Bianca Exklusiv Band 171 - Jackie Merritt - E-Book

Bianca Exklusiv Band 171 E-Book

JACKIE MERRITT

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Beschreibung

DIE MILLIONENERBIN von MERRITT, JACKIE Als Theodora ein Vermögen erbt, umschmeicheln sie plötzlich zwei Verehrer: der Anwalt Jordan und der Rancher Colt. Beide sprechen von Liebe. Aber Theodora bleibt zurückhaltend. Sie fürchtet, dass beide nur eins wollen: ihr Geld. So widersteht sie dem Werben -zunächst! EIN PRINZ FÜR SHANNON von SINCLAIR, TRACY Glück im Spiel! Bei einer Quizshow gewinnt Shannon eine Traumreise ins Fürstentum Mornay. Der Regent Prinz Michel zeigt ihr höchstpersönlich das Land - ohne allerdings seine unterkühlte Zurückhaltung jemals aufzugeben. Bleibt Shannon das Glück in der Liebe versagt? DIESER KUSS IST EIN VERSPRECHEN von TOLLER WHITTENBURG, KAREN Es ist wie im Märchen: Monty erbt ein Schloss in Frankreich! Doch kaum angekommen, gerät sie in Lebensgefahr. Ihr Gärtner Sebastian rettet sie -- und gewinnt dabei ihr Herz. Noch ahnt Monty nicht, dass er nicht nur ihre Liebe will, sondern auch das Anwesen.

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Seitenzahl: 588

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Karen Toller Whittenburg, Tracy Sinclair, Jackie Merritt

Ein Millionär zum Verlieben, Band 171

IMPRESSUM

BIANCA EXKLUSIV erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG, 20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1

Redaktion und Verlag: Brieffach 8500, 20350 Hamburg Telefon: 040/347-25852 Fax: 040/347-25991
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Cheflektorat:Ilse BröhlProduktion:Christel Borges, Bettina SchultGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)Vertrieb:asv vertriebs gmbh, Süderstraße 77, 20097 Hamburg Telefon 040/347-27013

© 1994 by Karen Toller Whittenburg Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Deutsche Erstausgabe 1995 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

© 2002 by Tracy Sinclair Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Deutsche Erstausgabe 2004 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

© 1995 by Carolyn Joyner Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Deutsche Erstausgabe 1996 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

Fotos: RJB Photo Library

© by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg, in der Reihe BIANCA EXKLUSIV, Band 171 - 2008

Veröffentlicht im ePub Format im 04/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-86349-545-9

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

KAREN TOLLER WHITTENBURG

DIESER KUSS IST EIN VERSPRECHEN

Die junge Schlosserbin Monty Carlisle wird Opfer mysteriöser Ereignisse. Zum Glück ist jedes Mal ihr Gärtner Sebastian de Vergille zur Stelle, um sie zu retten. Ist das wirklich nur Zufall? Monty ahnt nicht, dass das Schloss den Vorfahren Sebastians gehörte und er es selbst besitzen möchte. So wächst in ihr die Leidenschaft – bis sich Zweifel einstellen …

TRACY SINCLAIR

EIN PRINZ FÜR SHANNON

Nach einer Ballnacht an der Côte d’Azur erfüllt sich für Shannon ein Traum: Prinz Michel – Regent des Fürstentums Mornay – versucht sie mit zärtlichen Küssen zu verführen. Dabei hat er bei Shannons Traumreise ins Fürstentum ihre leidenschaftliche Liebe wochenlang nicht erwidert. Nun zögert sie: Wird sie für den Prinz je mehr als eine Affäre sein?

JACKIE MERRITT

DIE MILLIONENERBIN

Niemals hätte Theodora gedacht, dass sie einmal ein Vermögen erben würde. Aber nun ist sie urplötzlich Millionärin – und wird gleich von zwei Männern umworben. Den Anwalt Jordan schätzt sie, doch der Rancher Colt löst prickelndere Gefühle in ihr aus. Nur zu gern würde Theodora glauben, dass Colts Leidenschaft nicht ihrem Erbe gilt, sondern ihr.

Karen Toller Whittenburg

DIESER KUSS IST EIN VERSPRECHEN

1. KAPITEL

Das Schloss sah aus, als stammte es direkt aus einem Märchen. Es war ein grandioses, vor Jahrhunderten erbautes Gebäude mit einem eindrucksvollen Wappen über der gewaltigen Eingangstür. Bis hinauf in das dritte Stockwerk standen in Wandnischen Statuen, als wollten sie die Weinberge im Tal unter ihnen bewachen. Zwei runde Türme bildeten die nördliche und südliche Ecke des Schlosses, das unter den dunkel drohenden Wolken tiefe Schatten warf, obwohl der Mond nur schwach vom Himmel schien.

Neben dem steinernen Portal flackerte eine wie eine Fackel geformte Leuchte, als wollte sie es den Blitzen gleichtun, die hin und wieder durch die Nacht zuckten. Das alte Gemäuer lag vergessen und verlassen da und wirkte alles andere als einladend.

Der Kasten sieht aus, als würde Frankenstein darin wohnen, dachte Monty. Keine Prinzessin, die etwas auf sich hielt, würde auch nur einen Fuß hineinsetzen. Sie hob den kalten, schweren Messingring des Türklopfers an und ließ ihn fallen. Das dumpfe Geräusch hallte noch nach, als sie sich verärgert zu ihrer Begleiterin umdrehte. „Um Himmels willen, Eve, nun starren Sie doch nicht so! Es ist nur ein Schloss. Wollen Sie etwa, dass man uns für neugierige Touristen hält?“ Ungeduldig klopfte sie noch einmal. „Benehmen Sie sich endlich so, wie man es von der Besitzerin dieses Schlosses erwarten kann.“

„Ja, Miss Carlisle.“

Monty wünschte, sie hätte eine Kopfschmerztablette. „Zur Sicherheit erkläre ich es Ihnen noch einmal. Hier in Frankreich tauschen wir die Rollen. Sie sind ich und heißen Montgomery Carlisle. Ich bin Sie, also Eve O’Halloran. Sie sind ich, ich bin Sie. Haben Sie das verstanden?“

