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Wo ist Bayern noch echt und unverfälscht? Dietmar Bruckner und Heike Burkhard haben sich auf die Suche gemacht und Antworten gefunden: in der meditativen Stille des Bayerischen Walds, bei den Goldwäschern in der Oberpfalz, im romantischen Regensburg, im schräg-skurrilen Luftmuseum in Amberg, beim Zoigl-Bier und bei den Glasbläsern von Frauenau. Hier stießen sie auf urige Menschen und eine über Jahrhunderte gewachsene Kultur, wie man sie in dieser Ursprünglichkeit nur noch selten findet in Deutschland.
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Seitenzahl: 157
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Lieblingsplätze
zum Entdecken
Orte der Stille in der Oberpfalz und im Bayerischen Wald
Dietmar Bruckner / Heike Burkhard
Danksagung
Für ihre Unterstützung bedanken wir uns herzlich bei Frau Schwab in Amberg, Familie Paster, Beate Schaller, Robert Nuslan, Peter Uhl, Michael Simon Reis, Susanne und Josef Gigler, Johannes Pirner, Sigrid Breitschafter, Erhard Wagner, Gerald Stelzer, Hartwig Löfflmann, Herbert Bauer, Johann Fast, Karl Filsinger, Manfred Punzmann, Eckhard Henscheid, Bernhard Setzwein, Erwin und Katharina Eisch, Raphael Guarino, Michael Peter Hehl, Eva Bauernfeind, Kristina Pöschl und dem Tourismusverband Ostbayern
Sofern hier nicht erwähnt, stammen alle Bilder von Heike Burkhard: Brennerei Penninger 24, Andreas und Robert Nuslan 40, Peter Uhl 46, Restaurant Johanns 48, Rudolf Leitl 72, Fronfeste Amberg 98, Besucherbergwerk Kropfmühl 116, © Bilddokumentation Stadt Regensburg 122, Manfred Punzmann 132, Stadtmuseum Amberg, Foto: Steinbacher 142, Dr. Hans Rosenbeck, © Stadt Berching 144, Kloster Waldsassen 186, Maria Flor 188.
Beitrag 64 enthält Auszüge aus dem Gedicht Heimat von Martina Schwarzmann, erschienen in Heimat: Ein lichtung-Lesebuch, hrsg. von Kristina Pöschl und Eva Bauernfeind, 2017, mit freundlicher Genehmigung von: © Martina Schwarzmann.
Alle Seitenangaben im Buch beziehen sich auf die Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe.
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Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch
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Alle Rechte vorbehalten
1. Auflage 2019
Satz: Julia Franze
E-Book: Mirjam Hecht
Bildbearbeitung/Umschlaggestaltung: Benjamin Arnold
unter Verwendung eines Fotos von: © 192635/pixabay.com
Kartendesign: ©maps4news.com / ©HERE
Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten
Printed in Germany
ISBN 978-3-8392-6038-8
Impressum
Karte
Vorwort
Modernes Leben
1 Eine Nacht im kleinsten Hotel der Welt
Amberg: Hotel Eh’häusl
2 Luftig, leicht, ein bisschen crazy
Amberg: Luftmuseum
3 Die gekippte Schuhschachtel
Blaibach: Konzerthaus
4 Warum die Woidler so gesund sind
Böbrach: Schnapsmuseum Gläserne Destille
5 Im Glaskaufhaus
Bodenmais: Joska Glasparadies
6 »Am Arsch der Welt«
Cham: Landratsamt
7 Auszeit für Genießer
Grainet: Bergdorf Hüttenhof
8 Bitte einen Fledermaus-Apfelstrudel!
Hohenburg: Biohof Hammermühle
9 Glasmännlein und gute Luft
Perasdorf: Kloster Kostenz
10 Mediterranes an der Donau
Regensburg: Untere Bachgasse
11 Hut tut gut
Regensburg: Hutmacher Hutkönig
12 Spielend lernen im Mitmachmuseum
Sankt Englmar: Science-Center Xperium
13 Ganz wichtig: nicht denken
Wackersdorf: Segway-Tour um den Murner See
14 Der Mann fürs Feine
Waldkirchen: Restaurant Johanns
15 Ein simples Bohrloch
Windischeschenbach: GEO-Zentrum
Natur
16 Der Weg in den Himmel
Arnbruck: Aussichtsplattform Skywalk
17 Nein, sie spucken nicht
Chamerau: Lamahof Gigler
18 Wo Nietzsche für den Zarathustra übte
Chammünster: Nietzscheweg
19 Wahrnehmungstraining
Eging am See: Garten der Sinne
20 Wilder geht’s nicht
Freyung: Wildbachklamm Buchberger Leite
21 Unterwegs auf dem Königsweg
Döllnitz: Prädikatswanderweg Goldsteig nach Trausnitz
22 Besuch in der Wochenstube der Hufis
Hohenburg: Fledermaushaus
23 Kräuterquark, äh -park
Waldeck-Kemnat: EssbarerWildpflanzenPark (EWILPA)
