Wenn Verlangen neu erwacht - Jackie Merritt - E-Book

Wenn Verlangen neu erwacht E-Book

JACKIE MERRITT

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Beschreibung

Das Wohltätigkeitsfest im Cattleman’s Club hat eine stattliche Spende erbracht! Keith bietet an, sie jenem Heim zu übergeben, in dem seine Jugendliebe Andrea arbeitet. Doch das Wiedersehen wird brisant: Alte Verletzungen brechen wieder auf - und auch alte Leidenschaften …

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IMPRESSUM

Wenn Verlangen neu erwacht erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© by Harlequin Books S.A. Originaltitel: „The Bachelor Takes a Wife “ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 1314 - 2004 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung:

Umschlagsmotive: GettyImages_syrotkin

Veröffentlicht im ePub Format in 05/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733716905

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

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PROLOG

Keith Owens spürte Jason Windovers Zufriedenheit, als sie es sich in den Sesseln in einem der Privaträume des „Texas Cattleman’s Club“ gemütlich machten. Mit Humor ertrug Jason die Neckereien über seine Hochzeitsreise, von der er erst gestern zurückgekehrt war. Doch er konnte nicht nur einstecken, sondern auch austeilen, und Keith, der Einzige von ihnen, der noch Junggeselle war, schien die beste Zielscheibe zu sein.

„Warte nur, mein Freund“, meinte Jason. „Irgendwo da draußen wartet schon eine gut aussehende Frau auf den richtigen Moment, um Royals hartnäckigsten Junggesellen einzufangen.“

„Den hartnäckigsten Junggesellen?“, wiederholte Keith lachend und sah sich am Tisch um, ob Sebastian Wescott, William Bradford und Robert Cole der gleichen Meinung waren. Seine Freunde nickten. „Okay, mir ist schon klar, dass ich der letzte Single von uns allen bin, aber wisst ihr was? Zufälligerweise gefällt mir das Junggesellenleben.“

„Uns auch, als wir noch jung und dumm waren“, meinte Robert mit einem dramatischen Seufzer.

Die anderen lachten, denn sie waren vor fünf Monaten wirklich noch alle Singles gewesen, aber weder jung noch dumm. Nur eins war geschehen, um aus den überzeugten Junggesellen verheiratete Männer zu machen – sie hatten sich verliebt. Und Liebe war eine Kraft, die man nicht unterschätzen sollte, das hatten sie alle festgestellt. Und keiner von ihnen – abgesehen von Keith – glaubte, dass Royals hartnäckigster Junggeselle noch lange Single bleiben würde. Anscheinend hatte er die Jagd auch schon eröffnet. Warum sonst hätte er wohl dem „New Hope Center“ für misshandelte Frauen den Erlös des diesjährigen Benefizballs zugesprochen, den der Club veranstaltete? Jeder wusste, dass Andrea O’Rourke, Keiths ehemalige Collegefreundin, diejenige ehrenamtliche Helferin in dem Frauenhaus war, die sich um die Öffentlichkeitsarbeit kümmerte. Den anderen Männern am Tisch war klar, wenn Keith nicht wieder an Andrea interessiert wäre, hätte er die Spende einer anderen gemeinnützigen Organisation zukommen lassen.

Doch das sagte niemand, denn es gab Dinge, über die sprach man nicht öffentlich. Sie konnten Jason necken, weil er gerade aus den Flitterwochen kam, aber sie wollten nicht darüber scherzen, dass Keith anscheinend versuchte, die Bande zu Andrea neu zu knüpfen.

„Sosehr ich die Unterhaltung auch genieße“, meinte Keith, „aber ich denke, es wird Zeit, dass wir zum eigentlichen Thema kommen – Dorian.“

Die anderen vier wurden sofort ernst. Sie alle vermuteten, dass Dorian Brady Eric Chambers, den Leiter der Finanzabteilung von „Wescott Oil“, umgebracht hatte. Aber beweisen konnten sie es ihm bisher nicht.

