Osteopathie - Torsten Liem - E-Book

Osteopathie E-Book

Torsten Liem

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  • Herausgeber: TRIAS
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2016
Beschreibung

<p><strong>Sanfte Berührung - tiefe Wirkung.</strong></p> <p>Mit feinfühligen, tief wirksamen Handgriffen erspüren Osteopathen Krankheitsursachen und lösen Spannungen und Blockaden in Muskeln und Faszien auf. So erzielen sie verblüffende Erfolge bei Beschwerden wie Nacken- oder Rückenschmerzen, Migräne, Tinnitus. Die Osteopathie ist ein ganzheitliches, etabliertes Heilverfahren, das den menschlichen Körper als ein Netzwerk versteht.</p> <p>In diesem praktischen Einsteigerbuch macht Sie einer der großen Osteopathen Deutschlands mit der Methode vertraut und beantwortet wichtige Fragen: Wann ist eine Behandlung sinnvoll? Wie läuft sie ab? Was kann ich selbst tun? </p>

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Seitenzahl: 196

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Über die Autoren:

Torsten Liem (M.Sc. Ost., M.Sc. paed. Ost., D.O., D.P.O.) ist einer der international renommiertesten Osteopathen. Er ist Mitglied des General Osteopathic Council, der American Academy of Osteopathy, des Verbandes der Osteopathie Schule Deutschland, der World Osteopathic Health Organisation und Gründer der renommierten Osteopathie Schule Deutschland. Torsten Liem entwickelte die Ausbildung zur Osteopathie in Teil- und Vollzeit sowie zur Kinder- und Sportosteopathie und gründete das Osteopathic Research Institute in Deutschland. Er ist Mitbegründer von Breathe Yoga und dem Journal „Osteopathische Medizin“ und im Beratungsrat des International Journal of Osteopathic Medicine.Darüber hinaus ist er ausgebildet in Psychotherapie, NLP und Hypnose sowie Akupunktur. „Mit Hingabe widme ich mich der Verwirklichung osteopathischer Prinzipien in der Praxis und verknüpfe sie mit Prinzipien klassischer chinesischer Medizin und des Yoga sowie mit psychologischen und energetischen Gesichtspunkten.“Heute leitet er die Osteopathie Schule Deutschland und ihre Lehrklinik. Er lehrt außerdem an verschiedenen Instituten und Schulen im In- und Ausland und hat zahlreiche Fachbücher und Fachartikel veröffentlicht. Er betreibt eine Praxis in Hamburg.

Christine Tsolodimos hat nach ihrem Studium (Griechisch und Deutsch) und einigen Jahren der Berufstätigkeit die Henri-Nannen-Journalistenschule in Hamburg absolviert. Ihr Spezialgebiet als Redakteurin und Autorin sind Gesundheitsthemen. Sie lebt in Hamburg.

Torsten Liem Christine Tsolodimos

Osteopathie

Gezieltes Lösen von Blockaden

Inhalt

Einführung

Warum wir dieses Buch geschrieben haben

In einfachen Worten: die Osteopathie

Der erste Termin beim Osteopathen – Wie und was er untersucht und fragt

Dauer und Kosten einer osteopathischen Behandlung

So erkennen Sie einen guten Osteopathen

»Philosophie, Wissenschaft und Kunst« – Das alles ist die Osteopathie

Die vier Prinzipien der Osteopathie

Die verschiedenen Bereiche der Osteopathie

Wie steht die Osteopathie zu anderen Verfahren und Heilweisen?

Wirbel, Faszien, Membranen – Begriffe rund um die Osteopathie

Bestandteile des Organismus

Kreisläufe, Transportsysteme, Verbindungswege

Weitere wichtige Funktionen des Körpers

Wie geht es Ihnen? – Eine Bestandsaufnahme

Fragen zur Anamnese (»Krankengeschichte«)

Fragen zu Ihren Körperfunktionen

Fragen zu Ihren Lebensgewohnheiten

Fragen zu Arbeit und Erholung

Muskeln lockern, Gewebe entkrampfen – Die wichtigsten osteopathischen Verfahren

Fragen, sehen, fühlen – der Weg zur Diagnose

Direkte Behandlungstechniken

Indirekte Techniken

Techniken der kraniosakralen Osteopathie

Techniken der viszeralen Osteopathie

Behandlung des lymphatischen Systems

Am eigenen Leib – Wo Osteopathie helfen kann

Wann ist eine osteopathische Behandlung sinnvoll?

