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IN DER FRÜHEN PHASE DER OMNIC-KRISE, DIE DIE GESAMTE MENSCHHEIT AN DEN RAND DES ABGRUNDS GEBRACHT HAT, GIBT ES NUR NOCH WENIGE HELDEN INMITTEN DER VERWÜSTUNG, DIE SICH DEM FEIND ENTGEGENSTELLEN. ABER IN TORONTO WEIGERT SICH EINE BRILLANTE JUNGE KAPITÄNIN NAMENS VIVIAN CHASE STANDHAFT, IHRE STADT DEN HUNGRIGEN MONSTERN ZU ÜBERLASSEN, DIE AUS DEM DETROITER OMNIUM STRÖMEN. UM DIE OMNICS AUS IHRER HEIMAT ZU VERTREIBEN UND DEN ZUSTROM FEINDLICHER TRUPPEN NACH KANADA AUFZUHALTEN, BENÖTIGT VIVIAN DRINGEND RESSOURCEN, UND IN DIESEN TAGEN VERFÜGT NUR EINE ORGANISATION ÜBER DAS, WAS NÖTIG IST, UM DIE INVASION AUFZUHALTEN: OVERWATCH. DOCH ALS DAS OVERWATCH STRIKE TEAM EINTRIFFT, IST ES NICHT GANZ SO, WIE VIVIAN ES SICH VORGESTELLT HAT: EIN AMERIKANISCHER SUPERSOLDAT, DER MIT SEINEM KOMMANDANTEN IM STREIT LIEGT, EIN VERÄRGERTER SCHWEDISCHER INGENIEUR UND EIN BRILLANTER WISSENSCHAFTLER, DESSEN TRÄUME VON EINER ROBOTERREVOLUTION DIE KRISE ZUM TEIL MIT AUSGELÖST HABEN. IN EINEM WETTLAUF GEGEN DIE ZEIT MUSS VIVIAN ABER MIT DEM KLARKOMMEN, WAS ZUR VERFÜGUNG STEHT, UM AUS DEM STRIKE TEAM EINE ELITEEINHEIT ZU FORMEN, DIE DEN KAMPF GEGEN DEN FEIND ERFOLGREICH FÜHREN KANN ... SELBST WENN ES SIE ALLE DAS LEBEN KOSTET.
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Seitenzahl: 233
ROMAN
Von TEMI OH
Ins Deutsche übertragen von Tobias Toneguzzo
Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Amerikanische Originalausgabe: »OVERWATCH: Sojourn« by Temi Oh published in the US by Blizzard Entertainment, Irvine, USA, October 2022.
Copyright © 2022 Blizzard Entertainment, Inc. Alle Rechte vorbehalten.
COVER ILLUSTRATED BY: MANDELA SMITH
EDITED BY: CHLOE FRABONI
DESIGNED BY: COREY PETERSCHMIDT AND JESSICA RODRIGUEZ
PRODUCED BY: BRIANNE MESSINA
LORE CONSULTATION BY: MADI BUCKINGHAM
GAME TEAM CONSULTATION BY: JEFF CHAMBERLAIN, GAVIN JURGENS-FYHRIE, AARON KELLER, DION ROGERS, ARNOLD TSANG
SPECIAL THANKS: GLEN CHI, ANGEL GIUFFRIA
Deutsche Ausgabe: Panini Verlags GmbH, Schloßstr. 76, 70176 Stuttgart.
Geschäftsführer: Hermann Paul
Head of Editorial: Jo Löffler
Head of Marketing: Holger Wiest (E-Mail: [email protected])
Presse & PR: Steffen Volkmer
Übersetzung: Andreas Kasprzak
Lektorat: Tom Grimm
Umschlaggestaltung: tab indivisuell, Stuttgart
Satz und E-Book: Greiner & Reichel, Köln
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ISBN 978-3-7367-9824-3
Gedruckte Ausgabe:
ISBN 978-3-8332-4286-1
1. Auflage, Oktober 2022
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PROLOG
Ihr Vater sagte oft, dass sie zweimal geboren wurde – das zweite Mal in einem Krankenhaus in Toronto, in einem neu konstruierten Körper. Mit neuen Wirbeln in ihrer Wirbelsäule, einem Brustkasten aus Titan und einem faustgroßen Stück Silikon, das anstelle eines Herzens in ihrem Inneren pochte.
Manchmal glaubt sie im Dämmerzustand zwischen Schlafen und Wachen noch seine Stimme hören zu können. Seine und die von Mutter und von Valentine. Ihre Freudenrufe, als sie zu ihnen zurückgekehrt war.
»Mensch oder Omnic?«
Die Stimme, die diesmal in ihr Bewusstsein schneidet, ist fremd.
»Entschuldigung?« Sie wacht auf, und es ist grässlich. Ihr Schädel ist voller Stacheldraht, ihre Knochen tun weh und die wunde Haut an ihren Schläfen – dort, wo sie getroffen wurde – pulsiert dumpf.