24 Urwald und schwimmende Inseln
Lohberg: Kleiner Arbersee
25 Wie durch einen Schwerthieb ein Garten entstand
Neukirchen b. Hl. Blut: Franziskanergarten
26 Wild, schön und sehr lehrreich
Neuschönau: Tierfreigelände im Nationalparkzentrum Lusen
27 Es ist nicht alles Gold, was glänzt
Oberviechtach: Goldlehrpfad
28 »Als wir jüngst in Regensburg waren …«
Regensburg: Strudelfahrt auf der Donau
29 Die 1.000 Augen der Oberpfalz
Tirschenreuth: Teichlandschaft Teichpfanne
Geschichte
30 WAA – die Erinnerung lebt
Altenschwand: Kapellen-Bildstock Franziskusmarterl
31 Das Bauhaus lässt grüßen
Amberg: Glaskathedrale
32 Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen
Amberg: Hotel Fronfeste
33 Tafeln für die Ewigkeit
Arnbruck: Totenbretter
34 Der zerschnittene Bahnhof
Bayerisch-Eisenstein: Grenz-Bahnhof
35 Ich bin dann mal offline
Buchenau: Schloss Buchenau
36 Wie der Bayerische Wald christlich wurde
Cham: Kirche Mariä Himmelfahrt
37 Das Leuchtturmprojekt: heiraten und mehr
Falkenberg: Burg Falkenberg mit Hotel und Museum
38 Barbarossa war nie da
Flossenbürg: Burgruine
39 Fast wäre es ein Diamant geworden
Kropfmühl: Besucherbergwerk
40 Zwei Konfessionen, eine Kirche
Illschwang: Simultankirche St. Vitus/St. Veit
41 Die Verlobung im Künstlerdorf
Kallmünz: Haus ohne Dach
42 UNESCO-Welterbe: Stadtgeschichte und mehr
Regensburg: Altstadt
43 Mein Wald, mein Leben!
Waldkirchen: Museum Born in Schiefweg im Emerenz-Meier-Haus
44 Im alten Glanz
Sulzbach-Rosenberg: Synagoge
45 Eine Kirche, eine Schule, eine Brauerei
Waldmünchen: Das verschwundene Dorf Grafenried
46 Das Kult-Bier
Neuhaus: Zoigl-Bräukeller Schoilmichl
Kunst und Kultur
47 Wo der Satiriker und Herzens-Amberger zu Hause ist
Amberg: Casino Wirtshaus
48 Im Bann des Altmeisters
Amberg: Stadtmuseum
49 Glück mit Gluck
Berching: Gluckmuseum
50 Wo Graf Luckner spuckt
Cham: Marktplatzbrunnen
51 Mit dem Wald auf Du und Du
Cham: Lamberg
52 Kunst, Weitblick, frische Luft
Eschlkam: Kunstwanderweg nach Stachesried
53 Da Gischtl und da Eisch – die Glaskönige
Frauenau: Galerie am Museum
54 Gläserne Zeitreise
Frauenau: Glasmuseum
55 Die Pizzeria des Porträtisten
Grafenau: Pizzeria Da Peppo
56 Zeichnen, was man nicht sieht
Neumarkt: Museum Lothar Fischer
57 Endlich Stifter, endlich Schnee
Neureichenau-Lackenhäuser: Museum Stifter und der Wald
58 Der Mann im Turm
Regen: Museum im Fressenden Haus
59 Ein Museum als Schaufenster
Regensburg: Kunstforum Ostdeutsche Galerie
60 Gottes Wohnzimmer
Regensburg: Maria-Läng-Kapelle
61 Als Thomas Mann mal ziemlich Dusel hatte
Regenstauf: Bahnhof
62 Eine Kirche als Glücksfall
Schwandorf: Kreuzbergkirche
63 Wo die »gescheiten« Bücher wohnen
Sulzbach-Rosenberg: Literaturarchiv
64 Lichtung und Wahrheit
Viechtach: Lichtung Verlag
65 Von Sünden und Sündern
Waldsassen: Stiftsbibliothek des Kloster Waldsassen
66 Der Komponist mit dem Karpfenmaul
Weiden: Max-Reger-Zimmer im Stadtmuseum
Waldbaden, also. Vor ein paar Jahren hätte es noch schlicht »einen Waldspaziergang machen« geheißen. Jetzt aber ist Waldbaden sehr angesagt. Der »Trend« stammt aus Japan, heißt da Shinrin Yoku und soll unheimlich gesund sein. Du gehst als gestresster Mensch in den Wald und kommst erfrischt und neu zusammengebaut wieder raus. Oder in den Worten von Angela Schuh, die das Waldbaden an der LMU in München wissenschaftlich untersucht: »Wir fühlen uns dann weniger gestresst. Wir erholen uns, schlafen besser. Der Wald wirkt entschleunigend, die frische, kühle Luft stärkt und vitalisiert.« Selbst bei Kranken lasse sich ein positiver Effekt nachweisen, so die Wissenschaftlerin. »Wir wissen, dass Menschen im grünen Umfeld schneller gesund werden.« Dann führt Angela Schuh, die einen Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung an der LMU in München hat, mehrere Studien an, die das eindeutig beweisen. Selbst der Blick auf grüne Fototapeten sei schon hilfreich, sagt sie, nachgewiesen an 160 Herzpatienten. Naturheilkunde also mal anders, der Wald als ganzheitlicher Zauberer. Wichtig dabei: eine Zen-buddhistische Absichtslosigkeit.
Goethe wusste das bereits. Nachzulesen in seinem Waldbaden-Gedicht Gefunden. Hier findet das lyrische Ich den Wald und sein tiefstes Wesen gerade deshalb, weil es nichts sucht. »Ich ging im Walde/So für mich hin/Und nichts zu finden/War mein Sinn.« Moderner geht’s nicht.
Womit wir – endlich – beim Bayerischen Wald und dem Oberpfälzer Wald wären und ihrem erholsamen, heilenden Potenzial. Denn in diesem Buch finden die geneigte Leserin und der geneigte Leser verschiedenste Wege, sich der Region zu nähern; das Wandern am Goldsteig ist nur ein Beispiel von vielen. Ein Besuch bei den Goldwäschern am Forellenbach bei Oberviechtach ist ein anderes, das Segwayfahren entlang der Oberpfälzer Seenplatte ein drittes. Übrigens: Toll essen kann man im »Woid«, wie alle nur sagen, auch. Wir waren beim Sternekoch Michael Simon Reis in Waldkirchen. Mmmh, war das lecker.
Aber man kann auch ganz anders eintauchen in die Landschaft und ihre Geschichte. So beim Zoigl-Ausschank im ehemaligen Kuhstall beim Schoilmichl in Neuhaus/Windischeschenbach. Oder mit einem Besuch im Stiftermuseum bei Neuschönau. Wie Stifter da einen hereinbrechenden Schneesturm beschrieben hat, das ist einmalig in der Literatur. Ein ganz anderer Fall ist die Schriftstellerin Emerenz Meier. Sie hielt es irgendwann in ihrem Heimatkaff nicht mehr aus und wanderte aus nach Chicago. Da schrieb sie dann herzzerreißende Texte über Mein Wald, mein Leben.