„Ja, Miss Carlisle.“

Monty seufzte nie und wollte auch jetzt nicht damit anfangen … obwohl sie im Moment jeden Grund dazu besaß. „Wenn jemand Sie als Monty oder Mademoiselle Carlisle anspricht, nicken Sie freundlich und geben damit zu erkennen, dass Sie so heißen, mehr nicht. Ansonsten können Sie meinetwegen jeden ignorieren. Von der Erbin eines riesigen Vermögens erwartet niemand, dass sie sich wie ein gewöhnlicher Mensch benimmt. Sie können tun und lassen, was Sie wollen, und ich bezahle Sie sogar dafür. Hauptsache, Sie nennen mich nicht Miss Carlisle …“

Die riesige Tür stöhnte wie ein verstimmtes Cello und öffnete sich langsam. Muffige Luft drang ins Freie. Eine stämmige Frau erschien und hielt eine Laterne hoch, deren Licht auf ihr abstehendes, spinnwebenartiges Haar fiel. Ihre Augen waren nichts als dunkle Schlitze über runden, rot geschminkten Wangen. Sie sagte kein Wort, sondern starrte die beiden Besucherinnen an. Das Einzige, was einem davor bewahrte, sie für eine der Statuen in den Wandnischen zu halten, war die wilde Frisur.

„Bonsoir“, sagte Monty und hörte sich absichtlich so an, als wäre sie in der tiefsten amerikanischen Provinz aufgewachsen. Sie sprach jedes Wort sorgfältig aus, um wie eine Amerikanerin zu wirken, die „Au revoir“, nicht von „Arrivederci“, unterscheiden konnte. „Ich bin Eve O’Halloran, und das ist Miss Carlisle. Wir waren den ganzen Tag unterwegs und sind sehr müde. Könnten Sie uns unsere Zimmer zeigen, bitte … s’il vous plait?“

Die Frau verzog keine Miene. Montys grauenhafter Akzent ließ sie vollkommen ungerührt. Sie warf Eve einen mürrischen Blick zu, hielt die Laterne noch höher und machte einen Schritt nach hinten. „Hier entlang“, erwiderte sie, und ihr Englisch klang, als wäre sie eben erst aus dem Mittleren Westen der USA gekommen.

Monty schob ihre Sekretärin über die Schwelle und aus dem kalten Wind, der durch das Tal fegte. „Kommen Sie aus den Vereinigten Staaten?“, fragte Monty, während sie Eve in die gewaltige Eingangshalle folgte.

„Mein Name ist Charlotte“, antwortete die Frau, als wäre das eine Erklärung. „Der Strom ist ausgefallen.“

Das stimmte nicht ganz. An den drei Kronleuchtern über ihnen kämpften einige Glühbirnen gegen die Dunkelheit. Jedes Mal, wenn eine von ihnen flackerte, bewegten sich die Schatten, und der Raum wirkte noch unheimlicher. Durch die schweren Vorhänge an den Fenstern neben dem Eingang drang nicht einmal das grelle Aufleuchten der Blitze.

Wahrscheinlich sieht es hier am Tag noch gruseliger aus, dachte Monty. „Stimmt etwas mit dem Generator nicht?“, fragte sie.

„Für wen halten Sie mich?“, fragte Charlotte. „Für den Elektriker? Kommen Sie mit.“

Eve stand mit offenem Mund da und starrte auf die breite Treppe vor ihnen. Offenbar dachte sie gar nicht daran, die ihr zugedachte Rolle zu spielen und die Initiative zu ergreifen. Monty dagegen war fest entschlossen, sich von dem düsteren Gemäuer nicht aus der Fassung bringen zu lassen. „Lassen Sie unser Gepäck hereinholen“, sagte sie zu Charlotte. „Wir haben alles draußen gelassen.“

„Es ist niemand hier.“ Charlotte ging zur Treppe. „Ich begleite Sie nach oben. Aber Ihr Gepäck werden Sie selbst hereintragen müssen.“

Monty blieb stehen. „Was soll das heißen, es ist niemand hier? Wo ist der Verwalter? Mein Büro hat ihn doch bestimmt angewiesen, Personal einzustellen.“

„Es ist niemand hier, der sich um Ihr Gepäck kümmern kann“, wiederholte Charlotte. „Das werden Sie selbst tun müssen … nachdem ich Ihnen Ihre Zimmer gezeigt habe.“

„Augenblick mal. Wollen Sie damit sagen, dass Sie das gesamte Personal sind?“

„Nein, keineswegs.“ Charlotte ging einfach weiter. „Ich sagte nur, es ist niemand hier, der Ihr Gepäck hereinholt.“

„Aber …“, begann Eve und verstummte.

Monty konnte und wollte nicht glauben, dass Edwin sie hergeschickt hatte, ohne etwas arrangiert zu haben. „Ich möchte wissen, wo der Verwalter ist. Ich bestehe darauf, dass …“ Sie brach ab und mäßigte ihren herrischen Ton. Schließlich war sie nur die Sekretärin. „Miss Carlisle wird mehrere Wochen im Schloss wohnen. Sorgen Sie dafür, dass morgen Personal zur Verfügung steht.“

„Vielleicht hätte Miss Carlisle ihr eigenes Personal mitbringen sollen, um derartige Unannehmlichkeiten zu vermeiden.“ Die tiefe, wohlklingende Stimme kam aus der Dunkelheit, und Eve zuckte zusammen wie eine Katze, die einem knurrenden Hund begegnete.

„Und wer sind Sie?“ Monty kniff die Augen zusammen. „Das Schlossgespenst?“

„Nein, ich bin kein Gespenst“, versicherte der Mann. „Nur der Gärtner.“

Der Mann, der in den Schein der Laterne trat, sah nicht aus wie ein Gärtner. Er war groß und stattlich, hatte ein aristokratisches Gesicht, aber verdankte seine athletische Figur gewiss nicht einem Fitness-Studio. Er trug dunkle, unauffällige Kleidung, die erkennen lies, wie muskulös er war.

