Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Die Freundinnen Olga und ihre Freundinnen besuchen das nahe Kino. Was gibt es Schöneres als mit den Freundinnen im Kino zu tuscheln! Das stört aber massiv einen Herrn mit Bart. Die Mädchen sind sich einig: Wenn der Herr mit dem Bart ein ruhiges Publikum verlangt, soll er nicht die Nachmittagsvorstellung besuchen. Auf seine Bemerkungen reagieren sie patzig. Das aber kostet Silvy ihre Stellung als Klassensprecherin, denn der Bärtige erscheint am nächsten Tag als neuer Klassenlehrer. Und als Olga sich zur Klassensprecherin wählen lässt, merkt sie schnell, dass das kein Zuckerschlecken wird. Doch im Leben kommt oft noch eine weitere Chance, die Dinge zum Guten zu drehen. Ob die Mädchen sie nutzen können?-
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 151
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Marie Louise Fischer
SAGA Egmont
Olga, Star der Parkschule
Genehmigte eBook Ausgabe für Lindhardt og Ringhof Forlag A/S
Copyright © 2017 by Erbengemeinschaft Fischer-Kernmayr, (www.marielouisefischer.de) represented by AVA international GmbH, Germany (www.ava-international.de)
Originally published 1967 by F. Schneider, Germany
All rights reserved
ISBN: 9788711719534
1. Ebook-Auflage, 2017
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt og Ringhof und Autors nicht gestattet.
SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk – a part of Egmont www.egmont.com
Eine ganze Woche lang hatte Olga Helwig sich auf den Samstag gefreut. Aber nun, als er endlich da war, wurde er eine große Enttäuschung.
Es war ein verkaufsoffener Samstag, und Olga hatte gehofft, die Mutter oder den Vater überreden zu können: Sie sollten mit ihr in die Innenstadt fahren und ihr die schicke lange Lederhose kaufen, die sie sich schon seit langem gewünscht hatte.
Aber sie war mit ihrem Wunsch auf taube Ohren gestoßen. Um Geld ging es dabei gar nicht, denn die Großmutter hatte ihr fünfzig Mark geschickt. Wenn sie dazu ihre gesamten Ersparnisse zusammenkratzte, würde es reichen, ohne daß die Eltern in ihr Portemonnaie greifen müßten. Nein, daran hatte es also nicht gelegen; aber wieder einmal hatte niemand Zeit oder Verständnis für sie.
Olga schmollte.
Sie lümmelte sich im bequemsten Sessel vor dem Fernseher, die Beine weit von sich gestreckt, und futterte Kirschen, die sie aus der Küche gemopst hatte. Das Programm interessierte sie überhaupt nicht; es war ein Kasperlspiel für die Allerkleinsten, und Olga konnte über die dummen Späße nicht einmal eine Miene verziehen. Sie starrte auf die Mattscheibe, weil sie nichts Besseres mit sich anzufangen wußte. Dabei käute sie zum x-tenmal innerlich das große Unrecht wieder, das ihr angetan wurde.
Die Mutter hatte gesagt: „Ausgerechnet am Samstag soll ich mit dir einkaufen gehen? Was für eine Idee!“
Dabei stand sie jetzt in der Küche und backte einen Kirschkuchen für Sonntag. Als ob das nötig gewesen wäre! Sie hätte genausogut mit ihr einkaufen und einen fertigen Kuchen besorgen können!
„Am Wochenende kriegen mich keine zehn Pferde in die Stadt“, waren Vaters Worte gewesen, „da bleibe ich zu Hause und mache es mir gemütlich!“
Und jetzt war er dabei, vor der Garage sein Auto zu waschen – als wenn das gemütlich wäre!
Natürlich hätten sich die Eltern gefreut – und das wußte Olga –, wenn sie geholfen und ihnen Gesellschaft geleistet hätte. Aber schuftet man dafür eine ganze Woche in der Schule, um auch noch am Samstag zu arbeiten? Olga jedenfalls wollte das nicht.
