Checkliste Kraniosakrale Osteopathie - Torsten Liem - E-Book

Checkliste Kraniosakrale Osteopathie E-Book

Torsten Liem

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Beschreibung

<p>Dieses klar strukturierte und durchgehend illustrierte Nachschlagewerk ist eine schnelle Orientierungshilfe für die Praxis.</p> <p>Kompaktes Wissen anschaulich aufbereitet: <br />- allgemeine Kopf- und Sakrumpalpation, <br />- Diagnose- und Behandlungsprinzipien der kraniosakralen Osteopathie, <br />- Anatomie der Schädelknochen <br />- praxisrelevante Techniken mit genauer Beschreibung von Ausgangsstellung, Vorgehen und Behandlung.</p> <p>Die Beschreibung des osteopathischen Vorgehens bei ausgewählten Indikationen sowie die tabellarische Auflistung wichtiger anatomischer Verbindungen runden das Werk ab.</p> <p>Die Checkliste bietet Ihnen durch die 5 Farbteile leichte Orientierung: <br />Gelb - Grundlagen, Geschichte, Kopf- und Sakrumpalpation <br />Grün - Diagnose- und Behandlungsprinzipien, Anatomie <br />Blau - Diagnose und Behandlung ausgewählter Indikationen <br />Rot - Muskuläre, ligamentäre, nervale und Gefäßverbindungen <br />Grau - Literatur und Internetadressen</p>

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Seitenzahl: 532

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Torsten Liem

Tobias K. Dobler

Checkliste Kraniosakrale Osteopathie

3., unveränderte Auflage 245 Abbildungen

Vorwort

Diese Checkliste hat das Bestreben, die osteopathisch relevanten Inhalte zum Thema „Kraniosakrale Osteopathie“ in einer komprimierten und strukturierten Form praxisnah darzustellen. Somit werden sowohl geschichtlich bedeutsame Theorien als auch aktuelle Sichtweisen dargestellt, um dem Leser einen Überblick zu Entstehung und Weiterentwicklung der Behandlungsweise im kranialen Bereich zu geben.

Die detaillierte Darstellung der Anatomie findet insbesondere im Bereich der funktionell wichtigen Strukturen statt. Neben der knöchernen Anatomie stehen nervale und vaskuläre Aspekte im Vordergrund. Eine Auflistung wichtiger anatomischer Beziehungen im Roten Teil erleichtert den schnellen Zugang für die klinische Anwendung. Die Beschreibung der wichtigsten Techniken mit vielen Fotos unterstützt das schnelle Erlernen der Grifftechniken. Die Ausführungen zu Vorgehensweise, Diagnostik und Behandlungsansätzen sind für den Praktiker prägnant und übersichtlich dargestellt.

Ein weiterer Teil ist der Beschreibung des osteopathischen Vorgehens bei verschiedenen Krankheitsbildern gewidmet und soll als Inspiration dienen. Die Darstellung gibt eine Übersicht einerseits über praktische Erfahrungswerte und andererseits über Strukturen, die in enger Beziehung zu bestehenden Symptomen stehen. Selbstverständlich kann diese Ausführung eine den ganzen Organismus umfassende osteopathische Untersuchung und Behandlung nicht ersetzen.

Sowohl während der Ausbildung als auch für Therapeuten in der Praxis kann das Werk wertvoll sein. Ein schnelles Nachschlagen der wichtigsten Strukturen und Verbindungen lädt zur Vertiefung jedes Wissensstandes ein.

Ein großer Dank geht an Monika Grübener vom Hippokrates Verlag und die Redakteurin Susanne Schimmer für die engagierte, kompetente und ausdauernde Bearbeitung des Buches.

Hamburg und Gerlingen, im August 2009

Torsten Liem

Tobias K. Dobler

Inhalt

Vorwort

Teil 1

1 Grundlagen der Osteopathie im kranialen Bereich?

1.1 Geschichte der kraniosakralen Osteopathie

1.1.1 Beginn der Osteopathie

1.1.2 Beginn kranialer Ansätze in der Osteopathie

1.1.3 Sutherlands Beitrag

1.1.4 Weitere Entwicklung der Osteopathie im kranialen Bereich

1.2 Grundlagen der Osteopathie

1.2.1 Der Körper ist eine Einheit

1.2.2 Der Organismus verfügt über eigene selbstregulative und heilende Kräfte

1.2.3 Form und Funktion beeinflussen sich wechselseitig

1.2.4 Die osteopathische Behandlung integriert alle vorher genannten Punkte

1.3 Primär respiratorischer Mechanismus (PRM)

1.3.1 Inhärente, eigenständige Motilität von Gehirn und Rückenmark

1.3.2 Fluktuation der zerebrospinalen Flüssigkeit

1.3.3 Mobilität der intrakranialen und intraspinalen Membranen

1.3.4 Mobilität der kranialen Knochen

1.3.5 Unwillkürliche Mobilität des Kreuzbeins zwischen den Darmbeinen

1.3.6 Rhythmus der primären Respiration

1.3.7 Frequenzen der primären Respiration

2 Palpation

2.1 Methodik der Palpation

2.2 Praxis Palpation

3 Allgemeine Kopf- und Sakrumpalpation

3.1 Schädeldachhaltung nach Sutherland

3.2 Okzipitosphenoidale Palpation nach Becker

3.3 Okzipitosphenoidale Palpation nach Upledger

3.4 Sphenookzipitale Palpation nach Magoun

3.5 Frontookzipitale Palpation nach Sutherland

3.6 Gleichzeitige Palpation an Schädel und Sakrum

Teil 2

4 Diagnoseprinzipien

4.1 Anamnese

4.2 Inspektion

4.3 Schädelform

4.4 Palpation

4.4.1 Palpation einzelner Strukturmerkmale

4.4.2 Palpation der Gewebedichte

4.4.3 Palpation der Gewebeelastizität

4.4.4 Lokaler Druckschmerz

4.4.5 Palpation der Bewegung/adaptive Spannungsvariationen

4.4.6 Palpation inhärenter rhythmischer adaptiver Spannungsvariation

4.4.7 Palpatorische Differenzialdiagnostik

4.4.8 Duraler Zug

4.4.9 Palpation der Fluidabewegung

4.4.10 Erspüren der räumlichen Organisation

4.4.11 Palpation der Potency

5 Behandlungsprinzipien

5.1 Allgemeine Behandlungsprinzipien

5.1.1 Behandlungsschritte und Fulcrum

5.1.2 Fokus der Aufmerksamkeit

5.1.3 Verlagerung der Aufmerksamkeit

5.1.4 Bedeutung der Stille in der Behandlung

5.2 Spezielle Behandlungsprinzipien

5.2.1 Balanced Tension

5.2.2 Point of balanced membranous Tension (PBMT)

5.2.3 Einstellung des Point of Balance

5.2.4 Übertreibung (Exaggeration)

5.2.5 Direkte Technik

5.2.6 Auseinanderziehen (Disengagement)

5.2.7 Kompression/Dekompression

5.2.8 Entgegengesetzte physiologische Bewegung

5.2.9 Modellieren (Molding)

5.2.10 Unterstützung der Selbstheilungskräfte

5.3 Zusätzliche Behandlungshinweise

5.3.1 Sequenz der Behandlung

5.3.2 Natürlicher Endpunkt einer Behandlung

5.3.3 Behandlungsreaktionen

6 Schädel

6.1 Deskriptive Anatomie des Kopfskeletts

6.1.1 Erkennungsmerkmale

6.1.2 Schädeldach, Desmokranium

6.1.3 Schädelbasis, Chondrokranium

6.1.4 Platte Knochen des Schädeldaches

6.1.5 Gesichtsschädel

6.2 Membransystem

6.2.1 Intrakraniales Membransystem

6.2.2 Extrakraniales Membransystem

6.2.3 Gefäßversorgung der Meningen

6.2.4 Innervation der Meningen

6.2.5 Reziproke Spannungsmembran

6.2.6 Entstehung von Dysfunktionen

6.2.7 Untersuchung und Vorgehen

6.2.8 Behandlung der intrakranialen Dura

6.2.9 Behandlung der extrakranialen Dura

6.3 Anatomie und Physiologie der Hirnventrikel und des LCS

6.3.1 Liquorräume

6.3.2 Physiologie des Liquor cerebrospinalis

6.3.3 Liquorzirkulation

6.3.4 Liquor und Spinalnerv

6.3.5 Liquor und Lymphflüssigkeit

6.3.6 Hormonelle Einflüsse

6.3.7 Vegetative Einflüsse

6.4 Faszien

6.4.1 Einfluss des PRM auf das Bindegewebe

6.5 Arterien

6.5.1 Arteria carotis interna

6.5.2 Arteria vertebralis, Arteria basilaris

6.5.3 Circulus arteriosus cerebri

6.5.4 Arteria carotis externa

6.6 Venöses System

6.6.1 Sinus venosi durales

6.6.2 Techniken zur Verbesserung der Zirkulation

6.7 Lymphatisches System

6.7.1 Faktoren für Stauungen des Lymphsystems

6.7.2 Lymphtechniken

6.8 Hirnnerven

6.8.1 Nervus olfactorius

6.8.2 Nervus opticus

6.8.3 Nervus oculomotorius

6.8.4 Nervus trochlearis

6.8.5 Nervus trigeminus

6.8.6 Nervus abducens

6.8.7 Nervus facialis

6.8.8 Nervus vestibulocochlearis

6.8.9 Nervus glossopharyngeus

6.8.10 Nervus vagus

6.8.11 Nervus accessorius

6.8.12 Nervus hypoglossus

6.9 Fluider Körper

6.9.1 Fluider Körper nach Jealous

6.9.2 Fluktuation des LCS

6.9.3 Stillpunktinduktion

6.9.4 Fluktuationstechniken

7 Einzelne Schädelknochen

7.1 Os occipitale/Hinterhauptbein

7.1.1 Anatomie

7.1.2 Lokalisation, Entstehung und Klinik von Dysfunktionen am Os occipitale

7.1.3 Diagnostik und Untersuchung

7.1.4 Behandlung des Os occipitale

7.1.5 Behandlung der SSB

7.2 Os sphenoidale/Keilbein

7.2.1 Anatomie

7.2.2 Lokalisation, Entstehung und Klinik von Dysfunktionen am Os sphenoidale und an der SSB

7.2.3 Diagnostik und Untersuchung

7.2.4 Behandlung der Synchondrosis/Synostosis sphenobasilaris

7.2.5 Behandlung des Os sphenoidale

7.3 Os ethmoidale/Siebbein

7.3.1 Anatomie

7.3.2 Lokalisation, Entstehung und Klinik von Dysfunktionen am Os ethmoidale

7.3.3 Diagnostik und Untersuchung

7.3.4 Behandlung des Os ethmoidale

7.4 Os frontale/Stirnbein

7.4.1 Anatomie

7.4.2 Lokalisation, Entstehung und Klinik von Dysfunktionen am Os frontale

7.4.3 Diagnostik und Untersuchung

7.4.4 Behandlung des Os frontale

7.5 Os temporale/Schläfenbein

7.5.1 Anatomie

7.5.2 Lokalisation, Entstehung und Klinik von Dysfunktionen am Os temporale

7.5.3 Diagnostik und Untersuchung

7.5.4 Behandlung des Os temporale

7.6 Os parietale/Scheitelbein

7.6.1 Anatomie

7.6.2 Lokalisation, Entstehung und Klinik von Dysfunktionen am Os parietale

7.6.3 Diagnostik und Untersuchung

7.6.4 Behandlung des Os parietale

7.7 Maxilla/Oberkiefer

7.7.1 Anatomie

7.7.2 Lokalisation, Entstehung und Klinik von Dysfunktionen am Os maxillaris

7.7.3 Diagnostik und Untersuchung

7.7.4 Behandlung der Maxilla

7.8 Os palatinum/Gaumenbein

7.8.1 Anatomie

7.8.2 Lokalisation, Entstehung und Klinik von Dysfunktionen am Os palatinum

7.8.3 Diagnostik und Untersuchung

7.8.4 Behandlung des Os palatinum

7.9 Os zygomaticum/Jochbein

7.9.1 Anatomie

7.9.2 Lokalisation, Entstehung und Klinik von Dysfunktionen am Os zygomaticum

7.9.3 Diagnostik und Untersuchung

7.9.4 Behandlung des Os zygomaticum

7.10 Mandibula/Unterkiefer

7.10.1 Anatomie

7.10.2 Lokalisation, Entstehung und Klinik von Dysfunktionen am Os mandibulare und an der Articulatio temporomandibularis