Aber auch Regensburg und sein UNESCO-Welterbe waren uns mehrere Besuche wert. Eine Strudelrundfahrt auf der Donau ist ebenso Thema wie das mediterrane Flair der Bachgasse am Abend. In allen Fällen gilt: Text und Bild entstanden vor Ort, nicht daheim im Homeoffice, wie es inzwischen bei vielen Reisebüchern gang und gäbe ist. Dass wir dabei auch viele freundliche, hilfsbereite Woidler kennengelernt haben (und sensationell günstige Preise!), ist im Buch nachzulesen. Dazu Fotos, die zeigen, was diese Landschaft so einmalig macht.
Neben alldem, das noch zum Schluss, gibt es auch ein paar Personen, die charakteristisch sind und uns unverzichtbar schienen. Zum Beispiel die Autoren Eckhart Henscheid und Bernhard Setzwein und der Glaskünstler Erwin Eisch. Sie leben in Amberg beziehungsweise Cham beziehungsweise Frauenau und schreiben Stücke und Romane oder schaffen wie im Falle Eisch (Glas-)Kunst, die über das rein Kunstgewerbliche weit hinausgeht. Auch sie haben einen Platz in diesem Buch gefunden.
Viel Spaß also bei der Begegnung mit Orten und Typen in der Oberpfalz und im Bayerischen Wald und seinen urwüchsig-knorrigen Menschen. Waldbaden können Sie dann immer noch.
Gut, dass es terrakottarot gestrichen ist. Sonst könnte es glatt übersehen werden: 2,5 Meter breit, eine Tür, darüber zwei Fenster, im Dachgiebel ein winziges Bogenfenster. Das ist schon das ganze Haus. Die kupferne Eingangstür zeigt das Relief einer Eheschließung. Jetzt kann man sicher sein, vor dem Eh’häusl zu stehen. Da öffnet uns schon die Hausdame die Tür. Wow, das Trinklied aus La Traviata schallt uns entgegen, in unserem Blickfeld steht eine Statue von Romeo und Julia. Die Symbolik ist unmissverständlich in dem winzigen Entre. Überall brennt dezentes Licht, denn es gibt keine Fenster, dafür Treppen nach oben und nach unten. Im Keller entdecken wir das Speisezimmer und eine winzige Küche, in der die Hausdame das Frühstück bereitet. Eine Treppe hoch gelangt man in den roten Salon, wo uns ein Strauß roter Rosen und eine Flasche Champagner begrüßt. Hier befindet sich sogar einen Gaskamin, für gemütliche Stunden. Auf dem nächsten Treppenabsatz gelangt man ins Bad mit den beiden Fenstern zur Straße, eine weitere Treppe bringt uns in das Schlafzimmer, und ganz oben unter dem First dürfen wir uns im Whirlpool entspannen. Wenn die Hausdame, nach ihren einführenden Worten, das Haus verlassen hat, kann man die Ruhe und die Zweisamkeit genießen.
Die Idee, ein Hotel für Paare aus dem winzigen Häuschen zu machen, kommt nicht von ungefähr. Im 18. Jahrhundert musste ein heiratswilliges Paar in Amberg Grundbesitz nachweisen, damit es getraut werden konnte. Eine Lücke zwischen zwei Häusern brachte einen Kaufmann auf die Idee, an dieser Stelle ein Gebäude zu errichten. Eine Wand vorn, eine Wand hinten, ein Dach drauf und das benötigte »Eheschließungshaus« war fertig. Man konnte es kaufen und heiraten, anschließend wurde der Besitz an das nächste Brautpaar weiterverkauft. Dem Gesetz war Genüge getan, und das Bauwerk hatte seinen Namen: Eh’häusl. Heute ist es nach einer Generalsanierung zum Hotel für zwei geworden, das so beliebt ist, dass ein Paar sogar aus Rom für eine Nacht im Eh’häusl anreiste.
