Ohne Highheels auf dem Jakobsweg - Monika Tschosek - E-Book

Ohne Highheels auf dem Jakobsweg E-Book

Monika Tschosek

0,0

Beschreibung

In der Mitte ihres Lebens angekommen, macht sich Monika gemeinsam mit einer Freundin auf, den weltberühmten Jakobsweg in Spanien zu gehen. Bereits seit 18 Jahren hegte sie diesen Wunsch. Sie leidet unter einem schweren Schuhtick, stolziert fast ihr halbes Leben lang auf High Heels und möchte herausfinden, ob Frau auch nur mit einem einzigen Paar Schuhen, eben Wanderschuhen, die Dinge finden kann, die sie sucht. Stellt sich die Frage, was das Universum noch mit ihr vorhat. Wird sie ihren Seelenfrieden erreichen? Die beiden stellen sich der Herausforderung und begegnen außergewöhnlichen Menschen und diversen Kriechtieren. Das Wetter macht ihnen fast täglich einen Strich durch die Rechnung. Somit bleibt es nicht aus, das ordentlich geflucht, gestritten, gelacht und gestolpert wird. Der feste Glaube an eine unsichtbare Kraft lässt sie ihr Ziel, trotz vielen Blessuren, erreichen. Ein unterhaltsamer Pilgerbericht mit Tiefgang, der speziell Frauen Mut machen möchte, diesen wunderbaren und für sie sehr spirituellen Weg zu gehen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 263

Veröffentlichungsjahr: 2018

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

DER ENTSCHLUSS/DIE ENDSCHEIDUNG

DAS WANDEROUTFIT

DER PILGERPASS

DER ABSCHIED

DIE BUSFAHRT

BURGOS UND DER VINO

LEON

DER 1. WANDERTAG

HERBERGEN/UNTERKUNFT

DIE BLASE

DER RUCKSACK

DAS UNIVERSUM/DIE LEYLINIEN

CRUZ DE FERRO

HUNDE

DER REGEN

DER WANDERSTOCK

PILGERGESPRÄCH

BEGEGNUNG MIT DER SEELE

O CEBREIRO

BODY/ERNÄHRUNG

DIE TRÄUME

SARRIA

DIE BLÜMCHEN PILGER

ÜBERLEGUNGEN ZUR KIRCHE

PORTOMARIN

BEAUTY

HOSPITAL DE LA CRUZ

DIE 50plus GENERATION

DUDELSACK UND RÜBEZAHL

DIE LETZTEN KILOMETER

SANTIAGO DE COMPOSTELLA

DIE KATHEDRALE

KINDER IN SPANIEN

FREIZEIT IN SANTIAGO DE COMPOSTELLA

COMPOSTELLA

DIE PILGERMESSE

EIN MENÜ

FINESTERRA

TRAUMSTRAND/BUCHT AM ATLANTIK

NICHT WUNDERN

DER LEUCHTTURM UND KM-STEIN 0

DIE LETZTEN 48 STUNDEN

ZUFALL ODER WUNSCHERFÜLLUNG

FREUNDINNEN

ZURÜCK IN SANTIAGO

ERKENNTNISSE

DREI MONATE SPÄTER

Vorwort

Jede Frau liebt Schuhe. Fast Jede, jedenfalls. Ich darf auch aus voller Überzeugung sagen: Ja! Ich bin Besitzerin eines echten Schuhtick´s. 186 Paar, z.Zt. Davon eine große Anzahl an High Heels, selbstverständlich. In unterschiedlichen Farben, kein Schuh unter 10cm, viele 12-15cm Absatz, hoch halt. Die meisten ziehe ich auch an, aber es existieren auch Exemplare, die einfach DA-Stehen, wunderschön.....aber kacke unbequem, vielleicht sogar ein wenig eng. Nun ja: FRAU muss diesen Schuh dann eben haben/kaufen. Sieht Hammer aus, Haben wollen! so ist halt FRAU.

Nun stolziere ich so, auf High Heels mittlerweile fast mein halbes Leben lang. Beruflich vorrangig, aber auch privat. Allerdings war ich nie wandern mit diesen Dingern. Warum auch.

DER ENTSCHLUSS / DIE ENTSCHEIDUNG

Aber irgendwann, etwa in der Mitte meines Lebens angekommen, wuchs der Wunsch nach einmal richtig "In-sich-gehen" immer stärker. Mir war klar, dass dies, in meiner gewohnten Umgebung, nicht wirklich möglich wäre. Es war schon ein längerer Prozess. Immer wieder kam ein Gefühl auf, los mach dich mal vom Acker! WAS HAT DAS UNIVERSUM NOCH MIT DIR VOR? Genau das war die Frage, die ich mir immer wieder stellte. Da ich ein wenig esoterisch und spirituell angehaucht bin, kam für die Beantwortung, nur ein einziger Weg für mich in Frage, eben den Jakobsweg in Spanien zu gehen. In den vergangenen Jahren hatte ich viele Bücher darüber gelesen. Mich hat schon immer das Innere eines Menschen interessiert. Die innere Stimme. Das Gefühl. Die Energie.

Mein Umfeld, sprich Team, Freunde, Bekannte wussten von meinem Vorhaben. Hatte ich dies doch zu jeder Gelegenheit kundgetan. Recht zeitnah bekam ich dann auch diesen kleinen Reiseführer: „Jakobsweg Spanien“ geschenkt.