7.10.3 Diagnostik und Untersuchung

7.10.4 Behandlung des Temporomandibulargelenks (TMG)

7.10.5 Behandlung der Kondylen

7.11 Os nasale/Nasenbein

7.11.1 Anatomie

7.11.2 Lokalisation, Entstehung und Klinik von Dysfunktionen am Os nasale

7.11.3 Diagnostik und Untersuchung

7.11.4 Behandlung des Os nasale

7.12 Os lacrimale/Tränenbein

7.12.1 Anatomie des Os lacrimale

7.12.2 Lokalisation, Entstehung und Klinik von Dysfunktionen am Os lacrimale

7.12.3 Diagnostik und Untersuchung

7.12.4 Behandlung des Os lacrimale

7.13 Concha nasalis inferior

7.13.1 Anatomie

7.13.2 Lokalisation, Entstehung und Klinik von Dysfunktionen an der Concha nasalis inferior

7.13.3 Diagnostik

7.13.4 Behandlung der Concha nasalis inferior

7.14 Os hyoideum/Zungenbein

7.14.1 Anatomie

7.14.2 Lokalisation, Entstehung und Klinik von Dysfunktionen orofazialer Strukturen

7.14.3 Diagnostik und Untersuchung

7.15 Os sacrum (sacrale)/Kreuzbein

7.15.1 Anatomie

7.15.2 Lokalisation, Entstehung und Klinik von Dysfunktionen am Os sacrum

7.15.3 Diagnostik und Untersuchung

7.15.4 Behandlung des lumbosakralen Gelenks

7.15.5 Untersuchung und Behandlung des iliosakralen Gelenks

7.16 Os coccygis/Steißbein

7.16.1 Anatomie

7.16.2 Lokalisation, Entstehung und Klinik von Dysfunktionen am Os coccygis

7.16.3 Diagnostik und Untersuchung

7.16.4 Behandlung des sakrokokzygealen Gelenks

8 Faszien und transversale Diaphragmen

8.1 Faszien

8.1.1 Funktion der Faszien

8.1.2 Fasziale Organisation

8.2 Anatomie der Diaphragmen

8.2.1 Beckendiaphragma

8.2.2 Thorakolumbales Diaphragma (Zwerchfell)

8.2.3 Zervikothorakales Diaphragma

8.2.4 Os hyoideum

8.2.5 Kraniozervikales Diaphragma (Atlantookzipitalgelenk)

8.2.6 Weitere transversal verlaufende Strukturen

8.3 Behandlung der Diaphragmen

8.3.1 Technik für die Beckendiaphragmen

8.3.2 Technik für das thorakolumbale Diaphragma

8.3.3 Technik für das zervikothorakale Diaphragma I

8.3.4 Techniken für die Halsfaszien

8.3.5 Techniken für das Zungenbein

8.3.6 Strukturelle Manipulation

8.3.7 Technik für das Atlantookzipitalgelenk

8.3.8 Tests und Techniken zur Harmonisierung des Beckenbodens und des intrakranialen Diaphragmas

Teil 3

9 Indikationen

9.1 Akute fieberhafte Infektionen

9.1.1 Ursachen

9.1.2 Diagnose und Differenzialdiagnose

9.1.3 Entstehung von Dysfunktionen

9.1.4 Behandlung

9.2 Asthma bronchiale

9.2.1 Ursachen

9.2.2 Diagnose und Differenzialdiagnose

9.2.3 Entstehung von Dysfunktionen

9.2.4 Behandlung

9.3 Migräne, Kopf- und Gesichtsschmerzen

9.3.1 Ursachen

9.3.2 Klinik

9.3.3 Diagnose und Differenzialdiagnose

9.3.4 Entstehung von Dysfunktionen

9.3.5 Behandlung

9.4 Bissanomalien und Störungen des Kiefergelenks

9.4.1 Ursachen

9.4.2 Diagnose und Differenzialdiagnose

9.4.3 Entstehung von Dysfunktionen

9.4.4 Behandlung

9.5 Sehstörungen

9.5.1 Ursachen

9.5.2 Diagnose und Differenzialdiagnose

9.5.3 Entstehung von Dysfunktionen

9.5.4 Behandlung

9.6 Mittelohrentzündungen

9.6.1 Ursachen

9.6.2 Diagnose und Differenzialdiagnose

9.6.3 Entstehung von Dysfunktionen

9.6.4 Behandlung

9.7 Schleudertrauma

9.7.1 Ursachen

9.7.2 Diagnose und Differenzialdiagnose

9.7.3 Entstehung von Dysfunktionen

9.7.4 Behandlung

9.8 Sinusitis

9.8.1 Ursachen

9.8.2 Diagnose und Differenzialdiagnose

9.8.3 Entstehung von Dysfunktionen

9.8.4 Behandlung

9.9 Skoliosen

9.9.1 Ursachen

9.9.2 Diagnose und Differenzialdiagnose

9.9.3 Entstehung von Dysfunktionen

9.9.4 Behandlung

9.10 Tinnitus

9.10.1 Ursachen

9.10.2 Diagnose und Differenzialdiagnose

9.10.3 Entstehung von Dysfunktionen

9.10.4 Behandlung

9.11 Torticollis

9.11.1 Ursachen

9.11.2 Diagnose und Differenzialdiagnose

9.11.3 Entstehung von Dysfunktionen

9.11.4 Behandlung

9.12 Schwindel

9.12.1 Ursachen

9.12.2 Diagnose und Differenzialdiagnose

9.12.3 Entstehung von Dysfunktionen

9.12.4 Behandlung

Teil 4

10 Beziehung der relevanten Knochen zu den Muskeln, Ligamenten, Nerven und Gefäßen

11 Vaskuläre Störungen

12 Störungen der Hirnnerven und nervalen Strukturen

Anhang

13 Abkürzungsverzeichnis

14 Abbildungsnachweis

15 Literatur

16 Internetadressen

17 Sachverzeichnis

Teil 1 Grundlagen

1 Grundlagen der Osteopathie im kranialen Bereich

2 Palpation

3 Allgemeine Kopf- und Sakrumpalpation

1 Grundlagen der Osteopathie im kranialen Bereich

1.1 Geschichte der kraniosakralen Osteopathie

1.1.1 Beginn der Osteopathie

Andrew Taylor Still. Entwickelt wurde die Osteopathie vom Amerikaner Dr. Andrew Taylor Still (1828 – 1917). Aus der Auseinandersetzung mit der zur damaligen Zeit betriebenen Heilkunde und der Unzufriedenheit über die übertriebenen Medikamentenverordnungen, Aderlässe und andere Methoden der Ärzte entwickelte er ein neues, ganzheitliches medizinisches System, das er Osteopathie nannte. Im Jahre 1874 trat er mit seinen philosophischen und praktischen Grundlagen der Osteopathie zum ersten Mal an die Öffentlichkeit.

John Martin Littlejohn. Durch J. M. Littlejohn hielt die Osteopathie auch in Europa ihren Einzug, sodass die erste europäische Osteopathieschule (British School of Osteopathy) 1917 in England gegründet wurde. 1957 wurde in Frankreich unter der Leitung von Paul Geny die „Ecole Francaise d'Osteopathie“ gegründet, die aufgrund von staatlichen Repressalien 1960 nach England verlegt wurde und zur „European School of Osteopathy“ in Maidstone wurde. Seit den 1980er-Jahren nimmt die Osteopathie in Europa stetig an Beachtung zu, wobei sich mehrere berufsbegleitende Aus- bzw. Fortbildungsinstitute gebildet haben.

1.1.2 Beginn kranialer Ansätze in der Osteopathie

Bereits Still soll mit Handpositionen und einer Leichtigkeit der Berührung behandelt haben, die den Beschreibungen der kranialosteopathischen Behandlungen ähneln. Charlotte Weaver D.O. (die auch in Frankreich praktizierte) wurde von Still aufgefordert, auszuarbeiten, wie die osteopathischen Prinzipien auf die Kopfregion angewendet werden können. Sie erkannte die Schädelknochen als modifizierte Wirbel. In ihrem Modell kann der Schädel z. B. während der Geburt traumatischen Kräften ausgesetzt sein und so Spannungen im Sinne einer osteopathischen Dysfunktion erfahren. Außerdem beschrieb Weaver Dysfunktionen der SSB, deren Behandlung einen großen Einfluss auf das Funktionieren des Gehirns hatte. Bereits 1913 veröffentlichte Dain L. Tasker D.O. in seinem Buch „Principles of Osteopathy“ vibratorische und Druckmanipulationen am Kopf, um vasomotorische Wirkungen zu erzielen.

Die Grundlagen der Osteopathie im kranialen Bereich, wie sie auch heute noch Anwendung finden, wurden dann hauptsächlich von William Garner Sutherland D.O. Anfang der 1930er-Jahre entwickelt.

1.1.3 Sutherlands Beitrag

Möglichkeit von Bewegung im Schädel. Während des Studiums an der Osteopathieschule in Kirksville hatte Sutherland einen zerlegten Schädel betrachtet. Die eigentümlich gebildeten Verbindungsflächen zwischen dem großen Keilbeinflügel und der Schläfenbeinschuppe erregten seine Aufmerksamkeit. Diese Verbindung erschien ihm gekantet, wie die Kiemen eines Fisches. Sie schienen auf eine gelenkige Beweglichkeit eines Atemmechanismus hinzuweisen. Obwohl alle ihm bekannten anatomischen Textbücher lehrten, dass die Schädelnähte verknöchern und ein unbewegliches, statisches Ganzes darstellen, ließ ihn der Gedanke um die Möglichkeit von Bewegungen im Schädel nicht wieder los.

Reziproke Spannungsmembran. Er studierte jedes anatomische Detail der Schädelknochen, um den Sinn der unterschiedlichen Anordnung der Schädelnähte zu verstehen, und erkannte, dass die Gelenkflächen der Schädelknochen eine Konstruktion darstellen, die Bewegung ermöglicht. Er fand heraus, dass die Bewegungen der Schädelknochen durch die Membranen im Schädel koordiniert werden. Diese bezeichnete er als „reziproke Spannungsmembranen“.

Grundlagen der Bewegung. Durch wiederholtes Palpieren seines eigenen und der Schädel seiner Patienten ertastete er eine Bewegung, die unabhängig vom Herz- und Atemrhythmus stattfand. Nach weiterem unermüdlichen Erforschen dieser feinsten Bewegungen kam er zu dem Schluss, die Eigenbewegung des Gehirns, die regelmäßigen, rhythmischen Fluktuationen der Hirn- und Rückenmarksflüssigkeit, die Beweglichkeit der duralen Hirn- und Rückenmarkhäute, der Schädelknochen sowie des Kreuzbeins seien die Grundlage dieser Bewegung.

