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Was muss geschehen, damit der wundervolle Kinderarzt Dane Cameron endlich Ja zu Maria sagt? Sie weiß, dass er auf tragische Weise Frau und Kind verloren hat. Und Maria will mit ihrer süßen Tochter kein Ersatz sein. Sie will ihn nur lieben - und von ihm geliebt werden.
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Seitenzahl: 203
IMPRESSUM
Öffne dein Herz, Dane erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2001 by Karen Rose Smith Originaltitel: „Doctor in demand“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCABand 1329 - 2002 by CORA Verlag GmbH, Hamburg Übersetzung: Dagmar Mallett
Umschlagsmotive: Tom Merton /GettyImages
Veröffentlicht im ePub Format in 09/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733753351
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Eigentlich hätte Dane Cameron von der Landschaft New Mexicos begeistert sein müssen. Er war schon mal hier im Südwesten gewesen, um an einem Ärztekongress teilzunehmen. Damals war er jedoch nicht aus dem Hotel herausgekommen. Jetzt hatte er das Gefühl, als ob jene Reise schon Ewigkeiten zurücklag. Damals war sein Leben noch erfüllt gewesen mit einer Arbeit, die er liebte … einer Frau … und einem Sohn …
Obwohl es schon fast fünf Uhr nachmittags war, stand die Sonne immer noch feurig rot und brennend am Himmel. Dane folgte der Wegbeschreibung, die ihm der Mann im Motel gegeben hatte, als er vorhin in diese Kleinstadt namens Red Bluff gekommen war. Am Büro des Sheriffs vorbei, über den Marktplatz und dann noch einige Häuserblocks weiter. Rechts sah er das Schild zur Familienpraxis von Red Bluff und bog auf den Parkplatz ein. Dort standen zwei Fahrzeuge, ein Jeep und eine Limousine.
Er hoffte, dass die Praxis noch offen war, denn er war gespannt auf seinen neuen Arbeitsplatz. Er spürte einen Eifer in sich, der ihn fast überraschte, nachdem er fast zwei Jahre lang wie betäubt eher existiert als wirklich gelebt hatte.
Als er mit großen Schritten zur Eingangstür der Praxis ging, fiel ihm auf, wie anders die Landschaft hier im Vergleich zum Nordosten war. Doch als er an der Eingangstür des Gebäudes ankam, interessierte es ihn mehr, was er dahinter antreffen würde.
Dane war zunächst beeindruckt von der Atmosphäre in der Eingangshalle. Überall gab es spanische und indianische Motive. Burgunderrot und Dunkelgrün waren die dominierenden Farben der Einrichtung. Er blieb am Fenster der Pförtnerloge stehen und sah, dass die Kabine dahinter leer war.
Eine Tür, an der Chilischoten hingen, stand offen, und Dane glaubte, Stimmen aus dieser Richtung zu hören. Er ging dem Geräusch nach und hielt vor einem Untersuchungszimmer inne, dessen Tür nur angelehnt war. Als er hineinsah, stockte er. Am Waschbecken stand eine ältere Frau.
Aber es war die andere, die jüngere Frau im weißen Kittel mit einem Stethoskop um den Hals, die seine Aufmerksamkeit weckte. Sie sprach mit ruhiger Stimme zu ihrer Patientin. Was ihn faszinierte, war ihre exotische Schönheit. Ihr Haar hatte die Farbe und den Glanz eines Zobels. Es war zum Pferdeschwanz zusammengebunden und reichte fast bis zur Taille hinunter. Die hohen Wangenknochen hatten eine feine Linienführung, ebenso die gerade Nase und das Kinn. Die Haut war braun, die vollen Brüste standen hoch, und die sanft geschwungenen Hüften zeichneten sich unter ihrem weißen Kittel ab.
Dane war ihre heisere Altstimme schon am Telefon aufgefallen, und er hatte sich gefragt, wie diese Frau wohl aussehen würde. Wenn dies die Ärztin war, mit der er arbeiten sollte … Er spürte in seinem Körper Regungen, die schon seit sehr langer Zeit nicht mehr zu seinem Leben gehört hatten.
Plötzlich hörte er aus dem Wartezimmer einen Tumult. „Dr. Youngbear! Kommen Sie schnell“, rief jemand von dort.