Das Haar war aus der hohen Stirn gekämmt und fiel ihm auf die Schultern. Der Mann strahlte etwas Rätselhaftes aus. Als er näher kam, hielt Monty unwillkürlich den Atem an. Sie brachte kein einziges Wort heraus. Sie hatte sich seit ihrem zehnten Lebensjahr von nichts und niemandem mehr einschüchtern lassen, doch jetzt stand sie schweigend und verunsichert da, während der Fremde sie lächelnd musterte.

„Willkommen in Ihrem Schloss, Mademoiselle Carlisle.“ Er deutete eine Verbeugung an. „Ich bin Sebastian, der Gärtner.“

„Ich … ich bin Miss Carlisle“, sagte Eve zaghaft. „Das ist meine Sekretärin, Miss O’Halloran.“

Er versuchte, es zu verbergen, doch Monty sah ihm an, wie überrascht er war. Fast widerwillig wandte er sich Eve zu, verbeugte sich auch vor ihr und lächelte hinreißend. „Verzeihen Sie meinen Irrtum, Mademoiselle. Ich hätte nicht erwartet, dass eine amerikanische Erbin so still … und scheu ist.“

Eve senkte verlegen den Blick, und Monty kam ihr rasch zur Hilfe. „Miss Carlisle ist müde. Wir waren den ganzen Tag unterwegs, und sie muss sich ausruhen. Sebastian, es wäre äußerst hilfreich, wenn Sie unser Gepäck hereinholen, während Charlotte uns die Zimmer zeigt.“

Ihr höflicher Ton änderte nichts daran, dass es sich um eine Anweisung handelte, und Monty wartete gespannt auf seine Reaktion. Ihr graute vor dem Aufenthalt in diesem alten Schloss im Tal der Loire, aber vielleicht würde er doch nicht so langweilig werden, wie sie befürchtet hatte. „Es macht Ihnen doch nichts aus, Sebastian?“

Er sah ihr in die Augen. Sein Blick war wie eine Herausforderung und ließ das Kribbeln in ihrem Bauch noch heftiger werden. „Es wird mir ein Vergnügen sein, Ihr Gepäck ins Haus zu tragen, Mademoiselle.“

„Danke.“ Eve nickte und sah sich nervös um. „Ich glaube nicht, dass ich meine Taschen die Treppe hinauftragen könnte. Schon gar nicht die von Miss …“

Monty hustete und räusperte sich, bis ihr der Hals wehtat. „Hoffentlich erkälte ich mich nicht. Es ist sehr zugig hier, nicht wahr? Sie sind der Gärtner, sagten Sie?“

„Oui, mademoiselle. Ich habe gerade begonnen, den Schlossgarten in seinen alten Zustand zu versetzen. Es wäre mir eine Ehre, ihn Mademoiselle Carlisle … und auch Ihnen zu zeigen. Schon morgen, wenn Sie möchten.“

Monty drehte sich zu Eve um. „Finden Sie es nicht auch seltsam, dass ein Gärtner sich um die Außenanlagen kümmert, während es im Schloss selbst außer Charlotte kein Personal gibt?“

„Daran ist überhaupt nichts seltsam.“ Charlottes amerikanischer Akzent passte nicht in die große, dunkle Halle. „Hier will niemand arbeiten. Das Schloss ist verwunschen.“

„Ver…wunschen?“ Eve sah sie entsetzt an. „Was soll das heißen, verwunschen?“

„Sie wissen schon. Gespenster, Kobolde und unheimliche Geräusche in der Nacht. Verwunschen eben.“

Monty lachte. „Erzählen Sie das jedem Besucher, Charlotte? Oder tun Sie es nur in stürmischen Nächten, wenn der Strom ausgefallen ist?“

Charlotte hob die Laterne vor ihr strenges Gesicht. „Wir haben nicht viele Besucher. Glauben Sie, was Sie wollen, aber beschweren Sie sich nicht, wenn Sie einem unserer Geister begegnen.“

„Ich nehme nicht an, dass man einen davon zum Butler ausbilden könnte, was?“, scherzte Monty, und es erstaunte sie nicht, dass Charlotte keine Miene verzog.

Sebastian schmunzelte. „Dazu müssten Sie erst einen fangen.“

„Vielleicht habe ich das bereits. Sie sehen nicht aus wie ein Gärtner, Sebastian.“

„Und Sie, Mademoiselle, sehen nicht aus wie eine Sekretärin.“

„Ich werde mir gleich morgen eine Schreibmaschine um den Hals hängen.“

„Und ich werde mir eine Schürze umbinden und einen Strohhut aufsetzen.“

Schlagfertig war er also auch. Sie wich seinem fesselnden Blick aus und sah Charlotte an. „Was ist denn nun mit dem Verwalter? Wo steckt er?“

„Louis?“

Die Frau wirkte verwirrt, und der Blick, den sie Sebastian zuwarf, bestätigte Montys Eindruck.

„Louis ist unterwegs. Geschäftlich“, sagte er.

„Ausgerechnet jetzt?“

„Reiner Zufall, mehr nicht.“ Charlotte drehte sich zur Treppe. „Ich zeige Ihnen, wo Sie heute Nacht schlafen können.“

„Wir werden etwas länger als nur eine Nacht bleiben.“

Charlotte blickte über die Schulter. Ihre Augen funkelten. „Natürlich. Hier entlang, bitte.“

„Warten Sie.“ Eves Finger zitterten, als sie die Hand an den Mund legte. „Sind wir hier etwa … ganz allein?“

„Das kommt darauf an, was Sie unter allein verstehen.“ Charlotte war mit ihrer ausweichenden Antwort sichtlich zufrieden. „Außerdem wurde uns gesagt, dass Sie die Einsamkeit wünschen, Miss Carlisle, und hier völlig ungestört sein möchten.“

Verängstigt sah Eve Monty an. „Ich glaube, ich möchte lieber wieder abreisen“, flüsterte sie.

Monty strich sich das braune Haar aus der Stirn. Sie merkte erst jetzt, wie erschöpft sie war. Wahrscheinlich lag das weniger an dem langen Flug über den Atlantik als an den Partys, mit denen sie in der Woche davor Abschied gefeiert hatte. „Es wird schon gehen“, raunte sie ihrer Sekretärin zu, bevor sie sich wieder Sebastian zuwandte. „Ich nehme an, Sie haben die notwendigen Vorkehrungen für unsere Sicherheit getroffen?“

„Keine Sorge. Seb wird Sie beschützen“, sagte Charlotte und huschte die Treppe hinauf.