Selbstversuche. Auch Selbstversuche waren Teil seiner weiteren Forschung. Er konstruierte sich einen Helm, mit dem er an bestimmten Stellen seines Kopfes Druck ausüben konnte. Auf diese Weise erforschte er die Auswirkung von Restriktionen an den Schädelknochen. Nicht nur, dass er mit Kopfschmerzen, Halluzinationen, Seh- und Hörstörungen auf diese künstlichen Restriktionen reagierte, sondern er überraschte seine Frau auch mit Persönlichkeitsveränderungen. Aufgrund seines Wissens um die normale Struktur der Gewebe und mithilfe seiner Frau korrigierte er diese Restriktion und beobachtete an sich die Ergebnisse. Schließlich erforschte er Möglichkeiten der Diagnose und Therapie, um vorhandene Störungen seiner Patienten heilen zu können.

Behandlung von Kleinkindern. Zwischen 1934 und 1939 behandelte Sutherland auch Kleinkinder, die unter zerebralen Lähmungserscheinungen, Hydrozephalus, Koordinationsstörungen, Hyperaktivität und anderen Entwicklungsstörungen litten. Dadurch vertiefte er seine Kenntnisse und erreichte im Laufe der Zeit zunehmende Erfolge bei diesen Kindern, sodass es vielen von ihnen ermöglicht wurde, wieder ein normales Leben aufzunehmen.

Entwicklung der kraniosakralen Osteopathie. Über 20 Jahre hinweg untersuchte Sutherland mit seinen „fühlenden, sehenden, denkenden … Fingern“ die Strukturen, kleinste Bewegungsmöglichkeiten und feinste Bewegungen im und am Schädel sowie vorhandene Restriktionen und ihre Behandlungsmöglichkeiten, bis er mit seinen Ergebnissen an die Öffentlichkeit trat. Allmählich entwickelte sich aus seinen Untersuchungen und Experimenten eine neue Behandlung: die kraniosakrale Osteopathie.

Fluider Körper. Sutherlands größter Verdienst war neben der konsequenten Anwendung der osteopathischen Prinzipien auf den Schädel, der bis dahin auch unter Osteopathen als unbewegliches Ganzes angesehen wurde, die Entdeckung eines Regulationssystems für den Gesamtorganismus, das sich durch eine rhythmische, langsame Bewegung am Schädel äußerte. Er richtete seine Aufmerksamkeit auf die fluiden Bestandteile des Körpers, insbesondere auf den Liquor cerebrospinalis, und bemerkte, dass sich durch feinste Impulse auf die Fluida Fixationen fester Körperstrukturen zu lösen begannen.

1.1.4 Weitere Entwicklung der Osteopathie im kranialen Bereich

Publikationen. Harold Ives Magoun D.O. veröffentlichte 1951 das Buch Osteopathy in the Cranial Field, das lange Zeit als Grundlagenwerk für kraniosakrale Osteopathie galt. Im Gegensatz zur ersten Auflage, deren Entstehung Sutherland begleitete und die er ausdrücklich guthieß, wurde die zweite (1966) und dritte Auflage (1976) erst nach seinem Tod veröffentlicht. Um die Anerkennung der kranialen Osteopathie voranzutreiben, wurde in diesem ein Großteil seiner vitalistischen Ideen herausgestrichen.

Ausbildung. An seinem Sterbebett verpflichtete Sutherland 1954 seinen Schüler Magoun dazu, die kraniale Osteopathie auch in Europa zu lehren. Im Jahre 1964 unterrichteten Harold Magoun, Viola Frymann und Thomas Schooley in der British School of Osteopathy in London die Grundlagen der kranialen Osteopathie. Als sie dort auf Ablehnung und Skepsis stießen, begannen sie mit der Unterstützung des britischen Osteopathen Denis Brookes noch im gleichen Jahr in Paris, neun Osteopathen und Ärzte über vier Jahre hinweg in kranialer Osteopathie zu unterweisen.

Seitdem sind zahlreiche Veröffentlichungen erschienen und eine zunehmende Anzahl von Osteopathen und Wissenschaftlern haben die Ansätze von Sutherland und Weaver weiterentwickelt.

1.2 Grundlagen der Osteopathie

Palpationsfähigkeit des Osteopathen. Die palpatorische Annäherung der Osteopathie im kranialen Bereich entspricht den Grundlagen osteopathischer Vorgehensweisen. Die Palpationsfähigkeit eines Osteopathen umfasst nicht nur die Differenzierung der vitalen Gewebequalitäten von Knochen, Gelenken, Muskeln, Bändern, Membranen, Viszera, Nerven, Gefäßen und Fluida, sondern auch die Fähigkeit, ihre jeweilige Bedeutung für die Ganzheit des Organismus erfassen zu können und diese Kenntnisse therapeutisch umzusetzen. Anstatt nur die Abfolgen von Techniken und Manipulationen zu erlernen, ist das Verständnis für die Dynamiken der Ganzheit wichtiger. Nichts anderes passiert im kranialen Kontext.

Wörtlich übersetzt heißt Osteopathie „krankhafte Veränderung des Knochens“, aber das kann zu Missverständnissen führen. Still wählte diesen Namen, weil er mit seinen Forschungen am Knochen begann und weil er sich therapeutisch zunächst auf das knöcherne Skelett konzentrierte.

Bewegung ist Leben. Still kam zur Erkenntnis, dass ein freier Blutfluss Gesundheit gewährleistet, wohingegen lokale oder allgemeine Zirkulationsstörungen Krankheiten hervorrufen. Bewegung ist Leben. Alles, was lebt, fließt. Die Bewegung ist das bedeutendste Kennzeichen und Voraussetzung für das Leben. Sind Bewegung und Beweglichkeit der Gewebe vermindert oder eingeschränkt, sodass die Flüssigkeiten (Blut, Lymphe usw.) nicht mehr ungehindert fließen können, entsteht eine mehr oder minder ausgeprägte Stauung. Auch die nervale Versorgung der Gewebe kann dadurch beeinträchtigt werden. Die Folge ist eine Einschränkung der Nährstoff- und Sauerstoffversorgung sowie ein verminderter Abtransport von Metaboliten im Gewebe. Das Gewebe verliert seine Vitalität – der Boden ist bereit für eine Erkrankung.

Beseitigung von Hindernissen. Still benutzte die Hebelwirkung der Knochen, um den Druck auf Nerven, Arterien und Venen zu entlasten und dadurch wieder die Voraussetzung für eine gesunde Physiologie zu schaffen. Auch heute besteht das Bestreben eines Osteopathen darin, die mechanischen und strukturellen Hindernisse zu beseitigen, die die Kommunikation der Körperflüssigkeiten hemmen, der intrawie auch der extrazellulären, inklusive der Hirnflüssigkeit. Dabei ist die Vielfalt der „Techniken“ angepasst an die Vielfalt der Ursachen von Bewegungsverlusten (Frakturen, Verstauchungen, Entzündungen, Verklebungen, Narben, Fehlbelastungen, psychische und soziale Einflüsse, Ernährungs- und Lebensgewohnheiten).

Gesundheit. Die Osteopathie betrachtet die Ganzheit des Menschen in ihrer somatoviszeral-psychischen Einheit und Wirkungsweise. Sie umfasst die Eigenschaften und Aspekte, die das Leben ausmachen und erkennt die Gesetzmäßigkeiten an, die das Leben auf der Erde bestimmen. Diesen Gesetzmäßigkeiten sind die Tiere, die Pflanzen und auch die Menschen unterworfen. So versteht Still unter Gesundheit ein harmonisches Zusammenwirken von Körper, Seele und Geist. Dabei beeinflussen die Umwelt- und Lebensfaktoren den Zustand des Menschen in seiner Körper-Geist-Seele-Einheit (▶Abb. 1.1). Zu den Lebensfaktoren gehören u. a. Ernährung, Bewegung, Wasser, Luft, Sonne, Wach-Schlaf-Rhythmus, Aktivitäts-/Ruheverhältnis.

Abb. 1.1 Einflüsse auf die Gesundheit.

MerkeNach Still stellt die Gesundheit einen „positiven Zustand“ dar, der mehr als die Abwesenheit von Krankheit bedeutet.

Ziel der Behandlung. Die Osteopathie umfasst spezielle manuelle Diagnose- und Therapiemethoden, mit dem Schwerpunkt auf den strukturellen Beziehungen und Wechselwirkungen der verschiedenen Gewebe. Ziel einer osteopathischen Behandlung:

Erhöhung der individuellen Lebensqualität des Patienten

Verbesserung des strukturellen und dynamischen Gleichgewichts in seinen Körpersystemen

Ökonomisierung seines Energieverbrauchs

Die osteopathische Medizin ist bestrebt, im Körper alle Ressourcen freizusetzen und sich entwickeln zu lassen, die die Grundlage für seine Wiederherstellung und seine Widerstandsfähigkeit gegenüber krankhaften Einflüssen bilden.

Betrachtung des Patienten. Der Patient wird in seiner Eigenschaft als Ganzheit und als Teil anderer Ganzheiten erfasst. Wesentlich ist die Fragestellung, wie der Organismus seine Ordnung und Intaktheit unter den gegebenen Bedingungen aufrechterhält. Erst dann wird u. a. der Erforschung der Ursachen nachgegangen, die zur Entstehung von Krankheitssymptomen geführt haben. Diese Ursachen können mannigfaltig sein und die Gesundheit und Lebenskraft durch Behinderungen der Flüssigkeits- und Energiebewegungen und der Nervenimpulse usw. beeinträchtigen. Im Heilungsprozess ist der Patient mit aufgefordert, die Bedingungen zu erkennen und in sein Leben zu integrieren, die ein normales Wirken seiner eigenen biologischen Kreislaufprozesse und seiner Selbstheilungskräfte ermöglichen.

1.2.1 Der Körper ist eine Einheit

Körper, Geist und Seele. Die Osteopathie betrachtet alle Teile des physischen Körpers, den Geist und die Seele (mit den Emotionen, die über das neurohumorale System vernetzt sind), als miteinander verbunden und in Wechselbeziehung zueinander stehend. Alle Zellen, Gewebe und Organe des Körpers arbeiten zusammen und sind als eine Einheit anzusehen, im gesunden wie auch im kranken Zustand.

MerkeDie einzelnen Teile formen ein lebendiges Ganzes, das mehr als die Summe seiner Teile darstellt.

Auswirkung von Störungen. Abnorme strukturelle Veränderungen oder Störungen in der Funktion einzelner Gewebe, wie den Knochengelenken, Muskeln, faszialen Strukturen oder Organen, können sich auf den gesamten übrigen Organismus auswirken. So übt z. B. der viszerale Inhalt einen großen Einfluss auf seine Muskel-Faszien-Skelett-Umhüllung aus. In der Osteopathie wird weder der Psyche noch der Physiologie oder den Körperstrukturen eine vorrangige Stellung eingeräumt. Die eine kann durch die jeweils andere beeinflusst werden, wobei die Osteopathie bestrebt ist, über die Struktur des Körpers auf den Gesamtorganismus und die Zirkulation seiner Flüssigkeiten und Energien Einfluss auszuüben.

1.2.2 Der Organismus verfügt über eigene selbstregulative und heilende Kräfte

Diese Selbstheilungskräfte äußern sich in der

homöostatischen Regulation der gesamten Vitalfunktionen des Organismus,

angeborenen oder erworbenen Immunität gegen Krankheitserreger,

Heilung von beschädigten Körpergeweben,

Korrektur von Schäden aufgrund schädlicher äußerer Einflüsse,

Kompensation irreparabler Schäden.

