für einen Plausch. Amy redete gern und viel und kam nie schnell zur Sache.
Ich wandte mich wieder dem Fall von Montag zu und zupfte an dem Knoten in meinem Nacken. Ich trug meine Haare immer so streng, auch wenn ich keinen Gerichtstermin hatte; auf diese Weise konnte ich, als wäre ich Supergirl, das den Anruf eines Menschen in Not erwartet, jederzeit sofort meine Perücke aufsetzen.
Einen Moment später läutete das Festnetztelefon, und ohne nachzudenken nahm ich ab.
»Abigail Jones«, sagte ich in leicht singendem Tonfall.
»He, Schwesterlein, warum bist du nicht ans Handy gegangen?«
Meine Schultern sackten nach unten. »Ich arbeite.«
»Es dauert nicht lange«, sagte sie und hob die Stimme wegen eines Geräusches, das wie ein Föhn klang.
»Bist du im Salon?«
»Ja, bin gleich mit einer Stammkundin fertig.« Amy besaß einen Friseursalon im Herzen von Mumbles, der »Hairway to Heaven« hieß – als Anspielung auf ihre Heavy-Metal-Zeiten als Teenager. »Also … was meinst du? Zeder oder Walnuss?«
Ich klemmte den Hörer zwischen Ohr und Schulter und blätterte in einem der Bündel, auf der Suche nach einer eidesstattlichen Aussage. »Was? Zeder oder Walnuss?«
»Das hölzerne Nähkästchen im Flohmarktstil. Das Weihnachtsgeschenk für Mum. Du erinnerst dich? Ich habe dir letzte Woche eine E-Mail mit dem Link geschickt.«
»Stimmt. Muss ich übersehen haben. Tut mir leid.« Ich erweckte die Maus zum Leben und suchte nach Amys E-Mail. Mit einem Click kam ich zu zwei gleich aussehenden Nähkästchen. »Hmm. Walnuss?«
»Prima. Du bestellst es, nicht? Es dauert eine Woche, bis es mitsamt Handgravur geliefert wird.«
»Warum kannst du es nicht bestellen?«
»Ich habe so viel zu tun.«
»Ich auch.«
»Ich bin eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern und einem eigenen Geschäft«, sagte sie abwehrend. »Und außerdem hatte ich die Idee zu dem Geschenk. Ich habe meinen Teil schon beigetragen.«
Natürlich hatte sie recht. Und Mum würde begeistert sein. Amy hatte sich daran erinnert, dass der Griff ihres Nähkästchens abgebrochen war und nur noch mit Klebeband hielt. Dad hatte es ihr vor zwanzig Jahren gekauft, und sie hatte auf keinen Fall ein neues haben wollen. Aber Amy vermutete, dass sie einen Ersatz von ihren Mädchen zu schätzen wissen würde.
»Und? Was trägst du?«, sagte sie und sang ihre Frage beinah.
»Schwarze Hose und grünen Pullover. Wieso?«
»Nein, Dummerchen. Nicht jetzt. Bei deinem wichtigen Essen heute Abend mit Charlie.«
»Wieso weißt du davon?«
»Hat Mum mir erzählt.«
»Es ist nur ein Abendessen«, sagte ich, während ich meine und Charles' Initialen auf den Notizblock kritzelte und einen Kreis darum malte.
»Nein, stimmt nicht. Es ist euer Dreijähriges, und er lädt dich ins Chez Pierre ein. Ich habe nachgeschaut. Da muss man drei Monate im Voraus buchen. Er wird dir einen Heiratsantrag machen.«
Okay. Das war Grund Nummer drei für meine mangelnde Konzentration. Die ganze Woche hatte Charlie überall in unserer Wohnung Zettel hinterlassen, die mich an das Essen erinnern sollten. Sein heutiger Hinweis lag auf seinem Kopfkissen, als ich aufwachte. Er hatte besonders früh im Gericht sein müssen, so dass ich ihn vorher nicht mehr gesehen hatte. Die Nachricht stand auf einem herzförmigen Klebezettel und lautete: Heute ist die Nacht der Nächte. Wir treffen uns im Restaurant. Ich liebe Dich!
»Hör auf mit dem Spekulieren, Schwesterlein. Charlie hat sich geschworen, nie zu heiraten. Wir gehen einfach nur schön essen.«
»Ach ja, hab vergessen, dass er einst am Altar stehen gelassen wurde. Der Ärmste.« Sie lachte.
»Amy!«, sagte ich in scharfem Ton, ehe mir einfiel, dass meine Bürotür halb offenstand. Draußen hörte ich einige Anwaltsgehilfinnen plaudern und in die Tasten hämmern.
»Sei doch nicht so defensiv, Schwesterlein«, sagte Amy.
»Ich verstehe nicht, wieso Charlie nicht endlich seine eventuellen Bedenken über Bord wirft und aus dir eine ehrliche Frau macht und fertig. Ihr werdet schließlich auch nicht jünger. Er ist immerhin schon über vierzig, und du bist nicht weit von der großen Vier-Null entfernt.«
»Hey, ich bin vierunddreißig. Schönen Dank auch! Wenn also sonst nichts ist …«
»O ja.« Sie kicherte, und der Föhn legte einen Zahn zu. »Ich finde, Barry Junior und Lily würden süßeste Blumenkinder abgeben. Und ich selbst sehe mich als Trauzeugin in Rosa … Egal. Ich höre jetzt besser auf. Mein Vier-Uhr-Termin ist da«, sagte sie.
Ich sah auf die Uhr an der Wand. »Bisschen früh, oder?«
»Nein. Genau pünktlich.«
Ich sah noch einmal hin und stellte fest, dass der zweite Zeiger der Wanduhr immer nur vor und zurück sprang und eine Stunde hinter der Uhr in meinem Computer herhinkte. »Mist. Ich bin zu spät für Liz.«
Nach einer hastigen Verabschiedung und einem vagen Versprechen, ihr später am Abend eine SMS zu schicken, wenn es etwas Neues gäbe, packte ich meine Papiere wieder in ihre verschiedenen Bündel und steckte sie zusammen mit den Konferenzunterlagen in die Tasche. Ich würde nach dem Treffen mit Liz irgendwie noch etwas Zeit herausschlagen müssen, um mich vorzubereiten.
Als ich die Kanzlei verließ, machte die Sonne gerade einen tapferen Versuch, die Wolken zu durchbrechen, und auf dem Bürgersteig lagen noch Überreste vom Schnee der vergangenen Nacht.
In meiner Handtasche summte das Handy. Ich fischte es heraus. Liz.
Verspreche, dass ich da sein werde.
Ich lächelte und schickte ein Daumen-hoch-Emoji los, bevor ich das Handy in meiner hinteren Hosentasche verstaute.
Um mich gegen die Kälte zu wappnen, die an meinen Händen nagte, zog ich meine Handschuhe an und wickelte mich fester in meinen Schal. Als ich von der Middle Temple Lane ins Victoria Embankment einbog, beschleunigte ich das Tempo.
Ein Pling kündigte eine Nachricht auf dem Handy an. Es war Liz.
Wird etwas später werden.
Wie spät? Bist Du schon aus dem Haus?, tippte ich zurück.
Keine Blitzantwort von Liz.
Ich ging an der Themse entlang und durchquerte die U-Bahnstation Embankment. Als ich auf der anderen Seite in der Villiers Street wieder herauskam, pfiff mir ein heftiger kalter Wind um die Ohren. Ich betrat das Café d' Amour an der Ecke, und mein Herz stolperte. Ich fing an zu zittern und versuchte mit aller Gewalt, die Erinnerung an jenen Tag von vor vierzehn Jahren zurückzudrängen. Ich schloss ganz kurz die Augen, und alles war wieder da, so dass ich sie sofort wieder aufriss. Wieso um alles in der Welt tauchte jene Zeit jetzt plötzlich wieder auf?
