Parker drillt den Spanner - Günter Dönges - E-Book

Parker drillt den Spanner E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! »Das grenzt doch an Frechheit«, grollte Agatha Simpson. Sie saß im Fond von Parkers hochbeinigem Monstrum und beugte sich vor. »Haben Sie das gerade gesehen?« »Es handelte sich um einen Überholvorgang, Mylady, den man nur als recht gewagt bezeichnen kann und muß«, antwortete der Butler und schaltete kurz das Fernlicht ein. Die Scheinwerfer erfaßten gerade noch das Heck des Wagens, der um eine Kurve wischte und dann nicht mehr zu sehen war. »Ich würde mich mit diesem Verkehrsrowdy gern mal unterhalten, Mister Parker«, redete Lady Agatha weiter und ließ sich wieder zurücksinken, »mit mir kann man so etwas nicht machen.« »Belieben Mylady zu wünschen, dem Ford zu folgen?« fragte Josuah Parker, ein Mann undefinierbaren Alters, der ungemein korrekt am Steuer seines Wagens saß. Parker trug einen schwarzen Binder. Auf seinem Kopf saß die schwarze Melone. »Natürlich wünsche ich eine Verfolgung«, meinte Lady Agatha streng, »ich werde diesem Rowdy Ohrfeigen anbieten, Mister Parker.« Parker zuckte mit keiner Miene. Er kannte die Aggressivität der Lady nur zu gut. Die ältere Dame, die das sechzigste Lebensjahr überschritten hatte, war eine ungemein dynamische Frau, die sich mit jedem anlegte, von dem sie sich auch nur andeutungsweise herausgefordert fühlte. Der Butler erhöhte also spürbar das Tempo seines Privatwagens, den Eingeweihte als eine Trickkiste auf vier Rädern bezeichneten. Der mächtige Rennsportmotor unter der eckigen Motorhaube ließ ein wenig die Muskeln spielen und wurde sehr schnell.

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Leseprobe: Parker und der Schatz des Keltenfürsten

Die verführerisch duftende Nußtorte, die Butler Parker zum Fünfuhrtee in Lady Simpsons weitläufiger Wohnhalle aufgetragen hatte, ging allmählich zur Neige. »Mylady wünschen noch Tee?« erkundigte sich Parker höflich. »Ich werde lieber ein Gläschen Sherry zu mir nehmen, um meinen Kreislauf zu stärken, Mister Parker«, entschied die Hausherrin. »Aber sicher möchten die Kinder noch Tee.« In würdevoller Haltung kam der Butler den Wünschen der kleinen Teerunde nach, verneigte sich und trat anschließend in seiner unvergleichlichen Art einen halben Schritt zurück. Bei den »Kindern« handelte es sich um ihren Vermögensberater, den erfolgreichen Anwalt Mike Rander, und um ihre Gesellschafterin, die attraktive Kathy Porter. Beide kannten aus langjähriger Erfahrung Agatha Simpsons große Leidenschaft: die Kriminalistik. »Bestimmt ist das die Mafia, die es auf die Reste der Torte abgesehen hat«, flachste Rander deshalb, als die Türglocke läutete. Die beiden Männer, die Parker gleich darauf einließ, kamen von einer Speditionsfirma. Gewicht und Format des Paketes, das sie ächzend im Flur abstellten, ließen an eine Haustür oder ein mehrflügeliges Fenster denken... »Nach einer Bombe sieht es nicht gerade aus«, bemerkte Kathy Porter und nahm das sperrige Stückgut näher in Augenschein. »Das kann man nie wissen, Kindchen«, erhob Agatha Simpson warnend ihre baritonal gefärbte Stimme. »Die Unterwelt läßt sich ständig neue Tricks einfallen, um mich aus dem Weg zu räumen.« »Eine Gefahr für Myladys Leib und Leben dürfte vom Inhalt dieser Sendung wohl kaum ausgehen, falls der Hinweis erlaubt ist«

Butler Parker – 174 –

Parker drillt den Spanner

Günter Dönges

»Das grenzt doch an Frechheit«, grollte Agatha Simpson. Sie saß im Fond von Parkers hochbeinigem Monstrum und beugte sich vor. »Haben Sie das gerade gesehen?«

»Es handelte sich um einen Überholvorgang, Mylady, den man nur als recht gewagt bezeichnen kann und muß«, antwortete der Butler und schaltete kurz das Fernlicht ein. Die Scheinwerfer erfaßten gerade noch das Heck des Wagens, der um eine Kurve wischte und dann nicht mehr zu sehen war.

»Ich würde mich mit diesem Verkehrsrowdy gern mal unterhalten, Mister Parker«, redete Lady Agatha weiter und ließ sich wieder zurücksinken, »mit mir kann man so etwas nicht machen.«

»Belieben Mylady zu wünschen, dem Ford zu folgen?« fragte Josuah Parker, ein Mann undefinierbaren Alters, der ungemein korrekt am Steuer seines Wagens saß. Parker trug einen schwarzen Binder. Auf seinem Kopf saß die schwarze Melone.

»Natürlich wünsche ich eine Verfolgung«, meinte Lady Agatha streng, »ich werde diesem Rowdy Ohrfeigen anbieten, Mister Parker.«

Parker zuckte mit keiner Miene. Er kannte die Aggressivität der Lady nur zu gut. Die ältere Dame, die das sechzigste Lebensjahr überschritten hatte, war eine ungemein dynamische Frau, die sich mit jedem anlegte, von dem sie sich auch nur andeutungsweise herausgefordert fühlte.

Der Butler erhöhte also spürbar das Tempo seines Privatwagens, den Eingeweihte als eine Trickkiste auf vier Rädern bezeichneten. Der mächtige Rennsportmotor unter der eckigen Motorhaube ließ ein wenig die Muskeln spielen und wurde sehr schnell. Es schien fast so, als habe Parker einen Turbolader zugeschaltet.

Josuah Parker, das Urbild des hochherrschaftlichen britischen Butlers, hatte allerdings nicht die Absicht, dem Ford nachzujagen. Dazu war die Straße zu schmal. Auch die Sichtverhältnisse rieten zur Vorsicht. Leichter Nebel war aufgekommen, der von den Wiesen der nahen Themse über das Land zog. Parker wollte mit der leichten Erhöhung der Geschwindigkeit nur guten Willen demonstrieren, mehr nicht. Für ihn war der kleine Zwischenfäll bereits erledigt. Gut, der Ford hatte ihn riskant geschnitten, war dabei ein wenig vom Kurs abgekommen und hatte ihn, Josuah Parker, auf den Seitenstreifen abgedrängt, doch sonst war wirklich nichts passiert. Warum also sollte er jetzt eine Verfolgung starten, die ohnehin sinnlos wäre? Der überholende Wagen mußte inzwischen weit voraus sein. Doch es kam anders.

Josuah Parker nahm plötzlich einen Feuerschein wahr, der den nächtlichen Himmel glutrot färbte. Dieser Feuerschein ließ einen kleinen Wald wie einen Schattenriß aus der Dunkelheit treten. Nun gab Parker doch Gas und beschleunigte konsequent.

»Was ist denn da vorn los?« erkundigte sich Lady Agatha interessiert und schob sich wieder vor.

»Es könnte sich möglicherweise um einen Unfall handeln, Mylady«, lautete Parkers Antwort. Agatha Simpson wollte eine weitere Frage stellen, doch die Beschleunigung des hochbeinigen Monstrums war derart groß, daß die ältere Dame in die Polster gedrückt wurde. Sie schnappte verzweifelt nach Luft und produzierte einige halberstickte Zornesausbrüche.

Parker hatte den Galeriewald inzwischen erreicht, legte seinen Wagen in die Kehre und sah dann auch schon, daß nicht weit vor ihm ein Wagen lichterloh brannte.

»Guter Gott, Mister Parker«, stieß Agatha Simpson beeindruckt hervor, »das sieht aber nicht gut aus.«

»Man kann in der Tat nur hoffen, noch ein wenig hilfreich sein zu können«, antwortete der Butler. Er hatte inzwischen das brennende Autowrack erreicht und hielt ohne jede Ankündigung an. Dadurch bewegte sich Lady Simpson haltlos nach vorn und lehnte sich weit über die Rücklehne der Vordersitze. Es war ihr Glück, daß der Butler die Trennscheibe zwischen dem Fond des Wagens und den Vordersitzen nicht geschlossen hatte.

Während Agatha Simpson erneut protestierte, stieg Parker bereits aus dem ehemaligen Taxi und eilte zur Brandstelle. Dabei hatte er aus guten Gründen seinen altväterlich gebundenen Universalregenschirm mitgenommen. Er spannte ihn auf, um sich so gegen die sengende Hitze zu schützen. Er schob sich so nahe wie möglich an den brennenden Wagen heran und wußte gleichzeitig, daß hier jede Hilfe zu spät kam. Wer auch immer im Wagen zurückgeblieben war, der mußte längst tot sein.

Plötzlich stolperte Parker, blickte automatisch zu Boden und entdeckte ein Beinpaar, das unter einem hochgeschobenen Rock hervorragte. Parker bückte sich sofort, faßte mit seinen schwarz behandschuhten Händen nach dem Beinpaar und zerrte den Körper aus der Reichweite der sengenden Hitze.

Dabei half ihm Lady Agatha sehr nachdrücklich.

Es zeigte sich, daß sie über erstaunliche Kräfte verfügte. Zusammen mit Parker zog und zerrte sie den weiblichen Körper zum Wagen des Butlers zurück. Lady Agatha und Josuah Parker hatten es fast geschafft, als eine kleine Detonation erfolgte. Der brennende Wagen platzte auseinander, Wrackteile und Flammengarben schossen durch die Nacht.

»Ich denke, ich habe wieder mal ein Menschenleben gerettet«, stellte Agatha Simpson fest und richtete sich auf.

»Mylady waren wie stets ein leuchtendes Vorbild«, antwortete der Butler, während er sich um die Frau kümmerte, die regungslos auf der nebelfeuchten Wiese lag.

»Nun, Mister Parker, wie sieht es aus?« fragte Lady Agatha ungeduldig.

»Schnelle Hilfe ist angebracht«, erwiderte Josuah Parker.

»Wird sie durchkommen?« lautete Myladys nächste Frage.

»Es dürfte eine gewisse Chance bestehen, Mylady, die man allerdings nur als hauchdünn bezeichnen kann«, meinte Josuah Parker. »Falls Mylady einverstanden sind, sollte man die junge Frau umgehend in die fachmännische Obhut eines Arztes bringen.«

Bevor Lady Agatha antworten konnte, waren zwei Schüsse zu vernehmen, die das Prasseln der Flammen übertönten.

*

»Es ist vielleicht ratsam, Mylady, sich in Deckung zu begeben«, sagte Josuah Parker, der sich selbst in den gefährlichsten Situationen nicht aus der Ruhe bringen ließ.

»Ist da gerade auf mich geschossen worden?« wollte die ältere Dame wissen.

»Man sollte dies in Anbetracht der Situation nicht völlig ausschließen«, gab der Butler zurück und dirigierte Lady Agatha hinter seinen hochbeinigen und eckigen Wagen. Dann ging er die wenigen Schritte zurück und kümmerte sich um die Frau, die nach wie vor regungslos auf der feuchten Wiese lag. Da inzwischen dunkle Rauchwolken vom brennenden Autowrack her eine Art Sichtschutz zwischen der Straße und Parkers Wagen aufbauten, brauchte der Butler keinen gezielten Schuß zu fürchten. Er hob die Frau hoch und trug sie behutsam in Deckung.

Lady Agatha baute sich neben der Unbekannten auf und beugte sich über sie.

Josuah Parker langte nach einer lederumspannten Taschenflasche, die sich in einer der Innentaschen seines schwarzen Zweireihers befand, schraubte den ovalen Verschluß ab und füllte ihn mit Kognak.

»Sehr aufmerksam, Mister Parker«, kommentierte Lady Agatha diesen Vorgang und griff nach dem kleinen Trinkbecher. Dann kippte sie mit Routine den Kognak hinunter und nickte wohlwollend.

Parker ließ sich auch jetzt nicht aus der Ruhe bringen.

»Darf man davon ausgehen, daß Myladys Kreislauf damit nachdrücklich gestärkt wurde?« erkundigte er sich und füllte den ovalen Becherverschluß erneut. Dann aber, bevor die ältere Dame ihren Kreislauf erneut stützen konnte, beugte der Butler sich zu der Frau hinunter und flößte ihr behutsam den Kognak ein.

Sie reagierte kurz darauf, öffnete einen Moment die Augen und hüstelte dann.

»Sie befinden sich in Sicherheit, Madam«, sagte Josuah Parker eindringlich und höflich zugleich, »darf man fragen, ob Sie sich allein im Wagen befanden?«

»Allein«, bestätigte sie hüstelnd.

»Sie kamen vom Weg ab, wenn man es so ausdrücken darf?«

»Ein Reifen platzte«, murmelte sie und wurde wieder ohnmächtig.

»Falls Mylady erlauben, wird meine Wenigkeit sich um den Schützen kümmern«, schickte Parker voraus. Bevor sie diese Erlaubnis erteilte, verschwand der Butler in den dunklen Rauchschwaden. Das Feuer war bereits erheblich in sich zusammengesunken, aber immer noch ausreichend genug, um die Straße zu beleuchten.

Parker machte oberhalb der feuchten Wiese bereits die ersten Fahrzeuge aus, die gehalten hatten. Hilfsbereite und vielleicht auch nur neugierige Autoinsassen eilten auf das brennende Wrack zu. Parker machte einen Bogen um eine besonders fette Rauchwolke und stolperte erneut.

Diesmal war das Hindernis nicht ein Mensch, sondern eine dunkelrote Schultertasche, die in einer Wasserlache lag. Parker bückte sich, hob die Tasche auf und ließ sie, als die fette Rauchwolke die Richtung änderte, unter dem schwarzen Zweireiher verschwinden. Er tat dies aus reinem Instinkt heraus. Erst danach schaltete sich sein scharfer Verstand ein. In dieser Tasche, die sicher der Fahrerin des brennenden Wagens gehörte, mußten sich zumindest ihre Papiere befinden.

Parker ging zurück zu seinem hochbeinigen Wagen und öffnete die hintere Tür. Zusammen mit seiner Herrin bugsierte er die Verunglückte auf den Hintersitz des Wagens und wartete dann, bis die Lady auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis das ehemalige Taxi sich hinauf zur Straße bewegte. Sobald die Reifen wieder festen Asphalt spürten, schaltete Parker hoch und verließ die Unglücksstelle. Es kam ihm darauf, an, die Frau so schnell wie möglich zu einem Arzt zu schaffen. Äußerliche Verletzung gravierender Art hatte er zwar nicht feststellen können, doch die Frau konnte durchaus innere Verletzungen davongetragen haben.

»Was sage ich zu diesen beiden Schüssen, Mister Parker?« fragte Agatha Simpson.

»Mylady machen sich mit Sicherheit Gedanken.«

»Das will ich meinen, Mister Parker.« Ihre Stimme klang durchaus erfreut. »Man ist also wieder mal auf meinen Spuren und will mich umbringen. Ich bin für die Unterwelt einfach zu gefährlich geworden.«

»Die beiden Schüsse könnten auch der Verunfallten gegolten haben, Mylady.«

»Unsinn, Mister Parker«, gab die ältere Dame umgehend zurück, »Sie wollen mich wieder mal nur beruhigen. Warum sollte man auf die junge Frau geschossen haben?«

»Eine Frage, Mylady, die es zu klären gilt.«

»Befand sie sich etwa auf der Flucht, als sie mich überholte?«

»Eine Möglichkeit, die keineswegs auszuschließen ist, Mylady.«

»Auch dann werde ich mich einschalten, Mister Parker«, meinte sie streng, »ungestraft schießt man nicht auf eine Lady Simpson! Und noch weniger dulde ich es, daß man eine Frau dazu bringt, mich derart sträflich zu überholen. Sie dürften mir bei Gelegenheit Vorschläge machen, wo ich den Hebel ansetzen könnte, ich lasse Ihnen da völlig freie Hand. Sie haben mein volles Vertrauen.«

*

Josuah Parker befand sich in der Eingangshalle des Hospitals und wartete auf das Ergebnis der Untersuchung. Er hatte die verunglückte Frau vor etwa zehn Minuten abgeliefert und Lady Simpson in ein Schwesternzimmer geleitet, wo sie mit einem Imbiß und Tee bewirtet wurde.

Natürlich hatte Parker die Schultertasche noch im Besitz und war gerade dabei, deren Inhalt zu sichten. Sie enthielt tatsächlich die üblichen Fahrzeugpapiere, den Führerschein und einige Fotos, die er in einem Briefumschlag entdeckte.

Und diese Fotos hatten es in sich ...

Sie zeigten eine Frau, deren Kleidung mehr als spärlich war. Sie lag auf einer breiten Bettcouch, war nicht gerade allein und trank aus einem Sektglas. Es handelte sich um insgesamt sechs Fotos, die gestochen scharf waren und stets ein anderes, aber ähnliches Motiv darstellten. Parker hatte sofort den Eindruck, daß die Bilder heimlich aufgenommen wurden. Er prägte sich das Interieur des Zimmers genau ein, um es jederzeit wieder aus seinem Gedächtnis abrufen zu können.

Die Papiere aus der Umhängetasche lauteten auf den Namen Hazel Swinton, wohnhaft in London, im Stadtteil Pimlico. Sie war fünfunddreißig Jahre alt und unverheiratet.

Parker, der sich in Gedanken noch mal mit den Fotos befaßte, wurde abgelenkt. Die Tür zur Vorhalle des Hospitals wurde aufgedrückt. Ein untersetzter Mann, der zu Jeans einen Parka trug, trat ein und gab sich sehr selbstsicher. Er steuerte auf die Glasloge zu, in der eine Schwester Nachtdienst machte. Wonach dieser Mann fragte, konnte Josuah Parker zwar nicht verstehen, doch er wußte sofort, daß der Mann wegen der verunglückten Autofahrerin gekommen war.

Der Mann, er mochte dreißig sein, schien sich übrigens auch nach ihm, Josuah Parker, erkundigt zu haben. Der Untersetzte wandte sich um, entdeckte Parker und steuerte sofort auf ihn zu. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Butler bereits die Umhängetasche in einen nahen Papierkorb geschoben und mit einer alten Zeitung abgedeckt, die er von einem Glastisch genommen hatte.

»Haben Sie die Autofahrerin ins Hospital gebracht?« fragte der Mann barsch. Er hatte ein oval geschnittenes Gesicht, einen schmalen Mund und harte Augen.

»Sie nehmen Interesse an dem bedauerlichen Vorfall?« stellte Parker in seiner höflichen Art die Gegenfrage.

»Ich bin ein Verwandter«, kam es glatt über die Lippen des Untersetzten. »Sie sollen die Tasche meiner Schwester gefunden haben?«

»Dies entspricht durchaus den Tatsachen«, erwiderte Parker, »sie wurde von meiner Wenigkeit dort drüben im Warteraum abgelegt.«

»Meine Wenigkeit?« Der Untersetzte grinste spöttisch. »Wie reden denn Sie, Mann?«

»Ich habe die Ehre und den unbestreitbaren Vorzug, der Butler Lady Simpson sein zu dürfen«, erklärte Josuah Parker gemessen, »meine Ausdrucksweise entspricht meiner Stellung, wenn ich mal so sagen darf.«

»Ihr Bier«, gab der Untersetzte zurück und setzte sich in Bewegung, »da die Tür?«

»Falls es genehm ist, könnte man Sie begleiten.«

»Das schaff ich schon allein.«

»Sie möchten nicht in Erfahrung bringen, was Ihre bedauernswerte Frau Schwester noch vor Ihrer Untersuchung zu sagen beliebte?«

»Natürlich muß ich das wissen. Ich glaube, sie ist von der Straße weggedrückt worden. Okay, kommen Sie mit, Mann!«

Der Untersetzte hatte den Köder willig angenommen.

Butler Parker erhob sich und schritt gemessen voraus. Als er die bezeichnete Tür erreichte, trat er zur Seite, öffnete dabei aber die Tür. Der Mann ging auf diese Höflichkeit ein und betrat den Raum hinter der Tür. Erst dann merkte er, daß er von Josuah Parker in einen Waschraum dirigiert worden war.

Der Mann drehte sich wütend um – und wollte etwas sagen, doch Parker ließ ihm aus guten Gründen keine Zeit dazu. Mit dem Bambusgriff seines Universalregenschirms, der mit Blei gefüllt war, klopfte er fast beiläufig gegen die Stirn des Mannes, der daraufhin tief Luft holte und dann kommentarlos zu Boden ging.

Josuah Parker stieg über ihn hinweg, zog ihn tiefer in den Waschraum und leistete anschließend erste Hilfe.

*

»Darf man sich nach Ihrem werten Befinden erkundigen?« fragte der Butler eine halbe Stunde später. Er hatte seine Frage an Hazel Swinton gerichtet, die neben Lady Agatha im Fond des Wagens saß.

Sie hatte sich sichtlich erholt, doch sie verhielt sich sehr schweigsam. In ihr wirkte zudem noch der Unfallschock nach. Erfreulicherweise hatte sie außer einigen Kratz- und Schürfwunden keine Verletzungen davongetragen. Sie war nach dem Abkommen von der Straße aus dem Wagen geschleudert worden und so dem Tod durch die Flammen entkommen.

Aus guten Gründen hatte Parker darauf bestanden, sie in die Stadt zu bringen. Ihm war längst klar, daß man hinter ihr her war, aus Gründen, die er leider noch nicht kannte. In diesem Zusammenhang dachte er selbstverständlich an die Fotos, die er in ihrer Umhängetasche gefunden hatte. Diese Tasche lag zwischen seiner Herrin und Hazel Swinton auf dem Rücksitz. Bisher hatte Hazel Swinton noch keine Möglichkeit, den Inhalt dieser Tasche nachzukontrollieren. Sie hatte jedoch ihre Hand fest auf die Tasche gelegt, als müßte sie einen erheblichen Schatz bewahren.

»Was ist, Kindchen?« schaltete die ältere Dame sich ein, als Hazel Swinton sich mit der Antwort auf Parkers Frage Zeit ließ.

»Ich glaube, ich bin wieder in Ordnung«, sagte sie und riß sich zusammen. »Doch, mir geht es wieder gut.«

»Darf man sich höflichst nach Ihrer Adresse erkundigen?« stellte Parker die nächste Frage. Er tat so, als wüßte er von nichts.

»Sie können mich an der Victoria Station absetzen«, gab sie zurück, »ich habe es dann nicht mehr so weit.«

»Natürlich bringen wir Sie nach Hause, meine Liebe«, widersprach Agatha Simpson nachdrücklich, »das gehört sich einfach so. Ich möchte nicht, daß Ihnen noch in letzter Sekunde etwas zustößt.«

»Okay.« Sie atmete tief durch. »Ich wohne am Bridge Place.«

Das entsprach keineswegs der Wahrheit, doch Parker ging aus guten Gründen darauf nicht ein.

»Bridge Place«, wiederholte er höflich, »Sie haben Angehörige, Madam, die sich um Sie kümmern werden?«

»Ich wohne bei meiner Mutter«, schwindelte sie weiter. Sie lehnte sich erschöpft zurück und schloß die Augen. Sie wollte damit andeuten, daß sie nicht die Kraft hatte, weitere Fragen zu beantworten.

»Sie sollten, wenn meine Wenigkeit darauf aufmerksam machen darf, sich an die Polizei wenden, Madam«, erinnerte Parker dennoch, »man wird inzwischen bereits Ermittlungen wegen Ihres ausgebrannten Wagens anstellen.«

»Das werde ich tun«, versprach sie mit müder Stimme.

»Und Sie sollten morgen vor allen Dingen nicht zum Dienst gehen«, schaltete Lady Agatha sich ein.

»Ich werde mir frei nehmen.«

»Sie arbeiten wo, meine Liebe?« Mylady ließ nicht locker. Sie war längst neugierig geworden.

»Ich bin Sekretärin in ... in einer Weinhandlung«, schwindelte Hazel Swinton weiter, »ich bleibe morgen zu Hause, wirklich, machen Sie sich keine Sorgen.«