Der Körper ist in kontinuierlichem Bestreben, Toxine zu binden, zu entgiften und auszuscheiden, sodass er z. B. selbst bei jahrzehntelanger Fehlernährung noch erstaunlich gut funktionieren kann. Unablässig sucht und erkennt er veraltete oder entartete Zellen, baut sie ab und ersetzt diese durch funktionsfähige neue Zellen. Schädliche Bakterien werden angegriffen und spezifische Antikörper gegen sie gebildet. Wunden werden geschlossen und Verletzungen an Bändern, Gelenken und Knochen repariert. Diese Selbstheilungskräfte sind wiederum abhängig von genetischen und Umweltfaktoren, von der Ernährung, dem Lebensstil, der psychischen Verfassung und dem sozialen Umfeld.

Entstehen von Krankheiten. Das Entstehen von Krankheiten ist abhängig von den Abwehr- und Selbstheilungskräften des Organismus und der Stärke der toxischen Einflüsse. Bei besonders toxischen Erregern oder Stoffen können sich sofort Krankheitssymptome ausbilden. Während sich eine akute Krankheit als kraftvolle Aktion gegen krankmachende Einflüsse äußert, stellen chronische Krankheiten eher eine Anpassung des Organismus an derartige Einflüsse dar, die dieser nicht imstande war zu überwinden oder aufzulösen.

Erhöhung der Selbstheilungskräfte. Durch eine Auflösung krankmachender Einflüsse und durch Integration von Anteilen, die einen dysfunktionellen Anstieg oder einen Verlust relativer Autonomität erfahren haben, wird die Etablierung eines Gleichgewichts höherer Ordnung im Organismus unterstützt. Dies führt in der Regel zu einer Zunahme der Kompensationsmöglichkeiten, die wiederum die Fähigkeit der Selbstheilung verbessert.

1.2.3 Form und Funktion beeinflussen sich wechselseitig

Form versus Funktion. Die Beziehung zwischen der Struktur bzw. Anatomie des Körpers und seiner Funktion bzw. Physiologie ist die Grundlage der Diagnose und Therapie. Als Struktur werden die knöchernen, muskulären, faszialen, viszeralen und neuralen Teile und selbst die Körperflüssigkeiten (im Sinne einer beweglichen Struktur) des Organismus bezeichnet. Es besteht eine enge Beziehung zwischen der Art der Körperstrukturen und der Fähigkeit und Möglichkeiten des jeweiligen Menschen, sein Leben zu gestalten. Auf der anderen Seite führen bestimmte Anforderungen und Funktionen zur Ausprägung bestimmter struktureller Veränderungen, um diese Funktionen bestmöglich ausführen zu können (die Form folgt der Funktion). Gerade in der embryologischen Lebensphase entwickelt sich die Form in enger Wechselwirkung zur Funktion. Epigenetische Wechselwirkungen sind wesentlich für den Abruf genetischer Informationen.

Einfluss von Struktur und Funktion. Der gegenseitige Einfluss der Struktur und Funktion besteht auf

mechanischem Niveau zwischen den Gelenken, Muskeln, Knochen,

membranösem Niveau durch fasziale, ligamentäre Beziehungen zwischen den Organen und Geweben,

zirkulatorischem Niveau aufgrund des Verlaufs von Blut- und Lymphgefäßen und der Fluktuationen der Hirn- und Rückenmarkflüssigkeit,

neurologischem Niveau durch Informationsübertragung über die peripheren und zentralen Nervenbahnen,

biochemischem, hormonellem und elektrophysiologischem Niveau zwischen den Geweben und Organen,

emotionaler Ebene und Geistebene, z. B. über neurohormonelle, neuroimmunologische Prozesse.

Normale Struktur und abnorme Veränderung. Eine normale Struktur und ein physiologischer Spannungszustand der gesamten Körpergewebe sind notwendig, um seine optimale Funktion zu gewährleisten. Demgegenüber können abnorme strukturelle Veränderungen zu einer Verschlechterung der Funktion, wie z. B. zu einer verminderten lokalen Durchblutung von Geweben oder zu einer gestörten Verdauung führen, sodass es über lange Sicht zu krankhaften Erscheinungen kommen kann. Jedes Körpergewebe bzw. jede nur erdenkliche Beziehung verschiedener Gewebe sind dabei für den Osteopathen von Bedeutung. Im Weiteren sind auch die Entstehung von Strukturen sowie die diese Entstehung regulierenden Faktoren für das Verständnis der jeweiligen Störung und der Therapie von Bedeutung.

1.2.4 Die osteopathische Behandlung integriert alle vorher genannten Punkte

Behandlung der Körperstruktur. Sie basiert auf dem Verständnis und dem Wissen um die Einheit und die Selbstheilungskräfte des Körpers, ebenso wie um die Wechselwirkungen der unterschiedlichen Gewebe zu ihrer Funktion. Der Osteopath gebraucht keine Drogen, um den Körper zu beeinflussen, sondern beabsichtigt durch die Behandlung der Körperstruktur des Patienten, auf seine Physiologie einzuwirken. Die eigentliche osteopathische Behandlung ist manuell, obwohl Ernährung, psychische, soziale und andere Lebensfaktoren je nach Erfahrung und Ausbildung des Osteopathen mit berücksichtigt werden.

Anregung der Lebenskraft. Durch einen minimalen therapeutischen Eingriff an den Körpergeweben, insbesondere am Muskel-Faszien-Skelett-System, z. B. durch Behebung von Hindernissen für die Flüssigkeitsbewegungen, wird es der Lebenskraft ermöglicht, Störungen in normale Funktion zurückzubringen. Die integrative Funktion des Nerven- und des endokrinen Systems auf den gesamten Organismus und die unterstützende Funktion des Gefäßsystems sind dabei für den Osteopathen von zentraler Bedeutung.

Ziel ist Selbstheilung. Eine osteopathische Behandlung versucht also, Beziehungen zwischen Strukturen zu erkennen, um diese dann ggf. zu normalisieren, damit sich wieder eine „normale“ Körperfunktion einstellen kann. Dabei wird der Patient nicht durch den Behandler geheilt, sondern es ist vielmehr der Organismus, der durch die Impulse der osteopathischen Behandlung zu einer Selbstkorrektur geführt wird, und die Natur, die in die Lage versetzt wird, den erkrankten Teil zu heilen. Das Ziel der Behandlung ist, ursächliche Krankheitsfaktoren aufzulösen oder abzuschwächen, freie Beweglichkeit der Gelenke und Faszien wieder einzurichten, die Austauschprozesse der gesamten Körperflüssigkeiten zu normalisieren, die bioelektrischen Phänomene zu koordinieren, das autonome Nervensystem auszugleichen, die Harmonisierung der Körperstatik, die Auflösung viszeraler Störungen, die Unterstützung und Regulierung der ernährenden Körperelemente, die Vertiefung der Atmung, Entspannung, Ionisierung, die Widerstandskraft des Körpers zu stärken und ihn zu ermutigen, seine eigene selbstregulative Tätigkeit wieder zu übernehmen, um sich selbst zu heilen.

Ganzheitlichkeit des Organismus. Je stärker sich der therapeutische Eingriff an der Ganzheitlichkeit des Organismus orientiert, desto tiefgreifender und erfolgreicher wird er sein. Grundlagen jedes Osteopathen sind aus diesem Grunde sehr exakte theoretische und praktische Kenntnisse der gesamten Gewebestrukturen (faszial, ligamentär, artikular, nerval, vaskulär, viszeral usw.), deren Beziehungen und Wechselwirkungen zueinander sowie deren Physiologie und embryologische Entstehung.

Dysfunktion als Gewebe-Energie-Bewusstseins-Komplex. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Patient nicht eine statische, sondern eine sich dynamisch verändernde Entität darstellt, die zugleich Teil von Entitäten ist und sich innerhalb anderer Entitäten bewegt und bewegt wird. Je besser der Patient in diesem Kontext erfahren und verstanden wird, desto gezielter kann ein therapeutischer Impuls ausgeführt werden. Für die Diagnose untersucht der Osteopath zuerst die pathologischen Verhältnisse und die Art dieser Pathologien und sucht dann nach somatischen Dysfunktionen. Der Dysfunktionskomplex tritt jedoch nicht als reines Gewebemuster, sondern als Gewebe-Energie-Bewusstseins-Komplex in Erscheinung.

MerkeEine osteopathische Behandlung sollte nicht ohne eine genaue Diagnose erfolgen und es kann nur dann eine Behandlung empfohlen werden, wenn osteopathische Dysfunktionen gefunden werden.

Verschiedene Methoden, verschiedene Möglichkeiten. Still selbst gebrauchte verschiedene Vorgehensweisen. Einige davon werden heute nicht mehr benutzt, neue haben sich aus seinen Prinzipien entwickelt. Obwohl osteopathische Methoden auf den gleichen Grundsätzen beruhen (s. o.), hat jede Methode ihre eigenen diagnostischen Möglichkeiten und Behandlungstechniken. Auch kann eine entsprechende Diagnose mehrere Behandlungsmethoden ermöglichen.

1.3 Primär respiratorischer Mechanismus (PRM)

Der primär respiratorische Mechanismus (PRM) ist ein grundlegendes Modell in der klassischen kranialen Osteopathie. Seine Bestandteile bilden nach Sutherland die Grundlage für einen inhärenten, am Schädel und am gesamten Körper palpablen Rhythmus, der von der Herz- und Atmungsaktivität unabhängig und in einem etwas langsameren Rhythmus als die Atmung auftreten soll.

Motor der unwillkürlichen Bewegungen. Während der „Motor“ Muskulatur die Wirbelsäule bewegt, gibt es innerhalb des Schädels keinerlei Muskulatur, die diese Aufgabe erfüllen könnte. Nur einige exokraniale Muskeln inserieren am Schädel und beeinflussen die Mobilität der Schädelknochen, können aber nicht als eigentlicher Motor ihrer Beweglichkeit angesehen werden. Der PRM wird von Sutherland und Magoun als der Motor bzw. der Mechanismus angesehen, der die feinen unwillkürlichen Bewegungen im Organismus ermöglicht.

Fünf Faktoren des PRM. Der PRM setzt sich nach Magoun und Sutherland aus fünf Faktoren zusammen:

Motilität (inhärente Bewegung) des Gehirns und des Rückenmarks

Fluktuation der Hirn- und Rückenmarkflüssigkeit (Liquor cerebrospinalis, LCS)

Mobilität (Beweglichkeit) der intrakranialen und intraspinalen Membranen

Mobilität der Schädelknochen

unwillkürliche Mobilität (Beweglichkeit) des Sakrums zwischen den Beckenknochen

Primär. Der Mechanismus wird primär genannt, weil er direkt mit der inneren Gewebeatmung des Zentralnervensystems verbunden sein soll, das die Lungenatmung und die gesamten Körperfunktionen reguliert. Demgegenüber bezeichnete Sutherland die Lungenatmung als ein sekundär respiratorisches System, das durch die primäre Atmung kontrolliert wird.

Respiratorisch. Er wird respiratorisch genannt, weil er, ebenso wie die Lungenatmung, einen rhythmischen Vorgang darstellt, der Einfluss auf Austauschprozesse im Gewebe ausüben soll. Als intrakranialer anaboler wie kataboler Stoffwechselprozess soll er mit dem Nervensystem und dem LCS in Verbindung stehen.

Durch die rhythmische Drainage der gesamten Körpergewebe soll er auch eine bedeutende Rolle bei der Gewebeatmung des gesamten Organismus einnehmen. Die Gewebeatmung des Nervensystems wie des übrigen Körpers verläuft autonom und unwillkürlich.