Das Café war voll, aber an einem Tisch am Fenster packte jemand gerade seine Sachen zusammen, weswegen ich mich so lange dort postierte. Als ich endlich saß, wartete ich auf das Erscheinen von Liz und Maddy. Minuten vergingen.
Ich holte mein Handy heraus, um sie anzurufen. Ich wählte Liz' Nummer und ließ es sehr lange läuten – bis schließlich ein dumpfes Geräusch zu hören war.
»Liz?«
Ein Schluchzer. Dann noch einer. Gefolgt von einer wimmernden Maddy im Hintergrund.
»Liz, was ist los? Ist alles in Ordnung?«
»Ich. Kann. Das. Nicht.«
»Liz, was ist passiert? Hol erst mal tief Luft. Sag, geht es Maddy gut?«
Es kam keine Antwort, nur noch mehr Schluchzen und heiseres Einatmen.
»Ich kann dich nicht verstehen, Liz.«
»Ich kann nicht nach Charing Cross kommen«, heulte sie. »Ich habe noch nicht mal das Haus verlassen. Sie hört einfach nicht auf zu weinen. Bitte, Abs. Bitte, komm her.«
Ich hielt kurz den Atem an und dachte an all die Dinge, die ich vor dem Abendessen noch zu Hause zu tun hatte. Es war zwanzig vor fünf. Das Essen war um acht. Doch diese Gedanken lösten sich umgehend in Luft auf.
»Natürlich komme ich. Ich bin so schnell ich kann bei dir«, sagte ich.
»Danke, Abs. Und bring was zu essen mit. Ich bin am Verhungern.«
Ihre Stimme klang einen Tick erleichtert, und das deutete ich als ein gutes Zeichen.
Etwa eine halbe Stunde später klingelte ich an Liz' Haustür in Notting Hill und wurde von einem tränenverschmierten Gesicht empfangen.
Das beinah ununterbrochene Geschrei von Baby Maddy war bis in den Flur zu hören. Liz warf die Arme um mich und barg ihren Kopf an meiner Schulter.
»Nur keine Panik. Aber wenn du mich nicht reinlässt, fällt mir das Gebäck noch vor deiner Türschwelle hin.«
Sie ließ mich los, und ich folgte ihr ins Wohnzimmer. Maddy lag in ihrem Babykörbchen und wedelte mit Armen und Beinen. Der Wohnzimmertisch war übersät mit Salben, Windeln, Babypuder und Kohlblättern. Liz war noch im Nachthemd mit locker übergehängtem Morgenmantel. Ihre widerspenstigen blonden Locken waren ungebürstet.
»Ich koch uns einen Tee«, sagte sie. »Bitte nimm Maddy so lange hoch.« Bevor ich etwas erwidern konnte, war sie in der Küche verschwunden. Ich schälte mich aus meinem Mantel, dann hob ich Maddy, die wild mit den Beinen zappelte, hoch … Was war nur los mit ihr? Ich legte sie mir über die Schulter und streichelte ihren Rücken mit kreisförmigen Bewegungen. Ein Bäuerchen und ein Pups entfuhren ihr, und das Gezappel endete. Und im selben Moment hörte sie auch schon auf zu wimmern.
»Wie zum Teufel hast du das gemacht?«
»Vermutlich hatte sie Luft im Bäuchlein.«
»Stimmt. Du musst eben hierbleiben.«
Ich lächelte und legte Maddy vorsichtig in ihr Körbchen zurück.
»Danke«, sagte ich und nahm den Becher entgegen, den Liz mir hinhielt.
Sie schniefte und putzte sich die Nase, bevor sie einen Schluck von ihrem Tee trank. »Ich habe auch schon versucht, sie zum Pupsen zu bringen. Hab sie gefüttert, gewiegt, zum vierten Mal die Windel gewechselt, aber nichts. Nichts half. Ich habe seit Tagen nicht geschlafen. Mary ist heute Morgen nach Sheffield gefahren, und ich habe ihr versprochen, ich würde zurechtkommen, aber das tue ich nicht. Wo bleibt dieser sogenannte mütterliche Instinkt, der angeblich in dem Moment anspringt, wo es aus deiner Vagina flutscht? Lügen, alles nur Lügen.« Sie schaukelte vor und zurück.
»Na, na«, sagte ich und drückte ihre Hand. »Alles in Ordnung, ich bin hier. Ich kann bleiben. Alles wird gut. Nimm etwas Kuchen.«
Liz biss in ein Blätterteig-Teilchen. »Das ist göttlich, danke, Abs«, murmelte sie, während ihr Krümel aufs Kinn fielen. »Ich habe mir nicht vorgestellt, dass es so hart sein würde. Mary tut, was sie kann, aber ich glaube, sie erwartet, dass ich immerzu weiß, was ich zu tun habe. Aber das stimmt nicht. Und ich habe schon angefangen, die Tage zu zählen, bis ich wieder arbeiten gehen kann.«
Ein Schrei zerriss die Luft. Eine Pause, dann ein noch lauterer.
»Siehst du!«, sagte Liz, ließ ihr Teilchen auf einen Teller mit einem halb gegessenen welkenden Sandwich fallen. »Nicht mal fünf verdammte Minuten.«
Ich blickte Liz an und wartete, aber sie nahm Maddy nicht hoch. Sie schien gelähmt.
»In Ordnung, ich nehme sie«, sagte ich.
Ich hielt Maddy wieder in derselben Weise und schaukelte sie genau wie vorher. Körperliche Äußerungen kamen erneut aus beiden Öffnungen, und sie schloss die Augen.
»Ich lasse sie noch eine Weile an meiner Schulter«, sagte ich.
Liz nickte, und die Panik in ihren Augen schien zu verschwinden. »Bist du sicher? Mir tun immer die Arme weh, wenn ich sie eine Zeitlang getragen habe. Gestern kam die Schwester vom Gesundheitsamt und sagte, sie wiege fast zwölf Pfund. Sie ist ein Kraftpaket.«
»Ich denke schon, dass ich zwölf Pfund ein paar Minuten lang stemmen kann. Ich erinnere mich, dass ich beinah dreißig auf dem Rücken trug, als dieser Bus uns während unserer Interrail-Tour beinah drei Kilometer vor dem Bahnhof von Zagreb absetzte.«
Liz ließ sich auf dem Sofa nach hinten fallen. »Himmel, ich erinnere mich. Du hast mich verflucht, weil ich den Fahrplan falsch gelesen habe.« Plötzlich erschien ein Lächeln auf ihrem Gesicht. »Ich weiß.«
»Was?«
Sie ging nicht darauf ein, sondern trottete in ihren Pantoffeln davon.
Maddy gluckste. Doch als ich ihr in die blauen Augen schaute, während ich sie weiter wiegte, breiteten sich tief in meinem Innern eine große Leere und Traurigkeit, aus.
»Hier!«, rief Liz plötzlich von der offenen Tür und schwenkte ein Fotoalbum mit einer Palme auf dem Einband. »Bitte sag, dass du noch ein bisschen bleibst. Wollen wir es uns nicht gemeinsam ansehen? Das haben wir seit Jahren nicht mehr gemacht.«
Ich wusste ganz genau, was darin war – und dass dort, wo sie es geholt hatte, noch drei weitere Alben standen. Sie enthielten Fotos aus unserer Interrail-Zeit, nachdem wir das Examen bestanden hatten.
Auf der Uhr an der Wand war es halb sechs. Tick-tack. »Ich würde gern, aber ich gehe heute Abend mit Charlie essen.« »Ach ja, das hatte ich ganz vergessen«, sie presste das Album an ihre Brust. »Es ist nur …« Sie biss sich auf die Unterlippe. »Ich würde jetzt nicht gerne allein sein«, sagte sie fast flüsternd. Ich sah ihr flehendes Gesicht:
»Okay, meinetwegen ein oder zwei Alben.«
Als wir auf der letzten Seite des vierten Albums angelangt waren und Geschichten und Erinnerungen an verrückte Eskapaden während unserer Reisen ausgetauscht hatten, merkte ich, dass Liz die Augen zufielen.
