Oh, Johnny - Joel Müseler - E-Book

Oh, Johnny E-Book

Joel Müseler

4,9

Beschreibung

Spoiler: Das Wissen über das Leben nach dem Tod forderte schlussendlich seinen Tribut. So endet dieses Buch. Doch zuvor beschreitet Johnny seinen irrwitzigen und brutalen Lebensweg. Durch einen Unfall verbindet er Tod mit beruflichem Erfolg. Also mordet sich Johnny mit seinem besten Freund und Komplizen Phil die Karriereleiter empor. John ist schwer gestört. Immer wieder überrascht er mit absurden Verhaltensweisen und makabren Morden. Dann verliebt sich der Protagonist. Er verändert sich. Aber sogar übernatürliche Wesen treiben ihr Spiel mit dem einzigartigen Serienkiller. Kaum zu glauben? Auf einmal liegt nicht nur das Leben seiner Geliebten, sondern das Schicksal einer ganzen Welt in den Händen des Verrückten. Vorsicht! Dieser gleichen Teils wahren sowie sarkastischen Geschichte fehlt es weder an schwarzem Humor, sadistischen Einzelheiten noch an Surrealismus, Blut oder Sex.

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Seitenzahl: 258

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Ich danke ... mir selbst ...

Wenn die lieben Leser diese Danksagung tatsächlich lesen und nun meinen, ich hätte zu dick aufgetragen, möchte ich mich an dieser Stelle noch einmal dafür selber loben, dass ich mich noch nie in diesem Ausmaß selbst gelobt habe. Und wenn Eigenlob stinken würde, haben Sie gerade die übelriechendste Buchseite der Welt aufgeschlagen.

Ps. Ein paar persönliche Nebenrollen sollten evtl. doch noch angesprochen werden: Als Oh, Johnny noch ein Baby von weniger als zwei, drei Seiten war, hat mich ein besonderer Mensch zum Weiterschreiben ermutigt. Ohne diesen Menschen wäre ich vielleicht nie Autor geworden. Der Dank dafür ist – neben oder noch vor dem an den Autor – unbeschreiblich. Ein großer Dank gilt auch zwei meiner besten Freunde und Kritikern (fühlt Euch angesprochen) für gute Tipps und immerwährend gnadenlose Offenheit. Danke dir, mir, euch beiden und dem ganzen Rest sowieso. Der Weltfrieden lebe hoch.

Inhaltsverzeichnis

Akt 1

Ticks

Dialogische Stimmen

Wahnideen

Autismus

Paranoia

Kognitive Defizite

Hysterie

Beeinflussungserlebnisse

Trauma

Zerfahrenheit

Wahnwarnehmung

Perspektivenwechsel

Dead und Pool

Motorische Defizite

Halluzinöse Begegnungen

Stimmungsschwankungen

Identitätskrise

Identitätsverlust

Krankheitsbild

Ein Unnützes Kapitel

Zustandslos

Heilung

Akt 2

Besessen

Geister

Und Dämonen

Der Revolver

Himmel

Und Hölle

Fegefeuer

Akt 3

Traum

Alptraum

Realität

Illusion

Projektion

Sein

Nichts

Zwischenwelt

Epilog

Akt 1

Wenn der Traumgeist stirbt,

stirbt man dann nicht selbst,

um nochmal lebend aufzuwachen

und erneut zu sterben?

TICKS

Es war einmal … vor langer Zeit … ein Auge … das juckte. Abwechselnd kratzte er seinen linken Tränensack und das rechte Ei, bis seine geteilte Aufmerksamkeit wieder das Vorstellungsgespräch erreichte.

„Nein … nein, nein, nein, wir brauchen Sie wirklich nicht!“ Ihr Entschluss stand fest. Er fing an, sie zu nerven. Der Auftritt eines Wahnsinnigen, dicht gefolgt von großem Ekel, ließen eine Lüge auch über die entzückendsten Lippen gleiten.

„Die Stelle ist schon vergeben.“ John trug seinen dunkelgrünen Strickpullover. Ein weißer Kragen quetschte sich daraus hervor – vermutlich Second Hand. Bei jedem Vorstellungsgespräch trug er das Gleiche. Nur mit den Poloshirts wechselte er sich hin und wieder ab. Er besaß zwei. Seine Haare waren abstoßend. John schwitzte schnell. Schweiß und Fett bildeten sofort einen glänzenden Film auf seiner ungekämmten Frisur. Überall hielten die Leute Abstand von John. Dabei bemühte er sich lediglich, einen Job zu finden.

„Sie haben also schon jemanden eingestellt? Mir wurde erzählt, dass ich der erste Bewerber war, und den ersten Termin bekommen habe.“ John sprach seinen Satz mit einem misstrauischen Tonfall aus. Und sie erwiderte nur: „Die Stelle ist schon vergeben.“ Vergeben, vergeben, Sie sind nicht gut genug, wir suchen jemand anderen, immer das Gleiche, dachte sich John. Seine trockenen Lippen hingen an den Seiten herunter und bildeten einen beleidigten Bogen. Er hatte ein juckendes Stechen in den Augen, welches in unangenehmen Lebenslagen immer unerträglich wurde. Daher rieb er sich krampfhaft sein linkes Auge, auch in Situationen, in welchen er sehr klar bei Verstand war. Immer wieder rieb er sich das linke Auge mit der rechten Hand.