Monty versuchte, Sebastians Miene zu entschlüsseln, bevor er wieder in der Dunkelheit verschwand.

„Es gibt keinen Grund zur Befürchtung, Mademoiselle“, fügte Sebastian hinzu. Die Absätze seiner Stiefel klapperten auf dem Steinboden, als er zur Tür ging. Sie öffnete sich knarrend, und das grelle Licht eines Blitzes drang herein, bevor er sie hinter sich schloss.

Eve hielt Monty am Arm fest. „Was hat sie damit gemeint, dass Seb uns beschützen wird? Wovor? Vor den Gespenstern?“

„Sie klingen wie meine Tante Josephine.“ Monty schüttelte Eves Hand ab und senkte die Stimme. „Wie Sie sich vielleicht erinnern, bin ich hier, um von dem ganzen Unsinn wegzukommen. Es gibt nichts, wovor wir Angst haben müssten. Keine Gespenster. Keine hässlichen Stiefmütter. Keine böse Fee, die Dornröschen in den Turm locken will. Habe ich Sie denn nicht vor Tante Jos Gruselgeschichten gewarnt?“

„Aber hier ist es so unheimlich.“

„Am Tag sieht es bestimmt viel gemütlicher aus.“

Eve seufzte und rang nervös die Hände. „Sie haben recht. Dies ist Ihr Urlaub, und den darf ich Ihnen nicht verderben.“

„Meiner Vorstellung von Urlaub entspricht das hier keineswegs. Ich bezweifle, dass Sie den Aufenthalt hier schlimmer machen können, als er ist.“ Monty sah nach oben. „Wo ist die Frau denn hin?“

„Ich weiß es nicht. Aber ich würde mich viel sicherer fühlen, wenn ich die Laterne tragen könnte.“

„Ich kann die Stufen kaum erkennen.“

„Dann warten Sie hier. Ich hole die Laterne und komme wieder.“

Eve riss erschreckt die Augen auf. „Das kann ich nicht zulassen. Sie könnten sich verletzen.“

„Ich habe nicht vor, die Nacht in dieser Halle zu verbringen, Eve.“ Sie starrte dorthin, wo sich die Konturen der Treppe in der Dunkelheit aufhoben. „Charlotte!“

Wie von Geisterhand tauchte die Laterne am Ende der Treppe auf. „Folgen Sie mir!“, rief Charlotte.

Monty gefiel der Befehlston nicht, doch das Licht entfernte sich bereits wieder. „Kommen Sie, Eve.“ Sie eilte die Stufen hinauf, doch als sie oben ankam, bog Charlotte schon um eine Ecke des langen Korridors.

„Charlotte!“, rief Monty. „Charlotte, warten Sie auf uns!“

„Hier entlang“, kam es ungeduldig zurück.

Eve tastete nach Montys Arm. „Es ist so dunkel“, flüsterte sie. „Wo ist sie?“

„Vielleicht liegen unsere Zimmer an diesem Korridor.“ Von der Laterne war nichts zu sehen. Ein Blitz zuckte über den Himmel und tauchte den Korridor und die wie Engel aussehenden Statuen an den Wänden in kaltes Licht. Dann wurde es wieder dunkel. Monty ging entschlossen weiter und zog Eve mit sich.

„Ich kann nichts sehen“, flüsterte Eve verängstigt. „Sollten wir nicht lieber auf sie warten? Wir wissen doch gar nicht, wo wir sind.“

„Wir sind in der Halle der Engel.“

„Engel? Sind Sie sicher?“

Monty blieb vor einer Nische stehen und sah hinein, um nach einer Tür zu suchen. „Nun ja, vielleicht sind es auch Heilige … Nein, sie haben Flügel. Es sind Engel, kein Zweifel.“

Ein dumpfes Grollen ertönte.

„Was war das?“ Eve blieb wie angewurzelt stehen.

„Donner.“

„Es klang nicht wie Donner.“

„Vielleicht schleift Sebastian gerade unser Gepäck über die Zugbrücke, um es in den Wassergraben zu werfen.“

„Es gibt gar keine Zugbrücke … und keinen Wassergraben.“

Monty ging langsam weiter und blieb unter den ausgebreiteten Flügeln eines Engels stehen. „Charlotte?“, rief sie verärgert. „Wo sind Sie? Wir brauchen die Laterne.“

„Charlotte?“, wiederholte Eve zaghaft. „Charlotte?“

„Hier entlang.“ Die Stimme kam aus der Dunkelheit, etwa drei Engel entfernt. Die Laterne leuchtete kurz auf und verschwand wieder.

„Da ist sie“, sagte Eve und seufzte erleichtert.

Regen prasselte gegen die Fenster, und Monty sah hinaus. Edwin hätte ihr wenigstens eine Taschenlampe mitgeben können. Ohne ihn und diese unglückliche Sache mit dem Rubin wäre sie gar nicht hier …

Ein Blitz zuckte durch die Nacht, und es donnerte lauter als zuvor. Die Luft schien sich elektrisch aufzuladen. Monty kam es vor wie eine Warnung. Sie drehte sich um, hörte ein kratzendes Geräusch, spürte die Gefahr, blieb jedoch direkt unter der Statue stehen, die auf ihrem Sockel zu schwanken begann und langsam nach vorn kippte …

Jemand packte Montys Arm und riss sie aus der Bahn des umstürzenden Engels. Er presste sie an seinen kräftigen Körper. Montys Herz schlug wie wild. Ihr Retter duftete nach Sturm und Regen, und es dauerte eine Weile, bis ihr bewusst wurde, wie fest sie sich an ihn klammerte. Aber sie brachte es nicht fertig, ihn loszulassen und ihm zu danken. Entsetzt starrte sie auf den zerbrochenen Engel zu ihren Füßen.

Eve schrie auf. „Was, zum Teufel, war das?“, ertönte Charlottes strenge Stimme.