Hotel Eh’häusl /// Seminargasse 8 /// 92224 Amberg ///
0 96 21 / 3 78 54 /// www.ehehaeusl.de ///
Es ist wohl das Einzige seiner Art weltweit: das Luftmuseum in Amberg. Viel mehr an Alleinstellungsmerkmal geht nicht. Selbst die Tagesschau hat schon über das »kulturgeschichtliche Spezialmuseum«, wie es sich selbst nennt, berichtet. Andere Medien wie Youtube, Oberpfalz TV oder der Bayerische Rundfunk wollen da nicht hintanstehen. Wann immer das schräge Institut wieder eine luftige Sau durchs Dorf treibt, sind sie mit Ü-Wagen und Kamerateam dabei. Oft ist es dann auch nur heiße Luft, so beim Ostbayerischen Federball-Treffen, der traditionellen Luftnacht im Spätsommer in der Amberger Altstadt oder seit Kurzem bei der Windrad-Aktion Frischer Wind in Amberg. Falls dann doch mal Flaute herrscht, springen der Amberger Chefsatiriker Eckhard Henscheid mit einer Lesung oder »Ober-Luftikus« und Museumsgründer Wilhelm Koch in die Bresche.
Wilhelm Koch, seines Zeichens Künstler und Visionär, hatte 2006 in die Luft gegriffen und die Idee mit dem Luftmuseum gehabt. Koch hatte zuvor bereits in seiner Heimatgemeinde Etsdorf einen griechischen Tempel als Zeichen für Europa und Demokratie bauen lassen (wollen). Das Gelächter war groß gewesen, doch seit es im Etsdorfer Schulhaus immerhin ein Tempelmuseum gibt und Stararchitekt Peter Haimerl (ja, der vom Konzerthaus Blaibach) sich der Sache angenommen hat, ist es verebbt.
Das Luftmuseum kassiert derweil einen Preis nach dem anderen: den Museumspreis der Mittelbayerischen Zeitung, den Siemens Förderpreis der Metropolregion Nürnberg und viele andere. Fehlt nur noch, dass das Haus zum Weltluftkulturerbe ernannt wird.
Mit der Kussknutschfleckvakuumpumpe von Johannes Borst hat es jedenfalls eine weitere Attraktion bekommen. Sie funktioniert so: Mittels einer Saugspritze wird ein Silber-Kussmund auf der Haut festgesaugt. Durch Umlegen eines Hebels entsteht dann ein Vakuum – und fertig ist das Hämatom in Kussmundform.
Erinnert an Laokoon, ist aber eine Skulptur
im Luftmuseum Amberg.
Luftmuseum e.V. /// Eichenforstgäßchen 12 /// 92224 Amberg ///
0 96 21 / 42 08 83 /// www.luftmuseum.de ///
Irgendwann ist es so weit. Thilo Wolf steht von seinem Steingraeber-Flügel auf, schlüpft aus dem Sakko und geht zu seinem Schlagzeuger Paul Höchstädter, der sonst in der HR-Bigband den Takt vorgibt. Höchstädter zieht ebenfalls seine Jacke aus und steht in Hemdsärmeln da. Beide nehmen sich je zwei Stöcke, dann geht es los.
Erst langsam und gedämpft, bald schneller und lauter. Ein Crescendo und Accelerando löst das andere ab, zwischendurch ein leichtes, trügerisches Abflauen, bevor das Duo wieder Fahrt aufnimmt. Ist es ein sportiver Wettbewerb, eine freundliche Übernahme, eine feindliche gar oder schlicht ein kongeniales Miteinander? Es ist von allem etwas, vor allem aber ist es Spielfreude pur und gipfelt in einem furiosen Finale: Was vorher gelegentlich bieder klang: Jetzt ist es vom Feinsten. Jetzt geht die Post ab, jetzt geben sie alles, und das ist nicht wenig.