„Auf Wiedersehen Herr Stephom.“

>> „Tschüss.“ <<

Tapp … Tapp … Tapp, tapp, tapp. Wieder rieb sich John sein linkes Auge. Die wunde Haut leuchtete sonst immer erst nach dem üblichen Anfall beim Mittagessen hell rot – zwei verkohlte Toasts mit Butter bestrichen und einem Glas scharfem Senf, welcher als Dipp herhalten musste. John hatte eine abartige Vorstellung von einem guten Speiseplan. Dieses Mal war es noch Vormittag.

„Stufen rauf, Stufen wieder runter.“ Er spuckte sich, wie so oft während seinen Selbstgesprächen, in seinen feuchten Kragen. Das gläserne Büro musste schließlich im 19. Stock des 20 stöckigen Callcenters thronen.

Aufzüge außer Betrieb. Für jeden Stock, den John hinter sich brachte, wurde er von den gleichen, breiten Schildern an den Aufzugstüren verspottet. Die Schilder leuchteten alle in einem kräftigeren Rotton als sein Auge, welches inzwischen stark gereizt war. Die fett gedruckten Buchstaben sollten für jeden Arbeiter in jedem Stock eines ganz deutlich machen.

Aufzüge außer Betrieb. Die Treppen waren John schon sympathischer, als er das Schild zum ersten Mal im Erdgeschoss wahrgenommen hatte. Fünfundzwanzig Stockwerke später könnte er gut darauf verzichten, die Beschriftung immer wieder auf ein Neues zu lesen.

Aufzüge außer Betrieb. Eigentlich klebte das Schild aus dem selben Grund an den Aufzugstüren fest, aus dem er die Treppen erst erklimmen musste. Das in die Wolken ragende Gebäude, mit den sechs, stets auf Hochglanz polierten Glasfronten, benötigte einen neuen Hausmeister. John hätte die Aufzüge vom 20. Stock aus reparieren können, nun spielte er mit dem Gedanken, von dort herunter zu springen. Nein … Nein, nein. Die Treppen waren ihm sowieso sympathischer.

Neunter Stock. Die Hälfte des Rückwegs oder auch schon ein Drittel des gesamten Marsches lagen nun hinter John. Auch das Gehänge der ausländischen Fensterputzerin sowie das tragende Gerüst wippten nun wieder über seinem Kopf fröhlich hin und her. Das Treppengerüst war aus edlem Metall und die Stufen aus weißem Marmor. Beim hinunter trampeln stach die Sonne durch die riesigen Fenster in Johns linkes Auge, welches immer roter zu werden schien. Sie blendete ihn. Und obwohl sich die Sonnenstrahlen an diesem wunderschönen Tag auf der Haut wie mehrere Fetzen Schleifpapier rieben, linsten nur noch die Augen aus den Klamotten der stark bedeckten Fensterputzerin. Sie freute sich, dass sie sehen durfte.

Achter Stock. John wunderte sich. Seine Füße brannten von den unzähligen Stufen, die er seit dem Betreten dieses Gebäudes gehen musste. Doch die Ausländerin wischte allem Anschein nach immer noch die gleiche Stelle der Glasverkleidung, wie bei seiner Ankunft. Und das Glas glänzte. Das Glas musste glänzen.

>> Klirr. <<

Ein durch Scherben aufgespießtes Gesicht brach mit voller Wucht durch das Fenster unmittelbar in Johns Sichtfeld. Rasend zog sich das blutige Geschehen vor seinenAugen ab. Sein Körper verfiel in Millisekunden in einen lähmenden Zustand – zu einem kleineren Teil hervorgerufen durch sein Entsetzen und zu einem größeren Teil hervorgerufen durch seine Faszination von Horrorszenarien. Etwas langsamer wie die Fensterputzerin hereingestürmt kam, zog sie ihr gewichtiger Körper und der, noch am Gerüst befestigte Sicherheitsgurt, in den Abgrund. Dort erklang ein lautes, metallisches Hallen, welches nach ihr zu schreien schien. Nach Rettung ringend, hinterließen ihre Nägel auf dem harten Boden des Treppengeländers schrille Geräusche, die an quietschende Kreide auf einer Tafel erinnerten. Durch den Versuch, sich dort festzukrallen, würden ihre Hände diese Höllenfahrt nicht mehr aufhalten können. John war immer noch wie erstarrt. Wäre er nicht so erpicht darauf gewesen, ein Zuschauer zu sein, hätte er der Frau eine seiner zwei knochigen Hände reichen können, um ihr Dasein noch etwas zu verlängern. Oh, Johnny.

Er beobachtete, wie die Innereien der Ausländerin nichtsdestotrotz weiterhin Kampfgeist bewiesen. Die Frau rutschte bei ihrem Weg in die Tiefe über eine lange, standhaft gebliebene Glasscherbe am Fensterrahmen. Der stabil bleibende Glasdolch schlitzte sie vom Rumpf bis zur Brust auf. Ihr Kopf ertrank in Schmerzen, bei welchen sich jeder Mensch nur noch einen blitzschnellen Tod herbeisehnen würde. Der Wunsch wurde ihr aber nicht gewährt. Ihr Dickdarm verfing sich an der stumpfen Seite der hochragenden Scherbe und blieb ohne seinen Besitzer zurück.

