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Kommissarin Pia Korittki ist zu Besuch im dänischen Aarhus, wo gute Freunde von ihr ein Hotel eröffnet haben. Und Pia ist fest entschlossen, sich ihre freien Tage diesmal von nichts und niemandem verderben zu lassen.
Selbst als sie von einem Unbekannten überfallen wird, hält Pia an ihrem Vorsatz fest: Keine eigenen Ermittlungen! Doch als eine Frau im Hotelrestaurant an einer Vergiftung stirbt, kann Pia sich nicht mehr zurückhalten. Schon bald kommt sie einem gefährlichen Geheimnis auf die Spur - und einem Täter, der nicht vergessen kann ...
Weitere Urlaubskrimis mit Pia Korittki:
Eisige Wahrheit
Dunkler Abgrund
eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung!
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Seitenzahl: 184
In der Reihe »Ein Urlaubskrimi mit Pia Korittki«:
Eisige Wahrheit
Dunkler Abgrund
In der Reihe »Kommissarin Pia Korittki«:
Kalter Grund
Engelsgrube
Blaues Gift
Grablichter
Tödliche Mitgift
Ostseeblut
Düsterbruch
Ostseefluch
Ostseesühne
Ostseefeuer
Ostseetod
Ostseejagd
Ostseerache
Ostseeangst
Pia Korittki verbringt einen Kurzurlaub bei Freunden im dänischen Aarhus, die dort ein Hotel eröffnet haben. Doch die Stimmung ist gedrückt, da offensichtlich jemand versucht, dem Hotel zu schaden. Als Pia von einem Unbekannten in ihrem Zimmer überfallen wird, unternimmt sie zunächst nichts, fest entschlossen, sich die freie Zeit nicht verderben zu lassen. Aber dann stirbt auch noch eine Frau nach dem Besuch im Hotelrestaurant an einer Vergiftung und Pia beginnt trotz Urlaub zu ermitteln. Sie stößt auf ein gefährliches Geheimnis – und einen Täter, der nicht vergessen kann …
Eva Almstädt, 1965 in Hamburg geboren und dort auch aufgewachsen, absolvierte eine Ausbildung in den Fernsehproduktionsanstalten der Studio Hamburg GmbH und studierte Innenarchitektur in Hannover. Seit 2001 ist sie freie Autorin. Eva Almstädt lebt in Hamburg.
EVA ALMSTÄDT
Ostseelüge
Ein Urlaubskrimi mit Pia Korittki
beTHRILLED
Originalausgabe
»be« - Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.
Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Textredaktion: Dorothee Cabras
Lektorat/Projektmanagement: Rebecca Schaarschmidt
Covergestaltung: Christin Wilhelm, www.grafic4u.de© stocked House Studio/shutterstock; Matt Gibson/shutterstock; Thomas Ramsauer/shutterstock
E-Book-Produktion: hanseatenSatz-bremen, Bremen
ISBN 978-3-7325-7644-9
www.be-ebooks.de
www.lesejury.de
»Womit hab ich denn diesen Kaffee verdient?« Pia Korittki blickte irritiert auf den Becher, den ihr Kollege Heinz Broders ungefragt auf ihren Schreibtisch stellte. »Ist das da obendrauf etwa Milchschaum?«
»Für meine Lieblingskollegin tue ich doch alles.« Er musterte sie über seinen eigenen Becher hinweg. »Außerdem siehst du so aus, als könntest du eine Aufmunterung gebrauchen.« Er kramte in seiner Schreibtischschublade und förderte eine Packung Schokoladenkekse zutage. »Ich allerdings auch.«
Pia sicherte die Datei, den Bericht über den gefesselten Toten vom Waldfriedhof. Der Mann war an Kopfverletzungen, verursacht durch einen Mauerstein, ums Leben gekommen. Ein Verbrechen, so brutal, dass es selbst die langjährigen Kriminalbeamten des Kommissariats 1 schockiert hatte, die zuständig waren für Kapitaldelikte und Mordermittlungen. Pia war seit beinahe acht Jahren im K1 der Bezirkskriminalinspektion Lübeck tätig. Inzwischen als Kriminalhauptkommissarin. Mit Heinz Broders, ebenfalls KHK, bildete sie zumeist ein Team. Sie nahm den Kaffeebecher in beide Hände. »Hey, ich müsste großartig aussehen. Könntest du nicht wenigstens so tun als ob? Immerhin hab ich ab morgen Urlaub.«
»Ich weiß. Und ausnahmsweise gebe ich unserem Chef einmal recht: Es ist höchste Zeit, dass du dir mal wieder ein paar Tage freinimmst.« Er schob ihr die angebrochene Kekspackung herüber, doch Pia ignorierte das Angebot.