Die Welt dreht sich um sie, während sie Gestalt annimmt.
»Wo bin ich?«, fragt Chase.
Sie liegt im Gras, eine Sensordrohne schwebt über ihr, und die Stimme, die daraus hervordringt, spricht in blechernem, monotonen Tonfall. Diese Art von Technologie sieht man normalerweise als Sicherheitsvorkehrung an Flughäfen oder am Eingang von Einkaufszentren.
»Ich bin nicht in der Lage, diese Frage zu beantworten«, erklärt die Drohne.
»Alles klar«, murmelt Chase, während sie sich auf die Ellbogen hochstemmt. Als sie das Bewusstsein verlor, war sie auf Centre Island, einer von mehreren kleinen Inseln im Ontariosee. Ein Blick auf die Bäume ringsum verrät ihr, dass sie noch immer in der Nähe sein muss. Außerdem kann sie von hier aus die Skyline von Toronto in karmesinrotem Schein leuchten sehen. Erst glaubt sie, es sei der Sonnenuntergang, aber dann erkennt sie: Das sind Flammen.
Warum kam sie her? Erinnerungen drängen auf sie ein und bauen sich zu einer Sturmwelle der Panik auf. Ein Flugzeug stürzte vom Himmel. Der Strom fiel aus. Das Letzte, was sie noch weiß, ist der Omnic-Angriff. Gewalt und Schreie. Ihre Nichte, ihre Schwester …
»Valentine!«, ruft sie nun, während sie hektisch zu suchen beginnt. Sie wollte Valentine retten.
»Dies ist eine Verwahrungseinrichtung«, sagt die Sonde. Das Gelände ist ungefähr so groß wie ein Baseball-Spielfeld, umgeben von Wänden aus Plexiglas und angefüllt mit ausgemusterten Omnics: humanoiden Robotern, denen das Logo der Omnica Corporation in ihre metallenen Hüllen gestanzt ist.
Einige von ihnen sind zerdellt oder in Einzelteile zerlegt, und die Funken, die aus ihren zerrissenen Drähten sprühen, scheinen Chase zuzuzwinkern. Ein paar liegen am Rande des Feldes, in sich zusammengesunken wie Betrunkene, andere sind von Kugeln durchlöchert und übereinanderdrapiert wie ein Wurf schlafender Welpen.
Was immer hier gerade passiert, es ist nicht gut. Das kann Chase selbst von ihrer nunmehr sitzenden Position aus sehen. Der Geruch von Rauch und etwas Industriellem, wie verbranntes Metall, erfüllt ihren Rachen. Das Geräusch von Gewehrfeuer martert ihre Ohren, außerdem sind in der Ferne Rufe und Schreie zu hören, aus denen Angst und Schmerz herausklingen, untermalt vom Donnern von Stiefeln. Es ist, als wäre sie am Rande eines Schlachtfelds. Irgendwo plärren Sirenen, Motoren heulen. Die Furcht schnürt Chase die Brust zu. Valentine und ihre Nichte Bonnie sind nirgends zu sehen.
»Ich muss hier raus«, ruft sie der Drohne zu, während sie sich auf wackelige Beine hochkämpft. Anschließend studiert Chase die Wand des Verwahrungsbereiches. Davor zieht sich ein Zaun dahin, und sie muss ihn nicht erst berühren, um zu wissen, dass er unter Strom steht. Dafür reicht schon das beinahe unhörbare Summen, das davon ausgeht. »Ich muss sie finden«, sagte sie, mehr zu sich selbst als an die Drohne gerichtet. »Ich muss sicher sein, dass es ihnen gut geht.«
»Ich bin nicht autorisiert, einen Omnic gehen zu lassen«, informiert die Maschine sie.
Es fällt Chase schwer, ihren auflodernden Zorn zu unterdrücken, als sie erwidert: »Ich bin offensichtlich ein Mensch.«
Die Sensordrohne aktiviert sich einmal mehr, tastet Chases Körper von Kopf bis Fuß mit einem Laserstrahl ab und stößt dann ein ohrenbetäubendes Heulen aus.
»Ich bin nicht autorisiert, einen Omnic gehenzulassen«, wiederholt sie.
Vermutlich reagiert die Maschine auf die zahlreichen synthetischen Komponenten in ihrem Körper. Ihr Puls ist wegen des künstlichen Herzens praktisch nicht wahrzunehmen, und die kybernetischen Implantate in ihrem Kopf und ihren Augen lassen Sicherheitsscanner immer wieder ausschlagen.
Es fühlt sich absurd an, dass sie diese Blechbüchse in ihre Krankengeschichte einweihen muss – vor allem, während ihre Schwester und ihre Nichte irgendwo da draußen in Gefahr schweben könnten.