Mechanismus. Er wird als Mechanismus bezeichnet, da er aus Teilen besteht, die zusammen den Mechanismus oder Motor bilden, der bestimmte rhythmische Erscheinungen, die PRM-Rhythmen, ermöglicht.

1.3.1 Inhärente, eigenständige Motilität von Gehirn und Rückenmark

Motilität und Mobilität. Motilität bezeichnet die Eigenschaft einer Substanz, ihre Form zu verändern. Mobilität hingegen bezeichnet die Eigenschaft der Positionsänderung eines Teils in Beziehung zu einem anderen Teil (z. B. die Bewegung des Keilbeins in Beziehung zum Hinterhaupt).

Vier Rhythmen am Schädel. Magoun beschreibt vier voneinander unterscheidbare Rhythmen am Schädel (Magoun 1951):

eine Bewegung, die mit dem Herzschlag synchron verläuft,

eine Bewegung, die sich in Übereinstimmung mit der Lungenatmung verhält, verbunden mit den wechselnden Druckverhältnissen während der Ein- und Ausatmung,

zwei rhythmische und unwillkürliche Bewegungen, unabhängig von den vorherigen.

Eigenbewegung des Hirngewebes. Jedes lebende Organ soll eine inhärente aktive Eigenbewegung (Motilität) haben. Nach Magoun findet im Gehirn eine langsame und rhythmische Auf- und Entrollung der Großhirnhemisphären statt (▶Abb. 1.2). In der einen Phase soll sich ihr longitudinaler Durchmesser verkürzen, während sie sich nach lateral verbreitern, in der anderen Phase sollen sie sich in ihrem longitudinalen Durchmesser verlängern und lateral verengen. Einige Osteopathen sind der Auffassung, dass diese feinste Bewegung eine Art Wiederholung der Wachstumsbewegung darstellt, die Gewebe und Organe in der Embryonalzeit ausführten. Dabei kommt es auch zu einer Dilatation und Kontraktion der Hirnventrikel.

Abb. 1.2 Hirnmotilität: langsame und rhythmische Auf- und Entrollung der Großhirnhemisphären.

Neuere Forschung weist darauf hin, dass eine pulsierende Hirnbewegungen und hydrodynamische Veränderungen in Zusammenhang mit der arteriellen (und venösen) Durchblutung auftreten und somit weniger mit den langsamen Rhythmizitäten in Verbindung zu stehen scheinen. Zudem wurden kontraktile Elemente in den Astrozyten des Gehirns nachgewiesen, die aber aufgrund der geringen Anzahl nicht ausreichen, um eine Gesamtbewegung des Gehirns zu induzieren.

1.3.2 Fluktuation der zerebrospinalen Flüssigkeit

Die Fluktuation der zerebrospinalen Flüssigkeit, einschließlich der Strukturen, die der Produktion und Resorption des Liquors dienen (Plexus choroideus, Villi arachnoidales), ist nach Magoun und Sutherland mitverantwortlich für die Wahrnehmung des vierten Rhythmus am Schädel, dem sog. Cranio-Rhythmic Impulse (CRI) oder kraniosakraler Rhythmus. Die zerebrospinale Flüssigkeit befindet sich in den vier Ventrikeln sowie im intra- und extrakranialen Subarachnoidalraum. Sie wird in den Plexus choroidei v. a. der Seitenventrikel gebildet und zum großen Teil in den Arachnoidalzotten ins venöse System zurückresorbiert.

Fluktuierender Liquor cerebrospinalis. Für Sutherland führt die Bewegung des Gehirns zur rhythmischen Verformung der Hirnventrikel mit der Folge eines fluktuierenden Liquor cerebrospinalis (LCS). Für Upledger wird die Fluktuation des LCS durch Variationen der LCS-Produktion verursacht.

Intrakraniale und intraspinale Membranen. Die intrakranialen und intraspinalen Membranen setzen sich an den Nervenaustrittsstellen des Schädels und der Wirbelsäule in die Nervenscheiden der austretenden Nerven fort. Dabei gelangt auch LCS entlang dieser Nervenscheiden in das extrakraniale System. Austauschprozesse in das lymphatische System und über Mikrotubuli (hohle Kollagenfasern mit einem Durchmesser von ca. 0,5µm) der Körperfaszien in die extrazelluläre Flüssigkeit sollen nach Sutherland und Magoun große physiologische Bedeutung haben.

1.3.3 Mobilität der intrakranialen und intraspinalen Membranen

Reziproke Spannungsmembran. Diese Membranen (Falx cerebri, Falx cerebelli, Tentorium cerebellum, Dura mater spinalis) bestehen aus derbem Kollagenfasergewebe und sind weitgehend unelastisch und fest. Die Fluktuation des LCS und die inhärente Motilität des Nervensystems sollen die Energie- und Kraftquelle für den kraniosakralen Rhythmus darstellen. Die Funktion dieser Membranen besteht darin, die einheitliche Bewegung der Schädelknochen und des Kreuzbeins zu gewährleisten und zu kontrollieren sowie zu begrenzen. Sie wurden von Sutherland deshalb „reziproke Spannungsmembranen“ genannt. Die reziproken Spannungsmembranen organisieren sich um einen mobilen und anpassungsfähigen Ruhepunkt, der sich am Sinus rectus befindet, das sog. Sutherland-Fulcrum.

Unwillkürliche Bewegung der Schädelknochen. Aus traditioneller Sicht empfangen die Membranen die rhythmischen Impulse des LCS, „wie die Segel den Wind auffangen“, übertragen diese an die Schädelknochen und koordinieren so die unwillkürliche Bewegung der Schädelknochen. Sie agieren als ein reziproker Spannungsmechanismus und sind in der Lage, auf funktionelle Anforderungen adäquat zu reagieren.

Wird ein Zug auf eine Membran ausgeübt, hat das adaptive Veränderungen der anderen Membranen zur Folge. Dieses Membransystem soll nach Sutherland dafür zuständig sein, dass sich die einzelnen Schädelknochen und das Kreuzbein während der Inspirations- und Exspirationsphasen gleichmäßig bewegen.

1.3.4 Mobilität der kranialen Knochen

Minimale ossäre Beweglichkeit. Der Schädel besteht aus 22 Schädelknochen (28 inklusive der Gehörknöchelchen), die untereinander über 100 Verbindungen bilden. Die Schädelnähte der Knochen besitzen minimale Beweglichkeiten, sodass Kraft- oder Druckeinwirkungen eine minimale messbare Bewegung hervorrufen. Außerdem besitzt jeder Schädelknochen, als lebendige, gut durchblutete (fluide) Struktur, ein gewisses Maß an Flexibilität bzw. Biegsamkeit und kann auf Druck mit Spannungsadaptionen reagieren. Je nach Knochen bzw. Knochenverbindung und unter Berücksichtigung interindividueller Unterschiede besteht eine minimale, aber bedeutende ossäre Beweglichkeit zwischen 12 und 25 µm. Die feinen Bewegungen der Schädelknochen sollen vom Osteopathen durch Betasten wahrgenommen und beurteilt werden können.

Pivotpunkte. Durch ihre spezifischen suturalen Gelenkflächen werden bestimmte biomechanische Bewegungsmuster der kranialen Schädelknochen ermöglicht. Die Stellen, an denen es zu einem Richtungswechsel der Schädelnähte kommt, werden Pivotpunkte genannt. Diese Stellen legen die Bewegungsachsen der Schädelknochen fest.

Inspiration und Exspiration. In der Inspirationsphase der primären Respiration sollen die Knochen in der Mittellinie eine Flexion und die Knochen in der Peripherie eine Außenrotation ausführen. In der Exspirationsphase sollen die Knochen der Mittellinie eine Extension und die Knochen der Peripherie eine Innenrotation ausführen. In der Inspirationsphase verkürzt sich der anterior-posteriore und der kraniokaudale Durchmesser des Schädels, es verbreitert sich der transversale Durchmesser. Auch eine alternierende Expansion während der Inspirationsphase und Kontraktion während der Exspirationsphase wurde beschrieben.

Synchondrosis/Synostosis sphenobasilaris. Die Synchondrosis/Synostosis sphenobasilaris (SSB) nimmt eine zentrale Stelle im knöchernen Schädelskelett ein. Sie wirkt als zentrale Stelle in der Medianlinie des Schädels und als Fulcrumansatzpunkt vieler faszialer Strukturen. Die peripheren Schädelknochen sollen sich an die feinen Bewegungen der in der Mittellinie befindlichen Schädelbasis anpassen, sodass in der klassischen Lehre der kranialen Osteopathie auf Höhe der SSB eine Beweglichkeit angenommen wird. Während diese Annahme für das Kindesalter aufgrund der noch nicht verknöcherten SSB als möglich erscheint, ist diese Annahme bei Erwachsenen nicht haltbar. Allerdings besitzt die SSB aufgrund zunehmender Pneumatisierung im Erwachsenenalter eine erhöhte Elastizität. Spannungsverhältnisse im Körper könnten sich auch u. U. auch im Erwachsenenalter in der SSB wiederspiegeln und z. B. in Form von Spannungsphänomenen palpiert werden.

Störungen des Kraniums. Auch Sutherland unterteilte in der Klinik die Störungen des Kraniums in zwei große Gruppen:

Störungen vor der vollständigen Bildung kranialer Suturen bei Kindern

Störungen nach der vollständigen Ausbildung der Schädelsuturen

1.3.5 Unwillkürliche Mobilität des Kreuzbeins zwischen den Darmbeinen

Übertragung der kranialen Bewegung auf das Kreuzbein. Die vom Foramen magnum ausgehende Dura mater spinalis inseriert auf Höhe des ersten oder zweiten Sakralwirbels im Innern des Kreuzbeinkanals. Die Verbindung wurde als „Core link“ bezeichnet. Der zweite Sakralwirbel (auf Höhe der Verbindung von langem und kurzem Arm der sakroiliakalen Gelenkfläche des Kreuzbeins) bildet auch die hypothetische Achse, um die sich das Kreuzbein im Rhythmus der primären Respiration bewegt. In der Inspirationsphase soll sich die Sakrumbasis nach posterior-superior und die Spitze nach anterior bewegen. Da die Dura mater spinalis die Fortsetzung der intrakranialen Dura darstellt, sollen kraniale Spannungsvariationen sich auch im Kreuzbein teilweise wiederspiegeln können und umgekehrt. Nicht zu vergessen sind allerdings ebenso Verbindungen zwischen Schädel und Kreuzbein über das Rückenmark, die Ligg. longitudinales anterior und posterior, über Muskeln-Faszien-Verbindungen und Fluida.

Physiologisches Funktionieren des kraniosakralen Systems. Jede der fünf genannten Strukturen ist nach Magoun erforderlich, um ein physiologisches Funktionieren des kraniosakralen Systems im Speziellen und des Organismus im Allgemeinen zu gewährleisten:

inhärente, eigenständige Motilität von Gehirn und Rückenmark

Fluktuation der zerebrospinalen Flüssigkeit

Mobilität der intrakranialen und intraspinalen Membranen

Mobilität der kranialen Knochen

Mobilität des Kreuzbeins zwischen den Darmbeinen

MerkeJede dieser Strukturen kann sich in Dysfunktion befinden und die kraniale Integrität beeinträchtigen; jede dieser Strukturen kann aber auch spezifisch behandelt und normalisiert werden. Störungen des kraniosakralen Systems können sich in anderen Körperregionen auswirken. Das gilt auch umgekehrt.

