Parker seilt den Berggeist ab - Günter Dönges - E-Book

Parker seilt den Berggeist ab E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! Butler Parker war ungemein besorgt, ließ es sich allerdings nicht anmerken. Das glatte und ausdruckslose Gesicht blieb unbeweglich. Höflich und distanziert zugleich stand er seitlich hinter Lady Agatha Simpson, seiner Herrin, die gerade mit baritonaler Stimme verkündete, selbstverständlich sei sie noch durchaus in der Lage, einen Achttausender zu erstürmen. Lady Agatha Simpson, mit dem Blut- und Geldadel der Insel eng verschwistert und verschwägert, war eine stattliche Erscheinung, die Autorität ausstrahlte. Die große, durchaus als füllig zu bezeichnende Dame, hatte mit Sicherheit das sechzigste Lebensjahr überschritten. Sie besaß ein ausdrucksstarkes Gesicht, eine männliche Nase und ein Kinn, das Energie und Entschlossenheit verriet. Lady Agatha befand sich zusammen mit ihrem Butler in den altehrwürdigen Räumen eines Clubs, zu dem normalerweise weibliche Wesen keinen Zutritt haben. In ihrem Fall aber hatte man wohlweislich eine Ausnahme gemacht, denn die »alte« Dame war dafür bekannt, daß sie Hindernisse, gleich welcher Art, souverän überwand. Um ihr jedoch einen Streich zu spielen, hatten einige ältere Semester sie herausgefordert und nagelten sie nun zielstrebig auf eine Wette fest. »Sprachen Sie eben von einem Achttausender, Mylady?« fragte Sir Rupert, der Präsident des Clubs, in dem sich Globetrotter zu treffen pflegten, Männer, die noch Zeit und Geld hatten, um sich Abenteuerreisen zu leisten. »Ich sprach von einem Achttausender«, antwortete Agatha Simpson munter. Ihre grauen Augen blitzten, »Sie haben sich nicht verhört.« »Schafft ein Hubschrauber solch eine Höhe?« fragte ein anderes Clubmitglied ironisch. »Selbstverständlich werde ich auf einen Hubschrauber verzichten«, grollte Mylady augenblicklich, ich bestieg bereits das Matterhorn, junger Mann, als Sie noch gar nicht geboren waren!« »Ich denke, wir sollten auf eine Wette verzichten«

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Butler Parker – 144 –

Parker seilt den Berggeist ab

Günter Dönges

Butler Parker war ungemein besorgt, ließ es sich allerdings nicht anmerken. Das glatte und ausdruckslose Gesicht blieb unbeweglich. Höflich und distanziert zugleich stand er seitlich hinter Lady Agatha Simpson, seiner Herrin, die gerade mit baritonaler Stimme verkündete, selbstverständlich sei sie noch durchaus in der Lage, einen Achttausender zu erstürmen.

Lady Agatha Simpson, mit dem Blut- und Geldadel der Insel eng verschwistert und verschwägert, war eine stattliche Erscheinung, die Autorität ausstrahlte. Die große, durchaus als füllig zu bezeichnende Dame, hatte mit Sicherheit das sechzigste Lebensjahr überschritten. Sie besaß ein ausdrucksstarkes Gesicht, eine männliche Nase und ein Kinn, das Energie und Entschlossenheit verriet.

Lady Agatha befand sich zusammen mit ihrem Butler in den altehrwürdigen Räumen eines Clubs, zu dem normalerweise weibliche Wesen keinen Zutritt haben. In ihrem Fall aber hatte man wohlweislich eine Ausnahme gemacht, denn die »alte« Dame war dafür bekannt, daß sie Hindernisse, gleich welcher Art, souverän überwand. Um ihr jedoch einen Streich zu spielen, hatten einige ältere Semester sie herausgefordert und nagelten sie nun zielstrebig auf eine Wette fest.

»Sprachen Sie eben von einem Achttausender, Mylady?« fragte Sir Rupert, der Präsident des Clubs, in dem sich Globetrotter zu treffen pflegten, Männer, die noch Zeit und Geld hatten, um sich Abenteuerreisen zu leisten.

»Ich sprach von einem Achttausender«, antwortete Agatha Simpson munter. Ihre grauen Augen blitzten, »Sie haben sich nicht verhört.«

»Schafft ein Hubschrauber solch eine Höhe?« fragte ein anderes Clubmitglied ironisch.

