Nur ein One-Night-Stand? - Jackie Merritt - E-Book

Nur ein One-Night-Stand? E-Book

JACKIE MERRITT

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Beschreibung

Es ist Liebe auf den ersten Blick. Noch nie zuvor hat ein Mann Tamara jemals so fasziniert wie ihr Kollege Sam Sherard. Als er ihr eines Abends anbietet, sie nach Hause zu fahren, packt sie die Gelegenheit beim Schopf. Sie lädt ihn auf ein Glas Wein ein und erwidert stürmisch seine heißen Zärtlichkeiten …

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Seitenzahl: 208

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IMPRESSUM

Nur ein One-Night-Stand? erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 1998 by C.J. Books, Inc. Originaltitel: „For The Love Of Sam“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe COLLECTION BACCARABand 166 - 2000 by CORA Verlag GmbH, Hamburg Übersetzung: Brigitte Marliani-Hörnlein

Umschlagsmotive: GettyImages_gpointstudio

Veröffentlicht im ePub Format in 1/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733755096

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

Tamara Bennings beste Freundin bei Rowland, Inc. in Dallas, Texas, war eine der Empfangsdamen in der Vertriebsabteilung. Natalie Cross, sieben Jahre älter als die dreiundzwanzigjährige Tamara, war immer gut gelaunt, und Tamara fühlte sich in ihrer Gesellschaft sehr wohl. Im Moment saßen sie in „Henry’s Deli“, einem Feinkostgeschäft mit Mittagstisch, beim Lunch.

Tamara erklärte ihrer Freundin die Ergebnisse der Sitzung, die sie an diesem Morgen mit ihrem direkten Vorgesetzen Elliot Grimes gehabt hatte. „Also soll jeder Gebietsleiter seine Aufträge in Zukunft nicht mehr irgendeinem Sachbearbeiter durchgeben, der gerade verfügbar ist, sondern immer mit demselben Assistenten zusammenarbeiten. Ich halte das für eine sehr vernünftige Maßnahme.“

„Eigentlich überrascht es mich“, fuhr sie fort, nachdem sie einen Schluck Eistee getrunken hatte, „dass Rowland dieses System nicht schon früher eingeführt hat. In den fünf Monaten, die ich jetzt hier arbeite, hatte ich mit vielen Gebietsleitern aus dem Außendienst zu tun, aber ich kenne keinen von ihnen richtig. Mr. Grimes meint, eine engere Zusammenarbeit zwischen Außendienst und Vertriebsleitung würde zu einer rationelleren Arbeitsweise führen, und dem stimme ich zu.“

„Ich habe mir schon gedacht, dass es um so etwas geht“, sagte Natalie. „Die Telefonzentrale wurde gestern angewiesen, die Anrufe der Außendienstler immer an bestimmte Assistenten weiterzuleiten. Wir haben eine alphabetische Liste der Gebietsleiter bekommen. Dahinter stehen die jeweils zuständigen Sachbearbeiter.“ Natalie grinste schelmisch. „Du hast das große Los gezogen: ‚Stoneface‘ Sherard.“

Tamara lehnte sich zurück. „Sprichst du von Samuel Sherard?“

„Sam ‚Stoneface‘ – Steingesicht – Sherard“, wiederholte Natalie lachend. „Hast du noch nie gehört, dass er so genannt wird?“

„Nein“, entgegnete Tamara. „Wer nennt ihn so?“

Natalie hob die Schultern. „Beinahe jeder.“

„Warum?“

„Weil der Mann nie lacht.“ Natalie schmunzelte. „Anscheinend hast du ihn noch nicht kennen gelernt.“

„Stimmt.“ Tamara versuchte sich daran zu erinnern, was sie über Sherard in der Personalakte gelesen hatte. „Wenn ich mich nicht täusche“, sagte sie nachdenklich, „ist Mr. Sherard einer der erfolgreichsten Verkaufsmanager bei Rowland.“

„Kann sein“, sagte Natalie. „Solche Informationen erreichen uns am Empfang nur selten. Wir haben uns ausschließlich um die Telefonate und die Besucher zu kümmern.“