Fallgeschichten aus der osteopathischen Praxis

»Ein Sack voll Knochen« – Andrew Taylor Still und die Anfänge der Osteopathie

Sich wohl fühlen und gesund bleiben – So stärken Sie Ihre körpereigenen Heil- und Abwehrkräfte

Selbsthilfe-Übungsprogramm

Stabilisierungsübungen

Die Fulford-Übungen

Weitere Stretchingübungen

Atemübungen

Viszerales Sytem/Organe

Kraniosakrales System

Diaphragmen

Was Sie für Ihr Lymphsystem tun können

Übungen zur energetischen Harmonisierung

Entspannungsübungen

Anhang

Dank

Anmerkungen/Literaturhinweise

Bildnachweis

Adressen (Fachgesellschaften und Verbände)

Register

Einführung

Warum wir dieses Buch geschrieben haben

Die Medizin ist heute so weit entwickelt wie nie zuvor. Es gibt Medikamente, Behandlungen, Operationen gegen fast alle Krankheiten und Beschwerden. Doch in den meisten Praxen und Krankenhäusern werden jeweils nur Teile des Körpers behandelt: der Kopf, der Rücken, der Magen. »Aber wo bleibt die Medizin, die den ganzen Menschen heilt?« fragen sich mehr und mehr Patienten. Deshalb boomen zur Zeit die sogenannten »ganzheitlichen« Verfahren. Eins davon ist die Osteopathie oder osteopathische Medizin. Sie wurde vor rund 120 Jahren von dem amerikanischen Arzt Dr. Andrew Taylor Still begründet und entwickelt sich seitdem ständig weiter. In den USA steht die Lehre mit dem sperrigen und zum Teil irreführenden Namen »Leiden der Knochen« – so die wörtliche Übersetzung von »Osteopathie« – bereits gleichberechtigt neben der Schulmedizin; in Deutschland wird sie erst nach und nach bekannt.

Wir möchten mit unserem Buch dazu beitragen, daß die Osteopathie sich auch hier weiter durchsetzt – und dabei von Anfang an richtig verstanden wird. Sie ist keine neue, vielleicht zweifelhafte Heilslehre, sondern ein ganzheitliches Verfahren auf einem soliden Fundament. Osteopathen brauchen umfassende medizinische Kenntnisse, vor allem in der Anatomie und Physiologie. (Die Anatomie ist die Lehre vom Körperbau, die Physiologie die der chemisch-physikalischen Vorgänge im Körper.) Sie müssen aber auch die philosophischen und theologischen Grundlagen ihres Berufs kennen – und sie brauchen sensible Hände, die mit dem Körper eines Menschen »sprechen« können. So weit zu kommen, dauert Jahre.

Bei einem Osteopathen, der diese Voraussetzungen mitbringt, sind Sie gut aufgehoben. Er wird sich Zeit nehmen für eine ausführliche Diagnose und Ihren Organismus mit behutsamen Handgriffen darin unterstützen, sich selbst zu helfen. Viele merken schon nach der ersten Behandlung eine deutliche Besserung. Ein guter Osteopath kennt aber auch die Grenzen seiner Kunst und überweist Sie an einen geeigneten Facharzt, wenn er selbst Ihre Beschwerden nicht behandeln kann.

Osteopathen praktizieren heute weltweit; Ausbildungsgänge gibt es zum Beispiel in England, Frankreich, Belgien und seit kurzem auch in Deutschland. Die Wirkmechanismen der Osteopathie werden wissenschaftlich erforscht und die Verfahren weiter verfeinert. »Leben ist Bewegung« heißt ein Grundsatz der Osteopathie. Das gilt auch für die Lehre selbst.

