Parker stört den "Weihnachtsmann" - Günter Dönges - E-Book

Parker stört den "Weihnachtsmann" E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! Später sagten alle Zeugen übereinstimmend aus, er habe sie an einen freundlichen und gütigen Weihnachtsmann erinnert ... Der große, imponierend aussehende Mann von rund sechzig Jahren trug eine runde, altmodische Nickelbrille, hinter deren Gläsern freundliche, braune Augen zu sehen waren. Die Wangen waren rosig angehaucht und zeugten vom häufigen Aufenthalt an der frischen Luft. Die knollige, große Nase war leicht gerötet und schien gerade einen kleinen Schnupfen hinter sich gebracht zu haben. Freundlich und vertrauenerweckend war dieser Mann anzusehen, auch dann noch, als er den Kassierer der Filiale der Northern Time Bank in die Mündung einer unfreundlichen 38er blicken ließ und mit gütiger Stimme nicht mehr und nicht weniger als zwanzigtausend Dollar verlangte. Der Kassierer glaubte erfreulicherweise nicht eine Sekunde lang an einen dummen Scherz. Er erkundigte sich auch nicht nach einem eventuellen Bankguthaben. Er griff hastig in die Banknotenbündel und schob sie dem alten Herrn zu. »Müssen es genau zwanzigtausend sein?« fragte er dazu mit leicht bebender Stimme, wobei er auf den Revolver schielte. »Ich will nicht eigensinnig sein«, antwortete der Herr und ließ die Banknotenbündel unter dem weiten Mantel verschwinden. »Hoffentlich sind Sie es auch nicht. Schlagen Sie erst Alarm, wenn ich die Bank verlassen habe! Haben wir uns verstanden?« »Natürlich, Sir!« gab der Kassierer jetzt mit versagender Stimme zurück und hielt sich an die Empfehlung dieses seltsamen Kunden. Er wartete, bis der ältere Herr die Filiale verlassen hatte, um dann allerdings den Alarm auszulösen. Während die Türen automatisch geschlossen und verriegelt, wurden, während in der nahen Polizeistation Bereitschaftsbeamte nach ihren Waffen griffen und Streifenwagen per Funk zur Bankfiliale dirigiert wurden, schaute der Kassierer kopfschüttelnd auf den rotbackigen Apfel, den der Kunde auf dem Zahlbrett zurückgelassen hatte. Am.

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Butler Parker – 168 –

Parker stört den "Weihnachtsmann"

Günter Dönges

Später sagten alle Zeugen übereinstimmend aus, er habe sie an einen freundlichen und gütigen Weihnachtsmann erinnert ...

Der große, imponierend aussehende Mann von rund sechzig Jahren trug eine runde, altmodische Nickelbrille, hinter deren Gläsern freundliche, braune Augen zu sehen waren. Die Wangen waren rosig angehaucht und zeugten vom häufigen Aufenthalt an der frischen Luft. Die knollige, große Nase war leicht gerötet und schien gerade einen kleinen Schnupfen hinter sich gebracht zu haben.

Freundlich und vertrauenerweckend war dieser Mann anzusehen, auch dann noch, als er den Kassierer der Filiale der Northern Time Bank in die Mündung einer unfreundlichen 38er blicken ließ und mit gütiger Stimme nicht mehr und nicht weniger als zwanzigtausend Dollar verlangte.

Der Kassierer glaubte erfreulicherweise nicht eine Sekunde lang an einen dummen Scherz. Er erkundigte sich auch nicht nach einem eventuellen Bankguthaben. Er griff hastig in die Banknotenbündel und schob sie dem alten Herrn zu.

»Müssen es genau zwanzigtausend sein?« fragte er dazu mit leicht bebender Stimme, wobei er auf den Revolver schielte.