1.3.6 Rhythmus der primären Respiration

Sutherland vergleicht den Rhythmus des primär respiratorischen Mechanismus (PRM) bzw. der primären Respiration mit den Gezeitenbewegungen (tide) der Meere.

Ebbe, Flut und Wellen:

Der Rhythmus der primären Respiration bzw. der kraniosakrale Rhythmus ist essenziell in der Diagnose und Therapie kranialer Strukturen.

Demgegenüber ist die sekundäre respiratorische Atmung (Lungenatmung) viel schneller von äußeren Einflüssen veränderbar. Sie ist eher vergleichbar mit den Wellen der Meere, die sich je nach Witterungslage verändern und z. B. von Windverhältnissen beeinflusst werden.

MerkeDas primäre Atmungssystem soll sozusagen die Basis für das innere Milieu des Organismus bilden, während das sekundäre Atmungssystem als Bindeglied zwischen der wechselnden äußeren Umgebung und dem (relativ) stabilen inneren Milieu wirken soll.

So sind für Frymann die aktiven und passiven artikularen Bewegungen nur das sichtbare Achtel des Eisberges, während die inhärenten Bewegungen im Körper die versteckten sieben Achtel des Eisberges darstellen.

Kraniosakraler Rhythmus. Ausdruck des primär respiratorischen Mechanismus ist aus biomechanischer Sicht der kraniosakrale Rhythmus. Diese unwillkürliche rhythmische Bewegung soll am Schädel und Kreuzbein, aber auch im übrigen Körper vorhanden sein.

Der Begriff „cranio-rhythmic impulse“ (CRI) sollte ursprünglich unabhängig vom primär respiratorischen Mechanismus nur die messbare, physiologische unwillkürliche und rhythmische 10 – 14-mal/min auftretende Expansions- und Retraktionsbewegung am Schädel bezeichnen.

Im weiteren Verlauf des Buches werden die Begriffe „cranio-rhythmic impulse“ (CRI), „kraniosakraler Rhythmus“ und „Rhythmus des PRM/der primären Respiration“ synonym benutzt. Es werden verschiedene Rhythmusformen unterschieden.

Man nimmt an, dass eine Art des unwillkürlichen kraniosakralen Rhythmus beim Menschen und bei den meisten anderen Wirbelträgern vorkommt. Andere Rhythmen der primären Respiration sollen auch bei anderen Lebewesen vorkommen oder sogar außerhalb des Organismus.

1.3.7 Frequenzen der primären Respiration

Sutherland selbst hat nie genaue Angaben zu Frequenzen gemacht. Im engen Kreis seiner Studenten soll er jedoch von einem etwas schnelleren und einem langsameren PRM-Rhythmus gesprochen haben.

Im Folgenden werden nur die klassischen Frequenzen des PRM-Rhythmus bzw. kraniosakralen Rhythmus aufgezählt:

10 – 14 Zyklen pro min: 4 – 6 s Zyklus (Magoun, Traube-Hering-Oszillation)

6 – 12 Zyklen pro min: 5 – 10 s Zyklus (Upledger)

8 – 12 Zyklen pro min: 5 – 7,5 s Zyklus (Becker, Upledger)

2,5 Zyklen pro min: 24 s Zyklus (Jealous)

6 – 10 Zyklen in 10 min: 60 – 100 s Zyklus (Beckers „slow [large] tide“, Mayer-Oszillation)

1 Zyklus in 5 min: 300 s Zyklus (Liem, Lewer-Allen, Bunt et al.)

Atem des Lebens:

Becker beschrieb einen Rhythmus von 6 Zyklen pro 10 min, den er die „große Gezeitenbewegung“ nannte und den Jealous in Anlehnung an Sutherland als den „Atem des Lebens“ bezeichnete.

Jealous palpiert zusätzlich einen Rhythmus mit 2,5 Zyklen pro min.

Die beiden letztgenannten Rhythmen sind nach Jealous im Gegensatz zum CRI weder durch die Physiologie oder Dysfunktion des Organismus noch durch äußere Einflüsse in ihrer Frequenz und Amplitude beeinflussbar und sollen weitaus größere Bedeutung für den Gesamtorganismus besitzen als der CRI.

Der sog. „Atem des Lebens“ soll nach Jealous ganz direkt mit der Potenz des Individuums verbunden sein. Durch Bewusstwerdung dieses Rhythmus sollen danach die tiefsten Heilungsprozesse möglich werden.

Liem palpierte zusätzlich einen Rhythmus von 1 Zyklus pro 5 min, der auch von Lewer-Allen und Mitarbeitern gemessen wurde. Lewer-Allen, Bunt et al. registrierten über CT-Scans zusätzlich phasische Bewegungsmuster der Gehirndichte und der ventrikulären Form mit einem Zyklus von etwa 33 min (2000 Sekunden-Zyklus).

Entstehen des Rhythmus. Über die Entstehung des PRM-Mechanismus gibt es zahlreiche Mutmaßungen. Die bekannteste darunter, die jedoch kontrovers diskutiert wird, ist, dass die Eigenbeweglichkeit des Hirngewebes und die Fluktuation des LCS für die Entstehung des Rhythmus verantwortlich sind.

Ein anderer Erklärungsansatz ist, dass eine Kombination aus Atem- und Herzrhythmus die Ursache für den kraniosakralen Rhythmus sein könnte. Hierbei würde die arterielle Expansion und die damit verbundene Volumenveränderung im Gehirn zu einer Kompression der Ventrikel führen, die wiederum den Liquorfluss beeinflussen könnte. Da der Herzrhythmus deutlich schneller als der kraniale ist, bleibt die Frage, ob weitere Faktoren an diesem Geschehen teilhaben.

Zudem erwähnt werden sollen hier das Entrainment-Modell (CRI entstehend aus Synchronisation verschiedener biologischer Oszillationen), lokale Venomotion (Kontraktion venöser Gefäßmuskulatur im Bereich der Sinus venosi) und der mögliche Zusammenhang zwischen Traube-Hering-Mayer-Oszillation und dem CRI (Interaktion zwischen sympathischen und parasympathischen Komponenten und Herz-Kreislauf-System).

Der bisherige Stand der Forschung reicht noch nicht weit genug, um zu einem konkreten und allumfassenden Ergebnis in Bezug auf den kraniosakralen Rhythmus zu kommen. Der praktizierende Therapeut sollte seiner eigenen Wahrnehmung vertrauen, ein Gefühl dafür entwickeln und trainieren, das zu erkennen, was normal ist und was von der Normalität abweicht.

Koordination der rhythmischen Erscheinung am Schädel:

Über die hydrodynamischen Eigenschaften des Liquors und die mechanischen Eigenschaften der Meningen wird der Rhythmus gleichmäßig auf die übrigen Strukturen übertragen.

Die Meningen sollen die Bewegung regulieren und begrenzen.

Intraossale Elastizität und suturale Flächen der Schädelknochen bestimmen und ermöglichen die jeweiligen spezifischen Schädelknochenbewegungen.

Die Bewegungen entstehen als Anpassung und Reaktion auf die intrakranialen Druck- und Spannungsveränderungen.

Durch den LCS, Dura mater spinalis, Rückenmark, Ligamente, Muskeln könnten Spannungen u. U. von der Schädelbasis auf das Kreuzbein übertragen werden.

Vielleicht bestehen auch rhythmische Wechselwirkungen zwischen Kranium und übrigem Körper über die faszialen Verbindungen und Muskelketten von den Öffnungen an der Schädelbasis und der Wirbelsäule zu zervikalen, thorakalen Bauch- und Beckenfaszien.

2 Palpation

2.1 Methodik der Palpation

Allgemein. Einstimmung auf die unterschiedlichen Charakteristika und Wahrnehmungen der Palpation, um eine Vorstellung von der Organisation des Patienten, seinen Dysfunktionen sowie deren Bedeutung für die Gesamtpersönlichkeit zu bekommen.

Erste Schritte:

Therapeut stellt sich auf das Gewebe ein

er vergrößert und verstärkt das zu untersuchende Gebiet in seiner Wahrnehmung

Interpretation des Wahrgenommenen und Ertasteten

Übertragung in anatomische, physiologische, pathologische und Sinnzusammenhänge

Wichtig. Voraussetzung der kraniosakralen Behandlung:

umfassendes, praktisches Wissen

Fähigkeit zur Visualisierung des kraniosakralen sowie des gesamten Körpersystems vor dem inneren Auge

Einweisung durch einen geschulten Lehrer in die Philosophie der Osteopathie

2.2 Praxis der Palpation

Günstige Bedingungen schaffen

mögliche störende Geräuschquellen während der Behandlung ausschalten: z. B. Telefon ab- bzw. leise stellen

grelles Licht abdämpfen

für einen ausreichend geheizten Raum sorgen

auf warme, trockene, angenehm riechende Hände achten

Vorbereitung des Therapeuten

Entspannung:

evtl. Augen schließen, entspannen

ruhig und tief atmen

sich von äußeren Eindrücken frei machen

sich zentrieren und von Erwartungen lösen

leer und offen werden

sich der eigenen emotionalen Verfassung bewusst werden

MerkeJe angespannter der Therapeut sich konzentriert und je stärker er sich verspannt, umso mehr wird seine Wahrnehmung durch Störreize getrübt. Auch der Patient reagiert darauf mit eigenen muskulären und energetischen Anspannungen, was wiederum die Behandlung erschwert!

Übung zur Entspannung:

bewusstes Anspannen der Finger, Hände, Unterarme, Schultern und Brustmuskeln

in umgekehrter Reihenfolge loslassen

Ziel: bewusstere Dosierbarkeit des Druckes der Hände bei Annäherung an den Schädel

Vorbereitung des Patienten

Hinweise für den Patienten:

Haarspangen u. Ä. entfernen

ggf. Zahnprothese herausnehmen

bequeme Lage einnehmen, evtl. mit Kissen unter Kopf oder Knien

ein paar tiefe Atemzüge ausführen oder tief seufzen

entspannen

Arbeitshaltung

Nehmen Sie eine entspannte Haltung ein:

gute Arbeitshöhe der Liege, guter Stuhl

guten Kontakt der Füße zum Boden

stabile aufrechte Körperlage, nicht über den Patienten beugen

nicht auf den Patienten stützen

den eigenen Körper während der Arbeit bewusst entspannen, v. a. die Schultern, den Rücken und die Hände

Kontaktaufnahme

Annähern der Hand an den zu untersuchenden oder zu behandelnden Körperteil

dem Patienten mit der Hand Vertrauen und Sicherheit signalisieren

nähern Sie Ihre Hand sanft dem zu untersuchenden oder zu behandelnden Körperteil

Signalisieren Sie Ihrem Patienten mit Ihrer Hand Vertrauen und Sicherheit. Mit Übung und mit zunehmender Bewusstheit für die eigene Intention und Energie und umgebende dynamische Stille kann der Therapeut lernen, statt seine eigene Energie und Intention in den Heilungsprozess einzubringen, offen zu werden und Vertrauen in die Prozesse zu gewinnen, die zwischen den Händen des Therapeuten und dem Gewebe des Patienten geschehen.

MerkeGeduldiges, aufmerksames Warten ist die größte Kunst im Heilungsprozess und eröffnet die meisten Einsichten.