Sie war echt zornig. Es tat ihr gut, die Kirschkerne in hohem Bogen quer durchs Zimmer in Richtung Papierkorb zu spucken – traf sie, war es eine kleine Genugtuung; traf sie nicht, war es ihr auch egal. Sollten die anderen sich ruhig darüber ärgern. Mehr als ausschimpfen konnte man sie nicht, und wahrscheinlich würden die Eltern so etwas eher ihren Brüdern zutrauen als ihr.
Denen geschähe es gerade recht!
Wenn Olga nur an Hartmut und Ulrich dachte, stieg ihr eine heiße Welle des Zorns bis in die Wurzeln ihres leuchtendroten Haares. Jungen an sich waren ja nicht unbedingt übel; aber solche Brüder zu haben, das kostete Nerven!
„Du und eine Hose im Safari-Look?“ hatte Ulrich, der jüngere der Brüder, spöttisch gefragt. „Du hast ’nen Geschmack wie ein kaputter Eimer. Hellbraun paßt doch überhaupt nicht zu deinem Kupferrot!“
„Sehr richtig“, war Hartmuts Kommentar, „das würde sich beißen wie verrückt. Entweder mußt du die Hose einfärben oder dein Haar!“ Und beide hatten sich ausgeschüttet vor Lachen, diese gemeinen Flegel!
Olga spuckte einen Kern auf das Foto ihrer Brüder, das in einem silbernen Rahmen auf dem Plattenschrank stand, und traf genau auf die Glasscheibe. Klick, machte es. Der Kern prallte ab, fiel zu Boden, auf dem Bild blieb ein kleiner Fleck. Gut so!
Aber die Freude dauerte nur kurz, dann nahm Olgas Verbitterung wieder überhand.
Da saß sie nun am heißersehnten Samstag im halbdunklen Zimmer vor dem Fernseher und mußte sich ein Spiel für Wikkelkinder ansehen. Aber was blieb ihr denn anderes übrig? Alle ihre Bücher hatte sie schon mindestens ein dutzendmal gelesen, und überhaupt hatte sie jetzt zu nichts mehr Lust. Wenn doch wenigstens eine ihrer Freundinnen kommen und sie erlösen würde!
Gerade als Olga mit ihren Gedanken soweit war, klingelte es an der Wohnungstür. Das ist Ruth, dachte Olga. Nein, die klingelt nicht so stürmisch, das wird Katrin sein … oder Silvy oder vielleicht auch Leonore! – Sie sprang auf und wollte zur Tür laufen.
Aber auf halbem Weg blieb sie stehen, machte langsam kehrt und schlenderte wieder zu ihrem Sessel zurück. Keine der Freundinnen sollte denken, daß sie bloß auf sie gewartet hätte.
Viel besser war es, so zu tun, als wäre sie ganz überrascht und nicht einmal sonderlich erfreut.
Mühsam unterdrückte Olga das hoffnungsvolle Lächeln, das um ihre Mundwinkel zuckte. Sie spitzte beide Ohren, um über den Lärm des Fernsehers hinweg festzustellen, wer die Wohnungstür öffnete und wer hereinkam.
Sie hörte nur Jungenstimmen.
Noch wollte sie die Enttäuschung, die ihr bevorstand, nicht wahrhaben. Sie redete sich ein, daß Hartmut und Ulrich zur Tür gelaufen waren und mit dem üblichen Krach die Stimme der Besucherin übertönten.
Aber da kamen ihre Brüder auch schon ins Zimmer gestürmt und mit ihnen drei ihrer Freunde. Einer knipste das Licht an, und Olga mußte mit ihren tiefblauen, von hellen, dichten Wimpern umgebenen Augen zwinkern.
„Was fällt euch ein!“ rief sie empört.
„Immer mit der Ruhe, Schwesterchen“, mahnte Hartmut, „wir befinden uns hier im allgemeinen Wohnraum … oder etwa nicht?“
„Aber ich seh mir gerade eine Sendung an!“
Ulrich blickte ihr über die Schulter. „Babystunde! Mit zwölf Jahren! Oh, Rotkopf, Rotkopf, wie tief bist du gesunken!“ Die anderen lachten.