Dane erkannte sofort, dass es sich um einen Notfall handeln musste, und ging zurück in die Eingangshalle, wo er zwei Männer in grauer Uniform vorfand. Der Jüngere von beiden – er war wohl Ende zwanzig – hatte rote Flecken im Gesicht und auf den Armen, und seine Lippen waren geschwollen.
„Wespen haben ihn erwischt“, erklärte sein Partner hastig. „Er sagt, dass es ihm den Hals zuschnürt.“
Dane war zwar Kinderkardiologe, aber er erinnerte sich noch gut an seine Dienste in der Notaufnahme. Nach einer schnellen, flüchtigen Untersuchung war er sich sicher, dass der Mann einen anaphylaktischen Schock hatte.
„Ich bin Dr. Cameron“, sagte er den Männern und führte sie schnell den Flur hinunter in einen leeren Untersuchungsraum.
Die Stimmen hatten auch Maria Youngbear in den Flur gelockt. Sie ließ den Blick schnell über Dane wandern – über sein braunes Polohemd und seine kakifarbenen Hosen. Dann galt ihre ganze Aufmerksamkeit dem Mann, der gestochen worden war. „Rod! Was ist passiert?“
Bevor der junge Mann versuchen konnte zu antworten, sagte Dane kurz angebunden: „Dane Cameron. Unser Patient ist mehrfach gestochen worden. Ich brauche Epinephrin und Benadryl intramuskulär.“
Maria riss einen Moment lang ihre dunkelbraunen Augen auf. Dann ging sie zu dem Patienten. „Ich hole, was Sie brauchen“, sagte sie schnell zu Dane.
Bis Dane Rod geholfen hatte, sich auf den Untersuchungstisch zu legen, war Maria schon mit den Spritzen zurück.
Dane nahm sie ihr ab und verfluchte die Finger seiner rechten Hand, die er immer noch nicht wieder richtig krümmen konnte. In den letzten sechs Monaten, seit er sich entschieden hatte, die Stelle in Red Bluff anzunehmen, war er irgendwie beidhändig geworden, aber er war immer noch ungeschickt. Nachdem er Rods Arm mit einem alkoholgetränkten Tupfer abgewischt hatte, injizierte er das Medikament.
Dann griff er nach dem Stethoskop, das Maria auf einen Stuhl gelegt hatte, und untersuchte Rod gründlich. Nach einer Viertelstunde begann die Schwellung zurückzugehen, und das Gesicht des Hilfssheriffs war nicht mehr ganz so rot.
Dane gab dem jungen Mann noch eine Spritze. „Wie fühlen Sie sich jetzt?“
Der Patient verzog das Gesicht. „Besser. Mein Hals ist nicht mehr so zugeschnürt. Nur die Stiche tun noch höllisch weh.“
„Auf die Stiche werden wir kalte Kompressen legen. Sie werden bis morgen hier bleiben müssen, damit wir Sie noch weiter beobachten können. Es sei denn, Sie möchten lieber, dass ich einen Krankenwagen bestelle, um Sie ins Krankenhaus bringen zu lassen.“
Soweit er sich erinnern konnte, hatte Maria Youngbear ihm am Telefon gesagt, dass es in dieser Stadt kein öffentliches Krankenhaus gab.
„Nicht ins Krankenhaus“, murmelte Rod. „Ich bleibe lieber hier.“
„Wird er wieder gesund?“, fragte Wyatt Baumgardner, der andere Mann in Uniform.
„Sie haben ihn rechtzeitig hergebracht. Morgen müsste er wieder auf den Beinen sein.“
Maria hatte die ganze Zeit weder Dane noch Rod aus den Augen gelassen und sagte jetzt in sehr knappem Ton: „Dr. Cameron, ich möchte Sie draußen sprechen.“
Dane schaute sie wieder von oben bis unten an. Sie war schön. „In Ordnung.“ Zu Rod sagte er: „Ich bin gleich zurück.“
Draußen im Flur schaute Maria ihn von unten her an. „Sie haben ganz offensichtlich Führungsqualitäten, Dr. Cameron, und die sind auch in der Notfallmedizin sehr wichtig. Aber bevor Sie meine Praxis noch ein weiteres Mal einfach übernehmen, würde ich es zu schätzen wissen, wenn Sie das vorher mit mir besprechen. Ich muss noch nach einem Patienten sehen. Anschließend zeige ich Ihnen die ganze Anlage.“ Damit verschwand Maria Youngbear im nächsten Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
Dane war ein paar Minuten lang sprachlos und wusste nicht, was er von der hübschen Ärztin halten sollte. Sie hatte ihn ganz offensichtlich zusammengestaucht. Etwa weil er einen Notfall versorgt hatte?