Darin stecken alle Informationen, Tagesetappen, Schwierigkeitsgrade, Unterkünfte und natürlich viele, viele Tipps vom Autor, Herrn Klaus Harnach, der auch geprüfter Wanderführer des deutschen Wanderverbandes ist. Ihm vertraut man und ist natürlich, als ERST-PILGER für jeden Tipp dankbar. U.a. empfiehlt er: Achtung: „Sollten sie ihre Reise im MAI antreten, nehmen sie sich einen „leichten“ Pulli mit, da kann es ABENDS etwas „kühl“ werden. Lieber Herr Harnach, wir werden dazu noch ein Gespräch führen müssen. „Leichter“ Pulli, dass ich nicht lache. Aber dazu später mehr.

Dann stand noch eine ganz andere, aber wichtige Frage im Raum.

Gehst du jetzt alleine, Moni? Oder geht jemand mit dir mit? Besser ist zu zweit, da verläuft man sich nicht oder fühlt sich sicherer. In neuen Umgebungen bin ich häufig etwas unsicher und nicht ganz so mutig wie im „richtigen“ Leben. Ich hatte es hundertmal im Kopf durchgespielt.

Ich wusste auf jeden Fall, was ich nicht wollte. Nämlich eine Uschi die sich an mich ran hängt und im schlimmsten Fall noch Fragen stellt, wie: „Wie weit is´ es denn noch?“ oder: „Wo sind wir hier?“ bis hin zu: „Wo schlafen wir denn heute?“ Von: „Ich hab kein Bock mehr.“, bis zu: „Ich breche hier ab.“

Genau so jemanden brauche ich auf keinen Fall.

Dann doch lieber alleine. Wie der Zufall (ich bin übrigens davon überzeugt, dass es keine Zufälle gibt) es wollte, sprach ich nach einem meiner Kurse, in dem Fall war es Fitnessdance 40/50plus, mit den Teilnehmerinnen über mein Vorhaben den Jakobsweg in naher Zukunft gehen zu wollen. Eine rege Gesprächsrunde entfachte sich. Viele der Teilnehmerinnen kenne ich nicht so lange und weiß also wenig über ihr Leben.

Dabei war auch Frau Schmitt, seit knapp einem Jahr regelmäßig in den Kursen. Ein paar Mal waren wir gemeinsam auch schon einen Drink nehmen. Sie ist im ähnlichen Alter wie ich. Hat eine Tochter im selben Alter wie meine. Ist ein wenig durchgeknallt (so ähnlich wie ich). Hat auf alle Fälle ihre eigene Meinung und kann herrlich loslachen. Sie hegte auch schon seit langem den Wunsch, diesen Weg zu gehen.

Konnte ich mir vorstellen, mit dieser Frau meinen Pilgerweg zu gehen???? Ich wägte Vor- und Nachteile ab. Sternzeichen Steinbock ist sie und ich Waage. Mit männlichen Steinböcken hatte ich schon so meine Erfahrungen gemacht. Passt nicht zusammen, ist aber spannend, erotisch und sehr aufreibend.

Aber mit weiblichen Steinböcken? Egal, ich will sie ja nicht heiraten. Wir sprachen dann viel über die Umsetzung, Zeitfenster, Wanderoutfit, Ablauf, Erwartungshaltungen, Bedingungen, Unterkünfte, usw.

Über was halt Frauen 40/50plus, bei so einem Vorhaben sprechen müssen. Ich war davon überzeugt, dass diese Frau auf jeden Fall ihre eigene Meinung hat und keine Schleimtante oder Heulsuse ist.

Am Ende dieser Gespräche, stand für uns beide fest: Ja, wir machen das gemeinsam! Zumindest reisen wir gemeinsam los und teilen uns die tägliche Unterkunft. Ob wir auch tagsüber gemeinsam pilgern oder uns erst am vereinbarten Zielort treffen, haben wir auf uns zukommen lassen.

Auch waren wir uns einig, dass wir am Ende unserer Reise, den Flieger von Santiago de Compostella nach Hannover gemeinsam besteigen werden.

Wir hatten uns dreieinhalb Wochen Zeit gegeben. Also ganze 25 Tage am Stück nur für mich! Boooaaahhh!

Ich kann nicht mehr sagen, wie lange es her ist/war, das ich mal 25 Tage am Stück „Urlaub“, sprich, freie Zeit, hatte. Manche nennen es Urlaub andere eben Pilgern. Nun ist es schwer möglich, den ganzen Weg, der ja 781km lang ist, in dieser Zeit zu gehen. Es sollte kein Marathon werden. Darüber waren wir uns einig. Also fangen wir mal realistisch an:

320km von Leon nach Santiago de Compostella. Davor und danach ein wenig wanderfreie Zeit verbringen. Am Ende eben dann in Fenistera am Atlantik!!!!!! In den Büchern steht immer, Fenistera bezeichnet man als „Ende der Welt“! Angeblich soll auch hier der Rest von Atlantis untergegangen sein. Und oben am Leuchtturm steht der km-Stein 0!!!!! Das stand auf alle Fälle vor der Reise auf meinem Zettel.

Das Gerüst war nun fertig. Reisezeit vom 29.April bis 23.Mai!!!!!!!

Flug hin und zurück buchen. Fertig.

DAS WANDEROUTFIT

Jetzt braucht Frau als erstes ein neues, flottes Wanderoutfit! Shopping!!!!!!!! Juchuuh!!

Nun ja, die darauffolgende Shoppingtour, war eindeutig anders als die vorherigen.