Chase atmet tief ein und erzählt, was sie schon tausendmal erzählt hat: »Ich habe eine Autoimmunkrankheit. Meine Wirbelsäule, mein Herz, meine Lungen und der Großteil meiner Knochen wurden als Teil eines medizinischen Eingriffs durch kybernetische Komponenten ersetzt. Ich kann es beweisen.«
»Ich bin nicht autorisiert, einen Omnic gehen zu lassen«, verkündet die Drohne erneut.
»Grrr!« Chase schreit ihre Frustration hinaus, aber sie widersteht dem Drang, ihre Faust in den Bildschirm der Drohne zu rammen. »Kann ich bitte mit einem Menschen sprechen?«
»Chase? Vivian Chase?«
Sie dreht sich um und sieht einen Schatten zwischen den Bäumen hervortreten. Major Campbell, ein Mann, den sie seit ihren frühen Tagen bei der Infanterie nicht mehr gesehen hat. Das ist inzwischen vier Jahre her. Aufgrund seiner Statur und seiner breiten Brust erscheint er noch immer überlebensgroß, aber der Zahn der Zeit hat Spuren an ihm hinterlassen: Sein Kopf ist kahl, sein stoppeliger Bart grau und seine blauen Augen blitzen in der Düsternis wie die einer Katze.
»Bis zu welchem Rang haben Sie’s inzwischen gebracht? Sergeant? Captain?«
»So weit bin ich noch nicht gekommen«, antwortet sie.
»Laut unseren Daten sind Sie im Urlaub.« Er wird langsamer, als er sich dem Rand des Verwahrungsbereiches nähert.
»War ich auch, Sir.« Dann korrigiert sie sich: »Das bin ich auch. Ich war auf Centre Island, als …«
Wie soll sie beschreiben, was geschehen ist? Es war ein ruhiger, sonniger Tag und dann … brach im ganzen Park ein schreckliches Chaos aus.
Campbells Miene ist grimmig. »Da draußen geht gerade alles den Bach runter, Chase.«
Als Vivian Chase und Valentine an diesem Morgen mit Valentines fünfjähriger Tochter Bonnie zum Vergnügungspark aufbrachen, konnten sie nicht ahnen, welche Katastrophe sie erwarten würde.
Für Chase war es ein freudiges Wiedersehen. Es fühlte sich gut an, in die Nachbarschaft zurückzukehren, wo sie aufgewachsen war – und natürlich auch an diesen Ort, den Centre-Island-Vergnügungspark, den sie früher so oft mit ihren Eltern besucht hatten.
»Es fühlt sich genauso an wie damals«, sagt sie zu ihrer Schwester, als Bonnie eine weitere Runde auf der Beastly-Bears-Bahn dreht. Der Anblick des Kindes bringt Erinnerungen daran zurück, wie Valentine in diesem Alter war: die große Zahnlücke, das quietschbunte Haar zu Afrobäuschen hochgebunden, zufrieden in der Umarmung der Overalltragenden Bären sitzend. Chases eigene Kindheit war ganz ähnlich, nur, dass sie immer am Rand saß und zusah, während fröhliches Kinderkreischen die Luft erfüllte. Die meiste Zeit über war sie zu krank, um sich an den spaßigen Aktivitäten ihrer Schwester zu beteiligen – oder aber ihre Eltern waren zu vorsichtig, um sie mitmachen zu lassen.
»Manche Dinge haben sich schon verändert«, entgegnet Valentine in leicht defensivem Ton. Sie nickt in Richtung der Ticketschalter und der Parkaufseher; alles wird inzwischen von Omnics betrieben, nicht länger von gelangweilten Teenagern. Bonnie hat auch einen an ihrer Seite: einen Omnic-Babysitter mit von innen heraus glühenden visuellen Sensoren, die so in seinem Schädel platziert sind, dass sie wie Augen aussehen. Die Kleidung der Maschine erinnert an ein britisches Kindermädchen: ein lavendelfarbenes Kleid mit Peter-Pan-Kragen. Wann immer sie spricht, klingt es wie ein Singsang, was Chase ein wenig unheimlich findet, wenn sie ehrlich sein soll, aber Bonnie scheint es zu lieben. Das kleine Mädchen hat Valentine jedenfalls angefleht, zwei Tickets zu kaufen, damit sie und der Omnic die Fahrt gemeinsam machen können.
»Ich verstehe nicht, warum du für den Omnic extra bezahlen musst«, sagt Chase nach einem Schluck von dem großen, blauen Slush-Eis, das sie an einem der Essensstände gekauft hat. »Na ja, sie nimmt einen Platz in der Bahn ein«, antwortet Valentine, dann winkt sie Bonnie und dem Omnic zu, bevor die beiden die nächste Kurve umrunden. »Außerdem … ich weiß auch nicht. Wenn man einen Omnic hat … werden sie nach einer Weile irgendwie Teil der Familie. Die Technologie hat seit Opas altem VAC-Modell gewaltige Fortschritte gemacht.«
»Obwohl Omnica zugemacht hat?«
»Es gibt mehr als genug Firmen, die diese Lücke geschlossen haben. Das Problem mit Omnica war, dass sie mit ihrer Technologie ein wenig zu weit gegangen sind. Hast du nicht von dieser Wissenschaftlerin gehört, die dort arbeitete? Die Frau, die Aurora gebaut hat? Wie hieß sie noch gleich?« Valentine schnippt mit den Fingern.