„Und du kennst Mr. Sherard?“

„Ich habe ihn oft gesehen. Tamara, Spaß beiseite, er ist wirklich der unfreundlichste Mensch, den ich je getroffen habe. Du weißt ja, ich bin zu allen freundlich und unterhalte mich mit jedem. Als ich anfing, hier zu arbeiten, habe ich versucht, mich auch mit Sherard zu unterhalten. Ohne Erfolg. Glaube mir, er ist kalt wie ein Fisch.“

Tamara sah ihre Freundin an. Natalie und sie waren äußerlich und in ihrer Persönlichkeit völlig unterschiedlich. Natalie war klein und schäumte vor Energie. Sie hatte dunkelbraune, kurze lockige Haare und dunkle Augen, die ständig strahlten, auch wenn sie noch so große private Probleme hatte. Natalie war geschieden und hatte zwei kleine Kinder. Ihre Haltung Männern gegenüber war generell ablehnend, da ihr Mann sie hatte sitzen lassen. Weder sie noch der Staat Texas waren in der Lage gewesen, ihn ausfindig zu machen, damit er Unterhalt zahlte. So hatte es die Familie oft schwer, finanziell über die Runden zu kommen.

Tamara dagegen war groß, blond und eher ernst. Während ihre Freundin sich farbenfroh und auffällig anzog, bevorzugte sie selbst im Büro konservative Kleidung. Auch ihre langen, von Natur aus lockigen Haare trug sie klassisch hochgesteckt.

Obwohl sie sich wie Tag und Nacht unterschieden, hatten sich die beiden Frauen von Anfang an gut verstanden. Natalie schien über jeden Mitarbeiter bei Rowland Bescheid zu wissen und war immer gern bereit, Informationen weiterzugeben. Tamara hingegen missbilligte Klatsch, aber sie hatte von Natalie eine Menge über ihre Kollegen erfahren, was ihr in den ersten Wochen in ihrem neuen Job sehr geholfen hatte.

Bei ihrer Karriere, besser gesagt. Sie hatte bei Rowland, Inc. keine Ausbildung gemacht, sondern war gleich nach ihrem Studium an der University of California als Assistentin für Elliot Grimes eingestellt worden. Sie liebte ihren Job, nahm ihn ernst und beabsichtigte, die Erfolgsleiter weiter hinaufzuklettern.

So eng sie mit Natalie befreundet war, so stimmte sie dennoch nicht immer mit dem überein, was ihre Freundin sagte. Das war auch jetzt der Fall. „Es erscheint mir merkwürdig, dass dieser erfolgreiche Verkaufsmanager solch ein kalter Hund sein soll, Natalie. Die Außendienstler, mit denen ich bisher zusammengearbeitet habe, waren eher aufgeschlossene, witzige Typen. Die meisten redeten sogar zu viel.“

Natalie blickte ziemlich skeptisch drein. „Glaube mir, Tamara, Sam Sherard ist anders.“

„Möglich“, erwiderte Tamara nachdenklich. „Aber eigentlich ist das egal – allein der Erfolg zählt.“ Dann fügte sie hinzu: „Sein Spitzname gefällt mir nicht. Ich mag es nicht, wenn auf Kosten anderer Witze gemacht werden.“

„Kann sein, aber ich wette, du wirst den Namen ebenso passend finden wie ich, wenn du den Mann erst einmal kennen gelernt hast.“

„Vielleicht“, murmelte Tamara. Sie wechselten das Thema, doch Tamaras Neugierde war geweckt. Kaum war sie in ihr Büro zurückgekehrt, nahm sie sich noch einmal seine Akte vor.

Sam Sherard war zweiunddreißig Jahre alt, Single und wohnte auf dem Land. Im Notfall sollte die Firma jemanden namens Stubby Draco informieren, der unter derselben Adresse zu erreichen war. Ansonsten enthielt die Akte nur noch Verkaufszahlen und Gehaltsangaben.

Tamara schloss den Ordner. Sam „Stoneface“ Sherard würde ein Geheimnis bleiben, bis sie ihn persönlich zu Gesicht bekam.