Nix Farbe, nix stylisch, nix sexy, nix Designer….

Wenn man mal von Jack Wolfskin oder Decathlon (da kaufen die meisten Pilger ein, ist mir auf dem Weg aufgefallen) absieht.

Früher hab ich so ´ne Shoppingtour ja richtig zelebriert. Vorweg erstmal ein Prosecco, ausgesucht, in die Umkleide, die passenden Accessoires dazu, Prosecco, auch mal verbotener Weise 25 Teile mit in die Umkleide genommen.

Tja aber bei so einer Wanderklamotte … finden sie mal ´ne passende Clutch?!

Genau aus diesem Grund war das Outfit auch recht schnell gekauft. (Den unbedingt erforderlichen Rucksack, hat mir freundlicherweise mein Mann zu Weihnachten geschenkt.) Ein wirklich gutes Teil. Ich war/bin mir nicht sicher, ob er mir nur eine Freude machen wollte, oder gedacht hat: “Cool, die will tatsächlich lospilgern. Endlich. Hat sie doch so viel davon gequatscht. Dreieinhalb Wochen Ruhe!!!! Dann soll sie auch ´nen tollen Rucksack bekommen. Ein dezenter Schub von meinem Mann!

Wanderoutfit ja, aber diese Schuhe … … … was gruselig. Ich, als High Heel Junkie und dann dieses völlige Gegenteil. Klobige, fette, hässliche, stabile, gruselige WANDERBOTTEN. Was ein Horror für mich. Aber ok, es ist meine freie Entscheidung.

Jetzt knick hier nicht gleich ein, Moni.

Meine zukünftige Pilgergesellin war natürlich schon prima ausgestattet. Tja, die macht auch mal Urlaub im tiefsten Nepal. Aber ICH??

Vom Wandern kenne ich den Benther Berg, Harz oder die Lüneburger Heide (als Kind wohlbemerkt).

Also hab ich meine gesamte Eitelkeit beiseitegeschoben und mich für diese Dinger entschieden. Farbe: braun, bisschen Hornhautumbra, usw. Schön … ist wirklich etwas anderes. Aber darum geht’s hier überhaupt nicht. Moni, jetzt reiß dich zusammen. Jau. Mach ich. Ich will doch in mich reinhorchen. Oh Gott, kann ich das? Aufregung pur.

DER PILGERPASS

Ein wichtiger Punkt ist auch (Planung ist einfach alles) das du, als angehender, offizieller Pilger, deinen Pilgerpass beantragen musst.

Das machst du bei der St. Jakobus Gesellschaft in Aachen. Das ist ein e.V., also eingetragener Verein. Empfehlung: so 3 -5 Monate vor deiner Reise.

Den Antrag musst du ordentlich ausfüllen:

Name, Geburtsdatum, Personalausweisnummer etc., und den PILGERGRUND angeben! Pilgergrund??? Häh???

Die machen dir das aber einfach.

Musst du nur ankreuzen: 1. Religiöser Grund oder 2. Spiritueller Grund.

Mein Pilgerpass kam so ungefähr nach 4 Mooooooooooooooooonaten. Puuhh.

Dann stellst du fest, hey, der ist ja HANDGESCHRIEBEN, mit Registriernummer. Hammer.

Da war mir klar. Das sitzen wahrschein zur ansteigenden Pilgerzeit, 2-3 ehrenamtliche Kirchenmitarbeiter in ihrem kleinen Büro, an ihren kleinen Schreibtisch und füllen einen Antrag nach dem Nächsten aus. Tja, das kann dann schon mal ein wenig dauern. Aber du erhältst ein Unikat.

Erkenntnis: Warten hat auch seine Vorteile.

Wenn du deinen Pilgerpass dann in den Händen hältst, fühlst du dich auch so richtig angepiekst.

Deswegen haben wir uns auch gleich an die Planung der Wanderroute gemacht.

Jede für sich. Wir hatten zwei unterschiedliche Reiseführer. Das hatte ganz sicher Vorteile. Von der Beschreibung des Weges bis hin zu den Unterkünften. Jede von uns hatte bis dahin ihre Hausaufgaben gemacht.

Der Termin rückte in die nahe Zukunft. Was musste im Vorfeld noch gemacht werden? Wer weiß, wann oder ob ich wiederkomme. Das hatte so etwas von unendlich lange.

DER ABSCHIED

Ein wirklich guter Grund noch einmal eine Party zu starten. Mit allen Freunden, Bekannten, Familie, Kursteilnehmerinnen, Tänzerinnen, Models, und diversen Randgruppen.

Eine Woche vor dem großen Abenteuer war es dann soweit. Im Tanzstudio. Alle waren gekommen. Mit niedlichen kleinen Geschenken. Vom kurzen Wanderstock, über eine Halterung am Stock für einen Piccolo Prosecco, bis zum feuchten Toilettenpapier…..

Meine Güte, woran die Leute so denken. Tja, meine Freunde kennen mich halt.

Ich denke, es haben mir höchstens 3-4 Leute abgenommen, dass ich wirklich so eine Wandernummer machen werde, bzw. auch durchhalte.

Dann musste ich mich daran erinnern, als ich schwanger war. Wie waren die Kommentare noch: Ach, Moni, DU und Kind? Geht gar nicht. Bist du dir sicher, dass du das willst? Du als Mutter? Kann ich mir nicht vorstellen bei dir? Usw.

Natürlich war ein Frisörbesuch im Vorfeld nötig, um mich auf meine Pilgerreise zu begeben.