Eve eilte zu ihr. Derjenige, der Monty gehalten hatte, war fort, und sie fröstelte in der kalten Luft.

Charlotte hob die Laterne und ließ das Licht über die entstellte Statue wandern. „Wie haben Sie das denn gemacht?“

Monty sehnte sich nach der tröstenden Umarmung ihres Retters.

„O nein“, flüsterte Eve voller Entsetzen. „Du hättest getötet werden können. Wir hätten nicht herkommen sollen. Es ist der Fluch, nicht wahr?“

Der Carlisle-Fluch … Die letzte Erbin … Monty dachte an Tante Josephines oft wiederholte Warnung.

„Unsinn“, sagte sie scharf. „Ich war nicht in Gefahr. Wahrscheinlich bin ich gegen den Sockel gekommen und habe das Ding umgestoßen. Es wäre nicht passiert, wenn Sie uns nicht in der Dunkelheit zurückgelassen hätten, Charlotte.“

„Ich dachte, Sie wären hinter mir.“

Unten in der großen Halle knarrte die Tür. Das Prasseln des Regens drang ins Haus, gefolgt von einem kühlen Luftschwall. Ein Koffer wurde mit dumpfem Geräusch abgestellt. Schwere Schritte ertönten, verstummten kurz, dann kam Sebastian pfeifend die Stufen hinauf.

Monty hielt den Atem an. Nein, Sebastian konnte es nicht sein. Gerade eben hatte er sie beschützt und in den Armen gehalten. Sie spürte die Wärme noch. Der Rücken ihrer Bluse war feucht von seinem nassen Hemd. Ihr Herz klopfte noch, denn er hatte sie nicht nur festgehalten, sondern sie an sich gepresst … wie ein Liebhaber. Sebastian war ihr Retter. Sie war ganz sicher. Doch als er jetzt nach oben kam, je einen Koffer unter dem Arm und in der Hand, wurde sie unsicher.

„Sie hätten nicht auf mich warten müssen“, sagte er. „Ich bringe das Gepäck in Ihre Zimmer.“ Er bemerkte Eves blasses Gesicht und stellte die Koffer ab. „Ist etwas passiert?“

Charlotte schnaubte. „Sie hat die Statue umgestoßen.“

Seb ging in die Knie und strich erst über den Engel, dann über den Marmorsockel. Und erst jetzt sah er Monty an. „Sind Sie verletzt?“

„Nein. Mein Schutzengel muss in der Nähe gewesen sein.“

„Sie haben Glück gehabt, Mademoiselle O’Halloran. Haben Sie ein Schreck gekriegt?“

„Sollte ich das?“

Er lächelte nur.

Monty griff nach der Laterne. „Geben Sie sie mir. Sie sind zu schnell für Miss Carlisle.“

Charlotte ließ die Laterne nur zögernd los.

„Hier entlang?“, fragte Monty.

„Ja, aber bleiben Sie bei mir. Es kommt noch eine Treppe.“

Eve folgte Charlotte. Monty blieb stehen, um Sebastian den Vortritt zu lassen.

„Ich werde hinter Ihnen gehen, Mademoiselle, und Sie vor den Engeln beschützen“, sagte er.

Monty lief es kalt den Rücken herunter. Es war eine Mischung aus Angst und Erregung. Sie war erst kurz in diesem verlassenen Schloss und war bereits einem Geist, einem geheimnisvollen Gärtner und einem Schutzengel begegnet.

Oder war es ein und dieselbe Person?

2. KAPITEL

Seb begleitete Eve und Monty in eins der sechzehn Schlafzimmer des Schlosses. Unter der hohen Decke wirkte das Himmelbett trotz seiner Größe klein und verloren. Die wenigen anderen Möbel waren im Raum verteilt, als sollten sie darüber hinwegtäuschen, dass so viele fehlten. Das Zimmer roch unbenutzt und nach Reinigungsmitteln.

Sie bringt nichts als Ärger, dachte Seb. Warum musste sie ausgerechnet heute auftauchen?

„Sie schlafen hier, Miss Carlisle.“ Charlotte zeigte auf eine Verbindungstür. „Und Ihre Sekretärin dort. Gleich nebenan.“

„Es ist so … groß.“

Seb musterte die vermeintliche amerikanische Erbin. Sie war blass, die Augen blau, das Haar braun. Vielleicht ist sie ganz hübsch, dachte er, hübscher als ihre Sekretärin … wenn man Perlen Rubinen vorzieht. Aber Mademoiselle O’Halloran ist ein echter Kontrast zu ihrer Arbeitgeberin. Sie bringt Farbe und Leben in das Schloss. Und Probleme.

Monty stellte die Laterne auf einen Tisch und sah sich um. „Nicht gerade das Ritz, was?“

Er unterdrückte ein Lächeln. Die kleine Sekretärin liebte also den Luxus. Vielleicht konnte er das ausnutzen.

„Wo soll ich Ihr Gepäck hinstellen, Mademoiselle Carlisle?“, fragte er die Erbin.

„Irgendwohin, danke“, erwiderte sie mit leiser, schüchterner Stimme und sah sich im Schlafzimmer um, als wäre es eine Folterkammer.

„Stellen Sie die beiden Taschen vor die Kommode“, befahl Monty. „Und die anderen hier hinein.“

Sie hatte die Verbindungstür geöffnet und sah in den nur vom grauen Mondschein erhellten Nebenraum. Sie ging hinein, und als Seb ihr mit den Taschen folgte, riss sie die Balkontür auf und sah in die Nacht hinaus. Dann lachte sie sanft. Für ihn klang es wie das Schnurren einer Katze. Als er an ihr vorbeiging, nahm er ihren berauschenden Duft wahr. Der Wunsch, sie zu packen und an sich zu drücken, kam urplötzlich. Nur mit Mühe beherrschte er sich und schloss die Tür wieder. „Es ist besser, die Feuchtigkeit draußen zu lassen, Mademoiselle.“

Sie sah ihn an. Ihr Blick war herausfordernd. „Wie bitte?“

„Es regnet. Im Freien ist der Regen nützlich, im Haus richtet er Schaden an.“

„Danke für die Aufklärung“, erwiderte sie und öffnete die Tür wieder. „Aber ich brauche frische Luft.“