„Wir haben uns bemüht, Dorian im Auge zu behalten, während du weg warst“, fuhr Keith fort. „Keiner von uns hat etwas Auffälliges bemerkt. Dorian hat sich bemüht, sich unauffällig zu benehmen.“

„Das allein ist schon verdächtig“, meinte Jason. „Findest du nicht auch, Sebastian?“

„Dorian war nie unauffällig“, stimmte Sebastian zu. Er war von der ganzen Angelegenheit am meisten betroffen, weil Dorian sein Halbbruder war. „Nur wenn es ihm in den Kram passte. Wie ihr alle wisst, war es ein Schock für mich, als er hier vor einiger Zeit plötzlich auftauchte. Wir sehen uns so ähnlich, dass ich keine Sekunde bezweifelte, dass mein Dad auch sein Vater war, und das tue ich auch jetzt noch nicht. Doch ihm einen Job bei ‚Wescott Oil’ zu geben, war ein schlimmer Fehler. Meine einzige Entschuldigung ist, dass ich ihm helfen wollte.“

„Dich trifft keine Schuld an den Ereignissen, Sebastian“, meinte Keith. „Wie sollen ehrliche Menschen mit einer Schlange wie Dorian umgehen? Der Kerl hat es darauf angelegt, deinen guten Ruf zu ruinieren. Fühl dich nicht für irgendetwas verantwortlich, was Dorian getan hat.“

„Wenn man an die Geschichte mit Merediths Schwester denkt, bevor er nach Royal kam, kann man nur feststellen, dass er damals ein Mistkerl war und es heute immer noch ist“, erklärte Jason grimmig. Niemand widersprach ihm.

„Was wir immer noch nicht kennen, ist sein Motiv für den Mord. Was hatte er mit Eric Chambers zu tun, außer dass sie Kollegen waren? Es ergibt einfach keinen Sinn.“

„Und vergesst nicht Dorians Alibi“, sagte Will. „Vielleicht sollten wir noch einmal mit der Kellnerin Laura Edwards darüber sprechen und uns vergewissern, dass Dorian wirklich zur Tatzeit bei ihr im ‚Royal Diner‘ war.“

„Warum sollte sie lügen?“, fragte Sebastian und stand auf, um sich noch einen Kaffee zu holen. „Ich grüble seit dem Mord über das Motiv nach und habe irgendwie das Gefühl, dass es mit mir zu tun hat. Jason, ich weiß, dass du von Anfang an deine Zweifel bezüglich Dorian hattest. Warum?“

„Das haben wir doch alles schon durchgekaut“, warf Keith ein.

„Ja, aber offensichtlich haben wir etwas übersehen“, meinte Sebastian. „Doch was?“

„Aus seinen Computerdateien wissen wir, dass Dorian Eric erpresst hat“, erinnerte Jason sie. „Meredith hat das herausgefunden.“

„Ja, aber diese Dateien geben keinen Aufschluss über den Grund der Erpressung. Was hat Eric getan? Was hat Dorian herausgefunden? Womit hatte er ihn in der Hand? Was wissen wir denn eigentlich von Eric?“

„Er hat eine ganze Weile für ‚Wescott Oil‘ gearbeitet“, antwortete Sebastian. „Er lebte ziemlich zurückgezogen. Seine einzige Gesellschaft war eine Katze. Er wohnte allein in einem relativ kleinen Haus. Das kam mir manchmal komisch vor, denn er verdiente bei uns ein gutes Gehalt.“

„Folgen wir also dem Geld“, sagte Jason halb im Scherz, halb im Ernst.

Diese einfache Schlussfolgerung erschien allen fünf Männern auf einmal als das Wichtigste. Sie sahen sich an und nickten. Vor Monaten waren bei „Wescott Oil“ Gelder verschwunden. Sebastian, dem man vorgeworfen hatte, Eric ermordet und das Geld genommen zu haben – eine lächerliche Annahme, da ihm die Firma gehörte und er mehr Geld besaß, als er je würde ausgeben können –, war inzwischen entlastet worden, und man hatte die Anklage gegen ihn fallen lassen. Seitdem hatten sich alle auf den Mord an Eric konzentriert. Die fehlenden Gelder waren noch nicht aufgespürt worden.

Es könnte der Hinweis sein, den sie gehofft hatten zu finden und den sie jetzt verfolgen würden.

1. KAPITEL

Andrea O’Rourke erfuhr am ersten Juni, dass das Frauenhaus in diesem Jahr den Spendenerlös aus dem Wohltätigkeitsball des „Texas Cattleman’s Club“ erhalten würde. Die anderen ehrenamtlichen Helfer im Zentrum waren überglücklich und begannen sofort zu überlegen, wofür man das Geld am besten verwenden könnte.