Torsten Liem Christine Tsolodimos

In einfachen Worten: die Osteopathie

Die Osteopathie basiert auf einigen einfachen, allgemeingültigen Prinzipien. Der Begründer der Osteopathie, Andrew Taylor Still, hat diese Prinzipien in eine lehr- und erlernbare Form gebracht. Der menschliche Körper kann eine fast unbegrenzte Zahl von Funktionen erfüllen. Das geschieht in Abhängigkeit von den strukturellen Komponenten, aus denen der Körper besteht. Die Knochen sind miteinander verbunden durch Gelenke, die Bewegung zulassen, durch Muskeln, die diese Bewegung schaffen, und durch Bänder, die Bewegung einschränken. Nachrichten, die Bewegung auslösen und kontrollieren, werden mit Hilfe des Nervensystems an alle Körpergewebe geschickt. Die Bewegung kann groß oder klein sein, und sie kann alles im Organismus umfassen – jede einzelne Zelle und sogar die chemischen Bausteine, aus denen er besteht. Die osteopathischen Behandlungsverfahren sind nichts weiter als ein Sortiment von Werkzeugen. Damit kann ein entsprechend ausgebildeter Arzt die Strukturelemente beeinflussen, die die Funktionen des Körpers ermöglichen und bedingen. Der menschliche Körper ist dafür geschaffen, ein Leben lang fehlerlos zu arbeiten und seine normalen Funktionen aufrechtzuerhalten (das heißt: gesund zu sein), solange er ausreichend Nahrung, Wasser und andere lebenserhaltende Grundstoffe zur Verfügung hat. Wenn der Organismus nicht richtig arbeitet, so liegt das nicht an seiner Ausstattung. Der Grund ist vielmehr darin zu suchen, daß er nicht mit den notwendigen Bausteinen versorgt wurde oder aber von seinem »Betreiber« über das Nervensystem fehlerhafte Anweisungen erhält.Das ist die Basis osteopathischen Denkens und Handelns. Bewegung ist Ausdruck von Lebenskraft, die sich als Funktionieren des Körpers äußert.

Alan R. Becker hat die Grundlagen der kraniosakralen Osteopathie bei ihrem Begründer William Garner Sutherland erlernt. Bis heute gibt der Amerikaner der osteopathischen Forschung und Lehre mit seiner Arbeit wichtige Impulse. Alan R. Becker ist führendes Mitglied der wichtigsten osteopathischen Gesellschaften und war Präsident der American Academy of Osteopathy.

Der erste Termin beim Osteopathen – Wie und was er untersucht und fragt

Der Anfang des Gesprächs wird Ihnen vertraut vorkommen: Sie berichten über Ihre Beschwerden, der Osteopath macht sich Notizen und beginnt dann mit der Anamnese, also den Fragen zu früheren Krankheiten, Unfällen und Operationen sowie Lebensgewohnheiten und Arbeitsbedingungen. Und da kann es schon schwierig werden, wenn der Osteopath etwa wissen will, ob Sie irgendwann in letzter Zeit einmal mit dem Fuß umgeknickt sind, ob Sie als Kind gestürzt sind oder was Ihnen Ihre Eltern über den Verlauf Ihrer Geburt erzählt haben.

Was hat das zum Beispiel mit den Schmerzen in der linken Schulter zu tun? Möglicherweise eine ganze Menge. Bereits geringfügige Verletzungen an Knochen, Muskeln und Geweben, wie sie zum Beispiel beim Hinfallen entstehen, können zu Störungen führen. Die meisten dieser Störungen kann der Organismus selbst »reparieren« oder ausgleichen: So werden zum Beispiel überanstrengte oder geschädigte Muskeln und Gelenke automatisch entlastet, und andere Körperteile übernehmen, soweit möglich, ihre Aufgaben.

Hält dieser Zustand über lange Zeit an und kommen vielleicht weitere Belastungen dazu, kann das dazu führen, daß plötzlich scheinbar unerklärliche Probleme der Gelenke, Muskeln oder inneren Organe auftreten. Würde sich der Osteopath jetzt nur um diese Beschwerden kümmern, wären sie bald wieder da. Eine dauerhafte Besserung ist nur möglich, wenn auch die Ursache gefunden und behandelt wird.

Die ersten Informationen über Ihren Gesundheitszustand haben Sie dem Osteopathen unbewußt schon beim Betreten des Sprechzimmers gegeben: durch Ihren Gang und Ihre Haltung. Stehen und gehen Sie vorwärtsgeneigt, oder kippt der Körper nach hinten? Ist eine Schulter leicht hochgezogen? Sind die Knie gerade oder durchgedrückt?