Sie freute sich darauf, denn sie hatte bisher niemanden kennen gelernt, der nie lachte.

Bei dem Gedanken musste sie selbst lächeln. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass es tatsächlich einen Menschen gab, der diesen Namen verdiente.

Vor allem kein Mann, der so beachtliche Erfolge aufweisen konnte.

Es war fast fünf Uhr – normalerweise Büroschluss – am folgenden Freitagnachmittag, als Tamaras Telefon klingelte. Es war Natalie, die übertrieben förmlich sagte: „Miss Benning, Mr. Sam Sherard ist hier.“

Tamara musste lachen. „Schick ihn zu mir.“

„Ja, Ma’am.“ Ohne die Leitung zu unterbrechen, sagte Natalie: „Mr. Sherard, Miss Benning erwartet Sie ihn ihrem Büro.“

Eine tiefe männliche Stimme fragte: „Und wo ist das?“

Natalie erklärte ihm den Weg und wartete einen Moment, bevor sie zu Tamara sagte: „Er ist auf dem Weg. Sag mir später, was du von ihm hältst.“

Tamara lächelte über Natalies Neugierde. „Warum interessiert es dich?“

„Das wirst du verstehen, wenn du ihn gesehen hast. Bye, ich muss jetzt los.“

Natalies geheimnisvolle Bemerkung beschäftigte Tamara. Was für ein Mann wird in mein Büro kommen? fragte sie sich unbehaglich, während sie auf ihrem Schreibtisch ein wenig Ordnung schaffte.

Ihr Büro war klein, aber hübsch. Eine Wand bestand komplett aus Glas, durch die sie in das angrenzende Großraumbüro sehen konnte, in dem immer rege Betriebsamkeit herrschte. Wenn sie sich auf irgendetwas Wichtiges konzentrieren musste, schloss sie einfach den davor angebrachten Lamellenvorhang.

Heute war der Vorhang geöffnet, deshalb konnte sie den großen Mann, der das Großraumbüro eben betrat, ungehindert betrachten. Er trug Jeans, ein ordentlich gebügeltes blaues Hemd, Cowboystiefel und eine schicke Wildlederjacke. Er hatte kurze dunkelbraune Haare und war, wie sie feststellte, auffallend gut aussehend.

Plötzlich wurde sie nervös. Komisch, irgendwie hatte sie nach Natalies Bemerkung nicht damit gerechnet, dass dieser Sam Sherard ein attraktiver Mann sein könnte.

Nicht, dass das gute Aussehen eines Mannes Tamara normalerweise aus der Bahn warf. Aber Sherard hatte etwas an sich, dass ihr Nervensystem in Alarmbereitschaft versetzte. Die Art, wie er sich bewegte, und sein ernster Gesichtsausdruck faszinierten sie, augenblicklich fühlte sie sich körperlich zu ihm hingezogen. In der kurzen Zeit, die er brauchte, bis er ihr Büro erreichte, wurde ihr schlagartig bewusst, dass sie seit ihrem Umzug nach Dallas kein Date mehr gehabt hatte.

Durch die Glastür sah er sie an. Sie erhob sich, lächelte und gab ihm ein Zeichen, einzutreten. Insgeheim schwor sie sich, ihn ihre Nervosität nicht spüren zu lassen.

Er öffnete die Tür. „Mrs. Benning?“

„Miss Benning“, korrigierte sie. „Kommen Sie bitte herein, Mr. Sherard.“ Tamara holte tief Luft und fühlte sich gleich ein wenig besser.

Sam schloss die Tür, trat an ihren Schreibtisch und schüttelte ihre Hand. Ihre Finger waren klein, doch der Händedruck war fest und energisch. Ihre wunderschönen grünen Augen drückten die gleiche Entschlossenheit aus. Und ihr Lächeln war das schönste, das er je gesehen hatte. Sie war völlig anders, als er erwartet hatte.