»Ich will nicht eigensinnig sein«, antwortete der Herr und ließ die Banknotenbündel unter dem weiten Mantel verschwinden. »Hoffentlich sind Sie es auch nicht. Schlagen Sie erst Alarm, wenn ich die Bank verlassen habe! Haben wir uns verstanden?«

»Natürlich, Sir!« gab der Kassierer jetzt mit versagender Stimme zurück und hielt sich an die Empfehlung dieses seltsamen Kunden. Er wartete, bis der ältere Herr die Filiale verlassen hatte, um dann allerdings den Alarm auszulösen.

Während die Türen automatisch geschlossen und verriegelt, wurden, während in der nahen Polizeistation Bereitschaftsbeamte nach ihren Waffen griffen und Streifenwagen per Funk zur Bankfiliale dirigiert wurden, schaute der Kassierer kopfschüttelnd auf den rotbackigen Apfel, den der Kunde auf dem Zahlbrett zurückgelassen hatte.

Am. Stiel dieses Apfels war ein kleines Zettelchen befestigt, auf dem der Kunde ein fröhliches Weihnachtsfest wünschte.

Der Kassierer wußte daraufhin nicht, ob er weinen oder lachen sollte. Die Polizei, die kurz danach am Tatort erschien, fühlte sich hingegen nur auf den Arm genommen. Ein Apfel, mochte er auch noch so frisch und rotbackig aussehen, war sicher kein Äquivalent für zwanzigtausend Dollar. Genauer gesagt sogar für sechsundzwanzigtausendvierhundertachtzig Dollar, denn der freundliche alte Herr war ja keineswegs eigensinnig gewesen, wie er besonders betont hatte.

*

»Amüsant«, sagte Mike Rander und blickte von seiner Morgenzeitung hoch. Butler Josuah Parker, der seinen jungen Herrn formgerecht bediente und in stiller Würde seitlich hinter dem Sessel stand, beugte sich andeutungsweise vor um sein Interesse zu bekunden.

»Ein Weihnachtsmann scheint in der Stadt aufgetaucht zu sein«, erklärte Rander und las die entscheidenden Phasen des Überfalls aus der Zeitung vor, »sehr aufmerksam, daß er einen Apfel als eine Art Gegengeschenk zurückgelassen hat. Der Täter muß Sinn für skurrilen Humor haben, Parker. Sie müßten dafür doch eigentlich Verständnis haben, oder?«

»Nur in einem gewissen Rahmen, wenn ich das bemerken darf, Sir.«

»Sie sind nicht amüsiert?« Rander schmunzelte und blättert weiter in der Zeitung herum. »Der Mann hat auf jeden Fall bereits seinen Spitznamen weg. Man nennt ihn den ›Weihnachtsmann‹, weil er immerhin auch Gaben austeilt.«

»Vorerst in der Form eines Apfels, Sir!«

»Nein, nein, er hat schon in zwei anderen Städten Gaben verteilt.« Rander tippte auf die Zeitung, um sie dann wegzulegen, »mit diesem Trick hat er bereits in Detroit und Flint gearbeitet. Im ersten Fall schenkte er einem völlig verdutzten Kassierer einen Riegel Marzipan, in Flint bedachte er den Kassierer mit einer Krawatte.«

»Um dann im nächsten Fall wohl Stahlmantelgeschosse zu verteilen, Sir!«

»Sie wirken auf mich heute sehr pessimistisch, Parker. Ist Ihnen eine Laus über die Leber gelaufen?«

»Mitnichten, Sir! Ich fürchte nur, daß dieser Täter mit dem angeblichen Sinn für skurrilen Humor früher oder später zu einem Mörder werden könnte.«

»Das könnte schon stimmen!« Mike Rander schmunzelte nicht mehr. Dann hüstelte er nervös und merkte, daß er auf dem besten Weg war, in Parkers Falle zu laufen. Er schloß: »Aber das ist schließlich nicht unsere Sache, Parker. Wozu haben wir schließlich die Polizei? Soll die sich mit diesem komischen Weihnachtsmann befassen.«

»Wie Sie meinen, Sir!«

»Kommen Sie nur ja nicht auf den Gedanken, sich in diesen Fall einzumischen«, warnte Rander eindringlich.