»Liao«, sagt Chase, obwohl die Geschichte ihr immer noch ein wenig unheimlich ist. »Ich hörte, sie hat auf eigene Faust an Aurora gearbeitet. Es hieß, das war ein Einzelfall, und dass so etwas wie Aurora niemals in die Massenproduktion gelangen könnte. Dann hat die UN jegliche Forschung in diese Richtung verboten.«
»Ja, genau«, erwidert Valentine. »Aber wenn man erst mal eine Weile mit einem Omnic gelebt hat, kommen sie einem trotzdem lebendig vor.«
»Sie sind mir noch immer nicht geheuer«, gesteht Chase.
Valentine berührt ihre Schwester am Arm. »Oder liegt es vielleicht nur daran, dass dieselbe Technologie in deinen Beinen steckt?«
Chase scharrt mit dem Fuß über den Boden, sagt aber nichts. Sie war immer dankbar für die Technologie, die ihr Leben rettete. Um die Wahrheit zu sagen, liebt sie die Kraft und die Schnelligkeit ihrer kybernetischen Beine, die ihr sogar einen leichten Vorteil gegenüber ihren Kameraden verschaffen. Aber beim Militär – ein Berufsfeld, darauf aufgebaut, dass alle physisch auf demselben Niveau sind – ist es nicht immer einfach, einen Körper zu haben, der anders ist, besondere Anforderungen hat, besondere Pflege braucht. Deswegen ist es ihr unangenehm, wenn ihre Prothesen im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Und deswegen kann sie es auch nicht leiden, wenn man sie in dieselbe Schublade wie Roboter steckt, nur, weil sie ein wenig Technologie teilen.
»Ich weiß, diese Technologie hat geholfen, dein Leben zu retten«, fährt Valentine fort. »Und Julietta macht mein Leben auch bedeutend leichter.« So hat Bonnie den Omnic getauft, für den Valentine und ihr Ehemann eine Hypothek aufgenommen haben. »Du hast ja keine Ahnung, wie es vor ihr war … Vollkommen erledigt von der Arbeit nach Hause kommen, mein Kind herumscheuchen müssen, irgendetwas zum Abendessen zaubern, dann auf dem Sofa zusammenbrechen, sobald die Kleine im Bett ist, und zu wissen, dass ich eigentlich noch putzen sollte … Die Tagesstätte und die Lieferdienste haben uns im Monat mehr gekostet als die Raten für die Hypothek. Und wenn ich jetzt nach Hause komme, ist alles sauber und Bonnie ist verpflegt.« Valentine wirft einen liebevollen Blick in Juliettas Richtung. »Ich war noch so jung, als ich schwanger wurde. Ich dachte, ich würde nie meinen Abschluss nachholen können. All meine Träume lagen in unerreichbarer Ferne. Ich hatte all diese Verpflichtungen, um die ich mich kümmern musste. Aber jetzt …«
Die Skyline von Toronto unterscheidet sich kaum von der aus ihrer Erinnerung. Sie wirkt ein wenig überfüllter als zuvor; da sind mehr Gebäude, die wie lose Zähne vor dem blauen Hintergrund aufragen. Da drüben ist der CN Tower, dort das Scotia Plaza. Die beeindruckenden Gebäude dazwischen sind ihr fremd – bestimmt Luxus-Eigentumswohnungen und neue Einkaufszentren. Was sie aber wiedererkennt, ist das frühere Omnica-Hauptquartier, dessen Glasfassade in der Nachmittagssonne glänzt wie ein Messer.
»Schade, dass dein Loblied Omnica nichts mehr bringt«, kommentiert Chase. Die Erschaffung von Aurora war für den Konzern der Anfang vom Ende. Sie spaltete die Führungsriege, schickte die Aktie in den freien Fall und lenkte jede Menge neugierige Augen auf das Unternehmen – eine Aufmerksamkeit, der es nicht standhalten konnte. »Obwohl es sich anfühlt, als wären ihre Roboter inzwischen überall.« Chase hat gelesen, dass in Kanada auf alle acht Menschen ein Omnic kommt.
»Weil sie unser Leben besser machen«, beharrt Valentine. »Ich bin sicher, würdest du dir einen holen …«
»Ich will aber keinen«, sagt Chase. Die Worte klingen härter, als sie beabsichtigt hat, und ein paar Sekunden herrscht Schweigen. Ein Mädchen muss sich übergeben und rennt mit Tränen in den Augen und Kirsch-Slushy auf ihrem Kleid zu ihrer Mutter. Zum Glück steht bereits ein Omnic-Kindermädchen mit neuer Kleidung bereit. Ein Omnic-Altenpfleger hilft einem alten Mann, von einer Bank aufzustehen, und sie lächeln einander zu.