Eigentlich war er überhaupt ohne große Erwartungen gekommen. Zwar war er von der Firma über das neue Arrangement informiert worden, hatte sich jedoch keine großen Gedanken darüber gemacht. Das Treffen mit Miss Benning änderte jedoch alles. Er war es nicht gewöhnt, Geschäfte mit einer Frau abzuwickeln, die herrliche blonde Haare hatte – wenn auch etwas streng gekämmt –, grüne Augen besaß, die einen Mann aus dem Gleichgewicht bringen konnten, und eine traumhafte Figur ihr Eigen nannte.

Sein Gesichtsausdruck wurde noch verschlossener, als sie sagte: „Nennen Sie mich bitte Tamara.“ Als er nichts erwiderte, fügte sie hinzu: „Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich Sie Sam nenne?“

Würde es etwas ändern, wenn er etwas dagegen hätte? „Nein“, entgegnete er kurz angebunden.

Tamara ignorierte seine Schroffheit und lächelte, als habe er ihrem Vorschlag mit Begeisterung zugestimmt. „Wunderbar. Setzen Sie sich doch bitte.“ Sie deutete auf die beiden Stühle vor ihrem Schreibtisch.

Sam legte seinen Cowboyhut und seine Aktentasche auf einen Stuhl und setzte sich auf den anderen. Tamara nahm hinter dem Schreibtisch Platz, während ihr Herz ein wenig zu schnell schlug. Sie spürte immer noch seinen Händedruck. So war das also mit der Chemie! Sam Sherard besaß Sex-Appeal, und sie war offensichtlich sehr empfänglich dafür.

Sie versuchte, an die negativen Dinge zu denken, die sie über diesen Mann gehört hatte. In einem hatte Natalie auf jeden Fall recht – Sam Sherard lachte nicht, ja, er lächelte nicht einmal! Tamara merkte plötzlich, dass sie viel mehr Lust hatte, etwas Witziges zu sagen, damit der Mann endlich lachte, als über Geschäfte mit ihm zu sprechen. Er sieht einfach viel zu gut aus, dachte sie. Jetzt reiß dich endlich zusammen, rief sie sich selbst zur Ordnung.

Sams Gedanken gingen in dieselbe Richtung. Sie ist zu jung, zu hübsch. Warum arbeitet sie in einem so langweiligen Büro?

„Wollen wir jetzt zum Geschäftlichen kommen?“, fragte Tamara schließlich freundlich.

„Deshalb bin ich hier“, erwiderte Sam barsch. Er griff nach seiner Aktentasche und zog einige Papiere heraus, die er ihr auf den Tisch legte. „Werfen Sie einen Blick auf die Bestellungen. Falls Sie Fragen dazu haben, können Sie sie jetzt stellen.“

Tamara fragte sich, ob ihm bewusst war, wie unhöflich er klang. Vielleicht ist es ihm egal, dachte sie etwas enttäuscht. Sie besah sich die Seiten, hatte jedoch Schwierigkeiten zu begreifen, was sie las. Der Mann, der ihr gegenübersaß, lenkte sie zu sehr ab. Zweiunddreißig Jahre alt, Single, wohnt auf dem Land. Und wer ist Stubby Draco, der Mann, der bei ihm lebt? Ein Verwandter, ein Freund?

„Hier steht dringend. Wie eilig ist der Auftrag? Wann muss das Chromstahlrohr geliefert werden?“, fragte sie und hob den Blick.

„Am besten gestern“, erwiderte Sam.

„Verstehe.“ Sie nahm den Telefonhörer und wählte die Nummer des Warenlagers. „Jim? Hier spricht Tamara Benning. Ich habe einen Auftrag für zweihundert laufende Meter Chromstahlrohr, einen Zoll Durchmesser. Lieferung sofort. Haben wir so etwas auf Lager?“ Einen Moment später sagte sie: „Danke.“ Dann sah sie Sam an. „Er überprüft es.“

Sam verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich zurück. Während er sich in Tamaras Büro umsah, spürte er ihren Blick auf sich gerichtet. Er traf sich nur selten mit Frauen, vor allem nicht mit Angestellten der Firma, denn das hielt er für unklug. Allerdings hatte er auch noch keine Mitarbeiterin wie Tamara Benning kennen gelernt. Wahrscheinlich würde sie nicht Nein sagen, wenn er sie zum Essen einlud.