„Du weißt genau, daß du das nicht sagen sollst!“ schrie Olga.
„Willst du andeuten, ich hätte den Fernsehregisseur beleidigt?“ fragte Ulrich mit gespielter Ahnungslosigkeit.
„Den nicht … aber midi!“ Olga war aufgesprungen; sie stampfte mit dem Fuß auf. „Ich verbitte es mir ein für allemal, von euch Rotkopf genannt zu werden!“
Die Jungen lachten nur noch mehr.
„Hör sich das einer an“, rief Hartmut, „sie verbittet sich! Nun sag mal allen Ernstes, wie sollen wir dich denn sonst nennen? Deine Haare sind doch nun mal rot!“
„Aber das ist doch kein Name! Ich nenne dich ja auch nicht Brillenkieker!“
„Tu’s nur, wenn es dir Spaß macht“, gab Hartmut ungerührt zurück. „Ich denke keinesfalls daran, mich mit dir zu streiten. Also verschwinde. Mach Platz für harte Männer. In fünf Minuten beginnt die Übertragung des Fußballspiels.“ „Aber ich war eher da, und mich interessiert euer olles Fußballspiel überhaupt nicht!“
„Hat auch niemand verlangt“, sagte Ulrich, „also zieh Leine. Merkst du denn immer noch nicht, daß du störst?“ Olga errötete heiß, und vor lauter Zorn und Kränkung schossen ihr Tränen in die Augen. „Wie gemein du bist!“ brachte sie mühsam heraus. „So gemein!“
„Laß die Kleine doch ruhig bleiben“, sagte einer der Freunde.
Olga glaubte schon, daß er für sie Partei ergreifen wollte.
Aber dann fügte er hinzu: „Die erspart uns doch die Fernsehlampe … was glaubt ihr, was die im Dunkeln für ein schönes rotes Licht gibt!“
Olga wollte etwas erwidern, aber sie brachte nichts heraus. Die Stimme versagte ihr. Ein Wort mehr, und sie wäre in Tränen ausgebrochen. So drehte sie sich auf dem Absatz um und stürmte in blinder Wut aus dem Zimmer.
Das Gelächter der Jungen verfolgte sie.
Sie hielt es nicht länger zu Hause aus! Sie riß ihren Regenmantel vom Haken und stürmte ins Freie.
Sie war schon eine ganze Weile geradeaus gerast, als sie wieder zur Besinnung kam. Sie blieb stehen, um Atem zu holen, und stellte fest, daß sie ganz in der Nähe von Kleibers Wohnung war. Das war ein Zeichen des Himmels. Vielleicht war Ruth zu Hause und freute sich über ihren Besuch.
Olga klingelte an der Tür des rosa und weiß gestrichenen Mietshauses. Als sich nach mehrmaligem Klingeln niemand meldete, gab sie nicht auf, sondern spazierte weiter bis zur nächsten Ecke, wo Kleibers ihren eleganten Frisiersalon hatten. Sie trat ein und hoffte, Ruths Mutter an der Kasse zu erwischen.
Statt dessen lief sie geradewegs Günther, Ruths erwachsenem Bruder, in die Arme, und natürlich wurde sie – ohne jeden Grund, sondern einfach nur so – rot wie Klatschmohn. Und weil sie das selber merkte, ärgerte sie sich darüber, und vor lauter Ärger wurde sie womöglich noch röter.
Günther ahnte natürlich nicht, was in ihr vorging. „Hallo, Olga“, sagte er freundlich, „was darf es sein? Haarewaschen?“
Olga brachte keinen Ton heraus.
Er drehte eine ihrer roten Locken um seinen Zeigefinger. „Du hast herrliches Haar“, sagte er, „dich möchte ich gern mal frisieren!“
Olga warf den Kopf zurück. „Lassen Sie mich in Ruhe!“
„Nanu! Ich habe dir doch nichts getan!“
„Sie wollen mich aufziehen … und … und … das lasse ich mir nicht gefallen!“ Olga war den Tränen nahe.