Maddy rührte sich in ihrem Körbchen und stieß einen vertrauten rauen Schrei aus. Es dauerte nicht lange, bis er zu einem regelrechten Geheul anschwoll.
»Ich sollte sie wohl stillen«, sagte Liz. Als sie Maggy an die Brust legte, verzog sie das Gesicht und kniff die Augen zusammen.
»Tut das weh?«
»Das ist die Brustdrüsenentzündung. Ist immer noch nicht vorbei. Der Arzt hat mir Antibiotika verschrieben, aber die wirken nicht. Los, komm, los, komm«, bat Liz und versuchte, die Brustwarze in Maddys Mund zu schieben. »Nein, nicht da, hier.« Sie stieß einen tiefen Seufzer aus.
»Soll ich dir noch was bringen, bevor ich gehe?«
»Ja, bitte. Ein großes Glas Wasser wäre toll.«
In der Küche konnte ich hören, wie Maddy wieder loslegte.
Als ich zurückkam, saß Liz, den Kopf zwischen den Händen, mit bebenden Schultern auf dem Sofa. Maddy lag wieder im Körbchen und warf sich hin und her.
»Was ist passiert?«
Liz blickte mich traurig an, in ihren Augen glitzerten Tränen. »Warum kann sie mir nicht sagen, was sie will?«
Ich stellte das Glas auf den Tisch und nahm Maddy wieder hoch. Sie kuschelte sich fast augenblicklich in meine Arme.
»Ich … ich kann nicht …« Liz rang keuchend nach Atem.
»Alles gut, Liz. Hier.« Ich nahm die Papiertüte, schüttelte die Krümel raus und reichte sie ihr. »Atme da hinein.«
Die Tüte blähte und leerte sich in schnellem Wechsel. Liz hielt sie so fest, dass ich fürchtete, sie würde zerreißen. Ein aus, ein aus. Langsam wurde ihr Atem ruhiger, bis er sich ganz normalisierte. Sie nahm die Tüte vom Mund.
»Was ist bloß los, Abs? Es sollte doch einfacher sein.«
Ich blickte forschend in ihre Haselnussaugen und versuchte, die richtigen Trostworte zu finden. Sie strich die Tüte glatt und fing an, sie immer kleiner zu falten, als wollte sie sie ganz verschwinden lassen.
»Ich habe Angst, Abs«, sagte sie schließlich. »Heute früh habe ich ernsthaft daran gedacht, wegzugehen und Maddy alleinzulassen. Ich wusste, du würdest dir Sorgen machen und schließlich herkommen. Du weißt ja sogar, wo der Ersatzschlüssel liegt. Ich wäre am liebsten ins Auto gestiegen und weggefahren, obwohl ich noch nicht mal so einen verdammten Führerschein habe.« Sie stieß einen Laut aus, der wie Lachen mit einem Schuss Trauer darin klang. Ihre Augen schwammen.
Ich nahm ihre Hand. »Ich bin keine Expertin, Liz. Aber ich glaube, du brauchst jemanden, mit dem du reden kannst. Deinen Hausarzt, deine Mum –«
»Auf keinen Fall, ich rufe sie nicht an.« Liz schüttelte heftig den Kopf.
»Ich bin okay.« Sie lächelte matt. »Ich vermisse einfach Mary, das ist alles. Und das Letzte, was ich brauche, ist Mum. Wenn sie kommt, wird sich alles wieder nur um sie drehen. Ich bin sicher, es kommt nicht mehr vor«, erklärte sie und griff nach der Papiertüte. »Ich habe ein neugeborenes Baby, Himmeldonnerwetter! Wie nennt man das noch mal? Baby-Blues. Das sagte die Hebamme nach ihrem ersten Kontrollbesuch. Alles völlig normal, Abs. Wart ab, bis du dran bist. Dann wirst du schon sehen.«
Ein Schauer überlief mich, und ich schüttelte das unangenehme Gefühl ab. Maddy zappelte in meiner Armbeuge.
»Sie ist hellwach«, sagte Liz gähnend. »Vielleicht möchte sie ein bisschen in ihrem Kinderwagen umhergefahren werden. Wir waren heute noch gar nicht draußen, und es ist schon dunkel.« Sie streichelte ein paar Härchen auf Maddys Kopf, und riss plötzlich die Augen weit auf.
»Wie wäre es, wenn ich kurz mit ihr rausginge? Dann kannst du ein kleines Nickerchen machen. Danach wirst du dich viel besser fühlen.«
»Wirklich? Das würdest du tun?«
Ich sah wieder zur Uhr an der Wand. Halb sieben. Keine Zeit, zum Umziehen nach Hause in die Baker Street zu gehen und anschließend zurück nach Piccadilly. Aber Zeit genug für einen kleinen Spaziergang mit Maddy und einen Kleiderwechsel hier.
»Natürlich«, sagte ich. »Es macht ihm nichts, wenn ich etwas zu spät komme. Vielleicht könnte ich hier duschen, mir etwas aus deinem Kleiderschrank borgen und deinen Make-up-Vorrat plündern.«
»Alles was du willst. Ich lege dir ein paar Sachen hin.«
Maddy schlief auf unserem Spaziergang ziemlich schnell ein, und ich machte bald wieder kehrt. Ich schob den Wagen ins Wohnzimmer, dämpfte das Licht und entfernte die Schutzhülle des Wagens.
Auf Zehenspitzen stieg ich die Treppe hoch, blieb jedes Mal stehen, wenn eine der Holzstufen unter dem Treppenläufer knarrte, und wollte Liz sagen, dass ich jetzt duschen würde. Aber sie hatte sich fest in ihrem Bett zusammengerollt und schnarchte laut.
»Liz«, flüsterte ich und stupste sie leicht am Arm. »Liz.«
Keine Reaktion. Da lag sie nun, hatte sich komplett ausgeklinkt und endlich fallen lassen. Natürlich konnte ich Maddy keinesfalls unten allein lassen, ohne Liz Bescheid zu sagen. Ihre Panikattacke beunruhigte mich.
Ich schlich mich zurück in die Küche und holte mein Handy hervor. Bei Charlie sprang sofort die Mailbox an.
»Hallo, ich bin's«, sagte ich. »Ich bin bei Liz. Sie hat Probleme mit Maddy, und ich mache mir echt Sorgen um sie. Hab versprochen, noch etwas zu bleiben. Sie ist eingeschlafen, und ich kann jetzt nicht gehen. Es tut mir so leid.« Ich seufzte tief. »Ich fürchte, ich schaffe es nicht zum Essen. Ich bin wahrscheinlich noch eine Stunde weg, höchstens zwei. Vielleicht können wir später noch etwas bei Seymour's bestellen, einen Nachthappen sozusagen. Ach, und ich habe vergessen, dir zu erzählen, dass Mary mich gebeten hat, morgen und Sonntag bei einer Einwanderungskonferenz in Paris für sie einzuspringen. Mein Zug geht mittags, da können wir noch in Ruhe gemeinsam frühstücken. Hab dich lieb. Es tut mir wirklich leid.«
Ich spürte ein Gefühl der Enttäuschung, aber war da nicht auch ein Hauch von Erleichterung? Ich legte mein Handy auf den Küchentisch und schaute in Liz' Kühlschrank. Eine halb volle Flasche Rosé stand im Türregal. Ich goss mir ein Glas ein und nahm einen großen Schluck. Himmel, tat das gut!
Was nun? Ich hatte etwas Zeit gewonnen, um zu arbeiten. Aber allein bei dem Gedanken an die bevorstehende Verhandlung und die Konferenz bekam ich Kopfschmerzen. Ich entdeckte eine Schachtel Paracetamol neben dem Brotkasten und schluckte zwei.