Seb unterdrückte seinen Ärger. Dieses Schloss war vor Jahrhunderten errichtet worden und hatte den zerstörerischen Kräften von Krieg, Revolution und menschlicher Unvernunft widerstanden. Jetzt kam diese Frau und setzte es den feindlichen Elementen aus. „Mademoiselle“, sagte er scharf, „Sie haben sich vorhin darüber beschwert, wie kalt es hier ist. Bitte erlauben Sie mir, die Tür zu schließen.“

„Mir ist nicht mehr kalt. Die Begegnung mit dem Engel scheint mich erwärmt zu haben.“

Er ballte die Hände zu Fäusten und verbeugte sich leicht. „Es hätte der Engel des Todes sein können, Mademoiselle.“

„Es war ein Unfall, sonst nichts.“

„Ja, natürlich.“

Erst jetzt sah sie ihn an. „Wollen Sie mir Angst machen, Sebastian?“

„Ich möchte lediglich die Tür schließen. Sie setzen sich einer … unnötigen Gefahr aus.“

„Tatsächlich? Nun ja, ich weiß Ihre Besorgnis zu schätzen. Sie können jetzt gehen.“

Ihr Ton war herablassend, und er musste sich beherrschen, um sie nicht an sich zu reißen und zu schütteln …

„Brauchen Sie denn kein Licht?“

Seb drehte sich zur Zimmertür um. Dort stand Eve mit zwei Leuchtern. Die flackernden Kerzen ließen ihr Gesicht noch verängstigter aussehen. „Bitte, kommen Sie aus der Kälte“, sagte sie besorgt. „Sie könnten sich eine Lungenentzündung holen … oder zu Tode stürzen.“

„Denselben Rat habe ihr auch schon gegeben, Miss Carlisle, aber unsere Meinung scheint sie nicht zu interessieren“, sagte Seb.

„Ja, sie benimmt sich oft sehr unvernünftig“, erwiderte Eve, und die Leuchter in ihren Händen zitterten.

Seb lächelte. „Wie ich sehe, haben Sie Licht gefunden, um diesen finsteren Ort ein wenig zu erhellen.“

Eve drehte sich zur Seite, um die Kerzen vor dem Wind zu schützen. „Charlotte hat sie mir gegeben. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, werde ich die Laterne behalten. Sie können die Leuchter nehmen, aber ich fürchte, bei dem Wind und Regen, der von draußen hereinkommt, werden sie Ihnen nicht viel nützen.“

Monty schloss die Balkontür. „So. Jetzt können Sie beide ruhig schlafen. Mir droht keine Gefahr mehr. Weder vom Wetter noch von den Geheimnissen, die dieses alte Gemäuer in sich birgt.“ Ihr kam eine Idee, und sie sah Sebastian an. „Besitzt dieses Schloss einen Kerker? Und Geheimgänge?“

„Sie lesen zu viele Märchen“, erwiderte er lächelnd. „Zweifellos besitzt das Schloss viele Geheimnisse. Ich bin nur mit denen des Gartens vertraut.“

„Richtig. Sie sind nur ein einfacher Gärtner, nicht wahr, Sebastian?“

Er blickte ihr in die Augen, während er sich leicht verneigte.

„Ihr Bett ist gemacht“, verkündete Charlotte beim Hereinkommen. „Können Sie Ihre Decke selbst zurückschlagen oder soll ich es für Sie tun?“, fragte sie Monty spitz.

„Ich komme schon allein zurecht, danke. Vorausgesetzt, die Laken sind in den letzten vierhundert Jahren mindestens einmal gewechselt worden.“

Charlotte ließ sich nicht anmerken, ob die Antwort sie kränkte. „Im Schrank ist frisches Bettzeug, falls Sie es benötigen“, sagte sie nur und ging hinaus, ohne Monty eine gute Nacht zu wünschen.

Seb folgte ihr. „Mademoiselle Carlisle? Soll ich die Leuchter für Sie halten?“, fragte er, als er an Eve vorbeikam.

„O ja, bitte.“ Sie gab sie ihm. „Meinen Sie, dass wir morgen wieder Strom haben werden, Sebastian?“

„Bestimmt.“ Monty trat zu ihnen in den Lichtschein. „Wir sind nicht im Mittelalter. Gleich morgen früh werden Sie den Generator in Gang setzen, nicht wahr, Sebastian?“

Er drehte sich zu ihr um, und einen Herzschlag lang herrschte zwischen ihnen ein gebanntes Schweigen, das Monty diesen Mann noch rätselhafter erscheinen ließ. „Ich werde alles tun, um Miss Carlisle zufriedenzustellen.“

Keine einfache Aufgabe, dachte Monty und lächelte aufmunternd. „Das ist gut zu wissen, Sebastian.“

Bevor er sich wieder wegdrehte, sah sie das lange kastanienbraune Haar an seinem Hemd. Es war ihr Haar. Also war er es gewesen, der sie gerettet, in den Armen gehalten und das Verlangen in ihr geweckt hatte. Dennoch war er wenige Minuten später durch die Vordertür ins Schloss gekommen.

„Danke, Sebastian“, sagte Eve. „Sie waren sehr hilfreich.“

„Gute Nacht, Mademoiselle.“ Er ging zur Tür und blieb neben Monty stehen, die ihn interessiert musterte. „Schlafen Sie gut.“

Sie nahm das Haar von seinem Hemd. „Ich glaube nicht, dass die Gespenster mich heute Nacht belästigen werden. Ich habe nämlich einen Schutzengel, wissen Sie.“

Er betrachtete das Haar. „Seien Sie vorsichtig, Mademoiselle. Es gibt Engel, die in Ungnade fallen.“ Seine Schritte hallten von den Wänden wider, als er das erste Schlafzimmer durchquerte. Dann schloss die Tür sich hinter ihm. Die plötzliche Stille war unheimlich.