„Überhaupt nicht! Es war mein voller Ernst, und …“
Olga ließ ihn nicht aussprechen. „Wo ist Ruth?“ fragte sie und wurde sich gar nicht bewußt, daß sie einen Ton anschlug, wie er höchstens einem Kriminalbeamten im Verhör mit einem Schwerverbrecher zugestanden hätte.
Aber Günther nahm es gleichmütig hin. „Moment mal“, sagte er und strich sich über sein wohlfrisiertes Haar, „ja, richtig, die ist mit ihren Freundinnen ins Kino gegangen.“
Olga wechselte die Farbe; sie wurde so weiß, daß die winzigen Sommersprossen auf ihrer Nase wie kleine dunkle Punkte wirkten. „Mit … ihren … Freundinnen?“ wiederholte sie fassungslos.
„Ja, mit Silvy und Katrin. Das sind doch eure Freundinnen. Oder etwa nicht?“
„Doch, ja, natürlich … danke“, stammelte Olga und stürzte aus dem Geschäft.
Wieder hatte sie das Gefühl, daß alle hinter ihr herlachten; das Fräulein an der Kasse, die Kundinnen, die Friseusen und vor allem natürlich Günther. So eine Gemeinheit! Was erlaubte sich der denn, sie mit ihrem Haar aufzuziehen! Der hatte es gerade nötig mit seiner Schmalztolle!
Aber dieser kleine Ärger war nichts gegenüber der riesengroßen Enttäuschung und Empörung darüber, daß die Freundinnen ohne sie und hinter ihrem Rücken ins Kino gegangen waren. Nach alledem, was sie schon zusammen erlebt und sich gegenseitig geschworen hatten! Das war glatter Verrat.
Olga konnte sich das nicht gefallen lassen. Sie mußte irgend etwas unternehmen. Am liebsten hätte sie die drei Verräterinnen sofort zur Rede gestellt.
Nach kurzem Überlegen entschloß sie sich, Leonore aufzusuchen, die ja, so schien es ihr, ebenfalls abgehängt worden war und in der sie eine Verbündete zu finden hoffte.
Müllers wohnten ein ganzes Stück entfernt, schon fast am Stadtrand, dort, wo die Geschäftsstraßen endeten und Einfamilienhäuser in kleinen Gärten standen. Aber Olga war so aufgebracht, daß ihr der weite Weg gar nichts ausmachte. Sie stürmte los und merkte selber nicht, daß sie unterwegs halblaut vor sich hinschimpfte.
Vor Müllers Haus spielte eine Horde kleiner Kinder. Sie fuhren auf Rollern und Dreirädern um die Wette über den Bürgersteig. Unter ihnen waren auch Leonores Geschwister.
Unwillkürlich verhielt Olga den Schritt. Sie haßte es, wenn Kinder in Rudeln zusammen waren. Dann wurden sie leicht unverschämt.
Ihr Zögern hatte nur eine Sekunde gedauert, dann marschierte sie weiter, mitten durch die Horde hindurch. Aber die Kleinen hatten ihre Unsicherheit doch bemerkt.
„He, Rotfuchs“, rief der siebenjährige Peter frech, „dich können wir brauchen. Mein Schlußlicht ist kaputt.“
Die anderen bejubelten diesen Witz.
Olga war weit davon entfernt mitzulachen. Sie bekam einen roten Kopf und schrie: „Halt die Klappe, du Flegel, sonst erlebst du was!“
„Ach, wirklich?“ Peter fuhr auf seinem kleinen Zweirad elegante Kurven. „Was denn? Ich erleb so gern mal was!“
„Das kannst du haben!“ Olga stürzte auf ihn zu.
Aber natürlich war er schneller. Er trat nur einmal kräftig auf die Pedale, und schon war er ihr entwischt.
Die Kinder lachten schadenfroh.
Olga wußte, daß es falsch war, aber sie konnte nicht zurückstecken. „Warte nur, ich kriege dich noch!“ drohte sie.