Nach diesem makabreren Schauspiel von spritzendem Blut und rutschenden Gedärmen hätte John einen kurzen Moment inne halten können. Stattdessen überwältigte ihn seine Neugier und er trat zwei Schritte in Richtung des zersplitterten Fensters, um einen weiteren Blick zu erhaschen. Mit seiner rot befleckten Kaki-Hose watete er durch die schimmernde Blutpfütze und streckte dann seinen hässlichen Kopf aus dem Gebäude. Der Darm ragte blutverschmiert in die Tiefe. Das Tragegerüst war schon vor einigen Sekunden auf den Asphalt geschmettert. Die Ausländerin wollte es dem Gerüst gleichtun. Doch im Interesse von Johns gaffenden, jetzt schielenden Augen, befand sie sich noch im freien Fall. Es blieb John genug Zeit, weiter zu beobachten, bis der Darm entgegen aller Naturgesetze fünf Stockwerke abwärts kurz spannte und schließlich riss.

„Nein … nein, nein, nein, wir brauchen Profit!“, brüllte Chulio den Vorsitzenden entgegen. Und obwohl er seine haarige Hand immer wieder auf den robusten Glastisch schmetterte, war kaum ein Zucken im Publikum zu sehen. Sie waren sein zu gleichen Teilen italienisches sowie spanisches Temperament gewöhnt. Und ihre angedachten Schimpfwörter behielten sie lieber für sich. Chulio war kein Mensch den man bei seiner ersten Begegnung ins Herz schließen mochte und auch nach einer längeren Bekanntschaft ließ sich kein weicher Kern vermuten. Er war ein schmieriger Geschäftsmann – aalglatt wie der Laich eines ausgewachsenen Quastenflossers. Morgens verbrachte er allem Anschein nach über eine halbe Stunde seiner wertvollen Zeit damit, nach und nach mehr Gelschichten in seine Haare zu schmieren, bis sie hart wie Plastik waren und ohne Anstalten auf seiner Kopfhaut kleben blieben. Die Benutzung seines goldenen Kammes musste ihm – bei diesem Vorgehen – jedes Mal höllische Schmerzen bereiten, was sein gespiegelter Gesichtsausdruck auf dem zwei Mal zwei Meter großen Badezimmerspiegel trotzdem nicht erahnen ließ.

Heute trug Chulio am fünften Tag in Folge seinen teuersten, maßgeschneiderten Nadelstreifenanzug. Zu diesem trug er nie ein paar seiner goldenen Manschettenknöpfe, sondern stets die Größeren aus Bernstein. Chulio war ein Macho und Angeber, daher hob er sich gerne von der grauen Menge ab. Um sich dementsprechend zu präsentieren, war sein Lieblingsanzug nach der monatlichen Reinigung anfangs samt weiß, ging aber nach jedem verstrichenen Tag in einen dunkleren Grauton über.

Chulio hatte seinen Machtposten in dieser Firma alles andere als verdient. Er hat nie um seinen Aufstieg gekämpft oder sich bemüht einen ordentlichen Abschluss zu machen. Dank seiner Blutlinie mussten sich jedoch viele gebildete Leute seiner unreifen Meinung unterwerfen. Sein Vater „Enrico Tremante“ (alle nannten ihn Onkel Rick) wurde vor einiger Zeit bei einer Schießerei in einem der dunkleren Viertel nieder geschossen, hatte sich in die Luft gesprengt, wurde von hinten aufgeschlitzt oder trieb nun auf dem Grund einer der nicht allzu tiefen Seen am Rande der Stadt – die Gerüchteküche brodelte. Nur eine Hand voll Menschen wusste, oder meinte zu wissen, was in jener Nacht geschehen war. Niemand wusste genau, in welche Machenschaften sich Chulios Familie verstrickt hatte. Und niemand riskierte es, dies herauszufinden.

Als die Glasplatte unter Chulios Faust vibrierte, bewegten sich seine monoton grau und schwarz gekleideten Angestellten kaum. Genervt versuchten sie ihre Blicke nicht mit Chulios suchenden Augen zu kreuzen. Als sich seine geweiteten Pupillen auf die spiegelnde Glasfront richteten, eskalierte das kindliche Geschäftsgespräch in vollem Ausmaß. Alle Blicke richteten sich ohne jegliche Absicht auf ein einziges Motiv. Kurz bevor die unvermeidbare Panik ausbrach, erklang ein ergreifendes Splittern, gefolgt von einem dumpfen Schlag.