Ich ließ mich mitsamt Paris-Umschlag und Unterlagen im Wohnzimmer aufs Sofa sinken und stieß dabei das letzte Fotoalbum, das wir durchgeblättert hatten, vom Tisch.
Als ich es aufhob, fiel ein Foto heraus. Es war eins von mir. Das letzte, das Liz in Bulgarien gemacht hatte – der vorletzten Station unserer Reise –, bevor sie ganz plötzlich nach Hause musste. Ihre Mum hatte sie gebraucht, und Liz hatte ihr nie verziehen, dass sie ihr das Ende der Ferien verdorben hatte.
Ich strich über das Foto. Ein dämliches Grinsen hatte sich auf meinem Gesicht ausgebreitet, und in der Hand hielt ich einen Reiseführer der letzten Station, die Liz, ohne sie mir vorher zu verraten, gebucht hatte. Was hatte ich in jenem Moment empfunden? Die Fahrt, die vor mir lag, war lang, und ich würde sie allein unternehmen – als »einmaliges Abenteuer«, hatte Liz sie bezeichnet. Aber wenn ich gewusst hätte, was passieren würde, nachdem ich erst einmal dort war, wäre ich dann überhaupt losgefahren?
Juni
Seine Finger streichelten meine Wange und wanderten über meine Schulter zu meinem Arm. Küsse auf meine Lippen lockten mich noch weiter aus meinem Schlaf.
»Wach auf, Abbie«, sagte er.
»Wie spät ist es?«, murmelte ich, weil ich noch keine Lust hatte, die Augen zu öffnen. Meine anderen Sinne waren allerdings schon erwacht: das Gefühl des weichen Baumwolllakens, das unsere nackten Körper umhüllte, der Duft seiner Haut – eine Mischung aus Rasiercreme und Zitrusaroma, seine Stimme – die mich jedes Mal anrührte, wenn er ganz gewöhnliche Wörter aussprach, und der Geschmack seiner Küsse – immer süß.
»Es ist Zeit aufzuwachen«, sagte er.
Ich stöhnte, kehrte ihm den Rücken zu und machte vorsichtig ein Auge auf. Die Laternen draußen schickten ihre Strahlen durchs Fenster ins Zimmer. Wir hatten es gestern Abend nicht einmal geschafft, die Fensterläden zu schließen. »Nein. Es ist doch noch dunkel.«
Er rückte in Löffelchenhaltung ganz nah an mich, legte seine Hand auf meinen Bauch und ließ seine Finger kreisen. Bei der Berührung begann es in mir zu kribbeln. Vielleicht wollte er mich zu einer Wiederholung der nächtlichen Exzesse anstacheln.
»Es ist fünf, und ich möchte dich an einen Ort bringen«, flüsterte er mir ins Ohr und streifte es mit seiner Nase.
»Dann stehe ich auf keinen Fall auf. Wir sind doch erst vor wenigen Stunden weggedämmert. Schlaf wieder ein.«
»Ich habe nicht geschlafen. Ich habe Jahre gewartet, wieder in deinen Armen zu liegen, und ich werde keine einzige Minute mit Schlafen vergeuden.«
Bei seinen Worten schmolz ich dahin, nahm seine Hand von meinem Bauch und hielt sie mir an die Lippen.
Er küsste meinen Nacken und die Schulter und zog mich wieder an sich. »Bitte, Abbie. Ich möchte dir etwas zeigen, aber wir müssen schnell sein. Wir können dann im Auto schlafen.«
Ich blinzelte, dann öffnete ich die Augen und musste sofort lächeln. Ich war noch nie neben ihm im Bett aufgewacht, und mein Herz sang, als ich sein Gesicht betrachtete: diese Augen, dieses Lächeln.
»Einverstanden«, sagte ich in versöhnlichem Ton. »Aber kann ich wenigstens noch in mein Zimmer und mich umziehen?«
»Dazu ist keine Zeit. Die Sachen von gestern sind in Ordnung.«
Er stieg aus dem Bett, und ich nahm seine Nacktheit in mich auf, seine Armmuskeln, als er sich reckte, seine glatte olivfarbene Haut. Ich wollte nicht, dass er sich anzog. Er sollte zurück ins Bett und in meine Arme kommen, mich noch einmal lieben. Er wühlte in seinem Koffer und zog ein blütenweißes T-Shirt heraus.
»Hier.« Er reichte es mir. »Das kannst du über dein Kleid ziehen. Es wird dich in der Morgenbrise wärmen.«
Ich kroch aus dem Bett und zog mich ebenso schnell an wie er. Dann führte er mich an seiner Hand aus dem Hotel und nahm auf dem Weg nach draußen noch ein Päckchen vom Rezeptionstresen. »Für später«, sagte er, als ich nach dem geheimnisvollen Inhalt fragte.
Und dann führte er mich zurück zu der Stelle, wo wir am vergangenen Abend so leidenschaftlich diskutiert hatten – zu den Felsen am Meer, wo er mir gesagt hatte, er habe niemals aufgehört, an mich zu denken, und er sei froh, dass das Schicksal uns wieder zusammengebracht habe.
Jetzt waren weniger Menschen am Wasser, was angesichts der frühen Stunde kein Wunder war; einige hatten Angelruten dabei, andere hielten dampfende Becher in der Hand und plauderten leise in fremden Sprachen. Die einzige Beleuchtung stammte von Lampen, die in regelmäßigen Abständen die Promenade säumten, und vom ersten Morgenlicht.
Er packte meine Hand fester, als ich über das Geländer stieg, und zog mich neben sich auf den Felsen. Gischt spritzte gegen unsere Beine.
»Ist dir kalt?«, fragte er.
»Nein, mir geht's gut.« Mein Körper stand noch in Flammen vom Sex, und ich wünschte mir, dieses Glühen würde nie erlöschen.
Er schlang seine Arme um mich, und ich lehnte mich zurück und ließ den Kopf an seine Schulter sinken.
»Jede Minute jetzt. Siehst du?« Er zeigte irgendwohin in die Ferne. »Der Leuchtturm hat in der Nacht geleuchtet, um die Boote zu schützen, die in den Hafen kommen, und … da.«
Ich strengte meine Augen an, und mit einem Mal ging das Licht aus, und am Horizont explodierte ein orangefarbenes Feuer, das über das Wasser tanzte und sich an den Felsen brach. Der Anblick raubte mir buchstäblich den Atem. Er drückte mich noch fester an sich.
»Ich möchte mich nicht von der Stelle rühren, niemals.« Ich konnte sein Gesicht nicht sehen, aber sein Lächeln hinter mir spüren. »Aber zu einem Kaffee irgendwann würde ich nicht nein sagen.« Ich drehte mich zu ihm um und grinste. Ich hatte gesehen, wie ein paar Kioske an der Promenade schon öffneten und Menschen unterwegs waren, um sich ihr Frühstück zu besorgen.
»Dein Wunsch ist mir Befehl.«
Er löste sich aus unserer Umarmung, griff nach seinem Rucksack und zog das Päckchen heraus, das der Portier ihm übergeben hatte. Eine Thermosflasche und ein Teller mit Gebäck kamen zum Vorschein. Und wie auf Kommando begann mein Magen zu knurren.
»Oh, du bist ein Gott.« Ich lächelte, während ich die Tasse mit beiden Händen umfasste und er das Gebräu einschenkte. Es war starker dunkler Röstkaffee – nicht das, was ich gewöhnlich trank, aber er passte perfekt zu diesem Ort und hatte einen süßen Nachgeschmack. Wir teilten uns Kaffee und Gebäck in schweigender Kameradschaft.
»Was sollen wir denn den anderen sagen, wenn sie dich abholen?«, fragte ich nach einer Weile. »Wie erklären wir das hier und die Tatsache, dass ich mitkommen werde?«
»Müssen wir das?«
Ich kaute an einem Bissen Croissant und schüttelte den Kopf.