„Okay, Jim. Danke.“ Sie legte den Hörer auf und sah Sam an. Eine Strähne seiner fast schwarzen Haare war ihm in die Stirn gefallen, und am liebsten hätte sie sie zurückgeschoben. Sie räusperte sich. „Die Rohre sind am Lager. Wir können morgen früh liefern. Wird Ihr Kunde damit zufrieden sein?“

„Es ist das, was er von Rowland erwartet.“ Sam strich sich selbst die Strähne aus dem Gesicht.

Tamara leckte sich über die Lippen, die plötzlich ganz trocken waren. Sie hatte zwei sexuelle Beziehungen gehabt, beide während ihrer Universitätszeit, doch keiner der Männer hatte so einen überwältigenden Eindruck auf sie gemacht wie Sam, der noch nicht einmal etwas dafür tat.

Zumindest hatte es nicht den Anschein, als wollte er sie beeindrucken. Er flirtete nicht mit ihr, er war nicht einmal freundlich.

Schließlich legte sie das letzte Blatt Papier zur Seite. „Das war es“, sagte sie. „Sie haben einige dicke Aufträge an Land gezogen.“

„Das ist mein Job.“

„Offensichtlich verstehen Sie etwas vom Geschäft. Oh, übrigens, Mr. Grimes wünscht eine engere Zusammenarbeit zwischen Verkaufsmanagement und Vertriebsleitung. Das neue Programm sieht vor, dass jedem Gebietsleiter eine Assistentin zugeordnet wird. Ich habe Ihre Akte gezogen. Darf ich Sie etwas fragen?“

„Bezieht sich die Frage auf meinen Job?“

Verwirrt sah sie in seine spöttisch funkelnden dunkelblauen Augen. „Äh … nein.“

„Dann brauchen Sie sie gar nicht zu stellen. Mein Privatleben geht niemanden etwas an.“ Er erhob sich. „Sonst noch etwas?“

Tamaras Wangen glühten vor Verlegenheit. Von Sam würde sie nicht erfahren, wer Stubby Draco war. „Nein, das war alles.“

Sam nahm seinen Hut und seine Aktentasche. „Dann verabschiede ich mich.“

Tamara saß noch lange da und dachte über Sam Sherard nach. Sie erinnerte sich an seine Unhöflichkeit und seine eiskalte Persönlichkeit. Mr. „Stoneface“ hatte sie gefühlsmäßig in Aufruhr versetzt, und sie hatte nicht die geringste Ahnung, wie sie damit umgehen sollte.

Myra, Tamaras Mutter, war damals von Coeur d’Alene, Idaho, zu der Collegeabschlussfeier ihrer Tochter nach Kalifornien gekommen. Im Anschluss an den offiziellen Teil feierten sie zu zweit in einem vornehmen Restaurant bei einem schönen Dinner. Tamara hatte sich für die Gelegenheit schick angezogen, die Haare sorgfältig frisiert und Make-up aufgetragen. Die Männer drehten sich nach ihr um, doch sie bemerkte es gar nicht.

Erst als sie saßen, machte Myra eine entsprechende Bemerkung. „Egal, wo ich mit meinen Töchtern hinkomme, sie ziehen immer die Aufmerksamkeit der Männer auf sich. Ihr drei seid wunderschöne Frauen geworden.“

Das Kompliment überraschte Tamara. Ihre Mutter hatte immer viel Wert auf gute Noten, anständiges Benehmen, tadellosen Ruf und gute Manieren gelegt. Aber Äußerlichkeiten schienen Myra stets egal zu sein.

„Danke, Mutter“, sagte Tamara strahlend. Im nächsten Moment wurde sie nachdenklich. „Wäre es nicht schön, wenn auch Sierra und Blythe hier wären?“

„Sie leben ihr eigenes Leben“, erwiderte ihre Mutter ziemlich geistesabwesend, während sie die Speisekarte studierte.