Der von Chulio einberufene Termin fand heute im dritten Stock statt. In dem selbigen Stock, in welchem die dicke Fensterputzerin ruckartig von ihrem freien Fall gebremst und wieder ins Gebäudeinnere gezogen wurde. War es ein starker Windstoß oder das Brechen aller Regeln der Gravitation, es spielte keine Rolle. Es passierte jetzt. Ein weiteres Mal wurde die Glasfront durch die mittlerweile leblose Ausländerin wie brüchiger Ton durchbrochen. Die zuvor erfrischenden Fensterplätze wurden durch einen metallisch duftenden Blutregen bestraft. Der rot befleckte Praktikant in der ersten Reihe fiel unbeholfen in Ohnmacht, während die Menge zum Ausgang floh. Chulio erstarrte wenige Sekunden länger, er lief einige kleine Schritte rückwärts während sich der Raum immer schneller leerte. Er fixierte das Geschehen mit angespannter Mimik. Obwohl Chulio als Einziger den Überblick behielt, ließ er den ohnmächtig gewordenen Praktikanten mit der brutal verstümmelten Leiche zurück. Da Chulio der Tür schon von Anfang an am nächsten stand, war er nicht der letzte, der hinter den Wänden verschwand. Zwei oder drei der flüchtenden Männer ließen noch ein hohes, weibliches Kreischen ertönen. Angstschreie erfüllten den Ort des Grauens über eine längere Dauer hinweg. Die hallenden Wände transportierten die Schreie und Rufe viele Räume weiter, bis sie vom Sog der Zeit verschlungen wurden.

Verfolgte man den über fünf Stockwerke lang gespannten Darm der toten Frau von unten nach oben, konnte man immer noch den heraus linsenden Kopf von John erkennen. Seine Erwartungen wurden um ein Vielfaches übertroffen.

Der untere Hof füllte sich schneller als das blutige Geschehen selbst mit sämtlichen Angestellten der Firma. Natürlich sahen sie aus dieser Höhe wie Ameisen aus. Details konnte John also nicht erkennen. Die sich vermehrende Menge bestand hauptsächlich aus männlichen Indern und aus Frauen mit breitgefächerten Nationalitäten. Die Ausnahme bot eine kleinere Gruppe von Männern in monoton gefärbten Anzügen. Die oberen Etagen wurden erst zu einem späteren Zeitpunkt aktiv.

Es verstrich einige Zeit bis sich auch einige Leute um John versammelten, natürlich mit einem misstrauischen und – wenn sich ihre Vermutungen bestätigen würden – sicheren Abstand. Mehr Menschen, wie man vermuten würde, blickten auf einmal mit fassungsloser Miene in den selbigen Abgrund, in welchen John schon viel länger starrte. John, der von einigen Blutspritzern erfasst wurde, antwortete auf keine noch so stumpfsinnige oder auch geistreiche Frage der neugierigen Menge:

„Was haben Sie gesehen?“

„Wollen Sie sich vielleicht übergeben?“

„Ist die Polizei informiert?“

„Kann man davon schwanger werden?“

„Arbeiten Sie hier? Ich habe Sie nie zuvor gesehen!“

„Gibt es im 12. Stock noch Apfelkuchen?“

Irgendwann lockerte sich Johns Haltung jedoch und seine starr aufgerissenen Augen visierten auf einmal eine einzige Frau an. Durch ihre eckigen Brillengläser versuchte sie die Situation zu überblicken. Ihre grün reflektierenden Pupillen huschten hinter dem feinen Drahtgestell hin und her. Grübelnd verzogen sich ihre reizenden Wangen. Die vom Rouge leicht rot gepuderten Backen und ihre voluminösen Wimpern verliehen ihr selbst in dieser Situation eine dramatisch anziehende Wirkung. Es war die Personalreferentin und Sekretärin von Chulio. John kannte sie aus dem Bewerbungsgespräch. Und er schenkte ihr sofort seine volle Aufmerksamkeit. Ihr dunkelbraunes Haar wurde von einem gut frisierten Dutt zusammengehalten, darunter erstreckte sich ein langer, schmaler Hals. Eine zierliche Kette ließ sich in einem, von einer weißen Bluse großzügig präsentiertem, Dekolletee nieder. Sie trug einen kurzen Bleistiftrock und hohe Stöckelschuhe. Man konnte sich bis zu den perfekten Waden satt sehen. Sie war eine der letzten Schaulustigen, die aus den obersten Stockwerken her gepilgert kamen, um das Ereignis näher zu untersuchen. John bewegte sich zielstrebig auf sie zu. Die Leute wichen sofort zu beiden Seiten aus. Auf der Treppe entstand ein hochragender Kanal, vergleichbar mit dem geteilten Meer Moses‘.

Sehr schnell bemerkte die dominante Sekretärin die auf sie zuschreitende Witzfigur. In ihrem kleinen Kopf schwirrten andere Sorgen herum, Sorgen wegen der entstandenen Schäden, der Klärung mit der Versicherung und dem anstehenden Papierkram, welcher auf sie zukommen würde; nicht zu schweigen vom Führen weiterer Bewerbungsgespräche mit noch unklassifizierteren Bewerbern, wie John einer war. Gedanken, welche ihr den Kopf verdrehten, während John immer näher kam. Auch Chulio würde ihr sehr schnell ihren süßen, kleinen Hintern versohlen, sobald die Fenster nicht mehr in ihrer vollen Pracht glänzen würden. Diese Gründe sorgten für die nächste Anreihung von Schicksalsschlägen, welche die Sekretärin ohne Bedacht auslösen sollte.