»Ist ja auch ein toller Zeitpunkt für einen Urlaub. Richtiges Traumwetter«, sagte Pia und warf einen Blick aus dem Fenster. Das Kommissariat residierte im siebten Stock des Polizeihochhauses, wie es allgemein genannt wurde, sodass sie von hier oben einen Blick über die Stadt, die Grünanlegen um den Sportplatz Buniamshof und die Türme der Lübecker Altstadt hatte. Normalerweise. Heute war der Nebel so dicht, als hätte jemand über Nacht Milchglasscheiben in die Fenster eingesetzt. Ihr Sohn Felix sollte morgen mit seinem Vater und dessen Familie für eine Woche nach Teneriffa fliegen. Hinnerk und seine Frau Mascha wollten die Zeit nutzen, in der Felix noch in den Kindergarten ging und sie nicht auf die überteuerten Angebote in den Schulferien angewiesen waren. Pias Plan für diese Tage war gewesen, mal ohne zeitliche Beschränkungen arbeiten zu können, doch Manfred Rist, der Leiter des Kommissariats 1, hatte Pia vor Kurzem in sein Büro zitiert und ihr quasi die Pistole auf die Brust gesetzt. Wenn sie nicht ab nächster Woche ihren Resturlaub nähme, würde der für alle Zeiten verfallen. Als diese Ankündigung nicht ausreichte, hatte er damit gedroht, sie im nächsten Jahr nur alte Fälle bearbeiten zu lassen.
Nun stand Pia eine Woche ohne Arbeit und auch ohne ihren fünfjährigen Sohn Felix bevor. Aber Rist hatte leider recht: Zurzeit war im K1 nicht viel los. Nachdem sie den abschließenden Bericht ihres letzten Falles geschrieben hatte, würde es darauf hinauslaufen, sich alte, ungelöste Ermittlungen noch einmal vorzunehmen. Also besser jetzt im Dezember den fälligen Urlaub antreten und dann mit voller Kraft ins neue Jahr starten … Das wenigstens war die Theorie. Doch Pia grauste vor der vielen freien Zeit allein in ihrer Wohnung.
»Du musst dein Leben endlich wieder in den Griff bekommen«, sagte Broders ungewohnt sanft. »Du bist die Hoffnung des K1.«
Pia lachte freudlos auf. »Wer sagt denn, dass ich mein Leben nicht im Griff habe?« Sie hörte den trotzigen Unterton in ihrer Stimme. Das Thema behagte ihr nicht.
»Ich sage das. Du solltest mal wieder ausgehen, Leute treffen, Männer!« Er hob vielsagend die Augenbrauen. Ihre Schonzeit nach Lars’ Tod war seiner Ansicht nach offensichtlich vorbei. Der tödliche Autounfall lag jetzt anderthalb Jahre zurück. Es würde schon das zweite Weihnachten und der zweite Jahreswechsel ohne ihren Freund werden.
»Ich hab ja etwas vor«, konterte Pia. »Ich verreise sogar.« Es klang seltsam. Zumindest in ihren Ohren.
»Das glaube ich nicht!«
»Doch, nach Dänemark. Eine Freundin hat mich eingeladen, schon vor längerer Zeit. Und gestern habe ich ihr zugesagt.«
»Welche Freundin? Und warum Dänemark?«
»Freya ist eine alte Schulfreundin von mir. Sie kommt aus Lübeck, aber sie lebt schon lange in Dänemark. Vor einiger Zeit hat sie nun in Aarhus mit ihrem neuen Freund ein kleines Hotel eröffnet.«
»Das klingt doch super. Da könntest du wirklich ein bisschen mehr Enthusiasmus zeigen.« Broders zog die Kekspackung wieder zu sich hinüber. »Oder gibt es einen Haken?« Er steckte sich einen Schokoladenkeks in den Mund.