Position der Finger

Finger an die gewünschten Stellen legen, z. B. auf eine Schädelnaht oder auf den großen Keilbeinflügel

gute Positionierung ist die Voraussetzung für effizientes, erfolgreiches Arbeiten

Fokus der Aufmerksamkeit im Brustbereich

Fokussierung der Aufmerksamkeit während der Palpation nicht vom Stirnbereich, sondern eher vom Brustbereich auf Höhe des Herzens

Integration und Harmonisierung der Energien von Körper und Geist durch die Herzregion

dadurch Verhinderung einer zu angespannten, invasiven Konzentration

Begünstigung der Qualitäten von Mitgefühl und Gleichmut im Therapeuten

Erleichterung des Zugangs zum Fulcrum der dynamischen Stille im Patienten sowie zur umfassenden Wahrnehmung des Patienten

Wahrnehmung und Wahrnehmungsverstärkung

Ziel:

den unterschiedlichen Empfindungen, Strukturen und Bewegungen zuhören

die Wahrnehmung der zu untersuchenden Strukturen (kraniale, fasziale, muskuloskelettale, vaskuläre, viszerale, emotionale Strukturen) verstärken

Vorgehen:

gleichsam das Innere des Körpers in die Hände dringen lassen

nicht bzw. möglichst wenig intervenieren

passiver, aufmerksamer Zuhörer bleiben und die Informationen der Gewebe zu sich kommen lassen, ohne sie zu analysieren

Visualisieren der Struktur

Voraussetzung:

gute anatomische Kenntnisse der Strukturen und ihrer Verbindungen zueinander

Entwicklung eines detaillierten wie synthetischen inneren Bildes der zu untersuchenden Gewebe, ihrer Qualitäten und Merkmale

Interpretation des Wahrgenommenen

Erst nach Aufnahme der Informationen werden diese vom Therapeuten in die eigene Sprache übersetzt und analysiert:

er geht dabei vom Allgemeinen zum Speziellen, beobachtet z. B. Rhythmus, Amplitude, Kraft, Symmetrie (s. u.)

ausgehend von der Kenntnis des Normalzustands ist der Therapeut fähig, das „nicht Normale“ zu erkennen und sein Entstehen zu begreifen

MerkeVermeiden Sie möglichst die Ausführung von stechenden, stoßenden oder hastigen Bewegungen. Der Patient reagiert darauf meist mit Verspannung.

3 Allgemeine Kopf- und Sakrumpalpation

Sitzen Sie möglichst oft aufrecht auf Ihren beiden Sitzbeinhöckern, mit den Knien 90° flektiert. Mit beiden Füßen sollten Sie guten Kontakt zum Boden haben.

Im Folgenden wird anstelle des Begriffs „Bewegung“ der Begriff „Spannungsadapation“ (SA) oder „Spannungsvariation“ (SV) benutzt, da die „Bewegungen“ in der kranialen Sphäre im Vergleich mit Bewegungen echter Gelenke äußerst gering sind. Die folgenden „Bewegungsbeschreibungen“ sind hypothetisch. Ein deutlicher Unterschied in der Beweglichkeit besteht in der Palpation des Schädels und der Schädelbasis von Kleinkindern gegenüber Erwachsenen.

3.1 Schädeldachhaltung nach Sutherland (▶Abb. 3.1)

Abb. 3.1 Schädeldachpalpation nach Sutherland.

Therapeut:

Position am Kopfende des Patienten

Ellenbogen auf dem Behandlungstisch aufliegend

Handposition:

Hände beidseitig am Schädel

Zeigefinger auf Höhe der großen Keilbeinflügel, hinter dem lateralen Augenwinkel

Mittelfinger an den Schläfenbeinen, vor den Ohren

Ringfinger an den Schläfenbeinen, hinter den Ohren

kleine Finger seitlich auf Höhe des Hinterhaupts

Daumen berühren sich nach Möglichkeit oberhalb des Schädels; sie dienen als äußerer Fixpunkt

Weiteres Vorgehen:

entsprechend der Palpation inhärenter rhythmischer adaptiver SV

Befundung: Symmetrie, Frequenz, Amplitude, Endgefühl, natürliches Disengagement, natürliche Kompression, Leichtigkeit und Kraft der Bewegung, aberrante Bewegungen und Zugspannungen

verschiedene inhärente Rhythmen können berücksichtigt werden

Wahrnehmen des rhythmischen An- und Abschwellens des Schädels: In welchen Bereichen findet die SV gut statt, in welchen ist sie eingeschränkt oder modifiziert?

Praxistipp

Wenn Sie nicht sicher sind, ob die wahrgenommene SV am Patienten seinem Atemrhythmus oder anderen inhärenten Rhythmen entspricht, lassen Sie ihn für einen Augenblick den Atem anhalten. Die jetzt wahrgenommene rhythmische und sanfte Bewegung, die den Schädel in seinem transversalen Durchmesser erweitert und annähert, wird von anderen inhärenten Rhythmen hervorgerufen. Um die inhärenten unwillkürlichen Rhythmen des Patienten von eigenen zu unterscheiden, ist es möglich, die Hände für einen Moment auf den eigenen Schädel zu legen und die eigene Schädelbewegungen/SV mit denen des Patienten zu vergleichen.

Sobald Sie gut vertraut mit dem allgemeinen An- und Abschwellen des Schädels sind, erspüren Sie die Inspirations- und Exspirationsphase in der Region der Schädelbasis (Synchondrosis/Synostosis sphenooccipitalis [SSB]).

SV der Inspirationsphase:

Alae majores nach inferior, anterior und lateral

laterale Teile des Os occipitale nach inferior und anterior (kranialer Teil der Squama occipitalis nach inferior-posterior)

SV der Exspirationsphase:

Alae majores und Os occipitale nach superior und posterior (kranialer Teil der Squama occipitalis nach superior-anterior)

3.2 Okzipitosphenoidale Palpation nach Becker (▶Abb. 3.2)

Abb. 3.2 Okzipitospenoidale Palpation nach Becker.

Therapeut:

Position am Kopfende des Patienten

Ellenbogen auf dem Behandlungstisch aufliegend

Handposition:

Daumen beidseitig an den großen Keilbeinflügeln

Zeigefinger hinter den Ohren, auf den Processus mastoidei

Mittelfinger hinter den Ohren, auf den Partes mastoideae

Ringfinger hinter den Suturae occipitomastoideae auf dem Hinterhaupt

kleiner Finger auf der Hinterhauptschuppe

SV der Inspirationsphase:

Alae majores nach unten-vorn-außen

Processus mastoidei nach posterior-medial

Partes mastoideae nach anterior-lateral

Os occipitale nach vorn-unten

3.3 Okzipitosphenoidale Palpation nach Upledger (▶Abb. 3.3)

Abb. 3.3 Okzipitospenoidale Palpation nach Upledger.

Sie ist eine etwas abgewandelte Form der okzipitosphenoidalen Palpation nach Becker.

Therapeut:

Position am Kopfende des Patienten

Ellenbogen auf dem Behandlungstisch aufliegend

Handposition:

Daumen beidseitig an den großen Keilbeinflügeln

kleine Finger und Ringfinger beidseitig am Hinterhaupt

SV der Inspirationsphase:

Alae majores nach unten-vorn-außen

Os occipitale nach vorn-unten

3.4 Sphenookzipitale Palpation nach Magoun

Therapeut:

Position am Kopfende, schräg seitlich zum Patienten

Handposition:

Daumen und Mittelfinger (oder Zeigefinger) der oberen Hand umgreifen von lateral die großen Keilbeinflügel

untere Hand nimmt Hinterhaupt in die Handinnenfläche, die Finger zeigen nach lateral

SV der Inspirationsphase:

Alae majores nach inferior und anterior

kranialer Teil der Squama occipitalis nach inferior und posterior

SV der Exspirationsphase:

Alae majores nach superior und posterior

Squama occipitalis nach superior und anterior

3.5 Frontookzipitale Palpation nach Sutherland (▶Abb. 3.4)

Abb. 3.4 Frontookzipitale Palpation nach Sutherland.

Therapeut:

Position am Kopfende des Patienten

Handposition:

obere Hand auf dem Stirnbein, Finger zeigen nach kaudal

Mittelfinger auf der Sutura metopica oberhalb des Nasions

übrige Finger lateral daneben

untere Hand umgreift das Hinterhaupt mit der Handinnenfläche, Finger zeigen nach kaudal

Alternative Möglichkeit:

Therapeut seitlich am Kopfende des Patienten

obere Hand von der Seite her auf dem Stirnbein, Finger zeigen nach lateral

untere Hand unter dem Hinterhaupt, Finger zeigen nach lateral

SV der Inspirationsphase:

Augenbrauenbögen nach anterior-inferior

seitliche Teile der Augenbrauenbögen nach außen (Außenrotation)

kranialer Teil der Hinterhauptschuppe nach inferior-posterior

In der Exspirationsphase:

Augenbrauenbögen nach posterior-inferior

laterale Teile der Augenbrauenbögen nach innen (Innenrotation)

Squama des Hinterhaupts nach superior-anterior

3.6 Gleichzeitige Palpation an Schädel und Sakrum

Palpation an Schädel und Sakrum (▶Abb. 3.5)

Abb. 3.5 Okziput-Sakrum-Palpation in Seitenlage.

Patient:

Seitenlage

Therapeut:

Position an der dorsalen Seite des Patienten

zwischen Hinterhaupt und Kreuzbein sitzend

Handposition:

eine Hand befindet sich auf der Hinterhauptschuppe, die Finger zeigen nach kranial

andere Hand liegt am Sakrum, die Finger zeigen nach kaudal

Dornfortsätze des Sakrums befinden sich zwischen Mittel- und Ringfinger

SV der Inspirationsphase:

Sakrumspitze an den Fingern nach anterior

Sakrumbasis nach dorsal

kranialer Teil der Squama occipitalis nach inferior und posterior

SV der Exspirationsphase:

Sakrumspitze an den Fingern nach posterior

Sakrumbasis nach anterior

Squama occipitalis nach superior-anterior

Alternative Möglichkeit:

Patient in Rückenlage

Therapeut sitzt seitlich am Patienten; schiebt seine Hand unter das Os occipitale und das Sakrum

SV der Inspirationsphase: Lambda nach inferior-posterior, Basis sacralis nach superior-posterior

Palpation am Sakrum (▶Abb. 3.6)

Abb. 3.6 Palpation des Sakrums in Rückenlage.

Therapeut:

Position seitlich neben dem Patienten, auf Höhe des Oberschenkels

Handposition:

flache Hand unter das Sakrum

Finger nach kranial gerichtet

Sakrumspitze liegt in der Handfläche

Dornfortsätze des Sakrums zwischen Mittel- und Ringfinger

Ellenbogen auf der Liege aufgestützt

SV der Inspirationsphase:

Spitze des Sakrums nach anterior

Basis nach posterior

Alternative Möglichkeit:

Patient in Bauch- oder Seitenlage

Positionierung der Finger am Sakrum entspricht der Handposition in Rückenlage

Teil 2 Diagnose, Behandlung, Anatomie

4 Diagnoseprinzipien

5 Behandlungsprinzipien

6 Schädel

7 Einzelne Schädelknochen

8 Faszien und transversale Diaphragmen

4 Diagnoseprinzipien

MerkeMehr als einmal äußerte Sutherland, dass bei einer richtigen Herangehensweise an einen Patienten mehr diagnostiziert und beobachtet als behandelt werden sollte.

Elemente der Diagnose. Die Diagnose in der kraniosakralen Osteopathie umfasst:

Aufnahme der Fallgeschichte

Inspektion des Patienten

evtl. Auskultation

Palpation

Subjektivität der Befunde. Diagnostische Befunde und ihre Interpretationen sind subjektiv geprägt und vom Erfahrungshorizont und Kenntnisstand des Therapeuten abhängig. Deshalb sollte der Therapeut seine Befunde dem Patienten nur bedingt mitteilen und sie nicht als unumstößliche Wahrheiten darstellen. Jede Aussage seitens des Therapeuten wird aufgrund der therapeutischen Situation großen Einfluss auf den Patienten haben.