„Hier ist wohl gerade eine Stelle frei geworden.“ John wählte seine nächsten Worte gut, wenn auch unbeabsichtigt. Kurz musterte die Frau den frechen Mann, welcher nur noch zwei Stufen unter ihr stand und damit einen Kopf kleiner war als sie. Wie ein unschuldiger Junge blickte er zu ihr hinauf. Sie erwiderte seine Fratze mit dem strengen Blick einer zweifelnden Lehrerin.

„Wir müssen wohl zuerst das Gespräch mit der Polizei abwarten. Sollten Sie gehen dürfen, sehen wir uns in meinem Büro wieder – Sie fangen heute schon an Herr …“ Die Sekretärin legte in ihrem Satz eine unwissende Pause ein.

>> „Stephom, John Stephom!“ <<

Die Erwartungen für die verantwortungsvolle Stelle des Hausmeisters wurden durch Johns Auftritt nicht annähernd erfüllt. John war vorerst für etwas anderes berufen: Fenster putzen. Eine wichtige Stelle, wie die eines Hausmeisters, eines so modernen Gebäudes, vergibt man nur zögerlich und mit Bedacht. Die hübsche Sekretärin wusste das. Ein Wunder war, dass ihre Ansprüche schon durch den nächsten Bewerber mehr als übertroffen wurden. Während sich John noch vor einigen Minuten fragte, wie der Todessturz der verunglückten Fensterputzerin wohl aus einem etwas anderen Blickwinkel gewirkt hätte, musste Adam das Geschehen, auf dem Weg zum Bewerbungsgespräch, in der Einstellung einer Totalen betrachten. Auch die Akustik war hervorragend.

Ein unsanftes Klirren

Ein lautes, metallisches Hallen

Ein schrecklicher Schrei

Ein zweites Klirren

Vermischte Angstschreie

Ungewollt hatte Adam die beste Zuschauerposition eingenommen, auf welcher John wahrscheinlich noch Popcorn bestellt hätte. Schon hier drifteten Johns und Adams Sichten auseinander, die unterschiedlicher nicht sein konnten. Adam hätte sich für diese reale Darstellung einer sterbenden Frau niemals freiwillig einen Logenplatz gewünscht. Adam war dennoch die Ruhe selbst und begab sich gelassen, jedoch mit immer schneller werdenden Schritten in Richtung des spiegelnden Gebäudes. Sonnenstrahlen prallten an der Glasfront ab und stachen Adam, mit regelmäßigen Unterbrechungen durch verschiedene Schattenwürfe, in seine leicht zugekniffenen Augen. Aus dem schnellen Gang wurden nun eilende Schritte. Neben dem katastrophalen Ereignis, welches er männlich wegsteckte, war er zudem etwas spät dran. Unpünktlichkeit war keine von Adams Angewohnheiten. Angelangt an dem schattigen Bereich des weit überdachten Eingangs quetschte er sich durch eine, allem Anschein nach, apathische Menschenmenge. Wie reglose Zombies starrten sie in Richtung Himmel. Undeutliches Gemurmel ließ Spekulationen über die Aussicht vermuten. Die wenigen Auserwählten, welche die rote Schnur identifizieren konnten, ließen angewiderte Geräusche ertönen. Adam wollte nicht zu der gaffenden Horde gehören. Seine Gedanken drehten sich um Wichtigeres. Schon morgen ist seine alte Arbeitsstelle, eine Schule, nur noch eine Ruine – ein Schlachtfeld aus zerbrochenen Steinen und Ziegeln.

Aufzüge außer betrieb. Noch leicht genervt von der, den Eingang blockierenden Horde, erblickte Adam die fett gedruckten Buchstaben auf dem rot leuchtenden Schild. An anderen Tagen hätte er überhaupt nichts dagegen gehabt, die Teppen zu benutzen – im Gegenteil – normalerweise bevorzugte er das Treppensteigen gegenüber elektrischen Beförderungsmitteln sogar. Er verfolgte eine fitte und ökologische Lebensweise. Etwas zu hastig nahm er die Treppenstufen gleich doppelt und rutschte an der vierten Stufe aus. Zum Glück konnte er sich noch fangen und seinen sympathischen Storchengang weiterführen. Es kamen ihm beinahe keine Leute mehr entgegen.

Die ganze Firma schien draußen auf dem Hof zu stehen. Kurz wurde es eng, als sich zwei breite Polizisten mit einem beunruhigend grinsendem Mann im Schlepptau durchquetschten. Mit weit geöffneten Augen starrte der Mann beim vorbeilaufen direkt in Adams Gesicht. Gebrandmarkt von dem höllischen Blick lief Adam weiter nach oben, zielstrebig an einer zweiten Menschenmenge vorbei, bis in den 19. Stock. Er war ein äußerst gläubiger Mensch und würde diesen Blick nicht so schnell vergessen.