»Auf keinen Fall, Sir. Sie können sich, wie immer, fest auf meine bescheidene Wenigkeit verlassen.«

»Hoffentlich«, antwortete Rander skeptisch.

*

Etwa um diese Zeit betrat ein mittelgroßer, schlanker Mann von etwa fünfundvierzig Jahren die Filiale der Chikago-Bank und schritt wie ein alter Kunde, selbstsicher und unauffällig zugleich, auf den Kassenschalter zu.

»Zwanzigtausend Dollar«, forderte er höflich und ließ den Kassierer in die Mündung eines 38ers blicken, »schlagen Sie keinen Alarm, sonst muß ich schießen!«

Der Kassierer, noch relativ jung, fühlte sich dummerweise veranlaßt, auf den Alarmknopf unterhalb des Schaltertresens zu treten. Er hatte diesen Alarmknopf noch nicht ganz berührt, als der unauffällige Herr schoß.

Ohne sich um die entstehende Panik zu kümmern, drehte er sich um und ging nicht zu schnell zurück zum Ausgang, dessen Tür gerade von einem Bankangestellten geschlossen werden sollte.

»Warten Sie einen Moment« rief der Herr dem Angestellten zu, um dann sofort zu schießen. Der Bankangestellte schrie halblaut auf und rutschte in sich zusammen. Der Bankkunde stieg über sein Opfer hinweg und erreichte das Freie, ohne daß man ihn aufgehalten hätte. Er mischte sich unter die Passanten und war nach knapp zwei Minuten verschwunden, ohne eine Spur zu hinterlassen ...

*

»Ich fürchte, Sir, meine pessimistische Betrachtungsweise ist durch die Realität erhärtet worden«, sagte Josuah Parker, als sein junger Herr die Abendausgabe der Zeitung überflog.

»Wovon reden Sie, Parker?«

»Von besagtem Weihnachtsmann, Sir, der diesmal als Gabe zwei verletzte Bankangestellte zurückgelassen hat.«

»Warum erzählen Sie mir das? Wollen Sie mich für den Fall interessieren?«

»Keineswegs, Sir.« Parkers Gesicht blieb unbeweglich. »Ich fürchte allerdings daß dieser Täter im Verlauf seiner weiteren Überfälle noch brutaler werden wird.«

»Wenn Sie sich nur nicht in den Finger schneiden. Parker.« Rander hatte den betreffenden Artikel gefunden und bereits überflogen, »diesmal trat ein rund fünfundvierzigjähriger Mann auf, mittelgroß, schlank. Das genaue Gegenteil des Weihnachtsmannes!«

»Die Zeugenaussagen scheinen das zu belegen, Sir.«

»Sie sind anderer Meinung?«

»In gewissen Grenzen. Sir. Art und Weise des Überfalls deutet auf einen einzigen Täter hin.«

»Der einmal groß und kompakt, dann, wieder klein und schlank ist wie? Wissen Sie. Parker, ich habe das Gefühl, Sie sehnen sich förmlich nach einem neuen Fall. Aber Sie wissen hoffentlich, daß ich nicht mitspielen werde. Ich habe schließlich noch einen Beruf und werde als Anwalt in meinem Büro gebraucht.«

»Selbstverständlich, Sir!«

»Dann sind wir uns also einig?«

»Sir ich würde mir niemals erlauben anderer Meinung zu sein als Sie!« Rander lächelte. Er kannte die Versicherungen seines Butlers. Er wußte aus Erfahrung, daß Josuah Parker wie eine Katze das Naschen niemals lassen konnte.