Tamara seufzte. Die Familie, die Myra und Dr. Harry Benning gegründet hatten, war ziemlich ungewöhnlich, denn ihre Töchter waren im Abstand von zehn Jahren geboren worden. Bedingt durch diesen großen Altersunterschied waren sich die drei Mädchen nie sehr nah gewesen. Wenn sie jetzt überhaupt noch etwas voneinander hörten, dann durch ihre Mutter. Tamara war die jüngste, Sierra die mittlere und Blythe die älteste. Tamara bedauerte häufig, dass sie keine engere Beziehung zu ihren Schwestern hatte.

Aber nicht nur der Altersunterschied war sehr groß, sie waren auch sonst völlig unterschiedlich. Sierra war künstlerisch sehr begabt. Sie war schon eine bekannte Malerin gewesen, als sie den Rechtsanwalt Mike Findley heiratete. Seine Familie war sehr wohlhabend, und Sierra und Mike lebten in einer modernen Wohnung in San Francisco. Soweit Tamara wusste, war ihre Schwester sehr glücklich.

Blythe, die zwanzig Jahre älter war als Tamara, war ihr ein Rätsel. Wenige Monate nach ihrem Abschluss am College hatte sie geheiratet. Fünf Jahre später starb Blythes Mann an Krebs. Jedes Mal, wenn Tamara ihre Schwester sah, war sie erschüttert über die Traurigkeit, die in ihren blauen Augen lag. Blythe war eine freundliche Frau, ruhig und intelligent. Seit dem Tod ihres Mannes arbeitete sie als Lehrerin an einer exklusiven Privatschule.

Tamara wurde durch die Stimme ihrer Mutter aus ihren Gedanken gerissen. „Ihr habt alle drei einen hervorragenden Abschluss am College gemacht“, sagte Myra, den Blick immer noch auf die Karte gerichtet. „Euer Vater wäre stolz auf euch.“

Dr. Harry Benning war vor fünfzehn Jahren gestorben. Tamara wusste, dass Myra den Verlust ihres Mannes immer noch nicht verschmerzt hatte. Sie betrachtete ihre Mutter verstohlen. Myra war fünfundsechzig Jahre alt und sehr attraktiv, die blonden Haare perfekt gekämmt, die Kleidung geschmackvoll, das Make-up dezent. Tamara konnte sich nicht erinnern, ihre Mutter jemals mit unordentlichem Haar oder alter Kleidung gesehen zu haben, außer im Garten. Myra liebte Blumen und ihr Rosengarten war ihr ganzer Stolz.

Myra legte die Speisekarte auf den Tisch. „Erzähl mir etwas über deinen Job in Dallas. Ich weiß, dass du ganz aufgeregt deswegen bist.“

Während des köstlichen Essens erzählte Tamara alles, was sie über Rowland, Inc. wusste, und warum sie den Job angenommen hatte.

„Und weißt du was? Sobald ich mich in Dallas eingelebt habe, musst du mich besuchen“, endete sie.

Myra lächelte und tätschelte die Hand ihrer Tochter. „Nicht während der Sommermonate, Liebes. Ich habe gehört, dass es in Texas ziemlich heiß und schwül sein kann.“ Sie waren mittlerweile beim Dessert angekommen. „Tamara, ich weiß, dass du nicht genug Geld für den Umzug hast. Was meinst du, wie viel du brauchen wirst?“

Tamara senkte den Blick. Sie nahm nicht gern Geld von ihrer Mutter, aber der Umzug nach Dallas würde teuer werden, und auf ihrem Konto befanden sich nur noch hundert Dollar. „Etwa zweitausend Dollar, Mutter“, sagte sie leise. „Es wäre nur geliehen. Ich bekomme ein gutes Gehalt und bestehe darauf, dir das Geld zurückzuzahlen.“

„Darüber mach dir jetzt keine Sorgen. Ich stelle dir einen Scheck aus, bevor ich morgen abreise.“

Fünf Monate später saß Tamara in ihrem Büro, dachte an das Essen mit ihrer Mutter zurück, und was sie seitdem in Dallas bewerkstelligt hatte.

Sie hatte ihrer Mutter das Geld zurückgezahlt, ihre Wohnung schick möbliert und war mittlerweile im Besitz eines beachtlichen Sparkontos. Im Moment plante sie den Kauf eines Autos.