Die Sekretärin war gerade erst in ihr kleines, schlicht eingerichtetes Büro zurückgekehrt. Sie stützte sich leicht erschöpft auf die kalte Tischplatte. Dabei war erst ein enttäuschendes Vorstellungsgespräch vorüber und nun erwartete sie, dass der Verlauf des Tages noch mehrere anstrengende Gestalten mit sich bringen würde. Die titanfarbene Wanduhr schlug eine volle Stunde. Obwohl Unpünktlichkeit ein wirklich sehr schlechter Start in ein Vorstellungsgespräch war, war die fein gekleidete Sekretärin froh darüber, sich noch kurz einen freien Kopf schaffen zu können. Sie öffnete einen Knopf ihrer luftigen Bluse und atmete tief ein und langsam wieder aus. Sie schlug gerade ihre langen Beine übereinander, als es sanft an der Tür klopfte. Ein Blick auf ihre groß bezifferte Armbanduhr wies eine kurze Verspätung auf – fünf Minuten nach. Die Sekretärin richtete noch schnell ihren Dutt und rief anschließend: „Herein“. Ein gut gebauter Mann betrat das Zimmer. Die Frau musterte ihn von unten nach oben. Sie offenbarte ein interessiertes Gesicht. Er trug einfaches, dunkles Schuhwerk. Eine schwarze, männlich gefüllte Hose führte hoch zu einer silbernen Schnalle, welche einen dunkelbraunen Ledergürtel um die robuste Taille schloss. Gefolgt von einem locker reingestopftem Hemd, führten die gut verarbeiteten Knöpfe zu einer schlichten, gebundenen Krawatte. Über seinen mächtigen Adamsapfel hinweg, sprießten von seinem Kinn, um seine gut durchbluteten Lippen, bis zu den Ohren kurze Stoppeln. Seine braunen Augen lagen zwischen wenigen, sympathisch wirkenden Falten eingebettet. Über seiner runzelnden Stirn wirbelte volles, dunkles Haar.

Der Rotstich wurde erst bei einem anderem Lichtwurf deutlich. Sie huschte mit ihren Augen an seinen breiten Schultern vorbei und folgte dem lilafarbenen Ärmel des Hemdes. An ihrem Ziel angelangt, konnte die angeheizte Frau an den rau wirkenden Fingern keinen goldenen Ring ausfindig machen. Langsam öffnete die Sekretärin einen weiteren Knopf ihrer Bluse.

Kurz abgelenkt streckte der Mann der Sekretärin seine Hand entgegen und stellte sich freundlich vor: „Adam Van Buyten, freut mich sehr.“ Ihre Schenkel reibend wusste sie, dass das Gespräch schnell zu etwas Intensiverem führen konnte. Sie blieb sitzen und schüttelte seine starken Hände. Gleichzeitig begrüßte sie ihn verführerisch: „Silvia Roche‘, machen Sie es sich doch bitte gemütlich.“

Die Zeit verging und die laut tickenden Zeiger der Wanduhr legten eine weitere Runde zurück. Silvia stemmte sich von dem Schreibtisch, der nun mit feuchten Perlen gespickt war. Sie suchte den Vertrag unter der, am Boden zerstreuten Zettellandschaft. Adam hatte sie in allen Punkten vollständig befriedigt. Er sah ihr hinterher. Indem sie sich mehrere Male bückte, stellte sie sämtliche, nackten Körperteile erneut zur Schau. Dieses Mal jedoch aus mehreren, noch attraktiveren Blickwinkeln. Und jede Bewegung wäre es wert gewesen, sie für kurze Zeit einzufrieren oder in kurzem Vorlauf abzuspielen, um sich ihre weiblichen Körperteile für spätere Tag- oder Nachtträume noch einmal in Erinnerung zu rufen. Auf der Hartglasplatte machten sich milchige Spuren in Formen von beschlagenen Umrissen mehrerer Körperteile sichtbar – sie hatte den richtigen gefunden. In diesem Moment hämmerte es an der Tür. Ehe die nackte Sekretärin noch protestieren konnte, streckte sich ein schwitzender Kopf durch den geöffneten Türspalt. John war zurück.

DIALOGISCHE STIMMEN

„Nachdem die geile Sekretärin mit mir geredet hatte, kamen auch schon die Bullen hochgetrampelt, haben alle mit Fragen durchlöchert und natürlich mich als Hauptzeugen mitgeschleppt. Auf dem Weg nach unten kam mir so ein Playboy entgegen und glotzte mich blöd an. Als ob ich ein brutaler Mörder wäre. Der gestellte Mörder … So ein Möchtegern. Die Fragerei ging etwa eine halbe Stunde. Diese Drecksbullen – wussten von Anfang an, dass die fette Aische von selbst abgestürzt und verreckt ist und predigen mir Himmel und Hölle vor, schicken mich jetzt vielleicht zum Seelenklempner. Als die Polizei es geschafft hatte, die neugierige Meute zu vertreiben, haben die Sanitäter die verstreuten Einzelteile in den zwei Stockwerken und auf dem Hof eingesackt. Als ich endlich wieder gehen konnte, habe ich mich noch ein Weilchen hinter einem nutzlos herum stehenden Krankenwagen versteckt und sie beobachtet. Du glaubst nicht, wie viel Hackfleisch so ein dicker Körper verteilen kann. Als ein Kerl mit vielen transparenten Tütchen zurückkam, musste ich verschwinden. Die Schnitte hatte ja doch einen Job für mich. Also latschte ich die ganzen Treppen wieder hoch. Die Aufzüge waren außer Betrieb. Und das Büro von meiner Honigblüte war im 19. Stock. Es kamen mir noch ein paar Sanitäter mit Tütchen voller Aische entgegen. Oben angekommen, lief ich einfach an den anderen Bewerbern vorbei und klopfte voll brutal gegen die Tür. Ich sollte mich gleich nach der Befragung melden und sofort anfangen, hat sie gesagt. Für den Hausmeisterposten war ich ihr natürlich nicht gut genug, als Fensterputze aber alle mal. Ich öffnete die Tür und sah den Möchtegern-Playboy splitterfasernackt auf dem Schreibtisch liegen, direkt dahinter wippten die Titten meiner Schnecke während sie mich anbrüllte, ich solle verschwinden. Ich gönnte mir noch ein paar Sekunden von ihrem Anblick und schloss dann wieder die Tür.