»Selbstverständlich werde ich auf einen Hubschrauber verzichten«, grollte Mylady augenblicklich, ich bestieg bereits das Matterhorn, junger Mann, als Sie noch gar nicht geboren waren!«

»Ich denke, wir sollten auf eine Wette verzichten«, meinte Sir Rupert, ein zäh aussehender, drahtiger Fünfziger, listig.

»Natürlich werde ich wetten«, antwortete die ältere Dame prompt und tappte damit in die gestellte Falle, »schneller kann eine arme Frau wie ich kein Geld verdienen.«

Der Hinweis auf ihre Armut löste allgemeines Schmunzeln aus. Lady Agatha Simpson war immens vermögend, ihr Geiz allerdings nicht weniger bekannt.

»Zehntausend Pfund, daß Sie einen Achttausender nie schaffen«, sagte Sir Rupert augenblicklich.

»Papperlapapp, junger Mann«, antwortete Agatha Simpson wegwerfend, »fünfzigtausend Pfund und keinen Penny weniger, sonst interessiert diese Wette mich nicht.«

»Abgemacht«, gab Sir Rupert klein bei, »Sie bezwingen den bewußten Achttausender noch in diesem Jahr, das ist die Bedingung.«

»Eine Kleinigkeit für mich, nicht wahr, Mr. Parker?« Die Lady wandte sich zu ihrem Butler um.

»Wie Mylady zu meinen belieben«, lautete Parkers ausweichende Antwort.

»Noch in diesem Jahr«, wiederholte Lady Agatha triumphierend, »ich habe also noch vier Monate Zeit, das müßte eigentlich reichen.«

»Das werden Sie nie schaffen«, sagte Sir Rupert, »Lady Agatha, noch können Sie die Wette kündigen.«

»Niemals, junger Mann«, grollte die ältere Dame, »ich nehme die kleine Herausforderung selbstverständlich an. Gibt es noch weitere Herren, die sich an dieser Wette beteiligen möchten? Falls ja, dann setzen Sie sich mit Mr. Parker in Verbindung. Er wird die Einzelheiten erledigen.«

Sie nickte hoheitsvoll und schlenderte in die große Halle, die mit Marmor verkleidet war. Sie hielt dabei ein Longdrinkglas in der Hand, aus dem sie nachhaltig getrunken hatte. Ihre Wangen waren leicht gerötet, sie machte einen animierten Eindruck.

»Nun, Mr. Parker, was halten Sie von dieser Wette?« fragte sie leutselig, als sie mit ihrem Butler allein war. »Schneller kann ich wirklich kein Geld verdienen, nicht wahr?«

»Mylady werden sich in den Himalaya begeben müssen«, antwortete Parker in seiner gewohnt höflichen Art.

»Das macht doch nichts«, lautete ihre leicht gereizte Antwort.

»Mylady werden sich einem sogenannten Konditionstraining unterziehen müssen«, zählte Josuah Parker weiter auf.

»Unsinn«, raunzte sie, »ich bin in Hochform ... Erst vorgestern habe ich Golf gespielt und bin wenigstens eine ganze Meile gegangen.«

»Ein Achttausender verlangt möglicherweise ein wenig mehr«, sagte der Butler gemessen.

»Was wollen Sie mir da einreden, Mr. Parker?« Sie sah ihn streng an und runzelte die Stirn. »Ich habe erst vor einigen Tagen im Fernsehen einen Film gesehen. Ob Sie es nun glauben oder nicht, Mr. Parker, da wurde ein Bergsteiger gezeigt, der einen Achttausender sogar ohne Sauerstoffgerät erstieg, quasi mit der linken Hand. Ich werde mich doch von solch einem Jüngling nicht beschämen lassen!«

»Myladys Wünsche werden meiner Wenigkeit selbstverständlich stets Befehl sein und bleiben«, erklärte Josuah Parker und deutete eine knappe Verbeugung an.

»Sehr schön.« Sie nickte wohlwollend. »Sie, Mr. Parker, werden mich bei diesem Gipfelsturm natürlich begleiten.«

»Meine Wenigkeit erlaubte sich, Mylady, dies bereits zu erahnen«, gab der Butler höflich zurück. Auch jetzt blieb sein Gesicht glatt und ausdruckslos wie das eines professionellen Spielers. Ein Butler Parker war eben durch nichts zu erschüttern.