Diesmal hatte Mike Rander sich aber fest vorgenommen, neutral zu bleiben. Die Arbeit in seinem Anwaltsbüro häufte sich. Gewiß, er hatte erstklassige Mitarbeiter, doch hin und wieder mußte er sich eben einschalten. Es gab wichtige Kunden, die einzig und allein von ihm vertreten werden wollten. Diesen Leuten, die sehr gut zahlten, durfte er nicht dauernd den Rücken weisen.

Mike Rander beendete das ausgezeichnete Dinner, das sein Butler zubereitet hatte, und zog sich dann in sein Arbeitszimmer zurück. Er sah irritiert hoch, als wenig später sein Butler höflich anklopfte und eintrat.

»Ist noch was?« fragte Rander und sah von einem Gesellschaftsvertrag hoch, den er gerade Punkt für Punkt ausarbeitete.

»Ich möchte mich formgerecht und höflich für zwei Stunden entschuldigen, Sir!«

»Sie gehen aus?«

»Nur, wenn Sie meiner nicht mehr bedürfen, Sir.«

»Nein, nein, Parker, ich brauche Sie nicht. Viel Vergnügen. Das heißt. Moment mal ... Sie halten sich doch an unsere Abmachung, nicht wahr?«

»Selbstverständlich, Sir! Ich möchte mir nur ein wenig die Beine vertreten, wie man so sagt. Die frische Abendluft wird mir so hoffe ich sehr, guttun!« Josuah Parker verließ das Arbeitszimmer seines jungen Herrn und ließ einen nachdenklich-nervösen Mike Rander zurück ...

*

»Ja, wie finde ich denn das!?« Mel Harvey nestelte an seiner Brille mit den Halbgläsern und strahlte den eintretenden Butler an. Er wieselte um die kleine Ladentheke herum md war ehrlich erfreut, Josuah Parker zu sehen.

»Ich wünsche Ihnen einen freundlichen Abend«, sagte Parker gemessen.

»Ich darf wohl hoffen und unterstellen, Sie bei bester Gesundheit anzutreffen?«

»Ob mir’s gut geht? Klar, Mister Parker. Immer rein in die gute Stube. Nee, nicht hier. Wir gehen ’rüber in mein Privatbüro!«

Parker sah sich wieder einmal interessiert in der Pfandleihe von Mel Harvey um. Der große Kellerraum, der als Ladenlokal diente, war bis zur Decke vollgestopft mit Krimskram aller Art. Bei Harvey konnte man alten Schmuck kaufen, Musikinstrumente, Uhren, Radios, Kleider und Schuhe, Antiquitäten, Gemälde, anrüchige Fotos und Funkgeräte, Möbel, Bestecke, Schnaps und schließlich auch Gegenstände, die er noch gar nicht hätte, aber prompt besorgte. Mel Harvey wurde von der Polizei als Hehler bezeichnet, aber gegen diese Unterstellung wehrte er sich stets. Mit Erfolg übrigens, denn nur in seltenen Fällen hatte man ihm bisher etwas nachweisen können.

»Kann ich irgendwas für Sie tun?« fragte Harvey, nachdem er für seinen Gast einen alten Stuhl freigeräumt hatte. »Ich wette, Sie sind nicht gerade zufällig hier bei mir vorbeigekommen.«

»Sie würden diese Wette gewinnen, Mister Harvey«, antwortete der Butler würdevoll und legte seine schwarze Melone ab. »Ich möchte von Ihnen einige Nachrichten erstehen.«

»Hatte ich mir schon fast gedacht.« Mel Harvey grinste und rückte sich seine Brille zurecht, »hinter wem sind Sie her?«

»Ich interessiere mich für den ›Weihnachtsmann‹!«

»Den ›Weihnachtsmann‹ ...?« Harvey hüstelte und hatte wieder mit seiner Brille zu tun, die ihm unentwegt über die Nase wegrutschen wollte.

»Sie haben völlig richtig verstanden, Mister Harvey!«

»Tut mir leid, den kenne ich nicht!« Harvey schüttelte ratlos den Kopf.