Später verabschiedete sie die restlichen Bewerber wieder, ohne mit ihnen gesprochen zu haben. Bei ihnen konnte ich mir noch ein paar gute Schimpfworte für meine Sammlung abgreifen. Dann ging der alte Lustmolch. In den Händen hielt er einen unterschriebenen Vertrag. Von zwei Itakern wurde ich später in die hohe Kunst der Fensterputzerei eingewiesen. Beppe und Libero heißen die beiden und ich denke, sie sind Zwillinge. Sie sehen sich zumindest sehr ähnlich. In der Arbeitskleidung sieht sich aber sowieso jeder sehr ähnlich. Bei grauen Overalls kann man nicht mehr viel von einer Person erkennen. Nur den Kopf. Und der Eine war dick. Sie trugen aber die gleiche italienische Cap und sahen sich schon ähnlich. Itaker sehen für mich allerdings eh alle gleich aus.“

„Oh, Johnny ...“, seufzte Phil und ließ eine kurze Atempause verstreichen. John suchte den Blick seines Freundes. Er wusste, dass Phil seine herablassende Art und den überflüssigen Rassismus nicht teilte – zumindest nicht direkt. Tatsächlich schienen diese Eigenschaften nämlich das Einzige zu sein, dass sie tief im Inneren verband. Phil war allerdings generell von einer fehlerhaften und durchtriebenen Gesellschaft überzeugt und projizierte dies nie auf Einzelne. Er ergriff auch nur selten das Wort, um Konflikte mit John so gut es ging zu vermeiden. Da sie dieses Weltbild aber grundsätzlich teilten, waren sie schon jahrelang unzertrennlich gewesen.

Der Tag war mittlerweile vergangen, nur noch der Mond schimmerte weiß am Abendhimmel. Unter dem hell durchschienenen Glas gluckerte eine alte Röhrenheizung leise vor sich hin. Die beiden Freunde saßen auf einer alten, verratzten Couch, gezeichnet durch einen braunen zerfetzten Bezug und zu erahnende Flecken aller Art. Auf ‚einem kleinen Glastisch stand eine große, dampfende Tasse. Phil wusste, dass es nun Zeit für Johns herkömmliche Ansprache war. Und er ahnte, welches Ausmaß der heutige Tag auf Johns Empfinden haben könnte. Phil senkte gefasst seine Hände und griff nach der Tasse, um an dem heißen Getränk zu nippen.

Er war ein Freund, wie er im Bilderbuch stand – ein sehr guter Zuhörer mit treuer Persönlichkeit. Außerdem war Phil sehr gut erzogen und gab im Gegensatz zu John vor, eine reine und gute Seele zu haben. John hatte Glück einen solchen Freund zu haben, wobei man sich auf Phils Seite fragen sollte, warum er nie zu jemand anderem ein solches Verhältnis aufbauen konnte. Als Phil merkte, dass die heiße Schokolade fast seine Lippen verbrannte, stellte er die Tasse wieder zurück auf den Untersetzer. Er lehnte sich bequem zurück und hörte John weiterhin zu.