*

»Du lieber Gott«, meinte Mike Rander am anderen Morgen. Parker hatte dem Anwalt den Morgenkaffee im altehrwürdigen Fachwerkhaus der Lady Simpson serviert und ihm einen knapp gefaßten Bericht von den Ereignissen im Club gegeben, »selbstverständlich wird Mylady nie einen solchen Berg schaffen.«

»Auch hinsichtlich meiner bescheidenen Wenigkeit gibt es erhebliche Bedenken«, antwortete Parker gemessen, »Mylady scheint sich ein wenig zu überschätzen.«

»Wie konnte es nur zu dieser Wette kommen?« Der etwa vierzigjährige Rander, groß, schlank und durchaus an einen bekannten James-Bond-Darsteller erinnernd, verwaltete neben seiner Praxis als Anwalt das Vermögen der älteren Dame, die er schon seit Jahren gut kannte.

»Mylady befand sich möglicherweise in einem Zustand der Euphorie«, versuchte der Butler die verrückte Wette zu erklären, »zudem wurde Mylady geschickt herausgefordert.«

»Dieser Sir Rupert ist eben ein gerissener Fuchs«, meinte Rander, »er hat sie voll ins Messer laufen lassen, Parker.«

»Dem möchte und kann meine Wenigkeit nicht widersprechen, Sir.«

Das Verhältnis zwischen Josuah Parker und Mike Rander war ausgezeichnet. In früheren Jahren hatten die beiden, von Grund auf verschiedenen Männer, gemeinsam viele Abenteuer überstanden, und zwar zu einer Zeit, als Parker noch Mike Randers Butler gewesen war.

»Man müßte mal mit Sir Rupert reden«, meinte Rander nachdenklich, »man müßte ihn dazu bringen, daß er auf diese verrückte Wette verzichtet.«

»Sir Rupert dürfte nur höchst ungern auf diesen sicheren Wettgewinn verzichten wollen.«

»Das fürchte ich allerdings auch. So leicht läßt sich kein Geld verdienen wie hier.«

»Mylady könnte sich theoretisch geschlagen geben und die fünfzigtausend Pfund zahlen, bevor weitere Wetten angeboten werden.«

»Freiwillig wird Lady Simpson nie zahlen«, erwiderte der Anwalt und winkte ab, »aber wie, zum Teufel, können wir die Achttausender vor Mylady bewahren?«

»Man könnte in Mylady eine gewisse Allergie Bergen gegenüber auslösen, Sir.«

»Und wie stellen Sie sich das vor? Haben Sie eine Idee?«

»Mylady wird freiwillig kaum ein sogenanntes Konditionstraining durchführen, aber im Zusammenhang mit einem Kriminalfall würde Mylady sich selbstverständlich jeder Anstrengung unterziehen.«

»Haben Sie denn einen passenden Kriminalfall auf Lager, der dazu noch in den Bergen spielt?« Parker nickte andeutungsweise. »Vor einigen Tagen brachte eine große Tageszeitung einen kleinen Artikel über eine Tauchunternehmung in Österreich, In diesem Zusammenhang wurde ein Taucher das Opfer rätselhafter Umstände.«

»Ich hätte es gern deutlicher, Parker.«

»Besagter Taucher, Sir, gehörte zu einer Gruppe von Schatzsuchern, wenn man so sagen darf. Man tauchte in einem kleinen Bergsee nach Barrengold und wurde von einem Berggeist nachdrücklich vertrieben.«

»Berggeist? Eine Erfindung dieser Zeitungsleute, nicht wahr?« Rander lachte spöttisch.

»In der Region, wo der kleine Bergsee sich befindet, spricht man schon seit Jahren von einem Berggeist, Sir. Dies ging aus dem erwähnten Artikel deutlich hervor. Danach scheint dieser Berggeist mehr als nur eifersüchtig über den kleinen See zu wachen.«

»Und woher sollen die Goldbarren stammen?«

»Sie sollen in den Wirren der letzten Kriegstage dort versenkt worden sein, Sir.«

»Nun ja, davon liest man doch immer wieder«, meinte der Anwalt wegwerfend, »mal geht es um Banknoten, dann um Diamanten und jetzt eben um Goldbarren.«

»Insgesamt wurden bisher vier Opfer verzeichnet, Sir«, sagte Josuah Parker, »und in allen Fällen handelt es sich um Amateurtaucher, wenn man so sagen will und darf.«

»Sie gehen davon aus, daß dort Feuer sein muß, wo Rauch aufsteigt, wie?« Mike Rander lächelte.