»Lass uns unser Geheimnis jetzt noch für uns behalten«, sagte er. »Wir können sagen, wir haben uns beim Frühstück getroffen und ich habe dich überredet mitzufahren. Bevor ich es vergesse …« Aus der Tasche seiner Shorts zog er sein Handy. Er hielt es mir im Selfiemodus hin, und ich sah uns im Bild – die Sonne beleuchtete unsere Gesichter, unser Lächeln verriet pures Glück. »Ich möchte dir dies schicken, damit du meine Nummer hast. Ich möchte niemals, dass wieder so viele Jahre vergehen.«
Ich tippte die Nummer in das Handy und drückte auf Senden.
Als wir unser Frühstück restlos vertilgt hatten, nahm er meine Hand in seine.
»Abbie«, flüsterte er und rückte wieder näher. »Dieser Augenblick ist wie ein Traum. Ich fühle mich das erste Mal seit Jahren lebendig.« Er sah mich fest an, und sofort bannte mich erneut der magische Zauber seiner Augen.
Er berührte meinen Mund mit seinem. Seine Lippen waren warm von der heißen Flüssigkeit, und der Geschmack seiner Zunge war exotisch und passte zu dieser verrückten Stadt – einer Stadt der Kontraste, eines Schmelztiegels –, einem Ort, den ich unbedingt wieder besuchen wollte, mit ihm.
Anfangs waren die Küsse sanft, dann wurden sie drängender, forschend. Ich stöhnte, als seine Hände mich fester packten und unsere Körper noch enger verschmolzen.
Konnte er hören, wie stürmisch mein Herz unter seinem T-Shirt klopfte? Wusste er, wie sehr ich ihn erneut begehrte? Meine Gedanken kristallisierten sich zu einer Erkenntnis: Er war in meine Seele eingedrungen, und es gab keinen anderen Menschen, mit dem ich für immer zusammen sein wollte, nur ihn.
»Abbie?«
»Hmm.«
»Abbie, wach auf.«, sagte Liz.
»Wie spät ist es?«, murmelte ich benommen und versuchte, meine Augen auf ihr Gesicht zu konzentrieren.
»Halb sechs morgens.«
»Was?« Ich schoss hoch, sah das leere Weinglas auf dem Tisch und Tageslicht, das durch die Jalousien drang. Eine Decke hatte sich um meine Taille verheddert, und mein Magen knurrte hörbar. »Was ist passiert?«
»Ich glaube, du hattest einen Orgasmus im Schlaf.«
Ich blickte sie fragend an.
»Du hast geächzt und gestöhnt. Musst wohl geträumt haben.«
»Wie kann es schon Morgen sein? Warum hast du mich gestern Abend nicht geweckt?«
»Ich bin gegen zehn heruntergekommen, und du hast tief und fest geschlafen; ich hab sogar versucht, dich wachzurütteln. Dann habe ich Maddy zu mir ins Zimmer hochgenommen, als sie sich rührte.«
Ich löste meinen Knoten im Nacken, fuhr mir mit den Fingern durchs Haar und versuchte, die kleinen Nester aufzudröseln.
»Wie um Himmels willen habe ich nur so fest schlafen können? Ich weiß noch, dass ich mir ein Glas Wein eingeschenkt und ein paar Paracetamol genommen habe, die ich in der Küche fand, und mich dann hier hingesetzt habe, um zu warten, bis du aufwachst.«
»Die Pillen neben dem Brotkasten?« Sie schüttelte den Kopf wie eine Mutter, die ihr Kind schilt. »Das ist Marys Kodein. Sie hat eine Schachtel dagelassen. Sie hat ein kaputtes Knie. Lieber Himmel, Abs. Ich wusste nicht, dass wir schon jetzt alles kindersicher machen müssen.«
»Oh, Charlie!« Ich nahm mein Handy vom Sofatisch und sah zwei verpasste Anrufe und drei Kurznachrichten von ihm.
»Alles in Ordnung. Er hat gestern Abend hier angerufen, und ich habe ihm erklärt, dass du hier schläfst.«
»War er wütend? Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich das Essen abgesagt und ihm versprochen habe, in ein, zwei Stunden zu Hause zu sein.«
»Natürlich war er nicht wütend. Charlie ist der verständnisvollste Typ, der mir je begegnet ist. Es gibt buchstäblich nichts, womit du ihn verärgern könntest.«
Ich ruckte mit dem Kopf, weil ich mir den Nacken verrenkt hatte, und rieb mir den Nasenrücken.
»Alles in Ordnung, Abs?«, fragte Liz, das Babyphon in der einen Hand, einen Becher Tee in der anderen. »Charlie und du, ihr habt doch keine Probleme, oder?«
»Nein, überhaupt nicht. Ich habe nur in letzter Zeit schlecht geschlafen, und das zerrt an meinen Nerven. Und jetzt ist da noch die Konferenz.«
»Ich geh besser jetzt«, sagte ich. »Ich muss noch für Paris packen.«
»Schon? Willst du nicht noch auf eine Tasse Tee bleiben?« Sie hielt mir den dampfenden Becher unter die Nase.
»Okay, aber nicht lange.« Ich lächelte und nahm einen Schluck, während ich meine Finger an dem warmen Becher wärmte.
Liz sackte tiefer ins Sofa. »Weißt du noch, wie du dir als Studentin in Guilford die Wohnung mit Nada geteilt hast? Und ich dich an vielen Abenden besuchen kam und bei euch übernachtet habe, wenn ich den letzten Zug nach London verpasst hatte?«
Ich lächelte bei der Erinnerung. Nada war eine Studentin aus dem Libanon, die an der Universität von Surrey Journalismus studierte. Wir hatten eine tolle Zeit: Obwohl sie dann nach einem Jahr nach Beirut zurückging, haben wir fleißig Kontakt gehalten, aber ich vermisste sie.
»Ich wünschte, wir könnten die Zeit zurückdrehen«, sagte Liz. »Ich würde vieles anders machen. Ich würde auf keinen Fall mehr bei meiner Mutter wohnen und die Jahre mit all diesen miesen Gelegenheitsjobs verplempern, nur um dann zu glauben, PR zu machen sei der schlaueste Weg. Ich wäre mehr gereist, hätte die Welt gesehen, mich als Freiwillige für Afrika gemeldet oder etwas Ähnliches versucht.«
»Aber am Ende hast du doch deinen Traumjob gefunden.«
»Allerdings zehn Jahre zu spät.«
In den vergangenen vier Jahren hatte Liz in der Kommunikationsabteilung einer Wohltätigkeitsorganisation gearbeitet, die Forschung über Kinderkrankheiten und Probleme bei der Schwangerschaft finanziert. So zufrieden hatte ich sie während ihres ganzen Berufslebens nicht erlebt. Sie erzählte mir von den Familien, denen ihre Organisation helfen konnte. Einige der Geschichten waren auch traurig und kaum zu ertragen.
»Aber wenn du nicht all diese schrecklichen PR-Jobs gehabt hättest, wärst du auch nicht die richtige Person für die jetzige Arbeit gewesen.«
»Kann sein«, sagte sie und drehte das Babyphon in den Händen. Das erwachte plötzlich zum Leben. Sofort wurden ihre Schultern steif, und ihr Atem ging schnell. Sie fing wieder an, genauso panisch und hilflos zu keuchen wie am Tag zuvor.
»Alles gut. Lass sie ruhig ein bisschen weinen«, sagte ich und drehte die Lautstärke herunter. »Vielleicht beruhigt sie sich von allein. Sieh mich an und atme.« Ich nahm ihre Arme, rieb sie langsam und versuchte Liz dazu zu bringen, sich auf mein ruhiges Ein- und Ausatmen zu konzentrieren.
Es vergingen einige Minuten, bis Liz sich wieder gefasst hatte; währenddessen hatte Maddy aufgehört zu jammern.