»Nein. Also, nur einen winzigen …«
»Mach es nicht so spannend.« Er kaute und schluckte. »Mir reicht mein spannender Beruf.«
»Meine Freundin scheint wegen irgendetwas besorgt zu sein.«
»Braucht sie deine Hilfe?«
»Ich weiß es nicht. Aber ich werde es herausfinden.«
Am nächsten Morgen fuhr Pia ihren Sohn Felix zum Hamburger Flughafen. Bei Hinnerks Urlaubsplanungen hatte es ein ziemliches Hin und Her gegeben, wer wann wo erscheinen sollte, da er mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter direkt von Maschas Verwandten aus dem südlichen Niedersachsen nach Hamburg kommen würde. So hatte Pia angeboten, Felix morgens zum Hamburger Flughafen zu bringen. Sie hatte ja schließlich frei …
Die letzte Nacht war zu kurz und etwas unruhig verlaufen, und Felix war dementsprechend launisch. Nachdem er sich tagelang auf die Ferien in der Sonne gefreut hatte, meinte er beim Frühstück und auch jetzt auf der Fahrt, er wolle lieber bei Pia bleiben und mit ihr nach Dänemark zum Rodeln fahren. Er hatte mitbekommen, dass in Aarhus in den nächsten Tagen leichter Schneefall vorhergesagt war, und Felix liebte Schnee.
Pia bereute, die Wettervorhersage in seiner Gegenwart geschaut zu haben. »Das wird bestimmt kein toller Schnee, der da herunterkommt«, sagte sie, während sie in dichtem Verkehr den Ring drei entlangfuhr. »Wahrscheinlich wird es nur Schneematsch werden. Es ist gar nicht kalt genug. Und Berge zum Rodeln gibt es da auch nicht.«
»Dann bau ich eben einen Schneemann«, sagte Felix trotzig.
»Auf Teneriffa kannst du bestimmt in einem Pool und vielleicht auch im Meer baden. Das ist viel besser. Der Winter hier ist noch lang genug, wenn du zurückkommst.«
»Aber Weihnachten will ich bei dir sein!«
»Ja, das bist du auch.«
Felix schwieg einen Moment und sah aus dem Fenster. Das Einkaufscenter am Langenhorner Markt prunkte mit üppiger Weihnachtsbeleuchtung. Dunkel gekleidete Menschen mit Schirmen überquerten im Sprühregen eilig den Fußgängerüberweg. Nachdem sie die Ampel passiert hatte, ordnete Pia sich auf die Linksabbiegerspur hinter zahlreichen Taxis ein, die alle wie sie in Richtung Flughafen fuhren.
»Dann bau ich für Rieke am Strand eine große Sandburg«, überlegte Felix laut. »Oder ein Raumschiff!« Anfangs war er von der Geburt seiner Halbschwester Rieke nicht begeistert gewesen, doch immer, wenn er etwas für sie tun konnte, lief er zu Hochform auf.
Pia überlegte, ob sie ihm sagen sollte, dass es auf Teneriffa kaum Sandstrand gab, verschwieg es ihm aber doch lieber. Sie wollte Hinnerk kein missgelauntes Kind übergeben. Müde war er sowieso, obwohl sie ihn rechtzeitig ins Bett gebracht hatte. Felix hatte letzte Nacht anscheinend heftig geträumt, wie so oft, wenn für ihn aufregende Ereignisse anstanden. Er war nachts um kurz nach zwei Uhr in ihr Bett gekrabbelt gekommen, hatte sich an sie gedrückt und gemurmelt, sie solle nicht zu der schwarzen Wand gehen.
»Ich gehe zu keiner schwarzen Wand«, hatte Pia ihn beschwichtigt. »Ich fahre nur zu einer Freundin ins Hotel.«
»Aber die dunkle Wand, der Turm! Geh da nicht hin …«, hatte Felix noch gemurmelt, bevor er wieder eingeschlafen war. Dafür war Pia nun hellwach gewesen und hatte sich gefragt, was Felix wohl im Traum gesehen hatte und wie er überhaupt darauf kam.