Eve fröstelte. „Dies ist wirklich ein Spukschloss. Ist Ihnen gar nicht kalt?“

Monty starrte noch immer auf das Haar zwischen ihren Fingern. „Wir sind hier nicht gerade willkommen, was? Gleich morgen rufe ich Onkel Edwin an und finde heraus, warum der Verwalter nicht hier ist. Das finde ich nämlich eigenartig.“

„Ich finde alles hier eigenartig.“ Eve rieb sich nervös die Hände. „Können wir nicht einfach in den Wagen steigen und zurück nach Paris fahren?“

„Soll das ein Scherz sein? Keine zehn Pferde bekommen mich heute Nacht hier heraus. Erstens bin ich viel zu müde, und zweitens möchte ich einige Nachforschungen anstellen. Hier stimmt etwas nicht.“

„Würden Sie mich dann bitte entlassen? Ich möchte nicht einfach gehen und Sie in diesem …“

„Dies ist Schloss Carlisle.“ Monty sah auf die Schatten, die die Kerzen an die Wände warfen. „Und zum ersten Mal, seit ich den Namen gehört habe, glaube ich, dass es mir hier gefallen wird.“

Monty erwachte mit klopfendem Herzen und brauchte einige Sekunden, bis sie wusste, wo sie sich befand. Im Schloss. Und der Strom war noch immer ausgefallen. Sie sah zum Tisch hinüber. Die Leuchter standen noch dort, wo Sebastian sie hingestellt hatte, aber die Kerzen waren längst heruntergebrannt. Eve war nebenan und schlief vermutlich wie ein Baby. Monty ließ den Kopf wieder aufs Kissen sinken. Sie musste geträumt haben. Einen Albtraum. Nach dem unfreundlichen Empfang am gestrigen Abend war das kein Wunder.

Das Gewitter war weitergezogen, und das Mondlicht schien silbrig zwischen den Vorhängen hindurch. Gähnend drehte Monty sich auf die Seite. Charlotte hatte dieses Zimmer für ihren Aufenthalt vorbereitet. Also hatte Edwin ihr Eintreffen angekündigt, und aus diesem Grund war die Frau hier. Warum hatte sie trotzdem das Gefühl, im Schloss nicht willkommen zu sein? Warum wurde sie den Verdacht nicht los, dass der Engel keineswegs zufällig umgestürzt war?

Beim Einschlafen hatte sie versucht, nicht an Sebastian de Vergille zu denken.

„Dangereuse.“

Das Wort drang wie das Echo eines Flüsterns in ihr Bewusstsein. Etwas, das sie gehört, sich aber vielleicht auch nur eingebildet hatte. Aber seit wann sprach ihre Einbildung französisch?

Monty schlug die Decke zurück und wollte aufstehen. Doch das Bett war so hoch, dass sie mit den Füßen den Boden nicht berühren konnte. Man hätte sich ohne weiteres ein Bein brechen können, nur um aus dem Bett zu kommen.

Vielleicht sollte sie Seb um eine Trittleiter bitten. Nein, das war keine gute Idee. Als Montgomery Carlisle würde sie nicht zögern, es zu tun. In der Rolle der schüchternen Sekretärin, die sie während ihres Exils spielen wollte, durfte sie nicht zu anspruchsvoll sein.

„Dangereuse.“

Auf halbem Weg zur Balkontür blieb Monty wie angewurzelt stehen. Diesmal hatte sie sich das sanfte Flüstern nicht eingebildet. Es war von ganz nah gekommen. Wie eine gespenstische Warnung. Wovor? Vor dem Carlisle-Fluch?

Sie nahm ihren Mut zusammen, ging weiter und schaute nach draußen. Sie riss die Balkontür auf, stand fröstelnd in der kalten Morgenluft und lauschte.

Dann hörte sie etwas. Leise, dumpfe Geräusche, die wie bei einer Unterhaltung lauter und wieder leise wurden. Kein Zweifel, es handelte sich um ein Gespräch, aber was gesagt wurde, war nicht zu verstehen. Monty betrat den Balkon, legte die Hände auf das steinerne Geländer und sah auf den dunklen Garten hinunter.

Eine Wolke trieb vor den Mond, und die Schatten bewegten sich wie Traumbilder. Das Geräusch verstummte und wurde abgelöst von den Lauten, die die Insekten und andere Tiere von sich gaben. Die Sterne blinkten am Himmel.

Monty starrte nach unten, obwohl es ihr vermutlich nur eine Erkältung einbringen würde. Sie wollte gerade wieder hineingehen, da sah sie ihn.

Sebastian.

Sein Haar und seine Kleidung verschmolzen mit der Dunkelheit, als wäre er ein Teil der Nacht. Nur sein Gesicht war zu erkennen, während er Monty vom Garten aus so beobachtete wie sie ihn.

Sie wusste nicht, wie lange sie reglos auf dem Balkon stand, und spürte weder den Wind noch die Kälte. Als Sebastian sich abwandte und in der Dunkelheit verschwand, ahnte sie, dass etwas Seltsames geschehen war. Etwas, das sie noch nie erlebt hatte.

Was immer es war, es ging von Sebastian aus. Er bewegte sich wie ein Phantom durch die Dunkelheit, tauchte neben ihr auf dem Korridor auf und kam im nächsten Moment mit dem Gepäck durch die Vordertür. Sie glaubte nicht an Gespenster. Sebastian war ein lebender Mensch. Er war zu warm, zu stark, zu männlich, um in einer anderen Welt als dieser zu existieren. Irgendwo dort draußen in der Dunkelheit musste es eine Erklärung dafür geben, dass er an zwei Orten zugleich sein konnte.

Und jetzt stand sie wie Julia auf dem Balkon und wusste, dass er gerade eben Besitz von ihr ergriffen hatte. Sie wusste nicht, wie oder warum oder was es bedeutete, sie wusste nur, dass sie sich von Sebastian de Vergille fernhalten musste. Er war eine Bedrohung. Er war „dangereux“.

Sie fröstelte, aber es war nicht die Angst, die sie frieren ließ. Es war die Einsamkeit.