„Bestimmt!“ rief ein kleines Mädchen. „Wenn Pfingsten auf Weihnachten fällt!“
Olga versuchte, die Kleine zu erwischen, aber auch die war schneller und rollerte hohnlachend davon.
„Ihr verdammten Blagen!“ schimpfte Olga.
„Nur nicht fluchen“, tadelte Peter mit gespielter Entrüstung, „meine Mutter sagt, das gehört sich nicht!“
„Sehr richtig!“ riefen gleich mehrere Kinder.
Olga entschloß sich, die Bande mit Verachtung zu strafen. Sie warf den Kopf mit den leuchtendroten Locken in den Nacken, schob das Kinn vor, durchschritt mit kerzengeradem Rücken den Vorgarten und klingelte an der Haustür.
Aber so leicht ließen sich die Kleinen ihr unverhofftes Vergnügen nicht nehmen.
Einer von ihnen stimmte das hübsche alte Lied an: „Wenn der Fuchs nach Hause kommt …“
Und begeistert fielen die anderen im Chor ein: „Dann ist die Mutter froh! Dann braucht sie kein Petroleum, der Fuchs, der leuchtet so!“
Olga konnte nicht verhindern, daß ihr die Tränen in die Augen stiegen. Als Leonore ihr endlich öffnete, wäre sie ihr am liebsten schluchzend um den Hals gefallen. Aber Leonore wich einen Schritt zurück und machte ihr so das Ausweinen unmöglich. Sie hielt ein Küchenmesser in der Hand, hatte ein Tuch um ihr braunes Haar geschlungen und eine große grüne Schürze vorgebunden. Ihre braunen Augen strahlten, ihre Wangen glühten, und sie sah sehr vergnügt und beschäftigt aus.
„Menschenskind, was ist los?“ rief sie.
„Diese Gören! Sie sind so unverschämt! Hörst du denn nicht?“
Wahrhaftig hatte die Bande das Lied vom Fuchs noch einmal angestimmt.
Leonore lachte. „Die machen doch bloß Spaß!“
„Wenn deine Eltern auch so denken, dann wundert mich gar nichts mehr“, erklärte Olga erbost. „Dann weiß ich auch, warum deine Geschwister so schlecht erzogen sind!“
Leonore nahm ihr diesen Ausfall nicht übel. „Quatsch“, widersprach sie gelassen, „die sind sogar ziemlich brav. Aber wie du dich benimmst …“
Olga fiel ihr ins Wort. „Was? Jetzt soll ich wohl noch schuld sein? Ich komme ganz gesittet daherspaziert, da fallen sie über mich her … wie kannst du da behaupten, ich hätte angefangen?“
„Komm, reg dich ab. Auf alle Fälle ist das Ganze kein Grund, daß wir beide uns streiten.“ Leonore klappte die Haustür zu. „Zieh deinen Mantel aus. Ich helfe zwar gerade in der Küche Bohnen schnippeln, aber du kannst uns Gesellschaft leisten.“
Jetzt fiel Olga ein, weshalb sie eigentlich gekommen war. „Weißt du, daß die anderen ins Kino gegangen sind?“ platzte sie heraus.
„Ach ja, stimmt“, sagte Leonore unbeeindruckt, „aber ich hatte keine Lust. Es ist nur so ein blöder Western, und außerdem wollte ich meiner Mutter helfen.“
„Und warum habt ihr mir nichts davon gesagt?“ rief Olga empört.