Sie war gerade dabei, ihren Schreibtisch aufzuräumen, als Elliot Grimes an ihre Tür klopfte und eintrat. „Ich bin froh, dass Sie noch hier sind, Tamara. Seit heute Morgen will ich mit Ihnen sprechen, hatte jedoch keine Zeit. Darf ich Sie noch einen Moment aufhalten?“

„Natürlich. Bitte setzen Sie sich, Mr. Grimes.“

„Ich habe den Bericht studiert, den Sie letzte Woche eingereicht haben“, sagte Mr. Grimes, als er Platz nahm.

Erwartungsvoll sah Tamara ihn an. Während ihrer Freizeit hatte sie ein neues Konzept für die Auswertung des monatlichen Verkaufs erarbeitet, denn die gegenwärtige Struktur des Monatsberichts erschien ihr zu schwer nachvollziehbar.

„Ja?“, fragte sie so ruhig wie möglich.

„Ihre Verbesserungsvorschläge sind außergewöhnlich gut, Tamara. Ich habe den Bericht Tom Rowland gegeben und um seine Meinung gebeten. Ich dachte, ich sollte es Ihnen sagen.“

Rowland, Inc. war in Familienbesitz, und Tom Rowland war der gegenwärtige Geschäftsführer. Tamara hatte Mr. Rowland natürlich bei ihrer Einstellung kennen gelernt, aber noch nie mit ihm persönlich zu tun gehabt. Es war aufregend, dass ein Bericht, in den sie so viel Arbeit und Energie gesteckt hatte, jetzt auf seinem Schreibtisch lag.

„Danke, Mr. Grimes. Ich bin sehr erfreut.“

„Ich darf wohl sagen, dass wir es auch sind, Tamara. Sie leisten hervorragende Arbeit. Ich muss zugeben, dass ich zuerst einige Zweifel hatte, die Stelle mit jemandem zu besetzen, der gerade von der Universität kommt. Aber Sie haben bewiesen, dass Sie das Vertrauen, dass wir in Sie gesetzt haben, wert sind“, sagte Elliot Grimes. „Ich bin sicher, dass Sie Karriere machen werden, Tamara, und ich hoffe, dass es bei uns sein wird.“ Mr. Grimes erhob sich lächelnd.

„Danke, Sir.“

Das waren ja aufregende Neuigkeiten! Schon immer war sie darauf aus gewesen, ganz nach oben zu kommen, und ihre Bereitschaft, dafür hart zu arbeiten, zahlte sich jetzt aus. Vielleicht veränderte sie mit ihrem Bericht nichts, aber Mr. Grimes Lob und die Tatsache, dass Mr. Rowland ihn zu Gesicht bekommen würde, genügte ihr im Moment vollkommen.

Rowland, Inc. war eine alteingesessene Firma, gegründet 1920. Der Stammsitz befand sich in Dallas, aber es gab Niederlassungen in Alaska und Mexiko. Die Firma stellte technische Ausrüstungen für Ölfirmen her und hatte weltweit Kunden. Für den Verkauf waren in erster Linie die Außendienstleute und Gebietsleiter verantwortlich, aber viele Aufträge gingen auch per Telefon, Fax oder E-Mail bei den entsprechenden Vertriebssachbearbeitern ein.

Wieder kam Tamara Sam Sherard in den Sinn. Sie lehnte sich in ihrem Sessel zurück und dachte noch einmal über diesen ungewöhnlichen Mann nach.

Die Frage war, warum sie mit Herzflattern und Nervosität auf ihn reagierte. Gab es, abgesehen von seinem attraktiven Äußeren noch etwas, was sie so sehr faszinierte, dass sie immer wieder an ihn denken musste?