Eine halbe Stunde nachdem Wyatt ihn in dieser Gegend willkommen geheißen und mit einem freundlichen Händedruck verlassen hatte, informierte Rod Dane über alles Wissenswerte von Red Bluff.
Aus dem Geräusch einer sich öffnenden Tür und den anschließenden Stimmen im Flur schloss Dane, dass Maria mit ihrem Patienten fertig war.
Sofort danach kam eine Krankenschwester ins Untersuchungszimmer. „Dr. Youngbear ist jetzt frei. Ich kann solange auf Rod aufpassen.“
Dane nickte, vergewisserte sich, dass es Rod gut ging, und überließ ihn dann der Krankenschwester.
Die Tür zum Eckbüro stand offen. Maria saß mit gebeugtem Kopf an einem der Schreibtische und machte Notizen. Ihr Kittel war offen, und der dunkelbraun schimmernde Pferdeschwanz hing über ihrem roten Stricktop.
„Wäre es nicht einfacher, ein Diktiergerät zu benutzen?“, fragte Dane, als sie aufblickte.
„Nicht, wenn ich die Notizen nach dem Diktat selber schreiben muss.“
„Aber Ihre Sekretärin kann doch …“
„Ich habe keine Sekretärin, Dr. Cameron. Betsy Fulton ist meine Empfangsdame. Sie ist mit den Patienten, dem Schreiben der Rechnungen sowie dem Führen des Terminplans voll ausgelastet. Ich habe noch eine Krankenschwester, aber sie ist im Mutterschaftsurlaub. Joan springt nur so lange ein, bis sie zurückkommt.“ Sie zeigte auf den zweiten Schreibtisch im Zimmer. „Das ist Ihr Schreibtisch.“
Dane besah sich den Raum mit den beiden Schreibtischen, dem schwarzen Ledersofa, Bücherregalen und einem Aktenschrank. „Wir teilen uns ein Büro?“
Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und sah ihn prüfend an. „Dies ist keine Großstadtpraxis. Unser Raum ist begrenzt. Wenn Sie ein eigenes Büro brauchen, dann sind Sie hier am falschen Platz.“
Während sie sich gegenseitig schweigend beobachteten, merkte Dane zwei Dinge. Maria Youngbear übte eine Anziehung auf ihn aus, wie es seit sehr langer Zeit keine Frau mehr getan hatte. Aber sie ärgerte sich über ihn, und er fing an zu verstehen, warum sie das tat. Dies war ihr Reich, in das er eingedrungen war. Sie war verärgert, weil er ihre Position übernommen hatte.
„Ich bin nicht eines eigenen Büros wegen nach Red Bluff gekommen. Wie ich Ihnen schon am Telefon erklärt habe, bin ich gekommen, weil ich eine Abwechslung brauche. Wenn ich Ihnen vorhin auf die Füße getreten bin, dann habe ich das nicht beabsichtigt, aber ich werde mich nicht dafür entschuldigen, dass ich schnell gehandelt habe, als es nötig war.“
Ihre dunklen Augen weiteten sich etwas. Die Überraschung über seine schonungslose Ehrlichkeit stand ihr ins Gesicht geschrieben, aber dann lächelte sie ihn reumütig an und reichte ihm die Hand. „Warum fangen wir nicht einfach noch mal von vorne an? Ich bin Maria Youngbear. Willkommen in Red Bluff.“
Auch er reichte ihr die Hand. Dabei war ihm klar, dass sie genau spürte, wie steif seine Finger waren, als sie seine Rechte ergriff.
Am Telefon hatte er ihr zwar erzählt, dass er einen Unfall gehabt hatte, wodurch seine Hand stark beeinträchtigt sei. Er hatte jedoch auch beteuert, dass er das mit der linken Hand ausgleichen könne. Sie schien ihn trotzdem unbedingt einstellen zu wollen und hatte ihm gesagt, dass sie bei der Arbeit sicher Rücksicht auf seine Verletzung nehmen könnten.