Solche Merkmale geben wichtige Hinweise, zum Beispiel auf eine angeborene Bindegewebsschwäche, eine asymmetrische Haltung oder übermäßige Beweglichkeit der Muskeln und Gelenke. Bei vielen Menschen ist ein Bein von Geburt an etwas verkürzt. Je nachdem, wie groß der Unterschied ist, kann es sein, daß sich diese Menschen etwas zur Seite neigen und damit das Körpergewicht verlagern.

Abb. 1 Behandlung des Schädels

Das wichtigste Mittel zur osteopathischen Diagnose ist die körperliche Untersuchung; die Patienten ziehen sich dafür bis auf die Unterwäsche aus. Aufschlußreich ist zum Beispiel der Zustand der Haut: Ist sie gut durchblutet oder blaß? Fühlt sie sich trocken an, ist sie angenehm kühl oder feuchtkalt? Wird sie an bestimmten Stellen plötzlich wärmer? Um solche Veränderungen festzustellen, sieht sich der Osteopath die Haut nicht nur an, sondern tastet sie auch sorgfältig ab. Sein wichtigstes Diagnosegerät sind die Hände. Während der Ausbildung wird auf das Palpieren, das Abtasten und Fühlen, großer Wert gelegt. Die Hände sollen lernen zu »sehen« und zu »hören«, sie sollen während der Untersuchung »Fragen stellen« und die »Antworten« verstehen, die der Körper des Patienten ihnen gibt – eine Fähigkeit, an der Osteopathen ihr Leben lang arbeiten. Zur Untersuchung gehört außerdem, die Beweglichkeit von Gelenken und Wirbeln zu überprüfen. Blockierte Wirbel werden behutsam wieder mobilisiert.

Auch mit dem Kopf wird sich der Osteopath ausführlich beschäftigen. Beim Palpieren Ihres Schädels ertastet er minimale, rhythmische Veränderungen der Schädelknochen. Dieser »kraniosakrale Rhythmus« wurde von dem Osteopathen William Garner Sutherland (1873 bis 1954) entdeckt (mehr dazu auf → Seite 132). Er beeinflußt nicht nur den Schädel und das Gehirn, sondern den gesamten Organismus. Beim Palpieren von Organen, etwa des Magens, kann der Osteopath feststellen, ob das Organ verhärtet ist oder seine Lage, seine Beweglichkeit und seine Eigenbewegung verändert hat. Solche Störungen kann der Osteopath ebenfalls durch behutsames Berühren behandeln.

Osteopathische Ursachenforschung. Auch, wenn ein Fall ganz eindeutig zu sein scheint – manchmal liegt die Ursache dann doch ganz woanders. Die Osteopathin Anne Wales, die noch bei dem großen William Sutherland gelernt hat, wurde schon früh mit dieser Erkenntnis vertraut:

»Im Frühjahr 1952 wurde ein Zahnarzt zu mir geschickt. Sein Problem: Er konnte den Mund kaum noch öffnen, seit sein Sohn, ebenfalls Zahnarzt, ihm einen Backenzahn im linken Unterkiefer gezogen hatte.« Anne Wales konnte sich das nicht erklären und fragte Dr. Sutherland um Rat. Er ließ sich den Fall genau schildern und kam zu dem Ergebnis, daß der Auslöser der Blockade auf der rechten Seite des Schädels liegen müsse. Wahrscheinlich sei das Schläfenbein auf der rechten Seite bereits vor der zahnärztlichen Behandlung in Rotation nach innen fixiert gewesen. Beim nächsten Termin mit dem Patienten ging Anne Wales der Sache auf den Grund: »Ich fragte ihn, ob er sich jemals an der rechten Seite seines Kopfes verletzt oder gestoßen habe. ›Aber ja‹, sagte der Mann. ›Vor einiger Zeit habe ich einen Golfball an den Kopf bekommen, direkt hinter dem rechten Ohr.‹«

Die amerikanische Osteopathin Anne Wales, D.O., F.A.A.O., F.C.A. (zu den Abkürzungen siehe → Seite 15f.) hat unter anderem das Buch »Teachings in the Science of Osteopathy« ihres Lehrers William G. Sutherland herausgegeben.