„Nein, gar nichts“, murmelte Tamara vor sich hin, während sie die Unterlagen von ihrem Schreibtisch in eine Schublade räumte. Er ist unhöflich und langweilig und hat nichts anderes als seine Verkaufszahlen im Kopf, sagte sie sich. Vergiss ihn – Sam Sherard ist nicht dein Typ! Doch der Gedanke, dass sie ihn jetzt häufiger in ihrem Büro sehen würde, erregte sie merkwürdigerweise …

2. KAPITEL

Sam erzielte seine größten Verkaufserfolge bei den kleinen, unabhängigen Erdölfirmen.

Er war in Oklahoma, Texas und Louisiana aufgewachsen. Sein Vater hatte auf Ölfeldern gearbeitet, jedoch selten länger als einige Monate bei derselben Firma. Der ständige Wohnortwechsel war für den kleinen Sam schrecklich gewesen, doch so hatte er den Jargon der Ölarbeiter von der Pike auf gelernt und wusste, wie man mit diesen raubeinigen Männern umgehen musste.

Er kam mit allen gut zurecht. Die Männer mochten ihn und kauften deshalb ihre Ausrüstung bei ihm. Kaum einer dachte daran, dass der wirkliche Lieferant eine Firma in Dallas war. Sie verhandelten mit Sam, denn er war derjenige, der zu ihnen kam und sich nach der neuen Quelle oder auch nach der Familie erkundigte. Wenn die Ölpreise fielen, hörte Sam ihren Klagen zu, und wenn die Preise stiegen, feierte er mit ihnen.

Bevor er bei Rowland, Inc. landete, hatte er sich mit verschiedenen Jobs über Wasser gehalten. Mittlerweile arbeitete er seit zehn Jahren bei Rowland und verdiente gutes Geld. Vor sechs Jahren hatte er sich eine heruntergekommene Ranch gekauft und sie nach und nach in Schuss gebracht, die Scheune repariert und das Haus modernisiert.

Es war jedoch nicht allein sein Werk. Im zweiten Jahr war Stubby Draco auf der Suche nach Arbeit zu ihm gekommen. Zu dem Zeitpunkt hatte Sam schon mit dem Gedanken gespielt, jemanden einzustellen. Sein Job bei Rowland nahm ihn zeitlich sehr in Anspruch, und er kam mit der Renovierung der Ranch nicht so schnell voran, wie er es sich wünschte. Aber er hatte zweimal darüber nachgedacht, ob er wirklich jemanden anheuern sollte, der so alt wie Stubby war, nämlich an die siebzig. Sie hatten auf der Veranda zusammengesessen, Limonade getrunken und sich unterhalten. Der Mann war ihm sympathisch gewesen, und so war er bei ihm geblieben.

Sam hatte es nie bereut, dass Stubby zu ihm gezogen war. Durch seinen Job war er viel auf Reisen, und jedes Mal, wenn er zurückkehrte, war er über die Veränderungen im Haus erstaunt, die der alte Mann vollbracht hatte. Oh, Sam liebte seinen Job, er brachte ihm viel Geld ein. Aber sein Traum war, eines Tages nur noch Rancher zu sein. Er war jetzt zweiunddreißig und hoffte, mit fünfzig genug verdient zu haben, um sich seinen Wunsch erfüllen zu können. Eine Frau gab es in seinem Traum nicht. Sam war gern allein. Er kannte viele Menschen, hatte aber nur einen richtigen Freund, Stubby.

Während Sam nur wenig an Frauen dachte oder darüber sprach, war Stubby genau das Gegenteil. Er betete Frauen an und konnte ihnen nicht genug Komplimente machen. Er nannte sie „süße kleine Blumen“ und „Geschenk Gottes an die Männer“. Sam würde nie erfahren, wie Stubby es schaffte, in dieser dünn besiedelten Gegend so viele Witwen ausfindig zu machen. Jeden Samstagabend hatte er ein Rendezvous.

Wenn Sam zufällig am Wochenende zu Hause war, verbrachte er den Abend allein. Stubby hingegen, herausgeputzt und nach Eau de Toilette duftend, verließ das Haus gegen fünf Uhr nachmittags und kehrte erst in den frühen Morgenstunden zurück. Sam fragte sich häufig, ob sein alter Freund sexuell noch aktiv war, doch er sprach dieses Thema nie an, und Stubby äußerte sich auch nicht dazu.