»Ein passenderes Sprichwort, Sir, ließe sich kaum zitieren.«

»Und wie wollen Sie Lady Simpson für diesen Fall interessieren?«

»Man müßte eine kleine Manipulation vornehmen.«

»Okay, Einzelheiten interessieren mich nicht«, erwiderte der Anwalt, »Sie wissen schon, wie man so etwas hinzaubert, Parker. Hauptsache, Mylady strampelt sich für einige Tage in den Bergen ab und sieht ein, daß ein Achttausender nicht gerade das Passende für sie ist.«

*

Er war die Höflichkeit in Person, hieß Paul Karoly und mochte etwa sechzig sein. Er trug einen Trachtenanzug aus Loden, war groß, schlank und sprach ein ausgezeichnetes Englisch.

Paul Karoly hatte sich vorgestellt, Lady Agatha mit einem vollendeten Handkuß begrüßt und lächelte gewinnend. Er deutete auf zwei Landrover.

»Ich hoffe, Mylady, Sie werden zufrieden sein«, sagte Karoly, »ich habe mich strikt an Ihre Anweisungen gehalten.«

»Sie haben die Tauchausrüstungen besorgt?« erkundigte sich Agatha Simpson.

»Und an die Kletterausrüstungen«, erwiderte Karoly, »auch mit der Unterkunft werden Sie gewiß zufrieden sein.«

»Man wird sehen«, entgegnete die ältere Dame, die erstaunlicherweise nicht grollte. Sie stand noch völlig unter dem Eindruck des Handkusses. Soviel Charme und Höflichkeit hatte sie nicht erwartet.

»Es handelt sich um einen ehemaligen Bauernhof, der in ein Ferienhaus umgewandelt worden ist«, berichtete Karoly, »vom Gebirgshof aus haben Sie einen wundervollen Blick auf den kleinen See. Und dort oben werden Sie völlig ungestört sein.«

»Sie haben meine Ankunft diskret behandelt, junger Mann?«

»Selbstverständlich, Mylady. Diskretion ist mein Beruf.«

»Sehr schön, Mr. Karoly.« Lady Agatha war äußerst zufrieden. »Was halten Sie übrigens von diesem Berggeist?«

»Es soll ihn geben, Mylady.«

»Nonsens«, reagierte Lady Agatha verächtlich, »das sind doch Ammenmärchen, mein Bester.«

»Dazu möchte ich mich lieber nicht äußern«, erwiderte Paul Karoly, »Sie wissen sicher, daß bisher vier Taucher unten im See ihr Leben verloren.«

»Weil es Amateure waren«, erwiderte die ältere Dame, während sie zusammen mit Karoly zu den beiden Landrovern schritt, »wie tief ist denn dieser See?«

»Hundertfünfzehn Meter, Mylady«, ließ Josuah Parker sich vernehmen, der sich bisher vornehm zurückgehalten hatte. Er trug über seinem schwarzen Zweireiher den schwarzen Covercoat. Auf seinem Kopf saß eine sogenannte Melone in ebenfalls schwarzer Farbe. Am angewinkelten linken Unterarm hing sein altväterlich gebundener Regenschirm.

»Das klingt nicht besonders aufregend«, meinte die passionierte Detektivin lässig, »da bin ich schon in ganz andere Tiefen getaucht, nicht wahr, Mr. Parker?«

»Wie Mylady zu meinen belieben.« Parker enthielt sich bewußt jeder zusätzlichen Äußerung.