Doch obwohl Andrea sich natürlich freute, dass das „New Hope Center“ jetzt vermutlich ausgebaut werden konnte, litt sie innerlich. Die Einwohner von Royal, Texas, wussten, dass sie die ehrenamtliche Helferin war, die sich um die Öffentlichkeitsarbeit des Zentrums kümmerte, und je länger Andrea darüber nachdachte, desto misstrauischer wurde sie, dass Keith Owens, langjähriges Mitglied des „Texas Cattleman’s Clubs“ und der einzige Einwohner von Royal, dem Andrea stets versuchte auszuweichen, hinter dieser guten Tat steckte, die die anderen Frauen im Raum ganz trunken vor Glück machte.

Ich werde zum Wohltätigkeitsball des Clubs gehen müssen! Ich werde die Spende dankend entgegennehmen und auch noch ein paar Worte über das Zentrum sagen müssen. Nun, das habe ich schon öfter auf anderen Veranstaltungen getan, aber nicht, wenn Keith Owens dabei war und zweifellos überheblich vor sich hingrinsen wird, während ich auf der Bühne stehe!

Oh du meine Güte! Was ist, wenn er derjenige ist, der den Scheck überreicht?

Nein! Ich mache das nicht! Ich kann das nicht!

Doch natürlich konnte sie es, und sie würde dorthin gehen, unabhängig davon, wie schmerzlich es für sie werden würde. Als sie sich im Raum umsah, in dem all die großzügigen Frauen saßen, die ihre Zeit und Energie für das „New Hope Center“ opferten, war Andrea sich bewusst, dass keine von ihnen sie wirklich kannte. Sie dachten, sie täten es, und sie förderte diesen Eindruck, denn ihre Privatsphäre war wichtig für den ruhigen Lebensstil, den sie gewählt hatte. Seit dem Tod ihres Mannes vor fünf Jahren lebte sie allein und relativ zurückgezogen. Diejenigen Freunde, mit denen sie noch Kontakt hatte, wurden von Andrea sehr geschätzt, und meistens genossen sie die gleiche Art von Freizeit wie sie selbst – vor allem nette Abendessen im kleinen Kreis mit anregenden Unterhaltungen über Literatur, Musik, Mode und Hobbys.

Keith Owens gehörte nicht zu diesem Kreis und würde es auch nie. Andrea hatte auch noch nie einen Fuß in den „Texas Cattleman’s Club“ gesetzt. Als sie sich jetzt vorstellte, dass sie genau das am Abend des Balles tun musste, erschauderte sie. Diesen Gedanken konnte sie jedoch den anderen nicht mitteilen, und warum sollte sie auch? Gingen die intimsten Details ihres Lebens – sei es aus der Vergangenheit oder Gegenwart – jemanden anderes als sie selbst an? Natürlich nicht.

Während sie noch einmal die anderen anschaute, überlegte sie, ob eine von ihnen von ihrer gemeinsamen Vergangenheit mit Keith wusste. Es schien eine alberne Angst, da ihre Geschichte schon vor fast zwanzig Jahren zu Ende gewesen war – sowohl sie als auch Keith waren jetzt achtunddreißig Jahre alt –, aber einige Menschen besaßen ein verdammt gutes Gedächtnis.

Plötzlich konnte Andrea nicht länger still sitzen. Sie stand auf und lächelte die anderen an. „Es tut mir furchtbar leid, aber mir fällt gerade ein, dass ich eine wichtige Verabredung habe. Ich muss los.“

Die Frauen akzeptierten das und verabschiedeten sich von ihr, und noch ehe Andrea aus der Tür war, fantasierten sie bereits wieder über all die Dinge, die sie mit dem Geld machen würden. Andrea verließ das Zentrum voller Groll. Wäre Keith Owens nicht an der Spende beteiligt gewesen, hätte sie sich genauso wie die anderen freuen können. Wie konnte er es wagen, ihr Leben nach all den Jahren auf einmal wieder so durcheinanderzubringen?

Keith hielt sich mit täglichen Übungen in seinem eigenen Fitnessraum in Topform. Er kam gern ins Schwitzen, und seine Anstrengungen, gefolgt von einer Dusche, sorgten stets für einen klaren Kopf.