„Wie ich Ihnen schon gesagt habe, ich kann die linke Hand genauso gut benutzen wie früher die rechte“, versicherte er ihr aufs Neue. „Im OP habe ich beide gebraucht, aber in dieser Familienpraxis werde ich gut zurechtkommen.“
„Haben Sie Krankengymnastik gemacht?“, erkundigte sie sich, als sie die unübersehbare Narbe bemerkte, die von den Fingern bis unter das Handgelenk verlief.
„Ich bin operiert worden. Das reicht.“ Er hoffte, sie würde merken, dass er darüber nicht sprechen wollte. Der Unfall, der ihm die Frau und den Sohn geraubt und ihn die Karriere gekostet hatte, war verbotenes Terrain.
Aber Maria Youngbear gehörte offensichtlich nicht zu den Menschen, die einen solchen Hinweis verstehen konnten. „Sie wollen nie mehr als Kinderkardiologe arbeiten?“
„Ich habe diese Stelle als Allgemeinmediziner angenommen, und genau das will ich auch sein.“
Als Maria sich vor über sechs Monaten Dane Camerons untadeligen Lebenslauf angesehen und ihn daraufhin telefonisch interviewt hatte, hatte er ihr nur gesagt, dass er nach Red Bluff gehen wolle, um seinem Leben eine neue Wende zu geben. Damit hatte er zwar ihre Neugier geweckt, und sie hätte gern noch ein paar Einzelheiten erfahren, aber sie hatte seine Privatsphäre respektiert und war nicht weiter in ihn gedrungen. Jetzt, wo sie ihn kennengelernt hatte, merkte sie, dass sein Wunsch nach beruflicher Veränderung nur die Spitze eines Eisbergs war, den er geflissentlich geheim hielt.
Als sie Dane in die blauen Augen sah, fühlte sie sich von den Stürmen ergriffen, die in ihm zu toben schienen.
Nur mit Schwierigkeiten konnte sie den Blick von ihm lösen. Sie schaute auf ihre Armbanduhr. Sie würde schon wieder zu spät kommen, um ihre Tochter von der Ranch ihrer Eltern abzuholen. Glücklicherweise hatten ihre Eltern Verständnis für die Arbeitszeit eines Arztes. Und zum Glück musste die zweijährige Sunny nur bei Menschen sein, die sie liebte. Wie so oft war Maria dankbar für diese Tochter, für dieses kostbare Geschenk aus einer Ehe, die schon zum Scheitern verurteilt gewesen war, bevor sie richtig angefangen hatte.
„Ich kann Sie noch kurz durch die Praxis führen, wenn Sie möchten“, sagte sie zu Dane. „Aber dann muss ich gehen. Ich muss meine Tochter abholen und uns beide für das Abschiedsfest von Dr. Grover zurechtmachen. Das ist der Arzt, der in den Ruhestand geht und dessen Platz Sie einnehmen. Joan wird heute Nacht hier bei Rod bleiben, und ich werde ab und zu herkommen, um nach ihm zu sehen.“
„Ich kann auch hier bleiben“, bot Dane an.
Maria fragte sich, ob er tatsächlich ein so engagierter Arzt war oder einfach nur ruhelos nach seiner langen Fahrt und seiner Ankunft in einer neuen Stadt. „Offiziell fangen Sie erst am Montag an. Es ist für die Verwaltung einfacher, wenn wir dabei bleiben.“ Das hörte sich zwar logisch an, aber in Wahrheit brauchte sie Zeit, um sich an seine Gegenwart zu gewöhnen und vor allem an die Vorstellung, neben diesem gut aussehenden Arzt zu arbeiten.
Nachdem Dane sie solange angesehen hatte, bis es ihr unangenehm wurde, erwischte er sie in einem Augenblick nachlassender Wachsamkeit. „Wie alt ist Ihre Tochter?“, erkundigte er sich.
Der Gedanke an Sunny zauberte ihr ein Lächeln auf das Gesicht. „Sie ist zwei Jahre und drei Monate alt.“
Dane sah auf Marias linke Hand, an der kein Ring zu sehen war.
„Ich bin geschieden.“ Maria wusste nicht, warum es ihr plötzlich wichtig war, ihn das wissen zu lassen.