Es lässt sich nicht leugnen, dass Roboter viel Gutes bewirken, überlegt Chase. Natürlich denkt sie in erster Linie an die Kybernetik, die ihr das Leben rettete, denn als sie heranwuchs, begannen die meisten Länder gerade erst, sich neuen Technologien zu öffnen – Systemen, die die lokale Verkehrs- und Wetterüberwachung miteinander verbanden, Unterrichtspläne für Schulen aufstellten, Krankenhäusern Ressourcen zuteilten; mächtige KI, die Wege berechneten, um Wirtschaft, Landwirtschaft und globale Kommunikation zu optimieren und innovative Formen des Naturschutzes fanden. Chase weiß, es wäre irrational, sich über die Roboter zu beschweren, ohne zumindest einzuräumen, dass die Welt, in der sie nun leben, besser ist als die, in der sie aufwuchs. Und mit jedem neuen Tag wird sie noch besser. Bonnies Lebenserwartung wird Jahrzehnte höher liegen als die von jemandem, der nur eine Generation zuvor auf die Welt kam. Ihre schulische Bildung wird perfekt an ihre Interessen und Bedürfnisse angepasst sein, und sie wird in einer Welt aufwachsen, in der es weniger internationale Konflikte denn je gibt.
Doch Aurora genügte, um an all diesen positiven Entwicklungen Zweifel aufkommen zu lassen. Die Gesellschaft hielt inne und fragte sich, ob sie vielleicht zu weit gegangen war. Chase hat ohne jeden Zweifel von vielen Omnica-Innovationen profitiert, aber sie glaubt auch, dass es bestimmte Türen gibt, die die Wissenschaft besser nicht öffnen sollte. Vielleicht ist das der Grund, warum sie sich noch immer sträubt, ihr Geld für einen robotischen Assistenten auszugeben.
»Ich wünschte, du würdest öfter zu Besuch kommen«, sagt Valentine.
»Ich würde ja gern …« Chases Magen verknotet sich vor schlechtem Gewissen.
Es ist ein Jahr her, seit sie einander das letzte Mal sahen. Bonnie scheint seitdem um das Doppelte gewachsen zu sein, und sie ist mindestens doppelt so klug. Sogar Valentine hat sich verändert. Schon vor Chases Krankheit wäre niemand auf die Idee gekommen, sie für Zwillinge zu halten; sie teilen die gleichen tiefliegenden Augen, die hohen Wangenknochen, die kirschholzfarbene Haut, aber Valentines Gesicht wirkt viel weicher. Jetzt beugt sie sich vor, um von Chases Slush-Eis zu kosten. Als sie lächelt, sind ihre Lippen, ihre Zähne und ihre Zunge kobaltblau verfärbt.
»Ich dachte, dass du dich hier niederlassen würdest. Dass wir gemeinsam alt werden. Dass unsere Kinder Freunde sein könnten.«
»Hast du das gedacht oder hast du das gehofft?« Chase zieht die Schultern hoch. »Nicht jeder kann so leben wie du.«
Die Musik der Bärenbahn verstummt, und Julietta hilft Bonnie, sich von ihrem Sicherheitsgurt zu befreien.
Ihre Eltern waren beim kanadischen Militär, als Chase und Valentine aufwuchsen. Sie waren daran gewöhnt, ständig umzuziehen, hatten überall im Land gelebt und sogar ein paar Monate in London, Dubai und mehreren Teilen der Vereinigten Staaten verbracht. Chase liebte es, zu reisen, neue Orte und Kulturen mit ihrer eigenen Geschichte kennenzulernen. Valentine hingegen hatte es schon immer gehasst. Sie weinte wochenlang, wann immer sie herausfand, dass die Familie wieder mal umzog. Als sie sich von ihrem Zuhause in Ontario verabschiedet hatte, war sie langsam durch die leeren Zimmer gegangen und hatte die Türrahmen, die Bodendielen, die Fenstersimse berührt, um allem Lebewohl zu sagen.
Insofern hatte es Chase nicht überrascht, als Valentine nur ein Jahr nach ihrem Highschool-Abschluss ihren Freund heiratete und sich mit ihm ein Nest in den Vororten von Toronto baute.
»Vielleicht bist du ja einfach mehr der häusliche Typ und ich …«
»Eine Abenteurerin?«, schlägt Valentine vor.