Am Morgen, nachdem das „New Hope Center“ darüber informiert worden war, dass man ihnen die diesjährige Spende des Clubs zukommen lassen würde, ging Keith mit guten Absichten in den Fitnessraum. Doch er hatte nicht so gut wie sonst geschlafen, und statt sich an seine Übungen zu machen, trödelte er zehn Minuten herum, bevor er es aufgab und in die Küche ging, um Kaffee zu trinken und die Zeitung zu lesen.

Der Kaffee schmeckte gut, doch auf die Zeitungsartikel konnte er sich nicht konzentrieren. Und das alles nur wegen der Tatsache, dass Andrea auf dem Ball sein würde.

Seit Jahren ignorierten sie einander oder versuchten es zumindest. Wenn sie bei irgendwelchen unvorhergesehenen Anlässen doch einmal aufeinanderstießen, begrüßten sie sich, aber Andrea trug stets eine eisige Miene zur Schau. Er fragte sich, warum er darauf brannte, sie wiederzusehen, wenn sie immer nur versucht hatte, ihm auszuweichen. Er bezweifelte nicht, dass sie auf dem Ball höflich sein würde – er hatte ihr kühles, untadeliges Benehmen mehr als einmal beobachtet –, aber seit wann besaß die Aussicht, einen Abend in Gegenwart einer distanzierten, kühlen Frau zu verbringen, solch einen Reiz für ihn?

Tief in seinem Inneren kannte Keith die Antwort auf all die Fragen bezüglich Andrea. Er wollte, dass sich die Dinge zwischen ihnen änderten. Er wollte, dass sie mit ihm sprach, ohne diese Eiseskälte, für die sie berühmt war, er wollte, dass sie ihn anschaute und sah, wie er wirklich war, und ihn so behandelte, wie sie es früher getan hatte. Würde der Ball irgendetwas verändern? Vermutlich nicht. Aber es war immerhin eine Möglichkeit, Zeit mit ihr zu verbringen.

Nachdem er zu dieser Schlussfolgerung gelangt war, wandte Keith seine Gedanken dem Problem zu, Dorian Bradys Schuld zu beweisen. Es war extrem frustrierend, sich einer Sache ganz sicher zu sein, aber nicht die nötigen Beweise zu haben, um damit zur Polizei gehen zu können. Während er wohl zum schon zehnten Mal seit dem Treffen mit Sebastian, Robert, Jason und Will über die Sache nachgrübelte, kam plötzlich etwas an die Oberfläche, was schon die ganze Zeit an ihm genagt hatte. Hastig ging er zum Telefon.

„Sebastian? Ich bin froh, dich zu erwischen. Pass auf, ich würde mir gern Erics Computer ansehen. Ich hätte schon vorher daran denken sollen. Ich weiß, dass die Polizei und auch Rob die Dateien durchgesehen haben, und ich will ihre Leistung nicht herabsetzen, aber wenn es etwas gibt, was ich in- und auswendig kenne, dann sind es Computer. Es könnte sein, dass noch mehr Informationen in irgendwelchen versteckten Dateien zu finden sind, die bisher alle übersehen haben.“

Keiths beruflicher Erfolg gründete sich auf Software. „Owens Techware“ war ein weltweit bekannter und hoch angesehener Hersteller von Software. Und da Software und Hardware – die Rechner – natürlich optimal aufeinander abgestimmt sein mussten, kannte Keith sich mit Computern bestens aus.

„Ja, du bist tatsächlich der geeignete Mann dafür“, stimmte Sebastian zu. „Vielleicht bist du auf der richtigen Fährte. Du kannst ihn dir jederzeit abholen.“

„Wunderbar. Ich komme nachher in der Firma vorbei.“

Nachdem er aufgelegt hatte, dachte Keith erneut an Andrea, aber nur für einen Moment. Seufzend stellte er fest, dass er sich selbst nicht verstand, wenn es um diese Frau ging.

Das alte, elegante Clubhaus und das tadellos gepflegte Grundstück wirkten märchenhaft am Abend des Balles. Die Büsche und Bäume waren mit Hunderten von kleinen Lichtern geschmückt, und alle Fenster des Gebäudes erstrahlten in warmem Glanz.