Sie bog rechts in Richtung Flughafen ab. Ein Airbus A380 schwebte im Landeanflug dicht an ihnen vorüber und stimmte Felix wieder auf den bevorstehenden Urlaub ein. Hinter dem Kreisel nahm Pia die Abzweigung, die hinauf zu der Haltezone vor dem Terminal 1 führte.
Mit Felix an der einen und seinen Koffer mit der anderen Hand hinter sich herziehend, traf sie kurz darauf wie verabredet in der Abflughalle auf Hinnerk, Mascha und Rieke. Das kleine Mädchen hing schief in einem Buggy, ein Schnuller war ihr aus dem geöffneten Mund gefallen und lag an einer Kette auf ihrer Brust. Sie schlief.
Hinnerk blickte auf seine Armbanduhr. »Du bist aber spät dran, Pia. Im Sicherheitsbereich ist die Hölle los.«
»Du hast gesagt, dass wir uns um halb zehn hier treffen, und es ist halb zehn.« Genau genommen war es sogar noch vier Minuten vor halb zehn.
»Aber man kommt bei so etwas doch immer früher«, konterte Hinnerk.
»Die Zeitplanung ist eure Zuständigkeit«, sagte Pia halblaut, damit Felix, der sich zu Rieke hinunterbeugte, es nicht mitbekam. »Ich bin pünktlich.«
»Bitte weck sie nicht auf!« Mascha klang gestresst. Sie strich Felix fahrig über das Haar. »Alles gut, Kleiner? Freust du dich?«
»Mama fährt in den Schnee.«
»Oh, wirklich, Pia? Gehst du Ski laufen?«, griff Mascha den Kommunikationsanlass dankbar auf.
»Nein, ich fahre nach Dänemark zu einer Freundin. Felix hat gestern Abend nur mitbekommen, dass es dort in den nächsten Tagen ein bisschen schneien soll.«
»Was willst du denn da?« Hinnerk verzog das Gesicht. »Bei dem Wetter …«
»Hat Felix auch seine Badesachen mit?« Maschas Interesse an Pias Plänen war so spontan erloschen, wie es aufgeflammt war.
Pia verabschiedete sich von Felix und den anderen und sah ihnen nach, wie sie in Richtung der Sicherheitskontrollen gingen. Felix drehte sich noch einmal um und winkte ihr mit seinem Plüschaffen, den er auf dem Arm mit sich trug. Als ihr Sohn in der Schlange der Reisenden verschwunden war, drehte Pia sich abrupt um und lief zurück zu ihrem Auto.
Der Landrover stand zwischen einem BMW und einem VW Passat und wirkte wie aus der Zeit gefallen. Es war der Wagen ihres Freundes Lars, der vor anderthalb Jahren bei einem Verkehrsunfall in Großbritannien ums Leben gekommen war. Lars’ Vater hatte Pia den Wagen vor ein paar Monaten geschenkt, wohl auch, weil er selbst nicht viel damit anzufangen wusste. Pia fuhr ihn nur sporadisch. Sie fühlte dann eine Art Verbundenheit, die sie jedoch nicht mehr abgrundtief traurig machte, sondern eher dankbar für das, was gewesen war, auch wenn es abrupt und viel zu früh geendet hatte. Seitdem war sie allein mit ihrem Sohn Felix. Sie kamen gut zurecht, waren ein wunderbares Team, sogar mit Felix’ Vater Hinnerk und dessen neuer Familie, von gelegentlichen Konflikten einmal abgesehen. Doch wenn Pia Urlaub hatte, so wie jetzt, und auch Felix nicht bei ihr war, sondern bei Hinnerk, Mascha und Rieke, dann spürte sie schmerzlich die Lücke, die Lars hinterlassen hatte. Die hatte niemand bisher wieder füllen können. Und die gefühlsduselige Vorweihnachtszeit tat ihr Übriges dazu, dass sie sich hin und wieder einsam fühlte. So war sie froh gewesen, Freyas Einladung, sie in ihrem neuen Hotel in Dänemark zu besuchen, anzunehmen. Sie schwang sich auf den Fahrersitz und atmete tief durch. Vor ihr lagen gute drei Stunden Fahrt über die Autobahn in Richtung Norden.