Es ist der Höhepunkt an diesem Abend im wie stets ausverkauften Konzertsaal in Blaibach. 200 Besucher sind begeistert, gleich wird es Standing Ovations geben. Viele von denen, die nun, selbst etwas erhitzt, stehen und klatschen, werden wiederkommen, möglicherweise sogar zu Beethoven und Mozart. Wieder einmal hat die Blaibacher Schuhschachtel eine Bewährungsprobe bestanden. Seit 2014 erst gibt es sie, und doch ist sie bereits eine feste Größe im Konzertleben in Bayern.
Peter Haimerl, Jahrgang 61, Architekt im nahen Viechtach und niederbayerischer Querschädel, hat sich den gekippten Kubus aus Beton und Granit ausgedacht und dann in die Erde gelassen. Mehr als drei Millionen durfte es nicht kosten; also ohne viel Schnickschnack, nur ein zweckmäßig-elegantes Design, überlappende Wände mit indirektem Licht, eine Decke aus marmoriertem Glasbeton, schickes Eames-Gestühl – fertig war das Konzerthaus. Von außen sieht es aus wie ein Meteorit, der einfach so im Dorf eingeschlagen hat. Als er schließlich da war, staunten die Bauern im Ort nicht schlecht. Einige schworen sofort, den »neumodischen Schmarr’n« nie zu betreten.
Haimerl, das »Bayernwald-G’wachs«, nimmt es gelassen. »Dynamische Prozesse« nennt er es, wenn nicht alle mögen, was er mag. In einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung sagte er (und es klang wie ein Bekenntnis): »Eigentlich mach ich eh nur das, was mir Spaß macht.« Auch im Fall Blaibach habe er sich lediglich unter der Voraussetzung auf das Projekt eingelassen, »dass sich die Gemeinde aus der Architektur heraushält«. Gleiches galt außerdem für das renovierte Bürgerhaus direkt nebenan sowie für die Gestaltung der beiden großflächigen Wandbilder.
Klare Kante – und dementsprechend baut er auch. Der Bayerische Staatspreis für Architektur, erhalten 2018, zeigt, dass diese Kompromisslosigkeit honoriert wird. Es war nicht der erste Preis für Haimerl – und es wird nicht sein letzter bleiben.
Zum Programm im Konzerthaus: Es ist eine vorsichtige Mischung aus Klassik und Jazz, E und U, dazu Liederabende, Lesungen, von allem was. Das Thilo-Wolf-Quartett, von dem eingangs die Rede war, gehört zu den regelmäßigen Gästen. Daneben schuhkartonkompatible Programme der Münchner Staatsoper und des Nürnberger Staatstheaters. Selbst Kit Armstrong, US-Pianist der Extraklasse und Himmelsstürmer am Klassik-Firmament, war in Blaibach schon zu hören. Aber auch Architekten oder die Landtagsabgeordneten der Grünen versammeln sich gerne hier, um sich inspirieren zu lassen.
Nach dem Konzert ist vor dem Konzert
Mit dem Bariton Thomas E. Bauer, der seine Karriere bei den Regensburger Domspatzen begonnen hat, wurde ein sachkundiger Intendant gefunden, der das Konzerthaus wie seine Westentasche kennt, war er doch einer seiner maßgeblichen Initiatoren. Als ehemaliger Chef der Passauer Festspiele weiß Bauer, dass er sein Stammpublikum weder überfordern noch unterfordern darf. Also macht’s die Mischung, und da gibt ihm der Erfolg recht.
»Das Wunder von Blaibach« schreibt, euphorisiert vom Konzertgenuss, Die Welt. Zwischen den Zeilen schwingt das Erstaunen mit, dass es einen solchen Ort im Bayerischen Wald überhaupt gibt.
Mit der Kultur kommen die Menschen – und mit ihnen das nötige Geld. Beispiel Gastronomie: Der Hotel-Schlossgasthof Rösch, nur wenige Schritte entfernt vom Konzerthaus, ist an Konzerttagen in der Regel ausgebucht. Man isst vorher eine Kleinigkeit, isst hinterher eine Kleinigkeit und bleibt gerne über Nacht. Eine richtige Blaibach-Community ist so entstanden mit dem Konzerthaus als Bindeglied.