»Sind Sie sicher? Haben Sie nicht irgendeinen bestimmten Verdacht?«

»Nichts! Aber ich kann Ihnen im Vertrauen sagen, Mister Parker, daß Sie nicht der erste sind, der sich nach ihm erkundigt hat.«

»Ich erwärme mich für dieses Thema.«

»Hank Studdel war hier und wollte auch ein paar Nachrichten über den ›Weihnachtsmann‹ kaufen.«

»Sehr aufschlußreich.«

»Studdel war wütend, das kann ich Ihnen sagen. Es paßt ihm nicht, daß sich in seinem Bezirk dieser ›Weihnachtsmann‹ ’rumtreibt ... Aber der wird wohl darauf pfeifen.«

»Ich darf mich darauf verlassen, Mister Harvey, daß Sie ‚mir nichts verschwiegen haben?«

»Hören Sie, Mister Parker. Ich weiß genau, daß Sie mir damals aus ’ner verdammten Patsche ’rausgeholfen haben. Das werde ich Ihnen nie vergessen. Ich würde Sie nicht belügen. Sie nicht!«

»Ich möchte es sehr hoffen. Der Begriff ›Weihnachtsmann‹ ist Ihrer Meinung nach also erst von der Presse geboren und erfunden worden?«

»Ganz sicher. Wirklich, vorher hatte ich noch nie von diesem ›Weihnachtsmann‹ gehört. Wenn Sie mich fragen, dann handelt es sich um einen Einzelgänger. Um einen ganz verflixten Einzelgänger, der sein Handwerk versteht. Vielleicht ist er aus ’ner anderen Stadt zu uns nach Chikago gekommen.«

»Laut Zeitungsmeldungen muß er schon in Detroit und Flint gearbeitet haben. Bestehen Geschäftsbeziehungen Ihrerseits zu diesen beiden Städten?«

»Na, ja, man hat so seine Verbindungen, Mister Parker. Ich müßte mal dort ’rumfragen, aber versprechen kann ich nichts.«

»Ich hoffe. Ihnen in irgendeiner Form eines Tages danken zu können. Mister Harvey.« Josuah Parker griff nach seiner schwarzen Melone und verließ die Pfandleihe, ohne in diesem Moment zu ahnen, daß man ihm nicht umsonst nachsagte, er zöge Verbrecher und Verbrechen an wie ein Magnet Eisenfeilspäne ...

*

Josuah Parker schritt gemessen und würdevoll zurück zu seinem hochbeinigen Monstrum, das er auf einem nahen Parkplatz abgestellt hatte. Er dachte wirklich nicht an unangenehme Zwischenfälle, zumal er im Augenblick wirklich keinen anderen Fall verfolgte. Er hatte den besagten Parkplatz aber noch nicht ganz erreicht, als seine Aufmerksamkeit erregt wurde.

Aus einem um diese Zeit noch geöffneten Juweliergeschäft kam eine nette, ältere Dame in leicht altmodischer Kleidung. Sie trug eine etwas altertümlich geschnittene Brille und hatte das auf dem Kopf, was man einen Kapotthut nannte.

Umständlich zog sie die Tür des Geschäfts hinter sich zu, eine Tatsache, die den Butler bereits stutzig werden ließ. Kunden in Geschäften solcher Klasse wurden an die Tür geleitet. Und zudem öffnete man ihnen überhöflich die Tür, auch dann, wenn nichts gekauft wurde. Parker blieb also unwillkürlich stehen und sah der älteren, wirklich netten Dame nach, die auf ein Taxi zuschritt und umständlich darin Platz nahm.

Die Tatsache, daß ein freies Taxi auf einen Kunden wartete, ließ den Butler nun zusätzlich stutzig werden. Ein freies Taxi um diese späte Zeit, das war so etwas wie ein Wunder.