Das Hotel Birkholm, das Freya Backhaus zusammen mit ihrem Freund Bjarne Kristensen vor ein paar Monaten eröffnet hatte, befand sich an der Stirnseite eines länglichen Platzes. Das alte Gebäude war dunkellila gestrichen, ein kopfsteingepflasterter Durchgang mit schmiedeeisernem Tor führte in den Innenhof. Durch einen weiteren Durchgang gelangte Pia nach einigem Zirkeln mit dem Wagen auf einen von Mauern umschlossenen Parkplatz. Sie holte ihren Koffer aus dem Auto und ging an vier Säuleneiben vorbei durch eine Pforte in den Innenhof. Obwohl es noch früher Nachmittag war, erweckte die tief hängende Wolkendecke den Eindruck einer vorzeitigen Dämmerung. Durch die Fenster des Hotels schien anheimelnd das Licht verschiedener Lampen. Pia ging über das vor Nässe glänzende Pflaster, umrundete bepflanzte Terrakottatöpfe, Eisenmöbel und einen Springbrunnen. An der Rückseite des Hauptgebäudes führte eine halbgeschossige Stiege hinab in die Küche. Über die steile Treppe daneben gelangte sie an die Rezeption.
Freya stand neben dem Tresen und arrangierte Blumen in einer hohen Vase. Als sie hörte, dass jemand eintrat, drehte sie sich zu Pia um und strahlte sie an. »Pia! Wie schön ist das denn? Ich hab bis zuletzt nicht glauben können, dass du tatsächlich kommst!«
»Das habe ich dir doch versprochen. Es ist toll, dich endlich wiederzusehen!« Pia umarmte ihre Freundin, trat dann einen Schritt zurück und musterte sie. Freya hatte Schatten unter den Augen und sah ein bisschen erschöpft aus. Aber sie schien sich wirklich zu freuen, sie zu sehen. »Wie geht es dir?«
»Mir geht es gut. Ich freu mich riesig, dass du hier bist. Und Bjarne ist schon ganz gespannt darauf, dich endlich mal kennenzulernen. Eine echte Kriminalkommissarin.« Sie kniff Pia freundschaftlich in den Arm.
»Ich bin zum Glück privat hier.« Pia blickte sich um. »Was ich bisher von eurem Hotel sehen konnte, ist richtig toll«, sagte sie. »Ein romantisches altes Gebäude, und es ist so wunderbar eingerichtet!« Sie ging zwei Schritte weiter in die angrenzende Lobby. Vor den dunkel gestrichenen Wänden kamen die antiken Möbelstücke hervorragend zur Geltung.
»Warte, bis du das Zimmer siehst, das ich für dich reserviert habe!«, frohlockte Freya. »Bjarne«, rief sie quer durch die Lobby, »komm mal eben her. Pia ist da!«
Sie stellte Pia einen großen, leicht übergewichtigen Mann vor. Er trug die weiße Kleidung eines Kochs. Sein Gesicht unter dem hellblonden Haar war gerötet, und er roch nach Kräutern und gedünstetem Gemüse. Er grinste Pia freundlich an und schüttelte ihr kraftvoll die Hand.
»Wie schön, dass du da bist! Freya konnte sich die letzten Tage gar nicht mehr beruhigen, so aufgeregt, wie sie über deinen anstehenden Besuch war.«
»Es wurde auch wirklich Zeit«, antwortete Pia. »Wie lange haben wir uns nicht mehr gesehen? Seit dem letzten Klassentreffen? Also drei Jahre …«
»Entschieden zu lange«, bestätigte Freya.
»Du sprichst sehr gut Deutsch«, sagte Pia zu Bjarne.
»Meine Mutter ist Deutsche«, erklärte er. »Sie legte Wert darauf, dass ich auch ihre Muttersprache lerne.«
»Zum Vorteil unserer Gäste«, sagte Freya.
Ein älteres Paar erschien am Tresen, und Freya wandte sich ihnen zu. Sie baten um eine Reservierung für ein Restaurant in der Altstadt an diesem Abend, was Freya sogleich erledigte.