Dauer und Kosten einer osteopathischen Behandlung

Bei akuten Beschwerden, die nicht auf eine chronische Krankheit zurückzuführen sind, genügen oft zwei Termine im Abstand von etwa einer Woche. Bei chronischen, immer wiederkehrenden Leiden können sechs oder mehr Sitzungen notwendig sein. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten für osteopathische Behandlungen in der Regel nicht.

Üblich und angemessen ist zur Zeit ein Stundensatz von 60 bis 120 Euro. Wer die Behandlungskosten selbst tragen muß, wird zu Recht überlegen, ob er sich das leisten kann und leisten möchte.

Grundsätzlich ist die Osteopathie jedoch eine »preiswerte« Medizin. Sie verstärkt schulmedizinische Therapien in ihrer positiven Wirkung, so daß der Behandlungserfolg schneller eintritt. Bei vielen Beschwerden und Krankheiten kann sie Medikamente ganz oder teilweise ersetzen; häufig ist sie eine sinnvolle Alternative zu einem schulmedizinischen Eingriff. Wichtiger Bestandteil der osteopathischen Lehre und Praxis ist auch die Vorbeugung von Krankheiten. Osteopathen beziehen die Eigenverantwortung jedes Menschen für seine Gesundheit und sein Wohlbefinden in die Behandlung ein.

So erkennen Sie einen guten Osteopathen

In Deutschland ist der Beruf des Osteopathen gesetzlich bisher nicht anerkannt, und die Bezeichnung ist folglich nicht geschützt. Schlimmstenfalls können sich sogar Laien, die lediglich einige Wochenendkurse besucht haben, »Osteopathen« nennen. Inzwischen gibt es aber auch in Deutschland mehrere Berufsverbände und Fachgesellschaften für Osteopathie, deren Mitglieder festgeschriebene Qualitätsstandards erfüllen.

So wird zum Beispiel die Bezeichnung D.O. (Diplomate of Osteopathy) von Ärzten, Physiotherapeuten und Heilpraktikern geführt, die im Anschluß an eine mehrjährige (meist berufsbegleitende) Ausbildung in der Osteopathie eine Diplomarbeit eingereicht haben. Die zusätzliche Abkürzung M.R.O. bedeutet, daß der Osteopath oder die Osteopathin im Register der Osteopathen Deutschlands eingetragen ist. Alle Verbände (die Anschriften finden Sie auf → Seite 185f.) verschicken auf Anfrage Adressenlisten ihrer Mitglieder.

Amerikanische Fachgesellschaften vergeben an einige wenige, herausragende Mitglieder die Auszeichnungen F.A.A.O. (Fellow of the American Osteopathic Association) oder F.C.A. (Fellow of the Cranial Association). Ein qualifizierter, souveräner Behandler wird Ihnen gern über seine Ausbildung Auskunft geben – scheuen Sie sich nicht, beim ersten Termin danach zu fragen.

Ob Sie bei einer Osteopathin oder einem Osteopathen im Wortsinn »in guten Händen« sind, können aber letztlich nur Sie selbst beurteilen. Ein Titel, ein Diplom an der Wand, breites Fachwissen, langjährige Erfahrung sind wenig wert, wenn Sie nicht auch das Gefühl haben: Dieser Therapeut ist offen für seine Patienten, er nimmt sie ernst, er ist während der Behandlung ganz für sie da, er ist mir sympathisch – ich kann mit ihm arbeiten. Sie sind ja gekommen, weil Sie wieder gesund werden wollen. Das bedeutet Arbeit. Ein guter Osteopath wird Sie dabei nach bestem Wissen unterstützen. Er wird Ihnen keine Wunder versprechen, sondern mit seiner Behandlung den natürlichen Selbstheilungskräften des Organismus genau den Impuls geben, den sie brauchen, um die Störung aus eigener Kraft zu beseitigen.