Im Schneckentempo fuhren die Luxusautos vor und entließen die festlich gekleideten Gäste direkt vor dem Eingang. Ungeduldig saß Andrea auf dem Rücksitz der Limousine, mit der der Club sie hatte abholen lassen. In diesem Jahr hatte sie sich dazu überreden lassen, an diesem Ereignis teilzunehmen, doch sie schwor sich, dass das nie wieder passieren würde. Sie hasste es, in einer Nobelkarosse vorzufahren. Sie war kein Mensch für solchen Luxus und fühlte sich schrecklich fehl am Platz.

Auch dafür machte sie Keith Owens verantwortlich. Bestimmt hatte er dieses ganze Szenario nur arrangiert, um sie in Verlegenheit zu bringen. Und das Schlimmste war, dass sie auch noch höflich und freundlich zu ihm sein musste, obwohl sie ihn nicht leiden konnte.

Immer wenn sie sich zufällig einmal trafen – was sich in einer Kleinstadt wie Royal nicht vermeiden ließ –, stellten sich ihr die Nackenhärchen auf, eine Reaktion, die sie auf extreme Spannung und Abneigung schob. Schließlich hatte er ihr damals fast das Herz gebrochen. In jener Nacht, als sie so naiv gewesen war, einen Heiratsantrag zu erwarten, und Keith ihr stattdessen eine geschäftliche Partnerschaft angeboten hatte. Schon damals war er völlig von sich überzeugt gewesen und war es vermutlich immer noch.

Sie war total niedergeschlagen gewesen und hatte ihm in einem furchtbaren Streit klar gemacht, dass sie eine Lehrerausbildung machen würde. Mit seinen Geschäftsplänen wollte sie nichts zu tun haben. Um alles noch schlimmer zu machen, hatte Keith sich über ihre Berufswahl mokiert und mit seinen Ambitionen angegeben. Obwohl Keith mit seiner Computer-Software ein Vermögen verdient hatte, bereute Andrea ihre Berufswahl bis heute nicht. Geld war nicht alles.

Bevor sie sich weiter mit diesen unangenehmen Erinnerungen herumplagen konnte, hielt die Limousine vor dem Club, und ein Angestellter half ihr beim Aussteigen. Vor dem Eingang wimmelte es von elegant gekleideten Leuten, und deren Lachen und Gespräche vermischten sich mit der Musik, die aus dem Club herausdrang.

Andrea ging auf den Eingang zu und schnappte überrascht nach Luft, als jemand ihren Arm ergriff.

„Guten Abend“, sagte Keith, wobei er mit seinen Lippen viel zu nahe an ihr Ohr kam. „Ich war nicht sicher, ob du allein oder in Begleitung kommen würdest, also habe ich auf dich gewartet. Da du allein bist, ernenne ich mich hiermit zu deiner Eskorte für den heutigen Abend.“

Trotz ihrer Verärgerung entging Andrea nicht, wie gut Keith aussah, was sie jedoch nur noch wütender machte. Er trug einen Smoking, der farblich genau zu seinem karamellfarbenen Haar passte. Das schiefe Lächeln, mit dem er damals auf dem College ihr Herz erobert hatte, war immer noch sein markantestes Merkmal, obwohl die von dichten Wimpern umgebenen dunkelbraunen Augen dem kaum nachstanden. Die Bewunderung von Keiths gutem Aussehen hatte ihr auf dem College nur Schmerz bereitet. Das Erwachsensein hatte zum Glück ein paar Vorteile, wovon einer war, dass sie inzwischen gelernt hatte, dem Aussehen nicht so viel Bedeutung beizumessen. Das hatte sie einige Jahre nach ihrem Studium herausgefunden, denn der Mann, den sie geheiratet hatte, hatte gut ausgesehen, wenn auch nicht so umwerfend wie Keith. Offen gestanden störte sie alles an Keith, vor allem seine überhebliche Annahme, dass er sich selbst als ihre Eskorte für den Abend ernennen konnte.

„Ich glaube nicht“, sagte sie kühl und versuchte, ihm ihren Arm zu entziehen.