Liz packte meine Hände. »Bitte bleib, Abbie. Bitte geh nicht.«
Mein Magen zog sich zusammen. Ich hatte Charlie schon zweimal versetzt, und die Bürde der Konferenz und der Fälle in der nächsten Woche drückte schwer auf meine Schultern. Doch nichts von alledem war jetzt wichtig. Es war noch früh, und ich musste spätestens um zehn für meinen Eurostar-Zug in King's Cross sein.
»Ich sehe jetzt oben nach Maddy, und dann mache ich dir einen Tee«, sagte ich. »Aber du musst mir einen Gefallen tun.«
Sie sagte nichts. Ihr Gesicht verriet eine Mischung aus Angst, Sorge und Schmerz.
»Ich kann noch etwas bleiben, aber ich möchte, dass du deine Mum anrufst.«
Diesmal protestierte sie nicht, sondern nickte einfach nur.
Ich wischte die Träne weg, die ihr übers Gesicht rollte, und strich ihr die Locken hinter die Ohren.
Sie griff nach ihrem Telefon, ging die Kontakte durch und tippte auf einen Namen.
»Hallo, Mum. Es tut mir leid, dass es so früh ist. Nein, nein, es geht ihr gut. Aber …« Und das war der Moment, in dem sie den Tränen freien Lauf ließ.
Ich zwickte sie kurz in den Arm, ging aus dem Zimmer und die Treppe hoch.
Ich hatte Liz nicht erzählen wollen, dass ich genau wusste, wovon ich geträumt hatte. Von einer ganz bestimmten Nacht vor Jahren. Einer schicksalhaften Nacht, als … als ich Entscheidungen traf, die mein Leben bestimmen würden. Das Blättern in den Fotoalben musste die Erinnerung hochgeholt haben. Doch was nützte es, jetzt über die Vergangenheit nachzudenken? Dieses ganze Gerede mit Liz darüber, dass man alles anders machen würde. Das Einzige, worauf ich mich jetzt konzentrieren musste, war, Liz die nötige Unterstützung zu geben und dann nach Hause zu jagen und für Wiedergutmachung bei Charlie zu sorgen.
Der Teelöffel klirrte dreimal gegen die Tasse. Sie schepperte, als Charlie sie auf die Untertasse stellte. Es folgte das Rascheln der Zeitung. Er saß am Küchentisch unserer Wohnung. Theoretisch gehörte die Wohnung seinen Eltern – eine Investition, die sie gemacht hatten, als er nach seinem Examen in Oxford ein Jurastudium in London begann –, aber er zahlte ihnen eine symbolische Miete, an der ich mich beteiligte, seit ich vor einem Jahr dort eingezogen war.
»Hallo«, sagte ich.
Charlie zuckte zusammen und blickte sich um. »Himmel, hast du mich erschreckt. Hab gar nicht gehört, dass du reingekommen bist.« Er stand auf und streifte meine Lippen mit seinen. »Komm, setz dich.« Er zog mich auf seinen Schoß.
Ich legte ihm die Arme um den Hals, sank an seine Brust und spürte seine Wärme. »Es tut mir so leid wegen gestern Abend und dass ich nicht nach Hause gekommen bin«, murmelte ich und pflanzte einen Kuss neben seinen Adamsapfel. Dabei konnte ich den angenehmen Duft seines Duschgels riechen, und das war tröstlich.
Er lehnte sich etwas zurück und streichelte meine Wange. »Das ist nicht wichtig. Aber ich habe mich so um dich gesorgt. Als ich im Restaurant deine Nachricht bekam, bin ich sofort nach Hause gefahren und habe gewartet und versucht, dich anzurufen, dann habe ich dir Textnachrichten geschickt. Zum Glück hat Liz abgenommen, als ich bei ihr anrief.«
Seine grünen Augen unter den Brillengläsern weiteten sich voller Sorge. Ich mochte es, wenn ihm eine sandblonde Locke über den schwarzen Rahmen fiel oder wenn er die Brille abnahm und gedankenverloren an einem Bügel kaute.
»Das war ein blödes Versehen«, sagte ich. »Ich habe zufällig Marys Kodeintabletten erwischt und sie zusammen mit Wein genommen. Ich habe mich buchstäblich selbst außer Gefecht gesetzt, und Liz konnte mich nicht wachkriegen. Du hast aber doch wenigstens meine SMS heute Morgen bekommen?«
»Dass du bei Liz bleibst, bis ihre Mutter kommt?«
»Ja. Es hat sie eine Menge Mut gekostet, sie anzurufen. Die beiden haben immer noch ein gespanntes Verhältnis. Ohne Mary ist es für sie auch so schon hart.«
»Wollen wir ihr am Wochenende nicht ein paar Blumen schicken lassen, um sie aufzuheitern.«
Ich nahm sein Gesicht in beide Hände. »Das ist wirklich sehr aufmerksam«, sagte ich, beugte mich vor und gab ihm einen langen Kuss. »Ich liebe dich, Charlie Logan.«
»Gleichfalls, Abigail Jones.« Sein Lächeln wurde breiter.
»Es tut mir wirklich leid, dass ich unser Jubiläumsessen verpasst habe, ich hatte mich so darauf gefreut.« Ich schob meine Unterlippe vor.
»Du musst dich nicht entschuldigen. Es war doch nur ein Essen. Wir können jederzeit hingehen.«
Ich entzog mich seiner Umarmung und faltete die Hände im Schoß. »Ich dachte, man müsse drei Monate vorher buchen.«
»Woher hast du das denn?«
Ich beschloss, ihm nicht zu verraten, was Amy spekuliert hatte. »Ich glaube, jemand auf der Arbeit sprach davon. Das war also … gar kein besonderer Abend?« Ich runzelte die Stirn.
Er nahm meine Hände und drückte sie. »Natürlich wäre es etwas Besonderes gewesen. Jedes Zusammensein mit dir ist etwas Besonderes. Aber es ist kein Drama, dass wir nicht dort waren.«
»Oh.« Ich versuchte, nicht enttäuscht zu klingen, stand auf, ging zum Spülbecken und füllte den Wasserbehälter der Kaffeemaschine. Ich legte ein Kaffeepad ein, drückte die Taste und wartete, dass sich mein Becher mit Espresso füllte.
»Soll ich dir ein Frühstück machen?«, fragte Charlie.
»Das wäre toll. Ich muss noch packen und meine Papiere ordnen.« Die Kaffeemaschine stoppte mit einem Zischen, und ich genoss den Duft nach gerösteten Bohnen, ehe ich den Dampf wegpustete und einen Schluck trank. »Ich kann gar nicht glauben, dass ich nach Paris komme.«
»Ich auch nicht. Ich werde dich schrecklich vermissen.«
»Warum kommst du nicht mit? Das wäre doch wunderbar. Nach dem Essen heute Abend gibt es etwas freie Zeit. Da könnten wir doch eine nächtliche Sightseeingtour machen.«
»Ich wünschte, das ginge. Aber der Prozess gestern verlief nicht ganz wie geplant. Ich muss mich morgen …ähm … mit dem Anwalt treffen und noch einige Punkte durchgehen.«
»An einem Sonntag?«
Er zuckte die Achseln. »Ich kann es mir nicht leisten, dass der Montag ebenso läuft.«
Körperschaftsrecht war Charlies Fachgebiet, und er hatte sich auf diese spezielle Verhandlung monatelang vorbereitet. Er war zwei Jahre vor Mary in die Greencourt-Kanzlei eingetreten, aber seine Bewerbung als Kronanwalt war im vergangenen Jahr abgelehnt worden, und es war mir nicht entgangen, dass er seitdem Überstunden machte und noch mehr Fälle übernahm, um einen zweiten Versuch voranzutreiben.