Ein entzückendes, äußerst feminines, männliches, Model hatte mir dann den entscheidenden Tipp gegeben: „Moni, wenn du wirklich etwas Gutes für dein Haar tun möchtest, dann geh bitte zu, meinem Sascha.“

Bin ich dann auch. Lächerliche 144,--€ durfte ich hinblättern.

Diese Summe habe ich vorher für 4 Frisörbesuche hingeblättert. Nun ja. So ein Pilgerweg will durchorganisiert sein.

Ich war nie mehr bei diesem Frisör.

Nach dieser wunderschönen „Abschiedsparty“, drehte sich in den darauffolgenden Tagen alles darum, WIE ich in diesen Rucksack alles reinbekomme, was so erforderlich war. Ich war sehr fokussiert. Hatte keine Synapsen für irgendwelche täglichen, weltlichen Dinge. Mein Mann zeigte sich sehr verständnisvoll. Er war so froh, dass ich bald abhaue.

Am Vorabend des Abfluges, (Wir hatten gebucht; Hannover-Stuttgart-Bilbao. Morgens um 6.50Uhr ging der Flieger) rief ich dann nochmal kurz meine zukünftige Wandergesellin an. Es war ca. 22.00 Uhr. Freudig und leicht säuselnd, Ihre Nachbarin hatte wohl die eine oder andere Flasche Weißwein mit ihr geköpft, kam sie tatsächlich ans Telefon.

„Hallo, alles gut bei dir?“

„Hast du alles eingepackt? Der Rucksack fertig?“

Mit ihrer unnachahmlichen Lache, antwortete sie mir:

„Nee. Kein Stück. Mach ich morgen früh. Wir sitzen hier gerade so gemütlich bei einer Flasche Wein. Und DU? Alles erledigt?“

Ich legte auf.

Diese Aussage schockte mich sehr. In meiner Welt war das überhaupt nicht akzeptabel. Wie kann ein Mensch vor so einer Reise Wein trinken, nicht packen und so locker sein???

Das kann ja wirklich nur spannend werden, auf unserer gemeinsamen Reise, waren meine Gedanken. Es gab aber auch kein Zurück für mich. Moni, du musst lockerer werden, war der erste Einwurf meines Unterbewusstseins!

Wir trafen uns tatsächlich am nächsten Morgen auf dem Flughafen. Beide im Pilgeroutfit und Rucksack. Allerdings mussten wir jeder noch kurz 30,---€ für unser „Gepäck“ zahlen. War wohl nicht mitgebucht.

Aber egal … … …

Der Abschied von meinem Mann war da. Was für ein komisches Gefühl für mich.

In bin ja nicht nach Malle geflogen. Kein Strandurlaub und Party machen. Nee, was ganz anderes wartete auf mich und ich wusste nicht was … … …

Meinen Mann ließ diese Situation vollkommen kalt. Hatte ich den Eindruck. Er ist Feuerwehrmann, hauptberuflich und muss mit Stresssituationen umgehen können.

Kann er auch!!!! Disziplin ist eben alles.

Die Wahrheit ist. Er war mit ziemlicher Sicherheit sehr froh dass ich weg bin und würde sowieso keine Gefühle zeigen. Hatte er so gut wie noch nie.

Auch dies war ein Thema auf meiner Reise.

DIE BUSFAHRT

Nach dem Flug, mit Umsteigen in Stuttgart, landeten wir pünktlich in Bilbao/Spanien.

Von da aus ging es dann erst einmal mit dem Bus ins Zentrum zum Busbahnhof. Dann weiter nach Burgos. Wieder Bus, zweieinhalb Std Fahrtzeit. Ich habe da so ein kleines Problem. Pippi machen müssen, in relativ kurzen Abständen.

Es wird ja wohl ein Klo hier geben.

Dann sah ich eine Tür am Mittelausgang. Puuh. Glück gehabt. Dort gibt´s ein Klo. Wir fuhren los. Mein Blick ging nach kurzer Zeit immer wieder auf diese Klotür. Dann entdeckte ich unter dem Tür Knauf das rote „Besetzt-Zeichen“. Solange kann doch da keiner drin sein?! Nee, es war ganz einfach. Da war keiner drin. Das Klo war einfach kaputt und nicht nutzbar. Bravo. Genau das hat mir noch gefehlt. Meine innere Stimme meldete sich: „Tina, das schaffst du nie! Zweieinhalb Stunden.“ Du machst dir in die Hose“. Genau. So is´ es.

Deswegen bin ich dann auch drei, vier Mal im Vorfeld auf die Bahnhofstoilette gegangen. Weil man so gut im Voraus pinkeln kann. Als wenn es was nützen würde …

Gut zwei Stunden ging die Busfahrt auch ganz gut für mich. Habe mich konzentriert. Abgelenkt. Bloß nicht Müssen müssen. Martina wurde irgendwie übel. Schnell besorgte ich bei zwei Mitreisenden Kekse, damit ihr Magen was zu tun hatte. Wir waren schließlich schon auf der ersten Zielgeraden.

Die nächsten gefühlten 15 Minuten wurden der blanke Horror für mich. Meine Blase wollte sich Platz schaffen. Mit überzeugendem Druck im betreffenden Bereich…..Hölle! Ich saß mittlerweile nur noch ganz vorne auf der Kante des Sitzes.

Atmete intensiv ein und aus. Kleine Schweißperlen setzten sich dezent auf meine Stirn.