Sie hatten beide einige Minuten lang geschwiegen, in denen sie Danes kräftige Gestalt von einem Meter neunzig, die fantastisch breiten Schultern, das dichte blonde Haar und die blauen Augen auf sich wirken ließ, als er sagte: „Die Führung durch die Praxis kann bis Montag warten. Haben Sie einen Dienstplan?“
Maria fühlte sich plötzlich hinter ihrem Schreibtisch in der schwächeren Position. Ihr wurde klar, dass es völlig anders sein würde, das Büro mit ihm statt mit Dr. Grover zu teilen. Er hatte eine so starke Ausstrahlung, dass die Luft im Raum zu knistern schien.
Hastig blätterte sie durch die Papiere im Ablagekorb auf ihrem Schreibtisch, nahm ein Blatt heraus und stand auf. „Dies ist unser Dienstplan.“
Als Dane ihr den Zettel aus der Hand nahm, berührte er mit den Daumen zufällig ihre Handfläche. Dabei lief ihr ein Kribbeln den Rücken hinunter. Sie versuchte, es zu ignorieren, aber da trafen sich ihre Blicke, und es wurde unmöglich, das zu leugnen, was zwischen ihr und Dane Cameron geschah. Sie suchte nach wichtigen Informationen, die sie ihm noch geben konnte, und es fiel ihr gerade noch rechtzeitig ein, dass sie ihn gar nicht zu Dr. Grovers Abschiedsparty eingeladen hatte.
„Dr. Grovers Fest heute Abend findet in der Cafeteria der Grundschule statt, für den Fall, dass Sie kommen möchten.“
Dane löste mit aller Kraft den Blick von ihr, schaute kurz auf den Dienstplan und steckte das Blatt dann in die Tasche seiner Kakihose. „Ich werde vorbeischauen, obwohl ich eigentlich kein Partymensch bin.“
„Ich dachte nur, es ist eine gute Gelegenheit, die Patienten von Red Bluff kennenzulernen. Dies ist eine sehr kleine Stadt, in der jeder jeden zu kennt.“
„Und Sie glauben, es würde der Praxis gut tun, wenn ich mich sehen lasse“, vermutete er.
„Wenn Sie kommen wollen, die Party fängt um acht Uhr an“, fügte sie nur hinzu. „Die Grundschule liegt am Fluss. Wo wohnen Sie?“
„Im Sagebrush Motel. Ich muss mir noch eine Wohnung suchen. Wissen Sie vielleicht eine für mich?“
Maria wohnte in einer Appartementanlage nur wenige Häuserblöcke von der Praxis entfernt. Die Wohnung neben ihr war frei, aber sie glaubte nicht, dass sie Tür an Tür mit diesem verführerischen Mann leben wollte, der Gefühle in ihr weckte, die sie selbst vor ihrer Scheidung nicht mehr gehabt hatte.
„Ich werde darüber nachdenken und Ihnen eine Liste machen.“
Dane nickte. Als er sich ein letztes Mal im Büro umschaute, sah er das eingerahmte Bild auf Marias Schreibtisch stehen. Es war ein Bild von Sunny.
„Ist das Ihre Tochter?“, fragte er.
An dem angespannten Unterton in seiner Stimme und dem Ausdruck in seinem Gesicht merkte Maria, dass es schmerzlich für ihn war, das Bild anzusehen.
„Ja, das ist sie“, bestätigte sie sanft.
„Sie ist hübsch.“
„Ja, das ist sie. Sie ist ein Schatz. Ich weiß nicht, was ich ohne sie anfangen würde.“
Als Dane sie wieder anschaute, hatte sie den Eindruck, dass er plötzlich gequält aussah. „Ich bin schon weg“, sagte er mit rauer Stimme. „Wenn wir uns nicht heute Abend sehen, dann Montagmorgen gegen acht Uhr. Ist die Praxis dann offen?“
„Die Empfangsdame kommt um acht. Mein erster Termin ist um neun.“
Dane nickte, drehte sich um und verließ das Büro. Als er den Flur hinunterging, hatte Maria die dumpfe Vorahnung, dass ihr Leben jetzt etwas komplizierter werden würde.
Es war schon fast halb neun, als Dane die Cafeteria der Grundschule betrat. Er hatte sich erst in letzter Minute entschieden zu kommen. Als er in das Gelächter und das Stimmengewirr eintauchte, redete er sich zwar ein, er sei nur aus Pflichtgefühl hier. Dennoch ertappte er sich dabei, dass er in der Menge nach Maria Youngbear Ausschau hielt.