»Tief unten im See liegen Baumstämme, Mylady, die eine Art Sperre bilden«, berichtete Karoly weiter, »dort scheiterten bisher alle Tauchversuche.«

»Ich werde das kleine Hindernis selbstverständlich beseitigen«, wußte die ältere Dame bereits im vorhinein, »es soll aber stimmen, daß man in den Bergesee Goldbarren versenkt hat?«

»Dies wird hier überall so gesagt«, meinte Karoly vorsichtig, »aber ob es stimmt, ist natürlich fraglich. Sie müssen übrigens erstklassige Beziehungen haben, Mylady. Der See wurde für Tauch- und Bergungsversuche eigentlich gesperrt. Man möchte keine weiteren Opfer beklagen.«

»Ein weiser Entschluß, junger Mann. So etwas ist eben nur für Profis.«

»Mylady bemühte die Regierung dieser bemerkenswerten Republik«, fügte Josuah Parker hinzu, »Mylady erhielt eine Sondergenehmigung, was die geplanten Tauchversuche betrifft.«

»Erzählen Sie mir etwas über diesen Berggeist, Mr. Karoly«, wünschte die ältere Dame unternehmungslustig, »man hat ihn also schon einige Male gesehen? Wie sieht er aus? Ich wette, er trägt einen Vollbart?«

»So wird er beschrieben«, antwortete Paul Karoly, »der Berggeist soll übergroß und breitschultrig sein und einen weiten Umhang tragen. Auf seinem Kopf soll ein breitkrempiger Hut sitzen.«

»Ich hoffe sehr, daß dieses Subjekt sich möglichst bald vorstellen wird«, sagte Agatha Simpson spöttisch, »wie sind denn die Taucher eigentlich umgekommen?«

»Sie tauchten und kamen nie wieder ans Tageslicht, Mylady.«

»Dann muß der Berggeist aber auch recht gut schwimmen und tauchen können.« Die ältere Dame zog die Augenbrauen hoch und winkte dann abfällig, »nun ja, man wird sehen, Mr. Karoly. Kommen Sie, fahren wir hinauf zum Gebirgshof! Vielleicht hat der komische Berggeist bereits alles zum Empfang vorbereitet.«

»Ich kann Ihren Spott durchaus verstehen, Mylady«, sorgte sich Karoly, »Sie kommen aus einer Millionenstadt, wo man kaum etwas von Geistern weiß, doch hier in den Bergen ist das anders, glauben Sie mir.«

»Glauben Sie denn etwa an einen Berggeist?«

»Ich weiß nicht recht.« Karoly hob ratlos die Schultern, »aber hier passieren Dinge, die man mit dem Verstand nicht erklären kann. Hoffentlich erleben Sie keine bösen Überraschungen.«

»Papperlapapp, junger Mann.« Agatha Simpson winkte ab und nahm auf dem Beifahrersitz des Landrover Platz, während Parker sich auf die Rückbank setzte. Karoly übernahm das Steuer und winkte dann durch das geöffnete Wagenfenster nach hinten. Kurz danach setzte sich auch der zweite Rover in Bewegung. Er wurde von einem Angestellten Karolys gesteuert.

»Wie lange werden Mylady fahren müssen?« erkundigte sich Parker, als man durch das hübsche Gebirgsdorf rollte.

»In einer halben Stunde müßten wir oben sein, falls nichts dazwischen kommen sollte.«

»Und was sollte schon dazwischen kommen?«

»Wer weiß?« Karoly atmete tief durch. »Wie gesagt, ich glaube an diesen Berggeist, auch wenn Ihnen das vielleicht lächerlich erscheint.«

*

»Sie wissen hoffentlich, Mylady, daß wir verfolgt werden«, sagte Kathy Porter beiläufig.

»Seitdem wir den Gasthof verlassen haben.« Mike Rander nickte. »Es handelt sich um den kleinen Fuchs mit dem roten Haar, nicht wahr?«

»Genau der, Mike.« Kathy hatte sich bei Mike Rander eingehakt und schmiegte sich an ihn. Das junge Paar war vor einigen Stunden im Edener Tal in den Stubaier Alpen angekommen und hatte sich in einem altertümlichen Gasthof eingemietet. Mike Rander und Kathy Porter hatten sich als Schriftsteller und Privatsekretärin ausgegeben. Sie gingen davon aus, daß man ihnen das nicht abnahm, doch das kümmerte sie nicht weiter. Ja, sie wollten sogar, daß man sich mit ihnen beschäftigte. Und daß dies bereits der Fall war, zeigte die Tatsache, daß sie beschattet wurden.

Nach ihrer Ankunft im Wagen in Edenes hatten sie Kaffee getrunken und erkundeten nun die nähere Umgebung. Es ergab sich fast wie zufällig, daß sie sich, wenn auch auf Umwegen, dem kleinen Bergsee näherten.