Leonore zuckte die Schultern. „Keine Ahnung. Wahrscheinlich war wieder mal mit dir nicht zu reden.“
„Was soll das heißen?“
„Wenn du mich nicht verstehen willst, muß ich mich wohl deutlicher ausdrücken: Du hast gerade geschmollt, als wir darüber sprachen. Bist du jetzt zufrieden?“
„Nein, keineswegs, und ich glaube dir kein Wort! Die wollten mich nicht dabei haben!“
„Ach, du liebes Bißchen!“ Leonore schloß in gespielter Verzweiflung die Augen. „Was du dir einbildest! Hältst du dich allen Ernstes für so ein Scheusal, daß niemand mit dir beisammen sein mag?“
„Nein, aber ich halte euch für so gemein, daß ihr alles tut, um mich zu kränken.“
„Du leidest wahrhaftig an Verfolgungswahn!“
„Siehst du!“ schrie Olga. „Du fängst schon wieder an! Du beleidigst mich, und dann wunderst du dich, wenn ich mir das nicht gefallen lassen will!“
Jetzt riß Leonore denn doch der Geduldsfaden. „Paß auf“, sagte sie, „ein andermal will ich mich gern ausführlich mit dir über deine Komplexe unterhalten, aber im Moment habe ich keine Zeit. Meine Mutter wartet auf mich. Sie wird sich schon wundern, wo ich so lange bleibe.“
„Also du willst mir nicht helfen?“
„Und wie könnte ich das?“
„Indem du mit mir zum Kino gehst und die anderen zurechtstauchst!“
„Nein, wahrhaftig nicht. Deinetwegen mache ich mich bestimmt nicht zum Narren.“
„Danke“, sagte Olga eisig, konnte aber nicht verhindern, daß ihr dabei die Lippen zitterten. „Das hätte ich mir ja denken können. Entschuldige, daß ich deine kostbare Zeit beansprucht habe.“ Sie hatte den Türgriff schon in der Hand.
„Aber Olga, ich bitte dich, hör auf zu spinnen“, bat Leonore versöhnlich, „komm mit in die Küche … meine Mutter wird sich freuen, und nachher können wir zusammen …“
„Ach, tu doch nicht so scheinheilig! Du kannst es ja kaum noch erwarten, bis du mich los bist! Du bist ja noch schlimmer als die anderen … die sind wenigstens nicht falsch!“
Olga riß die Haustür auf und stürmte hinaus. Sofort fuhren die Kleinen auf sie zu, um sie mit ihren Spottversen zu necken. Aber als sie Leonore in der Haustür stehen sahen, zogen sie es vor, auf die Verfolgung ihres Opfers zu verzichten. Sie wußten, daß mit der großen Schwester nicht zu spaßen war.
Und das war ein Glück, denn wer weiß, was Olga in ihrer blinden Wut sonst noch alles angestellt hätte
Katrin, Silvy und Ruth saßen inzwischen im Kino, futterten Eiskonfekt und unterhielten sich lebhaft und vergnügt, während oben auf der Leinwand die Reklame vorüberzog.
„Stellt euch vor“, berichtete Silvy, „ich fahre dieses Jahr mit meinen Eltern nach Norderney, ist das nicht dufte?“
„Was ist das schon?“ behauptete Katrin kühl. „Meine Mutter und ich fliegen nach Kanada. Wir mieten uns eine Blockhütte am Michigansee und jagen Bären!“
„Toll!“ rief die kleine Ruth tief beeindruckt, „ich wußte ja gar nicht, daß du schießen kannst!“
Katrin riß ihren großen Mund auf und lachte so sehr, daß es aussah, als wollte sie jemanden verschlingen. „Angeschmiert!“ freute sie sich. „Wie könnt ihr aber auch bloß so was glauben!“
„Hab ich ja gar nicht“, erklärte Silvy blasiert, „für wie dumm hältst du mich?“
„Aber warum erzählst du uns dann so was?“ fragte Ruth verwundert.
„Ich wollte nur mal ausprobieren, ob ich noch schwindeln kann.“
„Ach was. Du warst nur darauf aus, mich auszustechen!“ behauptete Silvy.
„Pah, als wenn ich das nötig hätte!“
„Wohin fahrt ihr denn wirklich?“
„Nirgendwohin“, bekannte Katrin, „wir haben kein Geld. Wir müssen noch die Raten für die Möbel abstottern.“
„Du Ärmste“, erklärte Silvy mit leiser Schadenfreude und rümpfte ihre spitze Nase.
Der Herr, der vor ihnen saß, drehte sich um. „Das mag ja alles sehr interessant sein“, meinte er, „aber vielleicht seid ihr