„Es gehört aber zum Protokoll, dass unser Ehrengast eine Begleitung hat“, meinte Keith, während er sie einer eingehenden Musterung unterzog. Sie sah wunderschön aus. Auf dem College war sie mit ihrem langen schwarzen Haar und den blauen Augen hübsch gewesen. Verflixt, schon als Kind hatte sie niedlich ausgesehen, eine Tatsache, an die er sich gut erinnerte, weil sie als Nachbarn aufgewachsen waren. Aber niedlich und hübsch waren einfach nicht die richtigen Worte, um zu beschreiben, wie sie jetzt aussah. Sie hatte eine traumhafte Figur und wirkte heute ganz besonders aufregend in ihrem zweiteiligen elfenbeinfarbenen Kleid. Es saß wie angegossen, und die Farbe kontrastierte reizvoll mit ihren Haaren und ihren Augen. Sie trug das Haar jetzt sehr viel kürzer; der schlichte Schnitt betonte ihr bezauberndes Gesicht.

„Wenn ich eine Begleitung gewollt hätte, hätte ich einen Freund gebeten, heute Abend mitzukommen. Euer Protokoll ist völlig veraltet. Es wird vielleicht ein Schock für dich sein, aber heutzutage können Frauen tatsächlich allein gehen und reden. Bitte lass meinen Arm los.“

„Ich lasse ihn los, wenn du meinen nimmst.“

„Wie wäre es, wenn ich dir einen Tritt gebe und dich so von deinen Pflichten als mein Begleiter entbinde?“

„Greifen wir jetzt schon zu Gewalt?“

Andrea schüttelte seine Hand von ihrem Arm. „Das ist doch kindisch!“ Sie ging auf den Eingang zu und war sich bewusst, dass Keith noch immer neben ihr war. Er würde nicht weggehen, auch wenn sie ihn noch so unhöflich behandelte. Sie seufzte. Der Abend würde so unerträglich werden, wie sie befürchtet hatte.

Diese Annahme bestätigte sich, als sie sich in die Empfangsreihe stellte und Mrs. Morrison, die Frau eines langjährigen Clubmitgliedes, sie zunächst einmal beglückwünschte.

„Meine Liebe, wir freuen uns alle sehr darüber, dass das ‚New Hope Center‘ dieses Jahr die Spenden erhalten wird.“

„Wir sind auch sehr stolz und glücklich darüber“, erwiderte Andrea. „Sie können sicher sein, dass alle Spendengelder einem guten Zweck zugeführt werden.“

„Davon bin ich überzeugt. Na, Sie zwei geben aber ein gut aussehendes Paar ab“, fuhr Mrs. Morrison fort.

Die gute Frau blickte von ihr zu Keith, und Andreas Lächeln schwand ein wenig. Keith rettete die Situation, indem er lässig meinte: „Wir sind nur gute Freunde, Janice.“

Janice Morrison war nicht überzeugt. „Was glauben Sie, wen Sie damit täuschen können, Mr. Owens?“

Andrea wand sich innerlich. Die Dame hatte ein gutes Gedächtnis, und es gab wahrscheinlich Dutzende von anderen heute auf dem Ball, die sich auch noch gut daran erinnerten, dass die Vances und die Owens – ihre Eltern und Keiths – früher einmal nebeneinander gewohnt hatten. Als Keith jetzt Andreas Arm nahm, um sie weiterzuführen, war sie zu schwach, um zu protestieren. Wie sollte sie den Abend lächelnd überstehen, wenn sie ständig irgendwelchen Anspielungen auf früher ausgesetzt war?

„Tut mir leid“, meinte Keith zu ihr.

Andrea vergaß das Lächeln und sah ihn verärgert an. „Warum sollten die Leute auch etwas anderes denken, wenn du so an mir klebst?“

„Möchtest du in diesen Massen lieber dir selbst überlassen bleiben?“

„Ich würde lieber keinen falschen Eindruck vermitteln!“ Andrea sah sich um. „Ist dir eigentlich klar, wie viele Menschen uns gerade anstarren?“

Keith ließ den Blick schweifen und grinste dann. „Eine ganze Menge, wie es scheint. Was sie jetzt wohl zu lästern haben? Vielleicht fragen sie sich, ob wir miteinander schlafen?“

Andrea starrte ihn an. „Bist du verrückt? Wir haben nicht einmal zusammen geschlafen, als wir befreundet waren!“

„Das war ganz sicher nicht mein Fehler.“

„Natürlich nicht. Da du damals – und wahrscheinlich auch jetzt noch – die Moral eines streunenden Katers hattest.“

„Sag mir nicht, dass dir das Thema Sex noch immer peinlich ist. Andrea, du bist jetzt ein großes Mädchen. Genau genommen warst du das auch schon auf dem College, aber du hattest viel zu viele Komplexe für einen …“ Keith brach ab und wechselte lieber das Thema. „Wie wäre es mit einem Glas Champagner?“