Chase lächelt. Sie fragt sich oft, ob sie schon immer so unterschiedlich waren oder ob ihre Krankheit sie verändert hat. Während Chase im Krankenhaus war oder mit ihrer Mutter von einem Spezialisten zum nächsten ging, genoss Valentine eine relativ normale Kindheit; sie hing mit ihren Freunden herum, gewann Medaillen fürs Schwimmteam der Schule … Womöglich liegt es an diesen frühen Jahren und dem Gefühl, eine Gefangene ihres Körpers und der Umstände zu sein, dass Chase ihre Freiheit heute so liebt. Sie genießt jeden Einsatz mit dem kanadischen Militär, dem CAF, nutzt jede Gelegenheit, neue Leute zu treffen und neue Dinge zu lernen. Aber hätte sie vielleicht einen anderen Pfad gewählt, wären ihre Rollen vertauscht gewesen? Zum Beispiel ein glückliches Familienleben? Eine Stimme in ihrem Kopf sagt: Nein, jemand wie sie war schon immer für dieses Leben prädestiniert. Dennoch ist sie sicher, dass alles, was sie durchgemacht hat, diesen Pfad zumindest zementiert hat. Es gab ihr die nötigen Werkzeuge, um ihrer jetzigen Aufgabe besser gewachsen zu sein.
Bonnie rennt zu ihnen herüber, ganz aufgeregtes Gebrabbel und Gekicher. Sie fleht ihre Mutter an, noch ein anderes Fahrgeschäft ausprobieren zu dürfen, aber Valentine runzelt die Stirn und blickt auf ihre Uhr hinab. »Wir haben einen Tisch fürs Mittagessen reserviert …«
»Nur noch einmal, Mama, bitte!« Bonnie deutet in Richtung Schwanenritt. Valentine gibt schon bald nach, und sie gehen zum Rand des Sees, um Bonnie und ihrem Omnic-Kindermädchen zuzusehen, während sie in einem der großen, schwanenförmigen Boote langsam aufs Wasser hinausfahren.
Das Flugzeug ist der erste Vorbote der Katastrophe. Jeder bemerkt es, denn es fliegt viel zu tief. Das unheilvolle, mechanische Kreischen, mit dem es durch die Wolkendecke bricht, klingt nach einem Hilferuf, und es zieht Schwaden aus schwarzem Rauch hinter sich her.
»Ist das …« Valentine schirmt ihre Augen ab, um nach oben zu blicken, aber ihre Frage wird jäh unterbrochen, als sich das Flugzeug dem Boden entgegenneigt und mit einem grässlichen Knall wie eine Kanonenkugel auf der anderen Seite der Insel einschlägt.
Jeder kann den Aufprall im Zittern der Erde spüren, und als sie die Köpfe heben, sind alle Fahrgeschäfte stehen geblieben. Das Riesenrad, die Autoscooter, der Schwanenritt. Die klimpernde Musik des alten Karussells ist verstummt, stattdessen herrscht Stille. Es ist wie ein kollektives Atemholen, der Moment, bevor das Pendel zurückschwingt und im gesamten Park Chaos ausbricht.
Direkt neben Chase ertönt ein schmerzerfüllter Schrei. Es ist der alte Mann, der eben noch mit seinem Omnic-Begleiter durch den Park spazierte. Die Sensoren seines Omnics blinken, als die Maschine sich zu ihm herumdreht und ihn mit solcher Wucht zu Boden stößt, dass er vor Schmerzen heult.
Praktisch ohne nachzudenken, wirft Chase ihr Slush-Eis beiseite, um dem Mann zu helfen. Sie schubst den Omnic aus dem Weg, aber er reagiert blitzschnell: Er packt den Gehstock des alten Mannes und schwingt ihn nach Chases Kopf. Dank ihrer kybernetischen Gliedmaßen sind ihre eigenen Reflexe auch ein paar Millisekunden schneller, und sie sieht den Hieb auf sich zukommen.
Chase duckt sich unter dem Schlag des Omnics hinweg und nutzt den Schwung seiner Bewegung gegen ihn ein, indem sie das andere Ende des Stockes packt und die Maschine durch die Luft wirbelt. Aber ein hydraulisches Zischen später ist der Omnic bereits wieder hochgeschossen wie ein Springteufel. Er schnellt vor und lässt den Gehstock so brutal herabsausen, dass das Holz zersplittert und der Asphalt unter seinen Füßen Risse zeigt … genau da, wo gerade noch Chase stand.
Erneut stürzt sie sich auf den Altenpfleger-Roboter. Er verliert das Gleichgewicht, und sie verpasst ihm einen weiteren Tritt, der den Omnic über das Geländer in den See stürzen lässt. Anschließend eilt Chase zu dem alten Mann und hilft ihm auf eine Bank.
Als sie sich umsieht, ist es, als wäre sie in einem Albtraum erwacht. Überall herrscht Chaos, springen Omnics über Essensstände hinweg, um Touristen anzugreifen. Ein Hundesitter-Roboter hat sein Rudel losgelassen und macht stattdessen Jagd auf eine Familie, die gerade eben noch ein Picknick genoss. Die Parkaufseher steuern einen Servicewagen direkt in eine fliehende Menschengruppe. Mehrere Teenager, die auf dem Rasen Cricket gespielt haben, versuchen, auf einen Baum zu klettern, um dort Schutz zu finden.
»Valentine!«, ruft Chase. Ihre Schwester liegt auf dem Boden, während ein Omnic in Kellner-Livree auf sie eintritt.
»Hol Bonnie«, bringt Valentine hervor, aber Chase kann sie kaum hören; der Anblick ihrer bedrängten Schwester lässt das Blut in ihren Ohren rauschen. Sie springt über einen umgekippten Abfalleimer und rennt los, um Valentine zu helfen.
»Das Kindermädchen«, schreit ihre Schwester. »Du musst Bonnie holen. Rette sie!«
Doch stattdessen wirft Chase sich gegen den Omnic und schleudert ihn zu Boden. Einen kurzen Moment lang hat sie den Positionsvorteil, und sie nutzt ihn, um den Fuß auf die Brust des Roboters niedersausen zu lassen. Chase kann spüren, wie seine äußere Plattierung nachgibt, dann zermalmt ihr Absatz die empfindliche Mechanik darunter. Sie tritt noch mal zu, in der Hoffnung, irgendetwas zu zerstören, aber der Omnic packt ihren Knöchel mit den Fäusten.
Die kybernetischen Komponenten machen Chase stärker als die meisten Menschen, aber einem Omnic ist auch sie nicht gewachsen. Die Maschine überwältigt sie in Sekundenschnelle und wirft sie mit einer Wucht ins Gras, die ihr sämtlichen Sauerstoff aus den Lungen presst. Bildet sie sich das helle Licht vor ihren Augen nur ein, als der Omnic ihren Angriff kopiert und ihr einen brutalen Tritt auf das Brustbein verpasst?
Sie braucht eine Waffe. Der Omnic ist drauf und dran, sie zu töten. Erneut lässt er die Ferse seines Fußes herabsausen, diesmal auf ihren Hals, und Chase wird schwarz vor Augen. Der nächste Tritt erwischt ihr Gesicht, hart genug, dass ihre Schwester jetzt tot wäre. Metall trifft auf Metall. Für Chase klingt es, als würde der Aluminium-Baseballschläger ihres Vaters gegen eine Straßenlaterne donnern. Das Fleisch auf dieser Seite ihres Gesichts platzt unter dem Fuß des Omnics auf, und ihr Mund füllt sich mit Blut. Ein weiterer Kopftreffer, und noch einer. Die Schmerzen lassen eine Supernova hinter ihren Augen explodieren. Der Geschmack von kaltem Eisen breitet sich unter ihrer Zunge aus, während ihre Sicht zu flackern beginnt. Chase rollt sich defensiv auf die Seite zusammen. Das Ding könnte mich wirklich umbringen, denkt sie.
Doch dann trommelt das Geräusch von Schritten über den Fußweg. »Vivian!« Der Schrei stammt von ihrer Schwester, dann schwingt sie einen Cricket-Schläger nach dem Omnic. Es reicht, um die Maschine einen Moment lang aus dem Gleichgewicht zu bringen – lange genug, damit Chase sich stolpernd auf die Füße hochkämpfen und Blut ins Gras spucken kann.
Valentine schlägt ein weiteres Mal nach dem Kopf des Roboters (es sieht aus, als wollte sie einen alten Fernseher einschlagen), und bevor die Maschine Vergeltung üben kann, stürmt Chase vor. Sie nutzt den ganzen Schwung ihrer Bewegung, um auch diesen Omnic ins Wasser zu befördern. Er geht mit einem lauten Platschen unter, und Chase taumelt nach hinten, ihr Körper von Schmerzen gemartert.
Aber jetzt ist in der Ferne ein weiterer Schrei zu hören.
»Bonnie!«, ruft Valentine erneut. Ihre Tochter wurde in den See gestoßen und rudert nun wild mit den Armen, während sie versucht, sich über Wasser zu halten. Grauen füllt die Augen der Kleinen, als der Kindermädchen-Omnic seelenruhig ihren Kopf unter die Wellen drückt.
Chase macht zwei Schritte in Richtung ihrer Nichte, aber das Blut strömt aus ihrem Kopf. Die chaotische Geräuschkulisse wird zu einem disharmonischen Heulen, und bevor sie reagieren kann, landet ihr Körper auch schon auf dem Kies. Die Welt löst sich auf.
Vor dem Verwahrungsbereich erklärt Major Campbell, dass man ohne große Verzögerung das Militär rief, um die verrückt gewordenen Omnics zu bekämpfen und möglichst viele Zivilisten zu retten.
»Sie hatten Glück«, meint er. Aber für Chase fühlt es sich nicht so an. Nicht zuletzt, weil sie immer noch in diesem Käfig sitzt, in dem sie aufwachte. »Auf dieser Insel war es leichter, sie unter Kontrolle zu bringen, aber dort draußen …« Er nickt vielsagend in Richtung von Torontos brennender Skyline.
»Können Sie mich rauslassen?«, fragt Chase. Ein Anflug von Ärger stiehlt sich in ihre Stimme, als ihr auffällt, wie zögerlich Campbell reagiert.
»Ich verstehe nicht, warum ich noch hier bin«, sagt sie mit einem Nicken in Richtung der Sensordrohne und ihrer primitiven KI. »Oder, warum sie einen Roboter entscheiden lassen, was als Roboter zählt.«
»Nun, die meiste Zeit liegen sie richtig.«
Chase knirscht mit den Zähnen und beugt sich so weit zu dem Zaun vor, wie sie es wagen kann. »Außer, wenn sie falschliegen.«
Einen Moment lang herrscht angespannte Stille zwischen ihnen, und Chase wundert sich, ob die Gerüchte stimmen: Sie hat gehört, dass Major Campbell sich gegen kybernetische Soldaten im Militär ausgesprochen hat. Wenn man dem Tratsch glaubt, hat er einen technikfeindlichen Zug. Er misstraut neuer Technologie, will sich nicht auf sie verlassen, pocht auf die anfallenden Wartungskosten und das Risiko, dass diese Technologie im entscheidenden Moment ausfallen könnte – ungeachtet der Tatsache, dass sich Soldaten ohne Prothesen und Implantate bekanntermaßen leichter verletzen. Chase gegenüber war er stets höflich, aber jetzt glaubt sie, eine neue Kälte in seinem Verhalten zu erkennen … oder bildet sie sich das nur ein?
Doch dann ist der Moment vorbei, und er hebt eine Hand zu dem Fingerabdruckscanner an der Außenseite des Zauns. »Autorisierung akzeptiert«, verkündet eine helle Stimme, anschließend summt der Scanner und das elektrische Feld um den Verwahrungsbereich wird kurzzeitig heruntergefahren. Sobald die Tür aufgleitet, tritt Chase nach draußen.
»Ich habe während des Angriffs meine Schwester und meine Nichte aus den Augen verloren«, erklärt sie. »Ich muss herausfinden, ob es ihnen gut geht.«
»Die meisten Zivilisten wurden zum Hanlan’s Point Beach gebracht. Sie haben dort ein Feldlazarett eingerichtet.«
Campbell betrachtet ihre Stirn. Chase will sich gar nicht vorstellen, was der Omnic mit ihrem Gesicht angestellt hat – die Schwellungen, die Blutergüsse, die Stellen, wo seine Tritte womöglich das Metall bloßgelegt haben. Schmerzen pochen durch ihren Schädel, und an der Seite ihres Gesichts und auf ihren Lippen ist Blut zu einer klebrigen Kruste getrocknet.
»Vielleicht sollte sich jemand Ihre Wunden ansehen. Ein Sanitäter«, er macht eine Pause, um das zerkratzte Metall an ihren kybernetischen Beinen zu mustern, »oder ein Mechaniker, keine Ahnung.«
Die Bemerkung lässt Chases Wut hochkochen, aber sie erwidert nichts darauf. Der Wind frischt auf, während sie hinter ihm über die Insel humpelt.
Es ist die reinste Kriegszone, denkt sie. Ein furchteinflößender Anblick. Während sie die Fußgängerbrücke auf der südlichen Seite der Insel überqueren, kann Chase einen genaueren Blick auf den Hafen von Toronto werfen, dort, wo der Himmel in Flammen steht. Rauchwolken verhüllen die oberen Stockwerke der Häuser, Explosionen blitzen über gläserne Fassaden oder lassen sie zerbersten.
»Passiert das überall? Die Kämpfe? Die Roboter?«, erkundigt sie sich. »Wissen wir, was der Auslöser ist?«
»Es begann in Lagos«, weiht Campbell sie ein. Der beißende Qualm lässt seine Augen tränen. »Dort attackierten die ersten Omnics ihre Besitzer. Aber die nächste Welle von Angriffen begann in mehreren Städten gleichzeitig: London, Mexico City, Hongkong. Als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Sie wandten sich gegen Familien, gegen Leute, denen sie jahrelang gedient hatten – sogar gegen Kinder. Wir haben keine genauen Angaben, aber die Zahl der Opfer geht vermutlich in die Millionen.«
Der Gedanke ist regelrecht absurd. Dass so etwas überhaupt passieren kann, und dann auch noch in einer solchen Größenordnung.
»Sie in der Stadt zu bekämpfen, ist so gut wie unmöglich«, fährt Campbell fort. »Es birgt all die klassischen Risiken des Häuserkampfes …«
»Der Feind hat zahllose Orte, wo er sich verstecken kann, was es schwer macht, einen Bereich wirklich zu sichern.« Chase listet die Argumente beinahe reflexartig auf. »Und in Toronto …«
»Wären die Kollateralschäden unvorstellbar hoch. Ganz zu schweigen davon, dass das Militär klar in der Unterzahl ist.«