Bjarne trat ein Stück näher an Pia heran und bemerkte leise: »Ich bin auch froh, dass du hier bist. Freya kann ein bisschen Ablenkung gut gebrauchen. Du kommst genau zur richtigen Zeit.«
»Ablenkung wovon?«, wollte Pia wissen.
»Hat sie es dir noch nicht erzählt? Im Grunde ist ja auch gar nichts los.«
Freya drehte sich zu ihnen um. Sie hielt einen Zimmerschlüssel in der Hand. »Komm, Pia. Ich zeige dir, wo du die nächsten Nächte schlafen wirst!«
Von der Lobby aus gelangten sie über ein Treppenhaus in den Seitenflügel des Hotels. Freya öffnete das Zimmer 7 am Ende des Ganges.
»Wow!«, sagte Pia nur. Rechts von ihr befand sich ein riesiges Himmelbett aus Holz. Im Hintergrund des lang gestreckten Raumes sah sie eine hölzerne Badewanne auf Füßen, das eigentliche Badezimmer lag hinter einer Tür in der rückwärtigen Wand. Seitlich gab es mehrere Fenster und eine Balkontür, die auf einen zur Straße gelegenen Balkon führte. Vor der Fensterfront befand sich eine kleine Sitzgruppe. »Das ist ja kein Zimmer, das ist eine Suite.«
»Gefällt es dir?« Freyas Gesicht glühte vor Stolz. »Das Bett habe ich in Italien entdeckt, und die Wanne ist aus Frankreich …«
»Hast du die Möbel alle selbst ausgesucht?«
»Die meisten. Ich habe schon zu sammeln begonnen, bevor wir dieses Gebäude überhaupt gefunden hatten.«
»Dann hatte dein Kunststudium ja doch noch einen Sinn«, neckte Pia sie. Nach ihrem Studium hatte Freya lange als Reiseleiterin und Stadtführerin gearbeitet.
»Ich habe nur auf meine Chance gewartet«, antwortete Freya. »Und Bjarne und dieses Hotel sind mein großes Los.«
»Er ist mir total sympathisch. Ich kann verstehen, dass du ihn genommen hast!« Pia lächelte. »Und ihr habt Großartiges geleistet.«
»Ja, alles ist wunderbar.« Freyas Lächeln kühlte jedoch etwas ab. »Ich lasse dich jetzt in Ruhe auspacken, Pia. Wenn du fertig bist, komm einfach an die Rezeption, dann trinken wir einen Kaffee zusammen. Oder auch etwas Stärkeres, wie du willst.«
»So machen wir es.« Als Freya gegangen war, ließ Pia sich rücklings auf das große Bett fallen und schloss die Augen. Sie war froh, hergekommen zu sein. Es tat ihr gut, Freya wiederzusehen, und Bjarne machte einen netten Eindruck auf sie. Pia freute sich für ihre Freundin und nahm sich vor, die Urlaubstage so entspannt wie möglich zu genießen.
Eine halbe Stunde später betrat Pia wieder die Lobby. Freya sprach gerade mit einer jungen Frau hinter dem Rezeptionstresen. Sie lächelte Pia zu. »Setz dich schon mal. Was möchtest du? Milchkaffee? Cappuccino? Espresso?«
»Milchkaffee wäre toll.« Pia setzte sich auf eines der ausladenden Sofas. Mit einem Ohr hörte sie, wie Freya auf Dänisch mit ihrer Angestellten redete. Davon verstand sie kein Wort. Sie betrachtete ein paar antike Möbelstücke und kontrollierte, ob etwas Wichtiges auf ihrem Smartphone aufgelaufen war, bis sich Freya mit einem Tablett mit Kaffee und Gebäck zu ihr setzte.
Zunächst redeten sie über dies und das, näherten sich einander wieder etwas vorsichtig an, denn sie hatten sich ja bis auf ein paar Telefonate und E-Mails länger nicht miteinander ausgetauscht. Zum Glück war Freya über Lars und seinen plötzlichen Tod informiert, sodass Pia ihr das nicht mehr berichten musste. Stattdessen erzählte sie ein bisschen von Felix und ihrem Job. »Aber was du machst, ist ja viel interessanter«, sagte Pia. »So ein tolles Hotel aufzumachen und zu führen. Alle Achtung!« Sie nahm eines der Gebäckstücke und biss hinein. »Ich merke schon, hier ist alles großartig und besonders! Bis hin zu diesem Kuchen …«
»Der ist von einem Bäcker hier in der Nähe. Den machen wir nicht selbst«, erklärte Freya.