MerkeZu fördern ist die Wahrnehmung des Patienten für seinen eigenen Organismus und für die Wechselwirkung zwischen Innen- und Außenwelt.

Erkennen der Veränderungen und Restriktionen. Eine besonders wertvolle Diagnose sollte stets eine bestimmte Idee vermitteln von den Veränderungen, die im Menschen stattgefunden haben, und von den Restriktionen der Gewebe:

Die Funktion des Organismus in Beziehung zur

Vergangenheit

: Wie hat der Organismus funktioniert und welche Einflüsse haben zu seiner jetzigen Funktionsweise geführt?

Die Funktion und Organisation des Organismus in der

Gegenwart

: Welche Koordinations- und Organisationsformen halten die jetzige Homöostase des Organismus aufrecht? Welches Ungleichgewicht reflektieren bestimmte Dysfunktionen? Wo befindet sich das Gleichgewicht des Ungleichgewichts (sei es innerhalb oder außerhalb des Organismus)?

Die Funktion des Organismus und der Körpergewebe in die

Zukunft

projiziert: Wie wird dieser Organismus mit seiner jetzigen Organisation in der Zukunft funktionieren? Wohin ist das Ungleichgewicht orientiert, auf welches potenzielles Gleichgewicht ist es ausgerichtet? Wie sieht die potenzielle Herausforderung aus? Welche potenziellen Gefahren sind absehbar?

Ätiologie. Eine gute Diagnose beinhaltet stets auch die Suche nach möglichen Ursachen und Auslösern der Störung:

Unfälle

Narben

prä-, peri- und postnatale Traumen

Stürze auf Becken, Kreuz- oder Steißbein

Beckenbodenschwäche

Homöostatisches Gleichgewicht. Schließlich können wir anhand des Zustands des homöostatischen Gleichgewichts im Körper auch beurteilen, ob der Organismus überhaupt fähig ist, therapeutische Interaktionen zu integrieren oder ob seine Ressourcen unter Umständen dadurch überfordert werden. Inwieweit ist etwa ein Körpersystem so verändert und beeinträchtigt, dass es nicht einmal mehr auf die anderen Systeme hören bzw. reagieren kann?

Beginn der Diagnostik. Die Diagnostik beginnt mit dem ersten Eintritt des Patienten in die Praxis und dem ersten Händeschütteln. Zu beachten sind:

Art des Ganges

Qualität und Kraft des Händedruckes

Kopfhaltung

Schulter- und Beckenposition

Wirbelsäulenkrümmung usw.

Informationssammlung. In der Regel wird der Behandler zunächst Informationen sammeln, um Einsicht in die Wahrnehmung des Patienten, den Krankheitsverlauf und in die bisherigen Untersuchungen zu erlangen. Diese Informationen sollten bei der palpatorischen Untersuchung jedoch, so gut es geht, wieder „vergessen“ werden. Der Therapeut wird somit in die Lage versetzt, möglichst unvoreingenommen mithilfe seiner Sinnesorgane, insbesondere seiner Hände, sich der Geschichte, die der Körper und seine Gewebe erzählen, zu widmen.

Praxistipp

Es ist sehr hilfreich, wenn wir uns erlauben, unsere gesamten Ressourcen, die wir im Alltag im Umgang mit Menschen ganz selbstverständlich und ohne nachzudenken benutzen, auch in der Praxis einzusetzen.

4.1 Anamnese

Spontanbericht. Beschreibung des Hauptleidens:

freie Erzählung des Patienten

Ermutigung zur genaueren Beschreibung

Klärung von Unklarheiten

Vermittlung, dass Gefühle und Emotionen ebenso wichtig sind wie Fakten

Gezielte Befragung. Nachdem der Patient seinen spontanen Bericht beendet hat und Sie eine chronologische Ordnung seiner Störungen aufgenommen haben, fragen Sie gezielt nach noch offenen Unklarheiten im Verständnis seiner Problematik. Erstens suchen Sie Ursachen von Symptomen und zweitens Faktoren, die diese aufrechterhalten. Versuchen Sie, sich ein möglichst genaues Bild seiner Symptomatik zu machen:

Dauer ihres Bestehens

Beginn

Erscheinungsbild

Intensität

Verlauf

Begleitsymptome

Besserung, Verschlimmerung

bisherige Therapien

MerkeEine systematische Aufnahme aller verfügbaren Informationen, die den Patienten betreffen, ist vorzunehmen. Insbesondere der Chronologie der Beschwerden, Unfälle, Traumen usw. von der Kindheit bis zum jetzigen Zustand kommt Bedeutung zu.

Groborientierung. Die Anamnese sollte dem Behandler auch einen Hinweis darauf geben:

Welche großen Körpersysteme bei der aus dem Gleichgewicht geratenen Homöostase des Organismus besonders betroffen sind, z. B. das

muskulofaszialskelettale,

neurovegetative,

zirkulatorische,

viszerale,

endokrine System?

Sind es äußere Einflüsse wie Ernährung, Umweltgifte oder psychische Belastungen usw.?

Bestehen Wechselwirkungen zwischen diesen Systemen?

Diese Erkenntnisse geben eine Richtschnur dafür, welche Untersuchungen anschließend wesentlich und sinnvoll sind.

4.2 Inspektion

MerkeDie Inspektion umfasst die allgemeine Betrachtung der Haltung und Bewegung des Patienten, um eine Vorstellung von der Organisation des muskulofaszialskelettalen Systems zu bekommen.

Körperorganisation. Einzelne Strukturen werden genauer untersucht, ohne allerdings die Organisation des Körpers in seiner Gesamtheit zu vernachlässigen:

Steht eine Schulter höher als die andere?

Sind die Beckenknochen asymmetrisch?

Wie sind die Positionen der Füße und der Knie?

Welche Krümmungen sind in der Wirbelsäule vorhanden?

Haltung des Kopfes?

Zuckungen eines Augenlids oder des Massetermuskels?

Rötung an einer umschriebenen Körperstelle?

Eventuell kann man den Patienten auch Bewegungen ausführen lassen und die Amplitude vergleichen, um Einschränkungen festzustellen.

Benennung der Dysfunktion. Die Dysfunktion erhält ihre Bezeichnung nach der Richtung, in die sich der Knochen oder das Gewebe besser bewegen kann. Ist die Beweglichkeit eines Stirnbeines z. B. in die Außenrotation eingeschränkt, würde dies „Os frontale in Innenrotation“ genannt werden.

4.3 Schädelform

MerkeDie Form des Kraniums kann vor allem bei Kleinkindern zur Differenzierung pathologischer oder funktioneller Störungen herangezogen werden. Auch gibt sie erste Hinweise auf die Schwere einer Dysfunktion. Bei Erwachsenen ermöglicht die Schädelform kaum Hinweise auf aktuelle Dysfunktionen des Schädels.

Es können folgende normale Schädelformen unterschieden werden:

brachiocephalischer Typ: runde, breite Form

mesocephalischer Typ: mittlere Form

dolichocephalischer Typ: längliche, schmale Form

dinarischer Typ: vorn schmal, hinten breit

Diese Schädeltypen können weiter in Schädelformen mit hervorstehendem Kiefer und in Schädelformen mit nur wenig hervorstehendem Kiefer unterteilt werden.

Kraniosynostose. Dysmorphismus kann eines der ersten Anzeichen einer Kraniosynostose darstellen, ohne jedoch Aussagen über Kausalitäten zu ermöglichen. Es besteht Uneinigkeit darüber, ob Synostosen der Schädelbasis oder des Schädeldaches für die Ausbildung pathologischer Schädelformen verantwortlich sind.

Diagnostische Hilfsmittel. Neben der Inspektion und der Palpation können zur Beurteilung der Schädelform auch Maßband, Fotografie, Röntgenbild, Computertomographie usw. herangezogen werden. Osteopathische Dysfunktionen der Schädelbasis können, v. a. wenn sie vor Verknöcherung der Schädelstrukturen auftraten, zu sichtbaren Veränderungen des Schädels führen.

4.4 Palpation

MerkeZu Beginn der palpatorischen Untersuchung wird stets eine innere Haltung der Defokussion eingenommen, d. h. jede Fokussierung wird bewusst vermieden und ein absichtsloser Kontakt mit dem Gewebe zugelassen.

Palpatorische Befunderhebung. Sie vollzieht sich vom Allgemeinen zum Speziellen, vom Globalen zum Lokalen und wieder zurück zum Globalen. Im Weiteren wird sie sich in einer Art oszillatorischer Fokussierung und Defokussierung und rhythmischer Überprüfung der lokalen und globalen Interaktion immer genauer dem individuellen Organisationsmuster des Patienten annähern.

Für diese Befunderhebung wird zuvor ein „neutraler Zustand“ eingeleitet, ganz besonders, wenn die inhärenten Gewebedynamiken palpiert werden.

Gewebeinformation. Durch die Palpation kann der Therapeut direkt mit den Informationen der Gewebe in Kontakt treten. Vom Gewebe erfährt der Therapeut, welche Prozesse im Körper ablaufen, wann die Störungen begonnen haben und wie sie sich weiterentwickeln werden. Das Gewebe erzählt selbst, wie, was, wo passiert ist. Weder Röntgenbilder noch Computertomographien oder chemische Analysen können uns die Informationen geben, die das Gewebe uns selbst durch die Palpation mitteilt. Die Hände des Therapeuten schmiegen sich durch eine einfühlsame und weiche Berührung dem Körper des Patienten an. Es ist weniger das, was ich durch meine Fingerberührung fühle, als das, was der Körper des Patienten mir durch meine Berührung mitteilt.

MerkeDiese Bewusstheit zu entwickeln, ist eine der hohen Künste in der kraniosakralen Osteopathie.

Es ist relativ leicht, die Spannungen der Traumata und Störungen in den Geweben zu erfühlen, aber in diesen Manifestationen gibt es eine sog. Potenz, die diese Spannungen zentriert. In jeder Dysfunktion des Körpers existiert ein Ruhepunkt, der die sog. Potenz dieser Dysfunktion verkörpert. Da diese Potenz alle Spannungen zentriert, hat auch jede Veränderung in dieser Stelle eine Veränderung der Spannungsmuster in ihren strukturell funktionellen Zusammenhängen zur Folge.

4.4.1 Palpation einzelner Strukturmerkmale

Diese Angaben sind hypothetisch. Die folgenden Hinweise dienen zur Palpation der Form, aber auch zur Palpation rhythmischer Spannungsvariation.

Os frontale
Os sphenoidale

Ala major:

erhöht (IR) oder

erniedrigt (AR)

Fossa temporalis:

tief (IR) oder

flach (AR)

Os zygomaticum

hervorstehend (AR) oder zurückgewichen (IR)

Augenrand:

nach innen (IR) gekehrt oder

nach außen (AR) gekehrt

Sutura temporozygomatica:

nach unten-außen und leicht nach vorn (AR) oder

nach oben-innen und leicht nach hinten (IR)

Maxilla

Processus orbitalis:

abgeschrägt (AR) oder

gerade (IR)

Processus palatinus:

tief (AR) oder

hoch (IR)

Processus alveolaris:

vertikalisiert (IR) oder

nach außen gedreht (AR)

Os palatinum

Lamina horizontalis:

tief (AR) oder

hoch (IR)

Orbita

superior-medialer, inferior-lateraler Durchmesser:

verkleinert (IR) oder

vergrößert (AR)

Angulus frontozygomaticus:

verkleinert (IR) oder

vergrößert (AR)

Augapfel:

zurückgewichen (IR) oder

hervorstehend (AR)