Ich trug meinen Becher zum Tisch und setzte mich neben Charlie. »Wie schade. Ich hatte gehofft, du würdest mitkommen, um … na ja, um mich zu unterstützen.«
»Du hast jederzeit meine Unterstützung, Abbie, aber dafür musst du mich nicht physisch neben dir haben. Ich glaube an dich. Du wirst großartig sein. Hat Mary dir erklärt, worum es geht?«
»Sie hat ein Dossier für mich vorbereitet, aber ich hatte bisher keine Gelegenheit, hineinzuschauen, und konnte mich auch noch nicht genügend auf den Prozess am Montag vorbereiten.« Ich rieb mir den Nacken, um die Verspannungen zu lockern. »Hast du übrigens gesehen, wie die ›Anwaltsbibel‹ mich nennt? Zugänglich und geduldig. Nach dieser Beurteilung werde ich wohl kaum mit Anfragen überschüttet werden.«
Charlie zog mich zurück auf seinen Schoß und setzte meinen eigenen kläglichen Versuch mit einer richtigen Massage fort. Er presste die Finger tief in meine Schultern und wanderte dann meinen Nacken entlang. Ich stöhnte vor Entzücken.
»Oh, das tut gut«, sagte ich. »Du hast Hände wie ein … ach, ich weiß nicht, wie ein Zauberer.«
Er lachte leise. »Wir möchten, dass Sie zufrieden sind«, sagte er frech und küsste meinen bloßen Nacken. »Ich finde allerdings, dass du sehr viel mehr als nur zugänglich und geduldig bist.«
»Das sagst du natürlich, weil du mein Liebster bist.«
Ich merkte, wie meine Verspannungen weiter nachließen. »Hmm. Vielleicht könnte ich das Konferenzdossier während der Bahnfahrt lesen«, überlegte ich. »Lieber soll die Massage noch ewig weiter dauern, und außerdem wünsche ich mir etwas Leckeres aus der Pfanne.«
»Betrachte es als erledigt. Und ich kann dir Sonntagabend mit deinen Fällen helfen, falls du ein paar Anregungen brauchst. Natürlich ist es nicht mein Fachgebiet, aber ich weiß ein paar Dinge über die Juristerei.«
Ich blickte ihn über die Schulter an, und er zwinkerte mir spitzbübisch zu.
Ich küsste ihn erneut, warf die Arme um seinen Hals und kippte beinah seinen Stuhl nach hinten, als ich mich rittlings auf ihn setzte. »Du bist ein so fürsorglicher Typ, Charles Fitzpatrick Logan. Und ich werde dich am Wochenende vermissen.« Ich beugte mich vor und küsste ihn energisch auf die Lippen, nahm ihm die Brille ab, wanderte mit dem Mund seinen Hals hinunter und schob die Aufschläge seines Morgenmantels auseinander.
Seine Antwortküsse wurden drängender, und als seine Hände unter meinen Pullover fuhren, jaulte ich auf.
»Das kitzelt.« Ich kicherte und blickte ihm erneut in die Augen. »Ich weiß, dass es albern klingt.« Ich biss mir in die Unterlippe. »Aber … ich dachte, du würdest mir gestern Abend einen Heiratsantrag machen.«
Sein bestürztes Gesicht bestärkte mich nur in dem, was ich seinen vorherigen Bemerkungen entnommen hatte. Ein Heiratsantrag war nie geplant. Es sollte einfach nur ein Essen sein. Ich ließ die Arme sinken.
»Oh, Abbie.« Er hielt inne und setzte die Brille wieder auf. »Es tut mir leid, dass ich diesen Eindruck erweckt habe. Ich hatte einfach gedacht, es wäre nett, wenn wir an unserem Jahrestag mal etwas außer der Reihe machten. Wir hatten beide die ganze Zeit so viel zu tun und haben kaum noch Zeit füreinander gehabt. Da fand ich, es würde Spaß machen, mal etwas eleganter auszugehen.«
»Ja, natürlich, das weiß ich.«
Er setzte sich anders hin, als sei ihm mein Gewicht plötzlich lästig. »Mir gefällt es so, wie es ist, dir nicht auch? Hast du vergessen, was ich vom Heiraten halte?«
»Nein, nein.«
Es stimmte. Wir hatten einmal, da waren wir noch gar nicht lange zusammen, übers Heiraten gesprochen, dabei erzählte er mir, wie seine Freundin aus dem Studium ihn am Altar hatte stehenlassen, um eine Rundreise durch Australien zu machen. Aber dieses Gespräch lag drei Jahre zurück. Und der Vorlauf zu diesem Jubiläum und das, was ich für Charlies versteckte Hinweise hielt, hatten bei mir die Erwartung geweckt, er habe seine Meinung geändert.
Aber Charlie hatte recht. Es lief doch gut zwischen uns. Warum etwas ändern? Eine Heirat würde unweigerlich zum Thema Kinder führen. Und ich wusste nicht, ob ich jemals für diese Auseinandersetzung bereit sein würde.
Charlie schob mich beiseite und erhob sich ungeschickt. Er begann, mit Töpfen und Pfannen zu hantieren, und holte Eier und Speck aus dem Kühlschrank. Das sollte wohl bedeuten, die Diskussion sei beendet. Jetzt würde er allerdings nie erfahren, wie meine Antwort gelautet hätte. Aber wüsste ich sie überhaupt selbst?
Paris. Die Stadt der Liebe, der Leidenschaft und der ungefähr dreihunderttausend Demonstranten. Eine Konferenz ausgerechnet an diesem Wochenende – Frankreich befand sich im Griff einer politischen Bewegung, die für die Rechte der Arbeiter und gegen die Verschlechterung des Lebensstandards kämpfte. Vor meinen Augen wogte ein Meer von Menschen, die meisten in gelben Warnwesten, überall wurden laute Parolen gesungen, die ich nicht verstand. Aber ich war ja auch nie über einen mittleren Abschluss in Französisch hinausgekommen.
Ich war vor einer halben Stunde an der Gare du Nord angekommen und kämpfte mich durch die Mengen von Pärchen, die eingetroffen waren, um ein romantisches Weihnachtswochenende in Paris zu verbringen. Taxis drängelten sich, um Touristen ins Zentrum zu kutschieren, und plötzlich packte mich die Sehnsucht. Charlie und ich waren noch nie gemeinsam in Paris gewesen. Es gelang uns überhaupt nur selten, in unseren Terminkalendern ein paar gemeinsame freie Tage zu finden, und wenn, dann endete es meist damit, dass wir Wanderurlaub in den Highlands machten – die einzige Chance für Charlie, seine Familie zu sehen. Wogegen ich im Grunde nichts einzuwenden hatte. Mir gefiel es dort oben – all die frische Luft, die endlose Weite.
Erregung durchpulste mich: Ich war wieder in Paris. Das letzte Mal war ich auf der Interrail-Reise mit Liz hier gewesen. Damals hieß es für uns allerdings billige Hostels und »All you can eat« für fünf Euro.
Dieses Mal war anders. Ich würde in einem Fünf-Sterne-Hotel absteigen – dem Marriott Rive Gauche –, im vierzehnten arrondissement von Paris, Fahrzeit zwanzig Minuten mit der RER-Express-Linie B von Gare du Nord.
Ich packte den Griff meines kleinen Handkoffers und rückte den Schulterriemen meiner Laptoptasche zurecht. Um mich herum lärmten die Protestierenden.
»Excusez-moi«, sagte ich und versuchte, mir auf der von Bäumen gesäumten Avenue einen Weg durch die Menschenmenge zu bahnen.
Doch es half nichts. Die Menge wurde immer größer statt kleiner. Sobald ich aus der Metro getreten war, stand ich vor einer Mauer von Demonstranten. Die erste Veranstaltung der Konferenz sollte in etwa einer Stunde beginnen, aber wenn ich weiterhin keinen Millimeter vorankam, würde ich sie lieber ausfallen lassen, um rechtzeitig das Hotel zu erreichen.