Der Organismus erzählt die ganze Geschichte. Die Begegnung eines Menschen mit der Osteopathie, geschildert von dem Osteopathen Franz Buset: »Einen Patienten zu verstehen, das ist ein Prozeß in einer Reihe von Etappen, und es kommt vor, daß die eine der anderen widerspricht. Der erste Kontakt findet im allgemeinen am Telefon statt. Dieses Gespräch gibt dem Osteopathen eine Vorstellung, wie dringend die Behandlung ist, unter welchem Leidensdruck der Patient steht, in welcher seelischen Verfassung er sich befindet. Dann kommt der Moment des ersten »körperlichen« Kontakts, der erste Blick, das erste Lächeln, der erste Händedruck. Erst dann beginnt die wirkliche Begegnung: Die ersten Worte werden gewechselt, der Patient vertraut sich an, nicht sofort, einige tun es widerwillig, sparen das eine oder andere aus. Manche sprechen viel und sehr schnell, um auch alles sagen zu können. Andere sagen wenig, zögern zwischendurch, lassen Dinge nur erahnen. Dann muß man behutsam eingreifen, Hilfestellung anbieten, dem Patienten zu verstehen geben, daß alles, was er sagt, bedeutsam sein kann, und daß man bereit ist, ihm zuzuhören. Auch die bisherige Krankengeschichte wird angesprochen. So lernt der Osteopath auch die Lebensgewohnheiten des Patienten kennen, und er erfährt, wie wichtig ihm die Achtung vor dem eigenen Körper ist. Schritt für Schritt und ohne dem Patienten Aussagen in den Mund zu legen, wird die Anamnese zu Ende geführt. So verfahre ich bei allen Patienten. Tagtäglich kommt es vor, daß ich für ein Problem keine Lösung weiß. Herrn X., einem Mann mit einer ungewöhnlichen Geschichte, konnte ich jedoch helfen. Mir fiel sofort auf – es war auch nicht zu übersehen –, daß er sehr stark schwitzte und sich ständig den Schweiß vom Gesicht wischte. Das war auch das Leiden, über das er sich hauptsächlich beklagte. Hinzu kamen gelegentliche Kopfschmerzen und Ischiasbeschwerden. Herr X. wirkte aktiv, kräftig und willensstark. Von Beruf war er Fischhändler. Zunächst vermutete ich, das Schwitzen käme von der harten Arbeit und vom Streß. Herr X. sagte mir jedoch, in seinem Laden sei die Temperatur nie höher als 14 Grad, und trotzdem schwitze er ständig. Starkes Schwitzen ohne äußere Ursache kann seinen Ursprung im Hypothalamus im Gehirn haben. In Frage kommen mehrere Ursachen, zum Beispiel eine Überstimulation der vorderen Kerngruppe des Hypothalamus, eine Überaktivität des Stoffwechsels oder eine bisher unerkannte organische Störung. Der Allgemeinzustand von Herrn X. war jedoch hervorragend, und die Organsysteme arbeiteten offenbar einwandfrei. Ich erklärte Herrn X., daß eine osteopathische Behandlung das neurovegetative Gleichgewicht wiederherstellen kann, daß ich in diesem besonderen Fall jedoch für den Erfolg nicht garantieren könne. Herr X. war mit einem Versuch einverstanden, und ich begann mit der eingehenden körperlichen Untersuchung. Wie so oft fand ich die Lösung auf diesem Weg. Denn der Körper liefert alle Elemente für die erfolgreiche Behandlung – vorausgesetzt, man versteht seine Sprache. Auffallend war bereits die »eingesunkene« Haltung meines Patienten. Der Körper schien nach hinten aus dem Gleichgewicht geraten zu sein. Dagegen war der Kopf nach vorn gezogen, als wolle er das Ungleichgewicht kompensieren. Die Trapezmuskeln beiderseits des Halses waren übermäßig angespannt. Diese Merkmale sind typisch für ein Schleudertrauma, wie es durch einen Autounfall oder einen Sturz, aber auch durch einen psychischen Schock entstehen kann. Man nimmt an, daß durch die abnorme Spannung ein Zug auf die harte Rückenmarkshaut (Dura mater) entsteht. Dadurch ordnen sich die Membranfasern in Richtung der abnormen Spannung an. Das wiederum wirkt sich aus auf den Hinterkopf und auf den Kreuz-Steißbein-Komplex, der durch die Rückenmarkshaut mit dem Hinterkopf verbunden ist. Osteopathen können diese Veränderungen erkennen, unter anderem an der Beweglichkeit des Schädels sowie am Volumen, am Rhythmus, an der Richtung und am Trägheitsgrad der Hirn- und Rückenmarksflüssigkeit. Typische Symptome des Schleudertraumas sind zum Beispiel Kopf-, Lenden- oder Muskelschmerzen, Verspannungen der Nakkenmuskulatur, eingeschränkte Beweglichkeit im Kreuz, Schwindelgefühle und Müdigkeit. Ich behandelte die betroffenen Körperregionen und sagte Herrn X., daß er den Erfolg daran erkennen würde, ob die Symptome zurückgingen oder nicht. Wir vereinbarten einen weiteren Termin für den kommenden Monat. Als Herr X. wiederkam, diesmal zusammen mit seiner Frau, sah ich sofort, daß die Behandlung gewirkt hatte. Er strahlte über das ganze Gesicht, und ich glaube, er hätte mich wohl am liebsten umarmt. Das Taschentuch, mit dem er sich ständig über die Stirn gewischt hatte, war nicht mehr zu sehen, seine Kopf- und Rückenschmerzen waren verschwunden, seine Lebensfreude war zurückgekehrt. Einem Patienten helfen zu können, ist eine große Genugtuung. Und dennoch sollten wir Osteopathen bescheiden bleiben. Wir besitzen keine magischen Kräfte. Wir sind lediglich dazu da, den Körper beim natürlichen Ausgleich seiner Kräfte zu unterstützen. Leider hat die Geschichte von Herrn X. ein tragisches Ende genommen. Er wurde erschossen, als er bei einem Raubüberfall mutig eingriff. Noch am Tag des Mordes rief seine Frau mich an und teilte mir die traurige Nachricht mit. Diese Geste hat mich tief berührt.«