Sein erster Eindruck war, dass er mit seinen marineblauen Hosen und seinem weißen Oxfordhemd zu fein angezogen war. Viele trugen kurze Hosen, wohl um die Julihitze besser ertragen zu können. Die Ventilatoren an der Decke surrten und wirbelten die gasgefüllten Luftballons herum, die an vielen Tischen befestigt waren. Auf zwei Tischen vorne im Saal standen zwei große Kochtöpfe mit Essen. Auf einem anderen Tisch gab es Bowle. Die Einwohner von Red Bluff saßen an den Tischen, aßen und tranken oder standen in Grüppchen herum.
Dane, der sich ein wenig verloren fühlte, schlenderte zu dem Tisch mit der Bowle hinüber. Er hatte den Raum gerade zur Hälfte durchquert, als sein Blick auf ihre dunkelbraune Haarpracht fiel. Maria hatte wirklich prächtiges Haar, vor allem wenn es wie jetzt nicht zum Pferdeschwanz zusammengebunden war. Er betrachtete ihre weiße Bauernbluse und ihren schwingenden, rot-weiß-blau geblümten Stufenrock, der ihr um die Fußgelenke schwang. Mit jeder Faser strahlte sie pulsierendes Leben aus.
Als wenn sie seinen Blick gespürt hätte, drehte sie sich um, und sie sahen sich gegenseitig in die Augen. Einen Moment lang blieb er wie angewurzelt stehen. Er sah nur, wie die vom Ventilator herumgewirbelte Luft mit ihrem Pony spielte.
Dann kam ein Kind auf sie zugelaufen und schlang die Arme um Marias Beine. Maria lachte, nahm das kleine Mädchen auf den Arm und kam zu ihm herüber.
Er erinnerte sich, wie er Keith genauso auf dem Arm gehalten hatte … Er erinnerte sich einfach an zu viele Dinge, die er verzweifelt zu vergessen versuchte.
Dennoch konnte er den Blick nicht von diesem hübschen Kind abwenden. Sunny war wirklich reizend in ihrem gelben Sommerkleidchen mit den Puffärmelchen. Sie trug kleine Sandalen, passend im Farbton. Eine Sehnsucht, die nie aufzuhören schien, zog ihm schmerzhaft das Herz zusammen.
Maria lächelte zu ihm hoch. „Da sind Sie also doch noch gekommen.“
„Als Alternative hätte ich mir Wiederholungen im Fernsehen anschauen können“, antwortete er sarkastisch.
Sie lachte, weil ihre kleine Tochter versuchte, ihrer Mutter den Daumen in den Mund zu stecken.
„Wie heißt sie?“, fragte Dane.
„Sunny.“
In diesem Moment stellte sich eine ältere Frau neben Maria. „Ist das unser neuer Doktor?“
„Dr. Cameron, darf ich Ihnen meine Mutter vorstellen? Carmella Eagle.“
Dane gab ihr die Hand.
Jetzt trat noch ein älterer Mann sowie ein Junge im Teenageralter zu ihnen.
Maria schmunzelte. „Dies sind mein Vater und mein Bruder Joe.“
Joe sah ihn abschätzend an. Aus seinen fast schwarzen Augen blickte er überhaupt nicht freundlich.
Mr. Eagle schüttelte Dane die Hand. „Wir freuen uns, Sie bei uns zu haben. Maria erzählte, dass Ihre Zeugnisse beeindruckend sind. Der Stadtrat ist ihrer Empfehlung, Sie einzustellen, ohne Zögern gefolgt.“
„Die Red-Bluff-Praxis wird sowohl aus privaten Geldern wie auch aus Steuereinnahmen der Stadt finanziert“, erklärte Maria. „Deswegen brauchten wir die Zustimmung des Stadtrats.“
Dane hatte das Gefühl, in ihren Augen zu versinken. „Ich scheine noch viel über Red Bluff lernen zu müssen.“
„Vielleicht gefällt Ihnen das Kleinstadtleben ja gar nicht“, sagte Joe abweisend.
„Ich habe noch nie in einer Kleinstadt gelebt. Dies ist also eine neue Erfahrung, und ich hoffe, sie gefällt mir.“
Marias Mutter klopfte ihm auf die Schulter. „Maria muss Sie bald mal mit zum Abendessen nach Hause bringen. Aber jetzt müssen wir gehen.“
Carmella umarmte und küsste ihre Enkeltochter. „Bis Sonntag, meine Kleine.“ Dann umarmte sie auch Maria. „Denk dran, dass Rita Maisbrot mitbringt und Teresa den Nachtisch macht.“
„Ich kümmere mich um den Salat“, versprach Maria, während sie die Umarmung ihrer Mutter erwiderte.
