Parker tanzt den letzten Tango - Günter Dönges - E-Book

Parker tanzt den letzten Tango E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! »Mister Parker, sehen Sie auch, was sich meinen Augen bietet?« fragte Agatha Simpson mit erfreutem Unterton in der Stimme, der nicht zu überhören war. Die Lady stand mit ihrem Butler vor einem Nebeneingang zu Harrods, dem weltberühmten Kaufhaus, und gedachte dort einige Einkäufe zu tätigen. Josuah Parker sah natürlich, was die Aufmerksamkeit seiner Herrin erregte. Für den Außenstehenden kaum wahrnehmbar, hoben sich in dem sonst glatten und unbewegten Gesicht die Brauen indigniert. Gegenüber hatte ein kleiner Reisebus gestoppt, dem ein schlanker, mittelgroßer Mann entstiegen war. Offenbar hatte auch er die Absicht, Harrods einen Besuch abzustatten. Mister Unbekannt wartete auf eine Lücke im fließenden Verkehr, um die Fahrbahn zu überqueren. Plötzlich zwängte sich ein junges Mädchen durch die sich bereits wieder schließende Tür des Busses und sprang auf die Straße. Gehetzt blickte es sich um. Gleich darauf öffnete sich die Bustür erneut, ein zweiter Mann erschien, schrie dem Mädchen etwas zu und ergriff brutal seinen Arm... Der erste Aussteiger wurde auf die Szene aufmerksam und drehte sich um. Dann stand er auf einmal mit zwei, drei Schritten an der anderen Seite der jungen Frau und packte ihren zweiten Arm. Sie schrie und wand sich und versuchte, die beiden Verfolger abzuschütteln. Sie holte mit ihrem rechten Fuß aus und trat einen der Männer heftig gegen das Schienbein, woraufhin der Betreffende erst mal einen kleinen Step aufs Pflaster legte. Eilige Passanten, die die Szene beobachteten, wandten sich indigniert ab und setzten ihren Weg fort. Es war schockierend für manchen eingefleischten Briten, wie sich mitunter die Leute in der Öffentlichkeit aufführten, aber was sollte man anderes von Ausländern erwarten? Lady Agatha hingegen hatte nicht die Absicht, wegzuschauen. Die geplanten Einkäufe hatte sie bereits vergessen. So setzte sie sich energisch in Bewegung.

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Butler Parker – 232 –

Parker tanzt den letzten Tango

Günter Dönges

»Mister Parker, sehen Sie auch, was sich meinen Augen bietet?« fragte Agatha Simpson mit erfreutem Unterton in der Stimme, der nicht zu überhören war.

Die Lady stand mit ihrem Butler vor einem Nebeneingang zu Harrods, dem weltberühmten Kaufhaus, und gedachte dort einige Einkäufe zu tätigen. Josuah Parker sah natürlich, was die Aufmerksamkeit seiner Herrin erregte. Für den Außenstehenden kaum wahrnehmbar, hoben sich in dem sonst glatten und unbewegten Gesicht die Brauen indigniert.

Gegenüber hatte ein kleiner Reisebus gestoppt, dem ein schlanker, mittelgroßer Mann entstiegen war. Offenbar hatte auch er die Absicht, Harrods einen Besuch abzustatten. Mister Unbekannt wartete auf eine Lücke im fließenden Verkehr, um die Fahrbahn zu überqueren.

Plötzlich zwängte sich ein junges Mädchen durch die sich bereits wieder schließende Tür des Busses und sprang auf die Straße. Gehetzt blickte es sich um. Gleich darauf öffnete sich die Bustür erneut, ein zweiter Mann erschien, schrie dem Mädchen etwas zu und ergriff brutal seinen Arm...

Der erste Aussteiger wurde auf die Szene aufmerksam und drehte sich um. Dann stand er auf einmal mit zwei, drei Schritten an der anderen Seite der jungen Frau und packte ihren zweiten Arm. Sie schrie und wand sich und versuchte, die beiden Verfolger abzuschütteln. Sie holte mit ihrem rechten Fuß aus und trat einen der Männer heftig gegen das Schienbein, woraufhin der Betreffende erst mal einen kleinen Step aufs Pflaster legte.

Eilige Passanten, die die Szene beobachteten, wandten sich indigniert ab und setzten ihren Weg fort. Es war schockierend für manchen eingefleischten Briten, wie sich mitunter die Leute in der Öffentlichkeit aufführten, aber was sollte man anderes von Ausländern erwarten?

Lady Agatha hingegen hatte nicht die Absicht, wegzuschauen. Die geplanten Einkäufe hatte sie bereits vergessen. So setzte sie sich energisch in Bewegung. Auf ihrem Gesicht lag der Ausdruck freudiger Erwartung. Sie witterte wieder mal eine mehr als willkommene Abwechslung und gedachte, sich diese auf keinen Fall entgehen zu lassen.