Der belgische Osteopath Franz Buset,

»Philosophie, Wissenschaft und Kunst« – Das alles ist die Osteopathie

Osteopathen, die ihren Beruf ernst nehmen, müssen hohen Ansprüchen gerecht werden:

Die Osteopathie ist zugleich eine Philosophie, eine Wissenschaft und eine Kunst. Ihre Philosophie beinhaltet das Konzept von der Einheit von Struktur und Funktion des Organismus im gesunden wie im kranken Zustand. Als Wissenschaft umfaßt sie Biologie, Chemie und Physik im Dienst der Gesundheit sowie der Prävention, der Heilung und der Linderung von Krankheiten. Ihre Kunst besteht in der Anwendung dieser Philosophie und Wissenschaft in der Praxis der osteopathischen Medizin und Chirurgie sowie aller ihrer Fachbereiche.1

Ein Arzt sollte sich damit beschäftigen, Gesundheit zu finden. Krankheit kann jeder finden. Andrew Taylor Still

Diese Definition der Osteopathie aus dem Jahr 1976 gilt bis heute; sie wurde inzwischen um einige moderne Aspekte erweitert. Um dem hohen Anspruch gerecht zu werden, müssen sich künftige Osteopathen nicht nur Wissen in Anatomie, Physiologie sowie die speziellen diagnostischen und therapeutischen Verfahren der Osteopathie (mehr darüber ab → Seite 67) aneignen, sie müssen außerdem das Gedankengebäude der Osteopathie gut kennen. Dieses basiert im wesentlichen auf vier Bausteinen. Für Osteopathen sind sie sozusagen das »Grundgesetz« ihres Berufs. Sie bestimmen das Menschenbild osteopathischer Therapeuten und damit ihre Auffassung von Medizin.

Die vier Prinzipien der Osteopathie

Das erste Prinzip …

Der Körper ist eine Einheit. Der Mensch ist eine Einheit aus Körper, Seele und Geist.

… und was damit gemeint ist:

Wie ein Mensch sich fühlt und ob er auf Dauer gesund bleibt, wird von einer Vielzahl körperlicher und seelischer Prozesse bestimmt. Sie sind untrennbar miteinander verbunden und müssen deshalb im Zusammenhang betrachtet werden. Deshalb behandeln Osteopathen ganzheitlich; sie trennen nicht zwischen körperlicher und seelischer Gesundheit.