Konnte keine ganzen Sätze mehr sprechen. Martina fragte mich dann auch noch zwei, dreimal: „Musst du mal, Moni?“ Schönen Dank auch.

Ich schaute mir die Mitreisenden an. Heieiei, so viele ALTE Leute. Wieso muss denn von denen keiner mal?? Ich muss den Bus stoppen oder ich mach mir in die Hosen. Warum hält der denn nicht mal irgendwo? Ich erhoffte mir aus ganzem Herzen, Hilfe von oben, vom Universum. Und dann, wieder gefühlte fünf Minuten später, sah ich oben an der Windschutzscheibe ein Schild aufleuchten: S TOP!!!!! Yes. Meine Stimme wurde erhört. Kurze Zeit später hielt der Bus mit ca. 50 Leuten wieder an einem Busbahnhof. Zwei Personen stiegen aus. Die Fahrt sollte sofort weitergehen. Ich flehte den Fahrer mit den Worten an: „TOILETTE POR FAVOR“ Seine Antwort: DOS MINUT0S. Ich rannte los und 48 andere Fahrgäste warteten auf meine Rückkehr. Aus dem Gesichtsausdruck dieses verständnisvollen Busfahrers konnte ich ablesen, dass ich die DOS MINUTOS nicht überschritten hatte. Wir setzten unsere Fahrt fort. Entspannt saß ich dann den Rest der Fahrt auf meinem Sitz und freute mich des Lebens.

BURGOS UND DER VINO

Fast pünktlich sind wir im Untergeschoß des Busbahnhofs angekommen. Wir hatten von zuhause aus schon ein Hotel gebucht. Das galt es jetzt zu finden. Wir latschten los. Burgos ist nicht wirklich klein. Nach einem für uns schon ordentlichem Fußmarsch kamen wir dann am Hotel an. Ein wirklich schickes Hotel. Recht zentral. Und das Leben pulsierte auf den Straßen. Was waren wir happy. 1. Etappe erreicht. Grund für einen Vino Tinto am Abend. Und noch einen und noch einen. Nun ja, nach dem fünften Glas konnten wir getrost einschlafen.

Der Morgen danach, war allerdings nicht mehr ganz sooo witzig. Boah. Einen Kopf wie ein Heißluftballon, Kopfschmerzen, Übelkeit, Brechreiz. Es muss ein ganz fürchterlicher Wein gewesen sein. Gott sei Dank waren wir bestens ausgestattet mit Kopfschmerztabletten, Vitamin C, Magnesium usw. Alles haben wir uns beim Frühstück eingeworfen. Dann ging es weiter mit dem Taxi zum Bahnhof. Zu Fuß gehen, war in diesem Zustand unmöglich, da waren wir uns einig. Dort kamen wir auch mit ersten Pilgern ins Gespräch. Zwei Mädels aus New York.

Die beiden hatten genau drei Tage Zeit um 100km zurückzulegen. Was es alles gibt. Da fliegen die ganz aus Amerika nach Nordspanien um dann drei Tage durch die Pampa zu laufen. Das wäre nix für mich gewesen. Aber gut, jedem das Seine. Übrigens, waren die auch nur halb so alt wie wir.

Mit dem Zug ging es dann weiter nach Leon. Zug hat für mich immer Vorteile, weil es da ein Klo gibt. Und ich muss doch immer. Auf die Mitnahme von Tena Lady hatte ich im Vorfeld verzichtet. Wegen Gewicht. Man spart ja an jedem Gramm zu viel.

Klar denkt jetzt jeder: So ´ne Binde wiegt doch nichts. Tja, mag sein. Im unbenutztem Zustand vielleicht. Aber man spart an jedem Gramm zu viel im Rucksack. Neun kg schleppst du schon dann mit dir. Die erforderlichen Wasserflaschen noch nicht eingerechnet. Deswegen habe ich auch die ersten 400km aus dem Reiseführer gerissen. Zuviel Gewicht. Pfiffig, ne?!

LEON

In Leon angekommen, hüpfte mein Herz ein klein wenig. Glücksgefühl kam bei mir auf. Denn ab hier sollte unsere Pilgerreise zu Fuß, am nächsten Morgen beginnen.

Herrliche Sonne lachte vom Himmel.

Leon ist eine wunderschöne Stadt. Tolle Kathedrale, Museen, kleine Geschäfte, nette Altstadt und auch hier pures Leben. Pilger mit Flip Flops, getapte Beine (die waren wohl alle schon etwas länger unterwegs). Viele Szeneleute. Durchgestylt. Da fühlst du dich selber, in deiner farblosen Pilgerklamotte, schon sehr grenzwertig.

Aber egal. Das ist in den nächsten Wochen überhaupt nicht wichtig, Moni.

Die Stadt war jedenfalls proppenvoll. Irgendein Feiertag war an diesem Tag. Unsere erste Anlaufstelle war natürlich die Kathedrale von Leon, von außen. Reingegangen sind wir nicht. 6,--€ Eintritt! Häh? Ja, ja die Kirche…..Jetzt mussten wir uns erst einmal eine Unterkunft suchen. Die Tourismusinformation war schon geschlossen. Wir sprachen den einen oder anderen Einheimischen an, wo wir denn ein Zimmer bekommen könnten. Alle winkten ab. Heute? Keine Chance. Alles wäre ausgebucht. Wir hätten eher buchen sollen usw.