„Wenn ich Nein sage, verschwindest du dann, um jemand anderen zu belästigen?“

„Nein.“

„Dann hätte ich gern ein Glas Champagner.“

„Wunderbar.“ Keith legte ihr eine Hand in den Nacken und genoss das lustvolle Prickeln, das diese Berührung in ihm auslöste. Er führte Andrea zu einer der Bars. Nachdem er zwei Gläser Champagner bekommen hatte, reichte er Andrea eins und meinte: „Auf dein Wohl, Darling, und lass mich hinzufügen, dass du zum Anbeißen aussiehst.“

Sie wurde rot. „Wovon zum Teufel redest du? Warum konntest du nicht nach ‚auf dein Wohl‘ schweigen?“

„Ich weiß, dass ich das hätte tun sollen. Manchmal sage ich Dinge, ohne nachzudenken. Ich meine, es war offensichtlich ein Kompliment, aber wenn ich erst nachgedacht hätte, dann hätte ich es mir wahrscheinlich aufgespart, bis du mehrere Gläser Champagner getrunken hast.“

Andrea warf ihm einen finsteren Blick zu. „Meinst du, dann wüsste ich ordinäre Bemerkungen zu schätzen? Du hast mich auf dem College nicht gekannt, und du kennst mich auch jetzt nicht. Ich habe deine Primitivität noch nie gemocht, was du eigentlich auch wissen müsstest, wenn du nicht so ein aufgeblasener Wicht wärst!“

Keith lachte laut schallend. „Andrea, ich vergöttere dich.“

„Oh, lass mich in Ruhe!“, erklärte sie gequält, obwohl sie auf einmal Herzklopfen hatte. Er hatte es nicht ernst gemeint. Er war einfach ein Mann, der solche Dinge zu Frauen sagte und dann über ihre Reaktionen lachte. Offenbar glaubte er, dass er Gottes Geschenk an die Frauen war, und vielleicht war er das auch – für andere Frauen. Sie fand, er war ein gewissenloser Schuft, und er hatte nicht einmal den Anstand, vorzugeben, etwas anderes zu sein.

Er schaute sie über den Rand seines Glases an. „Wie wäre es mit einem kleinen Deal?“

„Was für ein Deal?“, fragte sie misstrauisch.

„Ich lasse dich in Ruhe, wenn du aufhörst, so griesgrämig zu sein. Früher konnte man mit dir Spaß haben. Du hast viel gelacht. Du bist hier heute Abend die schönste Frau, und wenn die Leute uns anstarren, dann liegt es daran. Schließlich lebe ich seit vier Jahren allein. Ich müsste schon verrückt sein, wenn ich mit der bezauberndsten Frau hier spreche und ihr nicht zu verstehen gebe, dass ich interessiert bin.“

Andrea schnappte nach Luft. „Hast du tatsächlich die Frechheit zu glauben, dass ich auch nur einen Deut darauf gebe, ob du interessiert bist?“ Sie zitterte vor Wut. Sie musste von ihm wegkommen, bevor alle sahen, dass sie Keith Owens am liebsten ermordet hätte. „Wo geht es zu den Toiletten?“, fragte sie. In dem Moment stellte sie fest, dass sie ihre Handtasche nicht dabeihatte. „Oh nein, ich habe sie in der Limousine gelassen!“

„Was?“

„Meine Handtasche.“ Wieder warf sie Keith einen finsteren Blick zu. Wenn sie seinetwegen nicht so nervös gewesen wäre, hätte sie die Tasche nicht in der verflixten Limousine vergessen. „Wo parken sie die Wagen? Ich brauche meine Tasche.“

„Ich zeige es dir.“

In dem Augenblick wurden sie von einem Mann unterbrochen. „Ah, das muss unser Ehrengast Andrea O’Rourke sein!“

Sowohl Andrea als auch Keith drehten sich ein wenig, um den Mann anzuschauen. Keith wirkte plötzlich nicht länger freundlich. Er musterte den attraktiven Mann in dem eleganten Smoking mit eisiger Miene.

„Willst du mich nicht vorstellen, Keith?“, fragte der Mann bemüht liebenswürdig.

Andrea spürte, dass Keith nicht einmal wollte, dass dieser Fremde sie begrüßte.