Ohne Rücksicht auf den Verkehr schob sich die Detektivin auf die Fahrbahn und gebot den Autos mit erhobener Hand Halt. Es war für sie selbstverständlich, daß die Wagen zu stoppen hatten, wenn eine Lady mitten im dickesten Berufsverkehr die Straße zu überqueren gedachte. Parker folgte ihr in geringem Abstand und lüftete dabei seine schwarze Melone in Richtung der erzürnten Autofahrer. Er wußte schließlich, was sich gehörte.

*

Lady Agatha hatte die kleine Gruppe erreicht und musterte erwartungsvoll die beiden Männer mit dem Mädchen.

»Was ist das für eine Art, mit einer Dame umzugehen, Sie Lümmel?« herrschte sie die Kerle an, die sie erst verdutzt, dann verärgert und aggressiv anstarrten.

»Hau’ ab, altes Mädchen, schwing’ die Hufe!« knurrte der rechte Mann. »Das hier ist ’ne Privatangelegenheit und geht dich nichts an, klar?«

Agatha Simpson war mehr als erfreut, als sie die nicht eben höfliche Anrede vernahm. Sie wußte genau, daß sie soeben beleidigt worden war und freute sich im vorhinein darauf, entsprechend reagieren zu können. Vorsichtshalber erkundigte sie sich noch mal bei ihrem Butler, der mit unbewegter Pokermiene hinter ihr Aufstellung genommen hatte.

»Ich bin soeben schwer beleidigt worden, Mister Parker, nicht wahr?«

»In der Tat, Mylady. Eine gewisse Despektierlichkeit in der Äußerung dieses Herrn war nicht zu überhören.«

Die ältere Dame nickte zufrieden. Sie hatte nichts anderes erwartet und lächelte die beiden Männer nahezu freundlich an. Dann holte sie plötzlich aus und versetzte dem rechten Burschen eine schallende Ohrfeige. Geübt in der Kunst des Bogenschießens und des Golfens, verfügte die resolute Dame über beträchtliche Kraft, was der Getroffene zu seiner peinlichen Überraschung feststellen mußte. Er ließ den Arm der Verfolgten los und wurde förmlich zurückgeschleudert, prallte gegen den Bus, dem er kurz vorher entstiegen war, und rutschte langsam daran hinunter aufs Pflaster.

Der zweite Mann war einen Augenblick überrascht und bekam vor Staunen den Mund nicht zu. Dann aber reagierte er und wollte die Scharte seines Partners auswetzen. Er holte zu einem gewaltigen Schwinger aus.

Doch er kannte die Lady nicht. Zuerst traf ihn ein in derbes Leder gehüllter Fuß direkt unterhalb der Kniescheibe und brachte ihn ins Wanken. Gleich darauf lernte er den Pompadour der Lady kennen, der das nur notdürftig mit dünnem Schaumstoff umwickelte Hufeisen eines stämmigen Brauereipferdes enthielt.

Besagter Handbeutel legte sich auf sein Brustbein und vermittelte ihm sofort das schmerzhafte Gefühl, von einer Dampfwalze gerammt worden zu sein. Betroffen tastete er seinen Oberkörper ab, um das Ausmaß des Schadens festzustellen. Er rechnete mit angebrochenen Rippen und schluchzte erleichtert auf, als er nichts dergleichen feststellen mußte.

Aus dem Bus sprangen inzwischen zwei weitere Männer, um den bedrängten Kollegen zu Hilfe zu eilen. Aber sie kamen nicht mehr zum Eingreifen. Passanten, die stehengeblieben waren, spendeten der energischen Lady lautstark Beifall. Als die beiden Männer aus dem Bus stiegen, wurden sie von einigen männlichen Fußgängern in ihr Fahrzeug zurückgedrängt.

Josuah Parker hatte die Gelegenheit genutzt, um sich zu entfernen. Fünf Minuten später rollte sein hochbeiniges Monstrum, dem Aussehen nach ein ehemaliges Londoner Taxi, an den Straßenrand und hielt. Parker stieg aus und öffnete höflich die hintere Tür.

Die Detektivin führte das schluchzende junge Mädchen zum Wagen und schob es in den Fond. Gleich darauf hatte auch sie Platz genommen und nickte Parker zu. »Nach Hause, Mister Parker«, ordnete sie an. »Ich bin sehr angetan von diesem erfreulichen Nachmittag. Ich habe den Eindruck, ich stehe wieder mal am Beginn eines neuen Falles.«

»Den Mylady wie immer souverän lösen werden«, wußte Parker im vorhinein.

»Sehr richtig, Mister Parker.« Die Stimme der passionierten Detektivin klang selbstbewußt und zufrieden. »Sie wissen, Mister Parker, kein Kriminalfall ist schwer genug, um nicht von einer Lady Simpson im Handumdrehen geklärt zu werden.«

»Mylady sind bewundernswert«, fand Parker, während er sein hochbeiniges Monstrum gelassen durch den dichten Verkehr lenkte.

»Sie sagen es, Mister Parker«, bestätigte Agatha Simpson umgehend. Falsche Bescheidenheit war ihr fremd, sie hielt sich für die beste Kriminalistin und pflegte dies auch ungeniert zu behaupten ...