„Haben Sie eine große Familie?“, erkundigte Dane sich, als die Familie gegangen war.
„Drei Brüder und drei Schwestern. Und meine Mutter besteht darauf, dass jeder Sonntag ein Familientag ist.“ Maria sah unerhört sanft und weiblich aus.
„Wie lange praktizieren Sie schon hier?“, fragte er, während er sich fragte, wie alt sie wohl sein mochte. Sie hatte eine so zeitlose Schönheit, dass es ihm unmöglich war, ihr Alter zu schätzen.
„Seit vier Jahren. Es ist meine erste Stelle nach meiner Zulassung.“
„Haben Sie nie daran gedacht, mal woanders zu praktizieren?“, fragte er interessiert.
„Ja, früher mal … bevor Sunny geboren war. Aber meine Familie lebt hier, und hier sind auch meine Wurzeln. Beides bedeutet mir sehr viel.“
Dane hatte das Gefühl, dass sie noch etwas anderes sagen wollte über die Zeit „bevor Sunny geboren war“. Vielleicht hatte es etwas mit ihrer Ehe zu tun. Vielleicht aber auch nicht. Jedenfalls ging es ihn nichts an.
Sein Blick fiel wieder auf Sunny, und er sah, dass dem Kind fast die Augen zufielen. „Es sieht so aus, als ob es ihre Schlafenszeit ist.“
Maria lächelte. „Ja, ich muss sie nach Hause bringen. Aber erst will ich Sie noch Dr. Grover vorstellen. Er verlässt uns in ein paar Tagen, um eine zweimonatige Kreuzfahrt zu machen.“
In der nächsten halben Stunde lernte Dane nicht nur Dr. Grover und seine Frau kennen, sondern auch viele andere Bewohner von Red Bluff, die neugierig waren, wer und wie er wohl war.
„Ich muss jetzt wirklich gehen“, sagte Maria schließlich. „Ich will noch in der Praxis vorbei und nach Rod sehen.“
„Ich bringe Sie noch hinaus“, sagte Dane.
„Das ist nicht nötig. Ich weiß, Sie wollen sich unter das Volk mischen.“
„Davon ist mein Bedarf für heute Abend gedeckt.“
Während Maria auf dem Weg zur Tür sich noch von vielen Freunden verabschiedete, dachte Dane, dass seine Arbeit hier wohl sehr anders sein würde, als er es gewohnt war. Bisher hatte er immer nur Fremde behandelt. Wenn der Fall abgeschlossen war, hatte er die Patienten nie wieder gesehen. Aber hier in der Familienpraxis von Red Bluff dauerte die ärztliche Betreuung ein Leben lang.
Als sie draußen vor der Tür ankamen, merkte er, dass es sich sehr abgekühlt hatte. Es war fast kalt geworden.
„Wir sind zu Fuß hier“, eröffnete Maria. „Bis Montagmorgen also.“
Dane blieb stehen. „Ich lasse Sie doch in der Nacht nicht allein zur Praxis gehen.“
„Wir sind in Red Bluff, Dr. Cameron, nicht in New York City.“
„Das ist mir egal. Ich fahre Sie in die Praxis und dann nach Hause.“
„Es ist wirklich nicht weit.“
Als er ihr in die Augen sah, hatte er den Eindruck, dass sich in ihr ähnliche Gefühle regten wie in ihm. Zwischen ihnen beiden vibrierte eine eigenartige Spannung. So etwas hatte er bei Ellen nie empfunden. Seine Ehe war von Freundschaft, Zufriedenheit und Behaglichkeit bestimmt gewesen.
Aber daran sollte er jetzt lieber nicht denken. Wenn er an Ellen dachte, fiel ihm auch alles andere wieder ein, und das wollte er keinesfalls.
„Sie wird mit jedem Häuserblock schwerer werden“, warnte er und nickte Sunny freundlich zu. „Außerdem kann sie sich in dieser Nachtluft erkälten.“
Nach einer kleinen Bedenkpause gab Maria nach. „Vielleicht haben Sie recht. Wenn es Ihnen wirklich nichts ausmacht …“