„Es ist zu gefährlich. Louis muss bald kommen.“

Seb tat Charlottes Besorgnis mit einem Schulterzucken ab und hängte sich das aufgerollte Seil um. „Louis ist seit drei Tagen fort. Wir wissen nicht, wann er zurückkehrt. Ich kann es mir nicht leisten, auf ihn zu warten.“ Er befestigte einen Karabinerhaken am seinem Gürtel und überprüfte den Sitz der Kletterausrüstung. „Schon deshalb nicht, weil sie jetzt hier ist.“

„Wir können sie loswerden. Sie hat genug Angst. Wenn wir etwas nachhelfen, ist sie morgen schon verschwunden.“

„Ich wünschte, es wäre so.“

„Vertrauen Sie mir. Sie ist verwöhnt und glaubt, nur mit den Fingern schnippen zu müssen, um alles zu bekommen. Ihr steht ein böses Erwachen bevor.“

Seb lächelte. „Ich nehme an, sie hat etwas Luxuriöseres erwartet. Und ich habe den Eindruck, unsere Erbin ist nicht halb so verwöhnt, wie ihre Sekretärin es sein möchte.“

„Miss O’Halloran wird ein Problem werden.“

Seb wandte den Blick ab. Charlotte entging kaum etwas. Sie sollte nicht wissen, was für ein Problem Miss O’Halloran bereits jetzt für ihn darstellte. „Ich werde einen Weg finden.“

„In ihr Bett? Ich sehe doch, was für Blicke Sie ihr zuwerfen.“

„Sie ist attraktiv“, sagte er. „Und wenn ich sie verführen muss, um mein Ziel zu erreichen, werde ich meinen Charme einsetzen.“

„Die Frau bringt nichts als Ärger, Sebastian“, warnte Charlotte. „Lassen Sie die Finger von ihr.“

„Würden Sie es lieber sehen, wenn ich die kleine Erbin verführe?“

„Wenn sie sich in Sie verliebt, könnte das Schloss bald Ihnen gehören, Sebastian.“

„Ich will nur, was mir zusteht.“ Er blickte zur Spitze des Südturms hinauf. „Ich brauche es nur zu finden.“

„Es ist verrückt, in der Dunkelheit hinaufzuklettern.“

„Soll ich es etwa tun, wenn es hell ist?“

„Es wäre auch dann verrückt. Warten Sie, bis Sie durch den Gang in den Turm können.“

„Die Tür, die vom Tunnel in den Turm führt, ist fest verschlossen und der Eingang des Tunnels zugemauert. Ich habe keinen anderen Weg in den Turm gefunden. Jetzt, da Mademoiselle Carlisle hier ist, werde ich vielleicht keine Gelegenheit mehr bekommen, nach Geheimgängen zu suchen. Und dies ist vielleicht meine letzte Chance, den Turm zu besteigen.“

Nervös fingerte Charlotte an ihrer Schürze herum. „Aber die Turmfenster sind viel zu schmal. Selbst wenn Sie sich vorher nicht den Hals brechen, passen Sie nicht hindurch. Es ist zu gefährlich.“

Seb drückte ihre Hand. „Keine Angst. Vor Sonnenaufgang bin ich wieder draußen. Niemand wird es merken, und ich werde mir auch nicht den Hals brechen.“

„Warum gehen Sie ein solches Risiko ein, Sebastian? Wir werden die Frauen wieder los. Ohne Personal halten sie es hier keine zwei Tage aus. Mein Essen wird ihnen den Rest geben.“

Seb lachte. „Wenn Mademoiselle erst Ihre Fischsuppe gekostet hat, wird sie einen Chefkoch aus Paris kommen lassen.“

„Ich werde die Köpfe an den Fischen lassen. Das dürfte ihrem verwöhnten Gaumen einen ordentlichen Schock versetzen.“ Charlotte überlegte. „Uns fällt bestimmt noch mehr ein. Und falls das nicht wirkt, muss es vielleicht einen weiteren … Unfall geben.“

Unfall. Das Wort ließ Sebastian daran denken, wie er die Frau in den Armen gehalten und ihr herrlich duftendes Haar an der Wange gespürt hatte. Sie hatte Angst gehabt, auch wenn sie es zu verbergen versucht hatte. Aber er bezweifelte, dass sie das Schloss verlassen würde. Jedenfalls nicht, bevor sie all seine wohldurchdachten Pläne durcheinandergebracht hatte.

Er schaute an der regennassen, glatten Turmwand hinauf und dachte … an sie. So, wie er sie auf dem Balkon gesehen hatte. Mit windzerzaustem Haar, im weißen Nachthemd. Er hätte sofort verschwinden sollen, als sie ins Freie getreten war. Stattdessen war er stehen geblieben, wie verzaubert von ihrem Anblick.

O ja. Sie war ein Problem. „Dangereuse“, flüsterte er.

„Dangereuse“, wiederholte Charlotte mit einem Blick auf den dunklen Turm.

3. KAPITEL

Wie Monty erwartet hatte, machte das Tageslicht das Schloss nicht einladender. Sie saß mit angezogenen Knien in der Mitte des riesigen Betts und fragte sich, warum um alles in der Welt ihr Vorfahre dieses mittelalterliche Ungetüm gekauft hatte.

Tante Josephine hatte es mit einer Familienlegende aus ihrem offenbar unerschöpflichen Vorrat erklärt. Für Monty waren es reine Märchen. Doch jetzt fand sie es gar nicht mehr so unwahrscheinlich, dass Josiah Charles von einer Frau betrogen worden war und dieses Gemäuer erworben hatte, um sich an ihr zu rächen.

Eine wirklich gelungene Rache, dachte Monty. Der aristokratische Vorbesitzer war bestimmt heilfroh gewesen, den alten Kasten einem reichen Amerikaner andrehen zu können. Wahrscheinlich schwebte er noch immer durch die Gänge und amüsierte sich mit den anderen Geistern darüber, wie er den schwerreichen Industriellen aus Übersee hereingelegt hatte.

Monty schlug die schwere Decke zurück, kroch an den Rand der klumpigen Matratze und kletterte vorsichtig vom Bett. Barfuß stand sie auf dem abgewetzten Teppich und sah zu den Deckenmalereien hinauf. Die Farben waren verblasst, und die Bilder unter dem Staub, der sich im Lauf der Jahre angesammelt hatte, kaum noch zu erkennen.

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