Kultursoziologen ist das Phänomen seit Langem bekannt, sie nennen es »weicher Standort-Faktor Kultur«. Soll heißen: Im Wettbewerb der Gemeinden um Feriengäste können Einrichtungen wie das Konzerthaus Blaibach tatsächlich Gold wert sein. Sie entfalten Magnetwirkung und machen den Ort im Idealfall auch überregional bekannt. Die Presse kommt, der BR berichtet, Bücher werden geschrieben. So sieht sie aus, die Kultur-Dividende, Mozart sei Dank!
Deshalb: Auch wenn es manche Einheimische nicht gerne hören: Das Konzerthaus Blaibach ist eine der spannendsten Erfolgsgeschichten im Bayerischen Wald in den letzten Jahren.
Konzerthaus Blaibach /// Kirchplatz 4a /// 93476 Blaibach ///
0 99 41 / 9 49 50 65 /// www.konzert-haus.de ///
Schon im 16. Jahrhundert wusste man um die heilsame Wirkung der Bärwurzpflanze. Der Biologe Tabernaemontanus schreibt in seinem Kräuterbuch: »Beerwurtzwasser getruncken / eröffnet die verstopffung der Leber / der Nieren / Harngäng / und der Blasen / vertreibet die Geelsucht/ Wassersucht / den schmertzen der Därm und der Mutter / führet auss den Stein / treibet und vertreibt die Harnwinde / und das tröpfflingen harnen.«
Am Arber, am Rachen und am Lusen wächst die bis zu 60 Zentimeter hohe Pflanze mit den bis zu einem Meter langen Wurzeln, die heute nicht mehr als Bärwurzwasser getrunken, sondern zu Schnaps destilliert wird. Etwas gewöhnungsbedürftig schmeckt er schon, der Bärwurz, und erst nach dem dritten oder vierten Stamperl wird der scharfe, herbsüße und erdige Kräutergeschmack als angenehm empfunden. Die Hoffnung auf die medizinische Wirkung hilft bei den ersten Versuchen.
Besonders gut kann man sich im Schnapsmuseum der Firma Penninger in Böbrach über das wundersame Getränk Bärwurz informieren. In einer Halle wurde ein kleines Dorf errichtet, wo man einen Film über den Bärwurz sieht und Gerätschaften zur Schnapsbrennerei in früheren Zeiten bewundert. Eine gläserne Destille ermöglicht dem Besucher zu beobachten, wie der Bärwurzextrakt zu trinkbarem Schnaps wird. Natürlich gibt es auch ein Brotzeitstüberl und vor allem einen Kramerladen, wo man die Produkte probieren und kaufen kann.
Hier erhält man außerdem den kaum weniger bekannten Blutwurz. Ein Gemisch aus der fein gehackten, rot färbenden Wurzel der gleichnamigen Pflanze, einem zarten Gewächs mit kleinen gelben Blüten, und aus verschiedenen Kräutern. Mit 50 Prozent Alkohol ist Vorsicht beim Probieren geboten. Am besten man nimmt sich eine Flasche mit nach Hause und denkt beim Trinken an den Bayerischen Wald, wo man Ruhe und Stille noch genießen kann. Ist der Schnaps getrunken, kann die Tonflasche als Blumenvase ihren Erinnerungsdienst tun.
Schnapsmuseum Gläserne Destille /// Eck 1 /// 94255 Böbrach ///
0 99 23 / 80 20 33 /// www.penninger.de ///
Wenn man sich unter dem Paradies etwas Ähnliches vorstellt wie das Schlaraffenland – also Überfluss, Bedürfnisbefriedigung, Wunscherfüllung, Farbenrausch –, dann ist man richtig im Glasparadies Joska in Bodenmais, wo das Lebenselixier des Bayerischen Waldes, das Glas, auf das Vortrefflichste vermarktet wird.