Na Bravo! Tja, aber auch Spanier erzählen viel wenn der Tag lang ist. Nach einer gefühlten Ewigkeit, bekamen wir doch ein nettes Doppelzimmer im Hotel PARIS, mit Spa Abteilung. Die brauchten wir zwar nicht, dafür preiste die Hoteltante aber das wunderschöne Zimmer mit Blick auf die Kathedrale an. 90€ haben wir hingeblättert für eine Nacht, ohne Frühstück.

Das Zimmer war wirklich super sauber, Toilette, Dusche, alles gut. Allerdings der Blick auf die Kathedrale, war lediglich durch eine, ich sage mal, sogenannte Dachluke möglich. Aber egal. Voller Vorfreude auf den darauffolgenden ersten richtigen Wandertag, allerdings vergeblicher Suche nach einer Tapas-Bar, die gibt es hier eben nicht, nur in Südspanien, wurde dann eben eine fettige Pizza verdrückt. Und der Magen meldete sich kurze Zeit später wieder mit Übelkeit. Wir gingen früh zu Bett. Die Nacht war ruhig und der Schlaf ausreichend.

DER 1. WANDERTAG

Dann war er da. Der Tag X. 1. Mai, 8.30Uhr, Sonne scheint. Auf geht’s. Ultreia, Ultreia!

Ist ein mystisches Wort und soll heißen: Alles Gute oder Toi toi toi, je nach Situation. Um rauszukommen aus Leon bedarf es allerdings erstmal so 5 km. Bin ich zuhause nicht mal in einer Woche gegangen. Mich freute ganz besonders, dass überall gelbe Pfeile den Weg kennzeichneten. Da kann sich keiner verlaufen. Raus aus Leon und hinein ins Abenteuer. Juchuuh.

Blöde Strecke folgte. Durch ein Gewerbegebiet, dann auf eine dichtbefahrene Landstraße. Mit ganz vielen Lkws, brumm, brumm, brumm. Laut, staubig, aber ziemlich ebenerdig. Das verstehen die alle unter pilgern? Wie doof ist das denn. Tja, Anfängerpech. Denn die Abzweigung zum wirklich schöneren Weg hatten wir wohl verpasst. Man muss diesen Wanderführer aufmerksamer lesen.

Eine erste größere Pause legten wir nach ca. 15km ein. Die ersten Pilger wurden begrüßt. „Buen Camino“ werfen sich alle beim Vorbeigehen zu. Heißt: „Guten Weg“. Der Rucksack machte sich nun auch schon bemerkbar. „Wie soll das denn gehen, mit diesem Blei Teil auf dem Rücken, 320km?“ waren meine Gedanken. Mein rechter Fuß machte schmerzte. Irgendetwas störte mich da am Hacken. Schuh ausziehen hielt ich für keine gute Idee. War ich doch froh, diese hässlichen, klobigen Dinger überhaupt angezogen zu haben. Ich komm da nie wieder rein, wenn sie erstmal aus sind, war meine Überzeugung. Warum gibt es eigentlich keine hübsch designten, evtl. noch mit einer schicken Farbe versehenen Wanderbotten??? Das ist doch eine Marktlücke.

HERBERGEN / UNTERKUNFT

Wir setzten unseren Weg fort. Nach 24km war das Tagesziel erreicht. Als Pilger hast du nur drei Aufgaben am Tag. 1. Viel Wasser trinken mit Magnesium, 2. Essen und 3. Eine Unterkunft suchen. Zimmer mit eigener Toilette und Dusche, wenn möglich.

Für uns kam niemals in Frage, in diesen Herbergen/Alberque zu übernachten. Wir sind erwachsene Frauen mit Ecken und Kanten.

Jede hat so ihre Eigenarten. Und in einem 20 Betten Raum, mit schnarchenden Pilgern und stinkenden Füßen die Nacht zu verbringen, war zu keinem Zeitpunkt eine Option. Zumal wir erstens auch gar keinen Schlafsack mit hatten und zum zweiten, ich nachts auch mal Pippi machen muss, und dann durch diesen Schlafsaal wandern?? Nein.

Viele der Pilger latschen schon morgens um halb fünf los, fangen an zu kramen, packen, räuspern, flüstern. Wer kann denn da schon bis halb acht, acht schlafen? Ich nicht. Das war auch die richtige Entscheidung, denn, Erwin aus dem Sauerland, er war Polizist und mit seinem Kumpel unterwegs, die übernachteten häufig in diesen Herbergen, berichtete später, das während der Sommermonate, zur ansteigenden Pilgerzeit, nicht nur die Pilger beliebte Gäste in den Herbergen sind, nee, noch eine andere Spezies…, die sogenannten BETTWANZEN!

Kleine schwarz/braune, hässliche Krabbeltierchen, die in den Matratzen wohnen und sehr gern auch von dem einen oder anderen Pilger, mit in die nächste Herberge genommen werden. Unwissend natürlich. Die können beißen.

Erkennst du beim Pilger an den roten Pickeln am Hals. Grrrrrrrrrrrr.

Ich hatte auch Pickel, aber am Fuß. Hab gegooglet. Waren keine Bettwanzen. Kam vom Weichspüler in der Socke.

Bettwanze

DIE BLASE

Am Abend dieses ersten Wandertages, zog ich dann in der Unterkunft, ein Hostel, mit eigener Dusche und Klo im Zimmer, voller Stolz meine hässlichen Wanderbotten aus und konnte sofort sehen, weshalb mir der Hacken so weh getan hat.

Eine monstergroße Blase zeigte sich mir in ihrer ganzen Pracht. Offenes Fleisch.