Auch der Organismus wird in der Osteopathie als Einheit gesehen. Knochen, Muskeln und innere Organe sind durch Kreisläufe miteinander verbunden, die Botschaften und Körperreaktionen weiterleiten. Zu diesen Kreisläufen gehören der Blutkreislauf, das Nervensystem und der Hormonhaushalt. Auch die Faszien (siehe → Seite 54f.) sind ein wichtiges Verbindungs-, Regulations- und Koordinationssystem.

So entstehen enge Wechselbeziehungen, zum Beispiel zwischen dem Bewegungsapparat und den inneren Organen. Die Folge: Wenn ein Mensch zum Beispiel Schmerzen in der Schulter hat, kann die Ursache unter Umständen an ganz anderer Stelle liegen, etwa in der Leber oder im Magen. Deshalb kann es vorkommen, daß Osteopathen auch dann den ganzen Körper untersuchen, wenn ganz klar zu sein scheint, was dem Patienten fehlt.

Das zweite Prinzip …

Der Körper ist imstande, sich selbst zu regulieren, zu heilen und gesund zu erhalten.

… und was damit gemeint ist:

Gesundheit bedeutet viel mehr, als nicht krank zu sein. Osteopathen beschreiben sie als die »den jeweiligen Umständen angemessene optimale Erhaltung des körperlichen, geistigen und spirituellen Wohlbefindens«. Normalerweise schafft ein Mensch das aus sich selbst heraus. Er kann störende Einflüsse wie zum Beispiel schädlichen Streß, Verletzungen oder Krankheitserreger neutralisieren.

Das geschieht oft unbewußt und auf sehr unterschiedliche Art. Viele kompensieren zum Beispiel ihre Anspannung im Beruf, indem sie sich in der Freizeit ordentlich austoben und abreagieren, zum Beispiel beim Sport.

Auch der Organismus hilft sich selbst: Kleine Wunden schließen sich innerhalb weniger Tage und heilen ab. Viele Krankheitserreger werden vom Immunsystem abgewehrt – oft ohne daß wir etwas merken. Bei harmlosen Krankheiten, etwa einer Erkältung, klingen die Beschwerden ganz von allein nach kurzer Zeit wieder ab. Osteopathen beschäftigen sich besonders mit diesen Selbstheilungskräften des Menschen. Dazu gehören auch die Abwehrzellen des Immunsystems sowie Endorphine und andere körpereigene Substanzen, die Andrew Taylor Still, zeitlebens ein religiöser Mensch, in seiner Autobiographie so beschrieben hat:

Der Körper des Menschen wurde geschaffen als Gottes Apotheke – mit all den Flüssigkeiten, Medikamenten, Schmierölen, Opiaten, Säuren und Säurehemmern, die Gott in seiner Weisheit für notwendig befand, um die Menschen glücklich und gesund zu erhalten und diesen Zustand wiederherzustellen.2

Krankheiten können entstehen, wenn die Abwehr und die Selbstheilungskräfte eines Menschen durch viele kleine Belastungen erschöpft sind. Dann kann bereits eine geringfügige Störung die natürlichen Barrieren überwinden und akute Beschwerden auslösen. Gegen bestimmte sehr starke schädliche Einflüsse (Beispiele: schwere Verletzungen, gefährliche Infektionskrankheiten, starke seelische Belastungen) kommen die körpereigenen Regulationsmechanismen nicht an – man wird dann sofort krank. Aber auch Krankheitssymptome sind in der Regel Ausdruck der Selbstheilungskräfte des Organismus. So wird z.B. bei einem Schnupfen vermehrt Sekret abgegeben. Bei Fieber beschleunigt sich der Blutfluß, und Schlackenstoffe werden vermehrt abtransportiert. Es findet sozusagen eine innere Entgiftung bzw. Reinigung statt.

Das dritte Prinzip …

Struktur und Funktion beeinflussen einander wechselseitig.

… und was damit gemeint ist:

Körperstrukturen im osteopathischen Sinn sind Knochen, Muskeln, Organe, Nerven, Gewebe und Faszien sowie die Körperflüssigkeiten (z.B. Blut, Lymphe, Hirn- und Rückenmarksflüssigkeit). Funktionen sind die physiologischen Prozesse wie zum Beispiel die Durchblutung, die Verdauung oder der Monatszyklus der Frau. Aber auch die körperlichen Fähigkeiten und die seelische Stärke eines Menschen gehören zu den Funktionen.