Kathy Porter, die Gesellschafterin und Sekretärin der Lady Simpson, war um die achtundzwanzig, etwas über mittelgroß und schlank. Sie hatte braunes Haar mit einem leichten Rotstich und ein exotisch geschnittenes Gesicht, was mit ihren betonten Wangenknochen zusammenhing. Sie war eine attraktive Erscheinung, schien davon aber nichts zu wissen. Kathy Porter machte einen zurückhaltenden, manchmal sogar etwas scheuen Eindruck, doch sie konnte sich in eine wilde Pantherkatze verwandeln, wenn man sie angriff. Dann zeigte sie in Sekundenschnelle, daß sie sich in den fernöstlichen Künsten der Selbstverteidigung auskannte.

Mike Rander und Kathy Porter waren eng miteinander befreundet, und Lady Simpson tat alles, um aus ihnen ein Paar zu machen. Sie wartete ungeduldig darauf, endlich die Hochzeit ausrichten zu können. Deshalb sorgte sie immer wieder dafür, daß Mike Rander und Kathy Porter möglichst oft zusammen waren. Sie hoffte, dadurch die anvisierte Hochzeit schneller zu erreichen.

Aus diesem Grund hatte sie auch Kathy Porter und Mike Rander vorausgeschickt. Sie sollten sich in der Nähe des bewußten Bergsees einlogieren und Informationen über den Berggeist sammeln. Josuah Parker war mit solcher Arbeitsteilung durchaus einverstanden. Doch ihm ging es überhaupt nicht um den Berggeist, sondern er wollte seine Herrin mit schroffer Bergwelt konfrontieren und sie so dazu bringen, auf die Erstürmung eines Achttausenders zu verzichten.

»Wollen wir uns diesen Rotschopf kaufen, Mike?« fragte Kathy Porter. Sie befanden sich auf einem schmalen, abschüssigen Weg, der zum Seeufer hinunterführte.

»Werden wir uns damit nicht verraten, Kathy? Man hält uns vorerst noch für ein Liebespaar, das im Tal ungestört turteln möchte.«

»Können wir die Tarnung lange durchhalten, Mike?«

»Stimmt auch wieder.« Rander nickte. »Okay, schnappen wir uns den kleinen Fuchs. Dort hinten kommt ein Knick, sieht gut für unsere Zwecke aus.«

Sie brauchten sich nicht besonders zu verständigen, schlenderten weiter, als seien sie völlig ahnungslos, erreichten den Wegeknick und verschwanden dann links und rechts im Unterholz. Es dauerte nicht lange, bis schnelle Schritte zu hören waren. Der schmale, kleine Mann, dessen Gesicht tatsächlich einen fuchsähnlichen Zuschnitt besaß, kam um den Knick und suchte optischen Anschluß an die beiden Touristen, die er ganz eindeutig verfolgte.

»Hallo, Mann«, rief Mike Rander und trat aus seinem Versteck hervor. Der etwa Fünfundzwanzigjährige fuhr herum und wollte die Flucht ergreifen.

Er kam nicht weit.

Kathy Porter, unhörbar aus ihrem Versteck gekommen, stellte ihm geschickt ein Bein, worauf der junge Mann das Gleichgewicht verlor und fiel. Er sprang aber sofort wieder auf und hatte plötzlich ein Springmesser in der linken Hand.

Mike Rander trat mit dem rechten Fuß zu und beförderte diese Waffe in hohem Bogen ins nahe Gesträuch.

*

»Sie hatten Glück, Mylady, daß der Gebirgshof noch frei war«, sagte Paul Karoly, während er den Landrover geschickt die kurvenreiche Strecke durch den Wald lenkte, »normalerweise sind die Ferienhäuser stets besetzt.«

»Sie beschäftigen sich, wenn man höflich fragen darf, mit dem Fremdenverkehr?« wollte Parker vom Rücksitz des Wagens aus wissen.

»Ich habe das Sporthotel auf der anderen Seeseite«, erwiderte Karoly, »und im Lauf der Zeit sind noch einige ehemalige Bauernhäuser dazugekommen.«

»Von Ihrem Hotel aus wurden sicher die bereits erwähnten Tauchunternehmen gestartet, Sir?«