Mist. Dein erster Wandertag, Moni. Super. Wie konnte mir das passieren. Ich hatte, wie im Wanderführer beschrieben, vier Wochen vorher täglich meine Füße mit Hirschtalgcreme einbalsamiert. Damit man weiche Haut behält und eben keine Blase bekommt. Das Problem waren bei mir die Funktionssocken. Hatte gelesen, die sollte man vorher nicht mit Weichspüler waschen. Hab ich aber. Duftet doch auch besser. Großer Fehler. Erkenntnis: Moni, du musst noch viel lernen. Meine erste Heulattacke folgte auf dem „Fuße“. Pilgern ist nix für dich! Siehst du doch. Was ein Rotz. Wie soll ich jetzt meinen Weg fortsetzen? Nach kurzer Überlegung stand für mich aber fest, nein, du gibst hier nicht auf, Moni. Was eine echte Pilgerin ist, zieht das bis zum Ende auch durch.

Wir zogen beide unsere Flip Flops an und setzten uns in den kleinen, entzückenden Garten des Hostels. Die Sonne schien wunderbar wärmend. Bestellten ein Glas Vino Blanco, mit Vino Tinto hatten wir ja schon schlechte Erfahrungen gemacht. Die reizende, original spanische Hostel-Mama sah meine offene Blase und verschwand. Sie kam mit einem kleinen Fläschchen zurück. Offensichtlich hatte sie schon Erfahrungen mit sogenannten Erstpilgerinnen. Eine Handbewegung machend, stellte sie sich vor mich. Sie öffnete das Fläschchen und kippte einen großen Teil des Inhaltes über meine Blase.

Auaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa!!!!!! So kam ich auch mal in den Genuss auf einer offenen Wunde, JOD zu spüren! Alter, hab ich gekrächzt. Trocknen lassen, Luft dran lassen und zum Essen Flip Flops tragen, waren ihre Anweisungen. Denen ich selbstverständlich folgte.

Ach, das Leben kann manchmal so einfach sein.

Nach dem Frühstück am nächsten Morgen, verabschiedeten wir uns von unserer Hostel-Mama. Sie knackte gerade Wallnüssen, um sie uns mit auf den Weg zu geben.Wallnüsse geben unheimlich Energie, das konnten wir viele Male später auch am eigenen Leibe spüren. Ein früher Besuch in der Pharmazie war nötig, um ein hübsches Blasenpflaster, Bepanthen-Creme sowie ganz viel Tape zu besorgen. Damit wickelst du dann deinen Fuß ein. Die Pharmazie-Fachfrau gab mir den Rat:„Unbedingt dran lassen. Nicht aufmachen. Nein, 6-8 Tage dran lassen.“ IIiiiigitt, dachte ich. Das fängt doch irgendwann an zu stinken. Aber gut, die wird schon wissen, was richtig ist.

DER RUCKSACK

Somit war es uns dann möglich, den zweiten Wandertag anzugehen. Herrliche Sonne lachte vom Himmel. Wir waren trotz unserer kleinen Blessuren gut gelaunt. Weiter geht’s. Pilgern. Prima. Es wäre fast perfekt gewesen, wenn nicht dieser blöde, schwere Rucksack wäre. Dieses Teil wird nicht mein Freund werden ... was für ein Gewicht. Dann fängt langsam wieder der Rücken an zu schmerzen. Ich komm bestimmt als Bucklige mit ganz fetten Füßen zurück, sprach die Stimme in mir. Bei Frau Schmitt war es nicht der Rücken der ihr Probleme machte, bei ihr waren es die Knie.

Murmelnd, lachend und fluchend setzten wir unseren Weg siegessicher fort. In Gedanken ging ich die Packliste des Rucksackes durch:

2 lange Hosen

1 kurze Hose

2 Leggins

2 Langarm-Shirts

4 Kurzarm-Shirts

5 Slips

2 x Socken warm

2 x Socken – weiß

2 x Funktionssocken (1 Paar schon an)

1 BH

1 Paar leichte Schuhe

1 Paar Flip Flops

1 Regencape

2 Sicherheitsdecken

1 großes Handtuch

1 kl. Handtuch

1 Bikini

2 Pullis

397 x Körperpflege

1 Reiseführer (ohne die ersten 400 Seiten)

Arznei; Magnesium, Vitamin C, Ibuprofen, Aspirin, Pflaster, Tape, feuchtes Toilettenpapier………………

Ach, was soll ich sagen, man wächst mit seinen Aufgaben! Irgendwann hast du alles drin. Es gibt ja ein System: oben die leichten und unten die schweren Sachen. In meinem Fall waren es die Körperpflege und das Regencape ... aber dem hab ich kurze Zeit später mal die große Welt gezeigt!

Jedenfalls sollte man wissen, WO WAS im Rucksack stationiert ist. Das hab ich vorher noch nicht einmal in meiner Handtasche geschafft.

Dieses tägliche Ein- und Auspacken ging mir gleich von Anfang an auf den Keks. Wenn du abends in deinem Zimmer bist, vorm duschen und frische Wäsche anziehen, geht die Kramerei los. Wo ist der Slip, wo die Socken, wo ist das Shirt, das Duschzeug, die Creme, die Nagelfeile usw. Morgens dann wieder die gleiche Aktion. Alles wieder rein. Unten die schweren Sachen, oben die Leichten. Kotz würg. Total nervig.