»Wie seid ihr zu diesem Hotel gekommen?«
»Bjarne hat das Gebäude entdeckt. Es stand zum Verkauf, nur der vordere Teil hier, in dem wir gerade sitzen. Es war früher mal eine alte Fabrik für Knöpfe und Reißverschlüsse und so. Dann wurde es aber später umgebaut und als Wohnhaus genutzt. Er hat sofort das Potenzial gesehen, hier ein Hotel zu eröffnen. Das war schon immer sein Traum. Und er hat mich mit seiner Begeisterung angesteckt.«
»Wie lange seid ihr eigentlich schon zusammen?«
»Seit zwei Jahren. Wir kennen uns allerdings schon länger. Als wir ein Paar wurden, ging das mit diesem Hotel ziemlich schnell.«
»Und es läuft gut?«
»Mit Bjarne? Ja, großartig«, sagte Freya und sah kurz zur Seite.
»Aber etwas macht dir Sorgen, nicht wahr?«
Freya presste die Lippen aufeinander. Sie sah zum Tresen und senkte die Stimme. »Ich hatte es ja schon angedeutet, Pia. Irgendetwas stimmt hier nicht. Seit ein paar Wochen schon.«
»Und was stimmt nicht?« Pia trank noch einen Schluck Kaffee, um Freya Zeit zu geben, ihre Antwort zu formulieren. Ihre Freundin spielte mit dem Gebäckstück auf ihrem Teller. »Es fing an mit ein paar Rezensionen«, sagte sie. »Wirklich schlechten Rezensionen auf verschiedenen Portalen. Einmal wurde das Essen im Restaurant kritisiert, dann der Service im Hotel, die Sauberkeit unserer Zimmer.«
»Kann jeder einfach so etwas schreiben?«
»Im Prinzip schon. Manchmal gab es eine Reservierung, doch der Gast ist nicht erschienen, hat aber trotzdem eine miese Rezension hinterlassen. Es ist unheimlich schwierig und mühsam, sich gegen so etwas zu wehren. Und es zieht einen im gesamten Ranking stark nach unten.«
»Das tut mir leid.«
»Ich dachte, dass du uns vielleicht helfen kannst.«
Pia überlegte. »Mit so etwas kenne ich mich nicht besonders gut aus. Haben verschiedene Leute euch schlecht beurteilt, oder kann das alles von einer einzelnen Person inszeniert worden sein?«
»Ich bin davon überzeugt, dass da ein Einzelner dahintersteckt, der uns, aus welchem Grund auch immer, schaden will. Denn die schlechten Rezensionen sind noch nicht alles.«
»Was war denn noch?«
Ein Gast betrat die Lobby und sah sich suchend nach Freya um. Sie entschuldigte sich bei Pia und ging zu ihm. Pia schaute ihrer Freundin hinterher. Sie trat zuvorkommend, aber auch sehr sicher auf. Ohne Zweifel war sie in diesem Hotel in ihrem Element. Wie gemein, dass jemand es auf sie oder zumindest das Hotel Birkholm abgesehen hatte. Wenn es denn so war …
»Entschuldigung.« Freya setzte sich wieder zu Pia. »Das war ein Stammgast. Er ist Franzose und kommt mehrmals im Jahr. Also: Es fing mit den schlechten Rezensionen an.« Sie stockte und sah auf das Tablett. »Vor drei Wochen war der Fensterputzer da, und am nächsten Morgen hatte jemand gegen die Fenster des Restaurants gespuckt. Es war widerwärtig. Aber wir dachten natürlich, dass das nur irgendein Passant gewesen ist, der vielleicht stockbetrunken war … Ein Zufall, dass es ausgerechnet uns getroffen hat. Dann sind nachts die vollen Müllcontainer umgekippt worden. Es war windig, und der Inhalt hat sich quasi über den ganzen Parkplatz verteilt, auf dem die Autos unserer Hotelgäste stehen. Die ersten Gäste haben es morgens natürlich gesehen.«