Als das Taxi sich in Bewegung setzte, stürzte eine hellblonde, etwas zu sehr aufgemachte Verkäuferin aus dem Geschäft und schrie mit leicht erstickter Stimme um Hilfe. Danach brach sie in sich zusammen und blieb auf der Türschwelle liegen.

Parker war alarmiert.

Die Hellblonde oder das Taxi! Er mußte sich entscheiden. Und Parker entschied sich, zumal die ersten Passanten bereits auf die junge Verkäuferin zuliefen, um ihr erste Hilfestellung zu leisten.

Das Taxi hatte weiter Fahrt aufgenommen und hielt genau auf den Butler zu, der sich am Straßenrand aufgebaut hatte und den Wagen mit seinem Universal-Regenschirm mehr als energisch abwinkte.

Der Taxifahrer scherte sich nicht daran. Für den Bruchteil einer Sekunde konnte der Butler in das Gesicht des Fahrers sehen. Ein glattes, volles, nichtssagendes Gesicht unter einer tief in die Stirn gezogene Mütze.

Im Fond des Wagens saß jene nette, ältere Dame mit dem Kapotthütchen auf dem Kopf. Sie beschäftigte sich mit ihrer Handtasche und schien das energische Abwinken überhaupt nicht mitbekommen zu haben. Parker trat, um seinem Winken Nachdruck zu verleihen, etwas auf die Fahrbahn hinaus, mußte sich aber fluchtartig zurückziehen, um nicht angefahren zu werden. Das Taxi rauschte an ihm vorbei.

Parker wurde unwillig, was ihm nicht oft passierte. Instinktiv ahnte er einen gewissen Zusammenhang zwischen der ohnmächtig gewordenen Verkäuferin und der alten Dame im Taxi. Um jene ältere Dame zu befragen, mußte er das Taxi stoppen. Schießen war unmöglich. Einmal, weil gewisse Beweise fehlten und er auf keinen Fall einen gefährden konnte. Zum anderen aber fehlte ihm seine Schußwaffe. Er hatte auf sie verzichtet, als er die Dachgartenwohnung seines jungen Herrn verlassen hatte.

Was war zu tun?

Josuah Parker wußte sich selbstverständlich zu helfen. Er nahm seine stahlblechgefütterte schwarze Melone vom Haupt und schleuderte sie als eine Art Diskus dem Taxi nach.

Er traf zielsicher!

Die Melone landete auf dem Rückfenster des Taxi, zerschmetterte machtvoll die Scheibe und verschwand im Wageninnern. Das Taxi geriet aus dem Kurs, tat einen Schlenker und krachte dann mit dem Kühler gegen einen Hydranten, der freundlicherweise in unmittelbarer Nähe stand.

Es gab leider einen Auflauf in Form einer Gruppe neugieriger Passanten. Parker hielt es für unangebracht, diesmal zu sehr auf Würde zu halten. Er schritt schneller als gewöhnlich aus um möglichst schnell zum Taxi zu gelangen.

Als er sich seinen Weg durch die neugierige Menge gebahnt hatte, die von Sekunde zu Sekunde immer größer wurde, sah er auf den ersten Blick, daß die nette ältere Dame nicht mehr vorhanden war. Sie mußte es vorgezogen haben, das Weite zu suchen. Der Taxifahrer hingegen war noch zu sprechen, wenn auch nicht im Moment. Die Melone hatte ihn noch erwischt und ihn zeitweilig abtreten lassen. Der Fahrer lag ohnmächtig auf dem Steuerrad und wartete darauf, von der Polizei abgeholt zu werden ...

*

»Sie wollen mir doch nicht erklären, daß Sie rein zufällig in der Gegend waren?« Leutnant Madford von der Mordabteilung der Stadtpolizei Chikago sah den Butler mißtrauisch und cholerisch zugleich an. »Sagen Sie schon die Wahrheit, Parker, man hatte Ihnen irgendeinen Tip gegeben!«