Ich hab von Tag zu Tag mehr gemeckert. Mit Selbstgesprächen, wie: Ej, warum muss denn dieses Ding so schwer sein? Reicht es denn nicht, dass man alles zu Fuß latscht? Muss man denn auch noch so ein Megaklotz mit sich rumschleppen? Wer ist denn dafür zuständig? Ihr da Oben doch? Universum oder so? Zum Kuckuck nochmal, du machst doch immer alles richtig, dann kannst du den Rucksack doch bitte auch mal leichter machen?!

DAS UNIVERSUM / DIE LEYLINIEN

Ich sage mal so, das Universum reagiert vielleicht nicht sofort, aber es wird versuchen, deinem Wunsch zu entsprechen, früher oder später. Wir haben darauf auch kurze Zeit später die Antwort erhalten. Allerdings, nicht so, wie wir uns das vorgestellt hatten. So viel sei an dieser Stelle schon mal erwähnt.

Unser angestrebtes nächstes, größeres Ziel, was der Ort Foncebadón, mit anschließendem Aufstieg zum Cruz de Ferro. 1.500m Höhenmeter! In den Büchern wurde über Foncebadón einiges geschrieben.

Ein Mini Dorf mit freilaufenden, wilden Hunden hieß es dort. Man solle vorsichtig sein. Auch Shirley MacLaine, die diesen Weg auch schon gegangen ist, hatte Begegnungen mit diesen herrenlosen Hunden. Interessant fand ich ihre Erklärung zu diesem Thema: Sollte man auf diesem Weg in diese Situation kommen, hätte es wohl mit einem selber zu tun. Mit der eigenen Angst, die bei vielen fest im Innern verankert ist.

Angst! Ja, das war auch ein großes Thema auf meiner Reise. Schon lange schleppte ich eine gewisse Lebensangst mit mir herum. Angst zu versagen, Angst nicht alles richtig zu machen. Angst eine gute Mutter zu sein. Angst, nicht geliebt zu werden. Angst, nicht genügend Aufträge zu haben. (Ich bin selbstständig und da musst du immer am Ball bleiben und kannst dir wenig Pausen gönnen.)

Vor vielen Jahren, als meine Tochter ca. 10 Jahre alt war, hatte ich schon mal einen Burn-out. Zum größten Teil, habe ich meine Tochter alleine groß gezogen. Somit war ich auch alleine für unser Einkommen verantwortlich. Unterhalt für meine großartige Tochter, habe ich nie bekommen. Wollte ich auch gar nicht. Dieser Verantwortung stellte ich mich ohne Wenn und Aber. Trotzdem ich diese Einstellung hatte, blieben meine Kräfte dann irgendwann auf der Strecke. Ich weinte viel. Alleine. Vorrangig morgens, nachdem meine Tochter zur Schule ging. Auf keinen Fall sollte sie merken, dass es mir nicht gut geht. Das Wichtigste war für mich immer, dass sie glücklich ist. Irgendwann suchte ich mir Hilfe bei meiner Hausärztin. Die wiederum, verschrieb mir sofort Antidepressiva sowie einige Gesprächsstunden bei einem Therapeuten.

Dieser Therapeut, der, wie ich später erfuhr, in der Vergangenheit Bankkaufmann war, verschrieb mir folgendes: Ziehen sie sich zurück und heulen sie jeden Tag ca. 30 Minuten.

Dann sollte ich noch mein Leben aufschreiben. Toll. 16 Termine bei ihm waren von der Krankenkasse genehmigt. Nach dem fünften Termin brach ich die Therapie ab. Was dem ehemaligen Bankkaufmann nicht gefallen hatte. War mir aber egal. Ich fühlte mich schließlich schon wesentlich stabiler. Vielleicht lag es auch an den verschriebenen Pillen. Zumindest hatte ich die Erkenntnis, dass ich da nur alleine raus komme.

Krone richten, aufstehen und weitergehen. Eine Kämpferin war ich schon immer. Trotzdem blieb dieses Angstgefühl die nächsten Jahre fest verankert in meinem Inneren. Ein Zustand der mich in der Vergangenheit schon häufig gelähmt hatte. Wird es mir gelingen, diesen zermürbenden Zustand hinter mir zu lassen?

Es war aber auch noch etwas ganz anderes in den Büchern über dieses Geisterdorf Foncebadón zu lesen und das hat mich nun wirklich brennend interessiert. Nämlich, dass die Leylinien, das sind Energielinien, die entlang dem Jakobsweg laufen, in diesem Dorf besonders zu spüren seien. Oooh wie spannend. Genau diese Energie wollte ich am eigenen Leibe spüren. Ob man das auch merkt?

Endlich passiert mal was. Energie, her damit. Das ließ die Angst vor den Hunden ein wenig schmälern. Mit diesen Informationen im Kopf, pilgerten wir mutig unserem Ziel entgegen. Wir hatten bedauerlicherweise aber diesen Aufstieg vollkommen unterschätzt.

Was ´ne Buckelei. Hügel rauf und wieder runter und wieder hoch, dann ne Art Serpentine. So geht das die ganze Zeit. Im Reiseführer sehen die unterschiedlichen Höhenmeter so klein aus. Da macht man sich als Erstpilger vollkommen falsche Vorstellungen. Oder man will das auch gar nicht vorher sehen. Jedenfalls war das bei mir so. Und während wir so pilgerten, eine von uns immer zwischendurch am Meckern war, fängt man tatsächlich zur Abwechslung an ein blödes Lied zu trällern. Wie z.B.: