Parker karrt den "Giftprinz" ab - Günter Dönges - E-Book

Parker karrt den "Giftprinz" ab E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! »Nun sehen Sie sich das an, Mister Parker«, sagte Agatha Simpson ein wenig schadenfroh. »Diese Leute haben doch wirklich keine Ahnung, wie man einen Lastwagen fährt! Ich denke, ich werde dem Anfänger ein paar Grundkenntnisse beibringen müssen.« Die ältere Dame, die das sechzigste Lebensjahr überschritten hatte, aber noch ungemein dynamisch war, hielt ihren leicht angebeulten Landrover an und schob ihre majestätische Fülle aus dem hochbeinigen Geländewagen. Ihr Blick konzentrierte sich auf den Sattelschlepper, der mit seinem fast riesig anmutenden Tankaufsatz in den hier flachen Graben gerutscht war. Der Beifahrer stand vorn am Fahrerhaus und signalisierte dem Fahrer Lenkausschläge. Der mächtige Motor des Sattelschleppers röhrte, die Räderpaare drehten durch und wirbelten Gras und Sand hoch. Der Tankzug schüttelte sich wie ein wütendes Tier, doch der Fahrer schaffte es nicht, das Fahrzeug vor dem weiteren Wegrutschen zu bewahren. »Das wird doch nichts, junger Mann«, stellte Lady Agatha wohlwollend und durchaus friedfertig fest. »Sie müssen den Tankzug herausschaukeln, wenn Sie überhaupt wissen, was damit gemeint ist.« »Hauen Sie ab, Madam«, erwiderte der Beifahrer, der erst jetzt auf Mylady aufmerksam geworden war. »Hauen Sie bloß ab, wir brauchen keine guten Ratschläge!« Der Fahrer schob seinen Oberkörper durch das geöffnete Seitenfenster der Fahrerkabine, erblickte Agatha Simpson, dann Parker und klinkte die Fahrertür auf. Er stieg hinunter auf die Straße und warf dabei seine kaum angerauchte Zigarette weg. Der Mann war untersetzt, muskulös, hatte ein schwammiges Gesicht und war unrasiert. »Schon gut, Leute«, rief er Lady Agatha und Parker zu.

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Butler Parker – 205 –

Parker karrt den "Giftprinz" ab

Günter Dönges

»Nun sehen Sie sich das an, Mister Parker«, sagte Agatha Simpson ein wenig schadenfroh. »Diese Leute haben doch wirklich keine Ahnung, wie man einen Lastwagen fährt! Ich denke, ich werde dem Anfänger ein paar Grundkenntnisse beibringen müssen.«

Die ältere Dame, die das sechzigste Lebensjahr überschritten hatte, aber noch ungemein dynamisch war, hielt ihren leicht angebeulten Landrover an und schob ihre majestätische Fülle aus dem hochbeinigen Geländewagen. Ihr Blick konzentrierte sich auf den Sattelschlepper, der mit seinem fast riesig anmutenden Tankaufsatz in den hier flachen Graben gerutscht war. Der Beifahrer stand vorn am Fahrerhaus und signalisierte dem Fahrer Lenkausschläge. Der mächtige Motor des Sattelschleppers röhrte, die Räderpaare drehten durch und wirbelten Gras und Sand hoch. Der Tankzug schüttelte sich wie ein wütendes Tier, doch der Fahrer schaffte es nicht, das Fahrzeug vor dem weiteren Wegrutschen zu bewahren.

»Das wird doch nichts, junger Mann«, stellte Lady Agatha wohlwollend und durchaus friedfertig fest. »Sie müssen den Tankzug herausschaukeln, wenn Sie überhaupt wissen, was damit gemeint ist.«

»Hauen Sie ab, Madam«, erwiderte der Beifahrer, der erst jetzt auf Mylady aufmerksam geworden war. »Hauen Sie bloß ab, wir brauchen keine guten Ratschläge!«

Der Fahrer schob seinen Oberkörper durch das geöffnete Seitenfenster der Fahrerkabine, erblickte Agatha Simpson, dann Parker und klinkte die Fahrertür auf. Er stieg hinunter auf die Straße und warf dabei seine kaum angerauchte Zigarette weg. Der Mann war untersetzt, muskulös, hatte ein schwammiges Gesicht und war unrasiert.

»Schon gut, Leute«, rief er Lady Agatha und Parker zu. »Wir kommen allein zurecht, klar? Sie können wieder verschwinden.«

»Sie müssen mehr mit der Kupplung arbeiten«, antwortete Agatha Simpson durchaus freundlich. »Und dann natürlich nicht zuviel Gas, junger Mann. Eine Naturbegabung als Fahrer sind Sie gerade nicht.«

»Ich ... Ich hab’ andere Begabungen, Madam«, antwortete der Fahrer und rang sich ein gequältes Lächeln ab. »Aber jetzt sollten Sie abhauen, klar? Sie stören hier nur.«

»Verdrückt euch«, sagte der Beifahrer ruppig. »Wir brauchen keine Ratschläge.«

»Sie sollten sich einer gewissen Höflichkeit befleißigen, obwohl Ihre momentane Lage durchaus verständlich ist«, schaltete Parker sieh ein. Etwa mittelgroß und fast schlank, sah er aus wie das Urbild eines hochherrschaftlichen englischen Butlers. Sein Gesicht war glatt und ausdruckslos wie das eines professionellen Pokerspielers. Er trug über seinem schwarzen Zweireiher einen ebenfalls schwarzen Covercoat und eine Melone. Am angewinkelten linken Unterarm hing ein altväterlich gebundener Regenschirm.

»Mann, wir wollen keinen Ärger«, antwortete der Angesprochene und zwang sich erstaunlicherweise ebenfalls zur Ruhe wie der Fahrer. »Wir wollen nur in aller Ruhe unseren Karren flottmachen.«

»Was Sie natürlich völlig falsch anfangen, junger Mann«, erklärte die ältere Dame noch mal. »Aber bitte, ich kann warten. Sie werden mich noch um Hilfe bitten.«

Der Beifahrer wollte aufbrausen, doch dann wechselte er einen schnellen Blick mit dem Fahrer und wandte sich ab. Der Fahrer ging zurück zum Tankzug, stieg ins Fahrerhaus und machte sich erneut daran, den weggesackten Sattelschlepper auf die Straße zurückzubringen.

»Es gibt Leute, die einfach nicht begreifen wollen«, mokierte sich Lady Agatha. »Ich kann nur hoffen, daß das Ungetüm umkippt.«

»Myladys Erwartung dürfte bald in Erfüllung gehen«, meinte der Butler in seiner unnachahmlich höflichen Art. Er übertrieb keineswegs, denn das Gewicht drückte die Außenreifen immer tiefer in den weichen, wahrscheinlich morastigen Graben. Die Schräglage wurde bedrohlich.

Lady Agathas Augen funkelten in Vorfreude.

Die ältere Dame, immens vermögend, seit vielen Jahren verwitwet, mit dem Blut- und Geldadel der Insel eng verschwistert und verschwägert, war eine Frau, die stets das sagte, was sie gerade dachte. Sie pfiff auf alle Konventionen, trat in jedes erreichbare Fettnäpfchen und hielt sich unter anderem für eine einmalige Kriminalistin. Es gab nichts, was sie nicht besser wußte. Und sie merkte einfach nicht, daß es ihr Butler war, der seine Hände schützend über sie hielt und die Kriminalfälle löste.

Boshaft war sie dazu. So freute sie sich jetzt ungemein, als der Sattelschlepper sich mit der rechten Heckseite auf einen Kilometerstein legte, der sich in den Tankaufbau drückte.

»Schade um die Milch, Mister Parker«, erklärte die passionierte Detektivin ohne Bedauern. »Sie müssen zugeben, daß ich den Lastwagen aus dem Graben gebracht hätte, nicht wahr?«

»Meine bescheidene Wenigkeit würde niemals an solch einer Möglichkeit auch nur andeutungsweise zu zweifeln wagen«, gab Parker zurück. Er rechnete ebenfalls damit, daß gleich Milch auslaufen würde. Laut unübersehbarer Aufschrift auf dem Tank transportierte der Sattelschlepper Milch.

Der Tank leckte tatsächlich.

Josuah Parker schritt würdevoll zum aufgewühlten Straßengraben hinüber und blickte auf die ausgetretene Milch, die keine war. Statt der erwarteten weißen Köstlichkeit floß ein giftig schillerndes Gemisch aus schwarzem Altöl und Chemikalie aus dem Leck in den Graben.

Worüber Parker sich verständlicherweise wunderte.

*

Wenige Augenblicke später wunderte er sich erneut.

Der Beifahrer kam um das Heck des Sattelschleppers herum und schwang sehr unternehmungslustig einen Schraubenschlüssel, der den Dimensionen des Fahrzeugs angepaßt war. Dieses Gerät war gut und gern einen halben Meter lang und sollte eindeutig als Waffe verwendet werden. Der Beifahrer wollte damit auf Parker einschlagen, der allerdings sofort reagierte und höflich einen halben Schritt zur Seite trat.

Der Schraubenschlüssel zischte knapp am Butler vorüber und knallte dann mit großer Wucht gegen den Tankaufbau. Bevor der Angreifer sich neu versammeln konnte, warf Parker mit ruckartiger Bewegung des Unterarmes den Universal-Regenschirm senkrecht hoch in die Luft. Mit der rechten Hand griff er dann nach dem unteren Viertel des Schirmes und setzte den Bambusgriff seines Regendaches auf die Stirn des Beifahrers.

Da dieser Schirmgriff mit Blei ausgegossen war, fiel dieses Anklopfen sehr nachdrücklich aus. Der Beifahrer produzierte einen erstickt-ächzenden Laut, warf den Schraubenschlüssel in die Luft und sich zu Boden. Er scharrte noch mit den Beinen in der aufgewühlten Erde des Straßengrabens und gab dann Ruhe.

Josuah Parker hatte keine Zeit, sich um seinen Gegner zu kümmern. Der Fahrer des Sattelschleppers war ausgestiegen und stürmte heran. Auch er schwang einen Schraubenschlüssel und wollte den Butler damit niederknüppeln.

Doch Parker war nicht der Mann, der sich aus der Fassung bringen ließ. Er unterband den Angriff auf fast elegante Art. Mit der Schirmspitze stach er nach dem Solarplexus des Mannes, der daraufhin sichtlich unter Luftnot litt, ebenfalls die improvisierte Waffe wegwarf und auf dem Boden Platz nahm. Er hüstelte, schnappte zwischendurch verzweifelt nach Luft und krümmte sich wie ein getretener Wurm.

»Sie werden sicher begreifen, daß man Ihre Handlungsweise nur mißverstehen kann«, sagte Parker. »Ferner muß man wohl unterstellen, daß Sie sehr wohl wissen, daß Sie keine Milch transportieren.«

Lady Agatha erschien am Heck des Tankzuges.

»Seien Sie vorsichtig, Mister Parker«, warnte sie. »Ich habe einen dieser Lümmel mit einem Schraubenschlüssel gesehen und ...«

»Die Sache hat sich bereits erledigt, Mylady«, meldete Parker höflich, »die beiden Herren leiden momentan unter gewissen körperlichen Schwächen.«

»Ich wußte sofort, daß man den Subjekten nicht trauen kann«, redete sie weiter und blickte auf die Männer, die von der schwarzen Ölbrühe umspült wurden. Dann stutzte sie mit einiger Verspätung und runzelte die Stirn.

»Das ist doch keine Milch«, konstatierte sie empört.

»Man dürfte verbotenerweise chemische Abfälle transportiert haben, Mylady.«

»In einem Tankzug für Milch? Nicht zu glauben!« Sie schüttelte den Kopf. »Es war also doch gut, daß ich die Abkürzung gewählt hatte, nicht wahr?«

»Mylady dürften es wieder mal in den Fingerspitzen gespürt haben«, entgegnete Parker gemessen.

»Ich werde den Dingen auf den Grund gehen.« Sie beugte sich vor, schnupperte ein wenig und verzog angewidert das Gesicht.

»Eine undefinierbare Chemikalie, Mylady«, sagte der Butler. »Es empfiehlt sich, eine Probe zu nehmen, um sie später analysieren zu lassen.«

»Genau das wollte ich gerade anregen.« Sie nickte wohlwollend. »Erledigen Sie das, Mister Parker. Ich werde die beiden Lümmel nicht aus den Augen lassen.«

Während sie diese Feststellung traf, ließ sie ihren perlenbestickten Pompadour kreisen. In diesem kleinen Handbeutel, der an langen Schnüren an ihrem linken Handgelenk baumelte, befand sich ihr sogenannter Glücksbringer. Es handelte sich dabei um ein Hufeisen, das von einem massiven Brauereipferd stammte. Agatha Simpson wußte mit diesem Glücksbringer geschickt umzugehen. Parker hatte also keine Bedenken, zum Landrover zurückzugehen.

Er hatte ihn noch nicht ganz erreicht, als er plötzlich einen wütenden Aufschrei hörte, der in glucksendem Klatschen unterging. Parker schritt schnell, jedoch ohne Verzicht auf Würde, zurück zum Sattelschlepper und entdeckte seine Herrin, die mit ausgebreitetem Rock wie eine riesige Glucke im bereits ölgefüllten Straßengraben saß.

Von den beiden Männern war nichts mehr zu sehen. Sie waren im Gesträuch des angrenzenden Feldes verschwunden.

*

»Mylady befindet sich im Zustand einer leichten Erregung, Sir«, meldete Josuah Parker, nachdem er Kathy Porter und Mike Rander eingelassen hatte.

»Sie ist oben im Bad, Mister Parker?« fragte Kathy Porter. Sie war die Gesellschafterin und Sekretärin der älteren Dame.

»Die Ölrückstände setzen einer endgültigen Reinigung hartnäckigen Widerstand entgegen, Miß Porter.«

»Dann werde ich helfend eingreifen«, entschied sie. Kathy Porter, an die dreißig Jahre alt, groß, schlank, war eine attraktive Erscheinung, von einem Hauch Exotik umgeben. Dazu trugen ihre mandelförmig geschnittenen Augen und die betonten Wangenknochen bei. Sie hatte braunes Haar mit einem leichten Rotstich und wirkte damenhaft-zurückhaltend. Doch sie konnte sich in eine wilde Pantherkatze verwandeln, wenn man sie angriff. Sie war sehr erfahren in vielen Künsten fernöstlicher Selbstverteidigung und kannte keine falschen Hemmungen.

Kathy Porter nickte Parker und Mike Rander zu und ging dann über die geschwungene Treppe ins Obergeschoß des Fachwerkhauses, das Lady Simpson hier in Shepherd’s Market bewohnte.

»Ihre Stichworte eben am Telefon haben mich neugierig gemacht«, sagte der Anwalt, der als Vierzigjähriger äußerlich an einen bekannten James-Bond-Darsteller erinnerte. »Sie haben schon festgestellt, wem der Sattelschlepper gehört?«

»Dieser Frage ging meine Wenigkeit in der Tat bereits nach«, lautete Parkers Antwort. »Das Kennzeichen des Wagens ist eindeutig gefälscht und gehört einem Lastzug, der in Southampton registriert war und an einen Schrotthändler im Londoner Osten verkauft wurde.«

»Das ist doch schon was«, erwiderte Mike Rander. Er und Parker kannten sich seit vielen Jahren. Seinerzeit hatten sie zusammen in den USA viele Abenteuer überstanden, bis der Butler dann in die Dienste der Lady Simpson getreten war.

Nach Mike Randers Rückkehr aus den Staaten war er von Lady Agatha wie selbstverständlich vereinnahmt worden. Er verwaltete jetzt das Vermögen der älteren Dame und fand kaum Zeit, seinem wirklichen Beruf als Anwalt nachzugehen. Seine Kanzlei und seine Privatwohnung befanden sich in der nahen Curzon Street.

»Die Probeentnahme der Chemikalie, Sir, befindet sich bereits in einem privaten Labor«, berichtet der Butler weiter. »Mit einem ersten Ergebnis der Analyse dürfte gegen Spätnachmittag zu rechnen sein.«

»Eine tolle Schweinerei«, meinte Rander und schüttelte den Kopf. »Da benutzt man einen ehemaligen Milchtankzug, um flüssigen Abfall wegzuschaffen. Die Sache stinkt doch!«

»Sie stank im wahrsten Sinn des Wortes, Sir«, gab Parker zurück. »Meiner bescheidenen Ansicht nach sollten die flüssigen Abfälle illegal verbracht werden.«

»Haben Sie schon eine Vorstellung, Parker, wohin das Zeug transportiert werden sollte?«

»Zu dem bereits geschilderten Zwischenfall kam es östlich von Chelmsford, Sir. Es wird festzustellen sein, ob es dort sogenannte Mülldeponien gibt.«

»Das könnten Miß Porter und ich übernehmen«, schlug Mike Rander vor. »Ich denke, Sie wollen sich mit dem Schrotthändler in Verbindung setzen, wie?«

»Eine Aufgabenteilung, Sir, die man nur als effektiv bezeichnen kann.« Parker nickte andeutungsweise.

»Verrückt, daß Lady Simpson und Sie wieder mal per Zufall auf diesen Tankzug gestoßen sind.«

»Mylady besuchte in Chelmsford ein Altersheim«, setzte Parker dem jungen Anwalt auseinander. »Während der Rückfahrt bestand Mylady auf einer Abkürzung.«

»Die uns wahrscheinlich direkt in einen neuen Fall führt.« Rander lächelte, »und ich hatte schon die stille Hoffnung, daß wir mal ein paar Wochen ohne Gauner und Gangster verbringen könnten.«

»Mylady pflegt Kriminalfälle anzuziehen wie der Magnet die Eisenfeilspäne, Sir.«

»Na schön, Parker, packen wir’s an.« Rander zuckte die Achseln. »Seitdem ich wieder in London bin, erschüttert mich überhaupt nichts mehr. Bleibt in diesem Fall nur die Hoffnung, daß sich das alles als eine private Gaunerei herausstellt.«

»Wenn Sie erlauben, Sir, möchte meine Wenigkeit anderer Ansicht sein.«

»Ich fürchte auch, daß wir da nur die Spitze eines Eisberges gesehen haben, Parker. Sollten wir nicht McWarden informieren?«

»Chief-Superintendent McWarden befindet zur Zeit noch auf einer Dienstreise«, entgegnete Josuah Parker. »Er wird nach Auskunft seiner Dienststelle erst am kommenden Nachmittag wieder in London zurück sein.«

»Na ja, bis dahin wird ja wohl kaum was passieren«, hoffte Mike Rander. Er konnte natürlich nicht wissen, daß er sich gründlich geirrt hatte.

*

Josuah Parker saß am Steuer seines hochbeinigen Monstrums, wie sein Privatwagen von Eingeweihten gern genannt wurde. Dieses alte, ehemalige Taxi, das vom Baujahr her wirklich nur noch in wenigen Einzelexemplaren in den Londoner Straßen anzutreffen war, zeichnete sich durch einen hohen und eckigen Aufbau aus. Unter diesem Blech befand sich aber modernste Technik, und Parker hatte dafür gesorgt, daß er mit vielen Überraschungen aufwarten konnte, falls es die Lage erforderte.

Der Butler war allein.

Lady Agatha meditierte in ihrem Studio, wie sie es nannte. Mit Sicherheit schaute sie sich einen Video-Film an, um die Technik des Drehbuchschreibens zu lernen, wie sie es nannte. Die ältere Dame hielt sich nämlich nicht nur für eine einmalig gute Kriminalistin, sie war auch fest davon überzeugt, Bestseller und Film-Scripts schreiben zu können.

Parker war auf dem Weg zu einem privaten Institut, das Analysen für die Industrie vornahm. In dieser Firma hatte man die stinkende Chemikalie untersucht und wollte ihm nun das Ergebnis mitteilen. Das Institut befand sich im Stadtteil Clerkenwell, nordwestlich der eigentlichen City.

Schon nach wenigen Minuten bemerkte Parker, daß er verfolgt wurde. Es handelte sich um einen wendigen Fiat, in dem zwei Männer saßen, sie trugen Lederjacken und Baseballmützen mit überlangen Schirmen. Der kleine Fiat blieb auch dann noch am hochbeinigen Monstrum kleben, als Parker seinen Wagen völlig regellos durch ein Gewirr schmaler Straßen lenkte. Entweder wollten die Verfolger bewußt auf sich aufmerksam machen oder aber sie kamen gar nicht auf den Gedanken, daß man sie ausgespäht haben könnte.

Um den Dingen auf den Grund zu gehen, forderte der Butler seine Verfolger heraus. Er steuerte einen Parkplatz an, ließ sein hochbeiniges Monstrum in eine Parktasche rollen und wartete erst mal ab. Er nutzte die Zeit, um nach einem kleinen Sprayzylinder zu langen, der sich in einer seiner vielen Westentaschen befand. Dieses kleine Gerät, wie man es zur Bekämpfung des Schnupfens verwendet, sah in seiner schwarz behandschuhten Hand völlig harmlos aus, falls man es überhaupt entdeckte.

Der Fiat war gefolgt und wurde genau hinter Parkers Wagenheck abgestellt. Fast synchron stiegen die beiden Männer aus, kamen ohne jede Eile nach vorn und bauten sich links und rechts an den Vordertüren von Parkers Wagen auf. Als sie wie auf ein geheimes Kommando diese Türen öffnen wollten, erlebten sie eine erste Enttäuschung. Die Türen waren verriegelt.

»Kann man Ihnen in irgendeiner Form möglicherweise dienlich sein?« Parker öffnete die vordere rechte Wagenscheibe spaltbreit und blickte den Mann höflich an.

»Machen Sie mal die Tür auf«, antwortete der Angesprochene ungeduldig. »Wir haben mit Ihnen zu reden.«

Während er noch seine Wünsche äußerte, zeigte er dem Butler kurz, aber deutlich, den Lauf einer schallgedämpften Automatik.

»Sind Sie völlig sicher, daß Sie meine bescheidene Wenigkeit meinen?« erkundigte sich der Butler.

»Los, Beeilung, sonst gibt’s Zunder«, drohte der Mann, »das hier is’ keine Show, Mann!«

»Handelt es sich etwa um einen Überfall?« wollte Parker wissen.

»Quatsch. Wir haben nur ein paar Sachen zu sagen, klar? Los, auf mit der Tür!«

Parker nickte höflich und bewegte die rechte Hand hoch. Danach drückte er auf den Auslöseknopf des Sprayfläschchens. Begleitet von feinem, scharfem Zischen schoß eine wasserklare Flüssigkeit durch den Fensterspalt nach draußen und breitete sich dort zu einer kleinen Spraywolke aus.

Der Mann wich unwillkürlich zurück, wischte sich durch das Gesicht und hüstelte. Parker schloß das Fenster und kümmerte sich um den zweiten Mann an der anderen Wagentür. Er beugte sich etwas über den Beifahrersitz und winkte den Fiatfahrer an die Scheibe heran, die sich hier ebenfalls spaltbreit öffnete.

»Sie können, wenn Sie es wünschen, umgehend einsteigen«, sagte der Butler und ... verabreichte auch diesem Mann eine Dosis aus der Spraydose. Auch jetzt kam es zu einem Wischen übers Gesicht, zu einem Hüsteln. Parker schloß wieder das Fenster und wußte aus einschlägiger Erfahrung, daß er vielleicht zwei bis drei Minuten warten mußte, bis er sich den Behandelten intensiver widmen konnte.

*