„Wie auch immer, heute Morgen ist direkt vor meinen Augen eine dicke Aische verreckt. Und nur deshalb habe ich wieder einen Job. Das ist ein Zeichen, sage ich dir. Und anhand dieses Zeichens habe ich die Möglichkeit, der Menschheit etwas zurückzugeben. Deshalb habe ich mir einen Plan ausgedacht! Wenn ich tatsächlich nur die Möglichkeit habe einen Job zu bekommen, wenn Andere ins Gras beißen, dann kann ich so doch auch meine Aufstiegschancen verbessern, wenn du verstehst was ich meine?“ Phil antwortete vorsichtig und mit Bedacht, um keine Lawine auszulösen: „Du möchtest anfangen, Leute umzubringen, nur um einen besseren Job zu bekommen? Johnny, ich glaube nicht dass das eine gute Idee ist. Ganz zu schweigen davon, dass dies das schlimmste Verbrechen überhaupt wäre.“ John protestierte: „Ich habe mich schließlich als Hausmeister beworben! Und ich will nicht mein Leben lang als dreckiger Fensterputzer arbeiten. Ich möchte nur den Möchtegern, der für seinen Job mein Sahneschnittchen flach gelegt hat, aus dem Weg schaffen und es nochmal versuchen. Dieser Typ spielt genauso unfair. Hilf mir nur bei diesem einen Mistkerl!“ John wusste, welchen Hebel er bei Phil umlegen musste, um ihn von einem so verrückten Plan zu überzeugen. Er atmete tief durch und sprach schließlich weiter: „Phil, wir beide wissen, dass sich bisher noch nie jemand für uns interessiert hat. Uns sollten andere Leute genauso egal sein! Und wir wissen, zu was Menschen fähig sind. Jetzt können wir ihnen alles zurückzahlen. Du erinnerst dich?“ Phil schossen Bilder durch den Kopf. Ihn packten Wut und Traurigkeit zu gleich. Seine Augen wurden feuchter. Dann fasste er sich und antwortete leise: „Die Gesellschaft, in der wir aufgewachsen sind ist daran schuld Johnny. Aber du hast Recht, die Menschheit wird sich erst ändern, wenn die Hölle auf Erden ausgebrochen ist. Ich werde dir helfen. Der neue Hausmeister hat seinen Posten nach deiner Beschreibung wohl auch nicht wirklich verdient ...“

„Diese stinkende Menschheit …“ John ergriff wieder das Wort. Er legte eine kurze Atempause ein und legte seinen Arm, welcher gerade empor geschossen ist, wieder auf das Polster. Es verstrich nicht viel Zeit und Phil knüpfte an dem begonnen Satz an: „Ja, diese Menschheit. Jede Epoche ein geschichtliches Überbleibsel von humanem Versagen. Jedes Zeitalter geprägt von neuen Katastrophen, dank derer wir uns eine Historie aufbauen und keiner bemerkt die Ironie dahinter. Sie werden es nie lernen. Umso deutlicher fällt mir das Problem an der heutigen Gesellschaft auf. Ich bin auf deinen Plan gespannt.“

Phil stellte fest, dass die heiße Schokolade heute nussig schmeckte. Er trank den letzten Schluck aus der Tasse, während ihn Zweifel über das, was noch kommen sollte, packten. Ein Mord … Dann fielen ihm viele neue Ideen für sein Buch ein. Er lief schnell zu dem kleinen Schreibtisch neben dem Fenster. Dicke Wolken überdeckten nun den runden Mond.

Phil drückte den Kippschalter einer kleinen Tischlampe und beleuchtete damit ein leeres, aus einer Schreibmaschine ragendes Blatt Papier. Er hatte sich inspirieren lassen und tauchte nun in seine eigene, kleine Welt. Also fing er damit an, schnell auf die Tasten zu hämmern und seinem neuen Kapitel einen Namen zu geben: Blut für Gold.

WAHNIDEEN

„Stromausfall – Chaos – Der Hausmeister rennt in das Untergeschoss. In seiner Eile bemerkt er nicht, dass der Wasserboiler ein Leck hat und der Boden völlig unter Wasser steht. Die dicken Stromkabel der Sicherung wurden herausgerissen und baumeln jetzt in der riesigen Pfütze. Auf der Wasseroberfläche tanzen ein paar grelle Funken.“

„Und als der Depp seinen Fuß auf den nassen Boden setzt, trifft ihn ein Schlag. Der Strom lässt seinen Körper implodieren und sein Gehirn fliegt bis nach Timbuktu.“

Phil verdrehte die Augen und blickte zu der angeschimmelten Decke. Dann nahm er den Dialog wieder auf: „Johnny, ich denke nicht, dass ein Mensch von einem solchen Stromschlag implodieren kann.“ Johns begeisterter Ausdruck wechselte schlagartig zu einer beleidigten Visage.

„Schon gut, dann implodiert er halt nicht. Und sein Gehirn darf er auch behalten. Aber er ist mausetot.“ Johns Faszination des Markaberen und Phil’s ausgedehnte Phantasie machten es den beiden nicht gerade schwer, sich brutale Mordszenarien auszumalen. Zudem hatte John schon einige Tage Zeit gehabt, um sich einzuarbeiten und sich in der Firma umzusehen. Es erwies sich jedoch als schwierig, nach ihren ausgedachten Szenarien nicht verdächtig zu erscheinen und gleichzeitig eine Stelle zu bekommen, für welche man schon einmal abgewiesen wurde.

Phil sprach einen wichtigen Punkt an: „Die Sekretärin! Wir müssen die Sekretärin in unserem Plan berücksichtigen, sonst begehen wir einen sinnlosen Mord. Und dann bin ich raus Johnny.“ „Ich weiß. Adam und meine kleine Schnecke Silvia poppen sich jeden Tag die Seele aus dem Leib. Das können wir vielleicht nutzen. Ich habe eine Idee. Wir spendieren beiden am selben Tag – morgens! – zwei Wässerchen, die wir vorher mit zwei unterschiedlichen Säuren vermengt haben. Wir müssten natürlich sicher gehen, dass beide das Wasser auch wirklich ganz leer trinken. Mittags treffen sie sich zu ihrem üblichen Techtelmechtel, wobei natürlich keiner Zeuge ist. Und hier