Dann geschah etwas Seltsames. Es war, als würde sich plötzlich eine Art freie Strecke vor mir öffnen. Die Menschenmenge teilte sich, und ich konnte weit, weit in die Ferne blicken.
Und ich sah sein Gesicht. Ein Gesicht, das ich nie vergessen würde. Ich öffnete den Mund, um seinen Namen zu rufen, aber mir blieb der Atem weg. Und schon war er verschwunden. War es ein Traum gewesen?
Bewegung kam in die Menge, und er war wieder da – es war also kein Traum. Doch er war zu weit weg, er würde mich nicht hören. Ich tastete in meiner Handtasche nach dem Inhalator. Nachdem ich die Medizin eingeatmet hatte, wurde mein Kopf wieder klar. Marschierende Protestler rempelten mich an. Ich stand da wie angewurzelt.
War es Verhängnis oder Schicksal? Wer hätte das sagen können?
Und dann drehte er sich um, und unsere Augen begegneten sich. Braun traf Karamell mit Sprenkeln von leuchtendem Orange. Das Bild seiner Augen hatte sich für immer in mein Gedächtnis eingebrannt.
Die Gesänge der Demonstranten beruhigten sich; ich hörte nur noch das Klopfen meines Herzens.
Es war, als würde ich durch einen Tunnel in die Vergangenheit gesogen. Erinnerungen tauchten auf, an die auf keinen Fall gerührt werden durfte.
Er lächelte – jenes vertraute Lächeln, und ich schloss für eine Sekunde die Augen. Als ich sie wieder öffnete, war er verschwunden.
Februar
»Wo bleibst du, Liz? Wenn ich es nicht bis zwei Uhr zum Hyde Park schaffe und die Reden hören kann, bin ich aufgeschmissen. Es ist schon halb zwölf.«
Ich beendete das Gespräch und sah, dass nur ein einziger Balken auf meinem Mobiltelefon wie ein Sprengzünder aufleuchtete. Na, prima! Ich schob es zurück in meine Manteltasche. Es war die dritte Nachricht, die ich ihr hinterließ.
Hinter mir quollen Menschenmassen aus den Tiefen des U-Bahn-Schachts von Charing Cross. Aus einem Lautsprecher forderte John Lennons Lied alle auf, dem Frieden eine Chance zu geben. Vor mir hatte ich ein Meer von Plakaten – es schienen Tausende zu sein – und ich konnte auch einen kurzen Blick auf die Statue von Charles I. werfen, hoch zu Pferd auf dem Trafalgar Square. Das Fehlen von roten Doppeldeckerbussen und schwarzen Taxis war auffällig. Die Straßen waren von den Menschen übernommen worden.
Ich sah auf die Uhr. Fünfzehn Minuten. Vor fünfzehn Minuten hatte ich es aufgegeben, auf Liz zu warten, und war gerade einmal hundert Schritt vorangekommen. Nach meiner Rechnung würde es weitere fünf Stunden dauern, die anderthalb Kilometer bis zum Hyde Park zu laufen. Nein, nein, nein.
Mir wurde eng um die Brust, ich rieb mir mit der Hand über den Pullover und spürte die kratzige Wolle des Weihnachtsgeschenks, das Mum mir gestrickt hatte.
Kein Grund zur Panik, Abbie, versuchte ich mir gut zuzureden.
In der Luft kreiste ein Helikopter, und die Menge, inzwischen etwa vierzig Reihen, fiel in einen Singsang. Eine Gruppe zu meiner Rechten bewegte sich vorwärts, und ich schloss mich an.
»Aua!«, keuchte ich, als etwas Schweres auf meinem Fuß landete.
»Pardon«, sagte jemand im selben Moment, in dem mir »Entschuldigung« herausrutschte.
»Sind Sie okay?«
Der starke Akzent ließ mich aufblicken. Ich war überrascht, dass sich jemand für mein Wohlergehen interessierte.
Ein hochgewachsener Typ mit dunklem Haar – lang und wellig oben, kürzer an den Seiten – hob entschuldigend die Hände. Seine Karamellaugen verrieten Mitgefühl, ebenso wie die zwei tiefen Falten auf seiner Stirn. Er hatte den Ansatz eines Dreitagebarts, olivfarbene Haut, seine Lippen waren geöffnet.
Ich ertappte mich dabei, wie ich darauf starrte, während er auf eine Antwort wartete. »Mir geht es gut«, sagte ich, obwohl mein kleiner Zeh im Stiefel pochte. Ein Stoß gegen meinen Rücken schubste mich vorwärts, aber eine Mauer aus Körpern stoppte mich sofort wieder. »Wir kommen ja nicht besonders schnell voran. Das schaffe ich sicher auch mit einem Fuß.«
Er blickte mich fragend an und verkroch sich tiefer in den hochgeklappten Kragen seiner dunkelgrauen Steppjacke. Sein Haar wurde vom kalten Februarwind gezaust.
Bevor mir eine Erklärung für meinen Versuch, sarkastisch zu sein, einfiel, setzte die Menge zu einem weiteren »Nicht in unserem Namen« an. Der Typ drehte sich weg, reckte den Arm in die Höhe und schrie die Worte mit.
Ich versuchte mich anzuschließen, aber ich konnte nur keuchen. Ich fischte meinen Inhalator aus den Tiefen meiner Parkatasche. Dreimal geschüttelt und einmal fest auf die Pumpe gedrückt. Es kam kaum was heraus. Scheiße. Dabei dachte ich, ich hätte in der vergangenen Woche die Patrone ersetzt. Ich steckte das Gerät wieder in die Tasche und berührte dabei den Zettel – den Kommentar, den ich gestern von meinem Politik-Tutor bekommen hatte. Ich musste ihn nicht noch einmal lesen. Drei Wörter daraus hatten sich in mein Gehirn eingebrannt: »Könnte besser sein.«
Mein Herz schlug schneller, und ich spürte, wie meine Haut zu prickeln begann.
Ich sog die kalte Luft ein, füllte meine Lunge mit so viel Sauerstoff wie möglich, was meine Atmung aber trotzdem nicht beruhigte.
Eine neue Welle schob mich vorwärts, und ich stieß gegen eine Frau vor mir. Mir wurde schwindelig. Bitte nicht. Ein Asthmaanfall fehlte mir gerade noch. Ein Banner mit der Botschaft »Haltet die Hoffnung am Leben« flatterte über mir. Hoffentlich ein gutes Omen.
Ein Gedanke schoss mir durch den Kopf. Das Sechs-Punkte-Programm. Ich musste mich an diese Abfolge erinnern, um eine Attacke zu verhindern. Mum hatte sie mir aufgeschrieben als ich sieben war und den Zettel laminiert. Einmal hatte sie mir den Zettel sogar auf die Schultasche geklebt. Ich habe ihn ordentlich in dem Mehrzweckkoffer aufbewahrt, den Dad mir für meinen ersten Tag an der Universität vor zweieinhalb Jahren zusammen mit einem kleinen Vortrag überreicht hatte. Dafür hatte ich ihm das Versprechen gegeben – das Versprechen! –, mich auf mein Studium zu konzentrieren. Ein Versprechen, das ich niemals brechen würde.
Doch in dieser Umgebung – nichts. Kein einziger der sechs Programmpunkte fiel mir ein. Ich holte den Inhalator erneut aus der Tasche und schüttelte ihn, in der Hoffnung, ihm noch einen Puff entlocken zu können. Doch ein Stoß kickte ihn mir aus der Hand und auf die Erde. Scheiße. Ich beugte den Kopf und suchte den Boden um meine Füße mit den Augen ab: lauter Timberlands und Uggs.
»Entschuldigung, Entschuldigung«, keuchte ich, doch meine Worte gingen in den Sprechchören unter. Ich rang nach Luft, meine Atemwege verengten sich.
Alle um mich herum schwankten. Wo ist mein … warum kippt alles zur Seite?