*

»Hier, Kindchen, trinken Sie erst mal«, forderte Lady Agatha das junge Mädchen auf und ergriff eines der Gläser, die der Butler auf einem silbernen Tablett servierte.

Gehorsam nahm die verschüchtert wirkende Dame das Glas und trank. Dabei wurde sie von Lady Agatha, Parker, Mike Rander und Kathy Porter aufmerksam und mitfühlend beobachtet. Man befand sich in der großen Halle von Myladys Stadthaus in Shepherd’s Market, wohin Agatha Simpson und Parker mit ihrem Gast nach dem kleinen Intermezzo vor Harrods unverzüglich zurückgekehrt waren.

»Geht’s jetzt besser?« fragte die Hausherrin und bemühte sich, ihre an sich baritonale Stimme mütterlich klingen zu lassen. Wohlwollend musterte sie den weiblichen Gast, bei dem es sich um eine echte Schönheit handelte.

Die junge Dame besaß ein feingeschnittenes, ebenmäßiges Gesicht von broncefarbener Tönung, das von einer üppigen, rabenschwarzen Frisur gekrönt wurde. Die etwa Mittelgroße verfügte über eine außerordentlich attraktive Figur. Sie strahlte einen gewissen exotischen Reiz aus, der im Augenblick allerdings von Angst und Besorgnis überschattet wurde.

»Darf man sich nach Ihrem werten Namen erkundigen?« fragte Parker höflich an.

»Aber Mister Parker, lassen Sie dem Kind doch etwas Zeit, sich zu besinnen, es ist ja noch ganz verwirrt«, wies ihn Lady Agatha zurück.

»Pardon, Mylady, man bittet um Entschuldigung«, gab der Butler würdevoll zurück.

»Schon gut, Mister Parker, Sie lernen es noch.« Die Lady winkte ab und wandte sich nun selbst an ihren Gast.

»Also, Kindchen, wer sind Sie und was haben Sie für Probleme? Nur heraus mit der Sprache, Sie sind hier unter Freunden«, erklärte sie ohne groß zu überlegen.

Die junge Frau sah die Lady einen Augenblick unsicher an, dann brach sie in Tränen aus und schlug die Hände vors Gesicht. Agatha Simpson sah sie bestürzt an.

»Da sehen Sie mal, was Sie mir Ihrer Methode anrichten, Mister Parker«, grollte sie, während sie hilfesuchend Kathy Porter anblickte.

Die Gesellschafterin und Sekretärin der Lady verstand, ergriff eine Hand des Mädchens und zog es nach nebenan, während sie ihm tröstend einen Arm um die Schultern legte.

»Sie können nicht mit jungen Frauen umgehen, Mister Parker«, bemerkte Lady Agatha, während sie nach einem Glas griff, um ihren Kreislauf mit altem Cognac zu stärken.

»Meine bescheidene Person ist untröstlich, Mylady«, behauptete Parker mit unbewegter Miene. »Man wird sich bemühen, auch auf diesem Gebiet dazuzulernen.«

»Ich hoffe nur, Sie übertreiben dabei nicht, Parker.« Mike Rander, ein gutaussehender, schlanker Mann um die vierzig, der ein wenig an einen bekannten James Bond-Darsteller erinnerte, lächelte spöttisch. Er war Anwalt und beschäftigte sich mit der Vermögensverwaltung von Lady Agathas immensem Besitz. Parker kannte er aus den Staaten, wo dieser als sein Butler fungiert und ihn immer wieder in diverse Kriminalfälle verwickelt hatte.

»Mitnichten, Sir, man wird sich um Mäßigung bemühen.« Parker war durch nichts und niemand zu erschüttern. Er deutete eine leichte Verbeugung in Richtung Mike Rander an und wandte sich dann an seine Herrin.

»Mylady gedenken sich um das Schicksal der jungen Dame zu kümmern?« fragte er höflich und gemessen.

»Natürlich, Mister Parker. Ich habe es hier wieder mal mit einem schweren Verbrechen zu tun, und ich werde diesen Fall umgehend aufklären.« Lady Agatha nickte energisch und meinte, was sie sagte.

»Sie haben sicher schon einen Verdacht, Mylady?« mischte sich Mike Rander ein, während er die Hausherrin herausfordernd ansah.

»Natürlich, mein Junge, der Fall ist doch sonnenklar! Das arme Ding ist entführt worden, das sieht man doch auf den ersten Blick!«

»Um Lösegeld freizupressen? Das Mädchen scheint aus Südamerika zu stammen. Ist es nicht ein bißchen umständlich, sie nach England zu verschleppen, um von hier Lösegeld zu verlangen?«

»Mister Parker, erklärten Sie Mister Rander meine Meinung. Ich hoffe, Sie kennen meinen Gedankengang. Ich bin sehr gespannt auf Ihre Ausführungen. Ich werde Ihnen dann sagen, ob Sie mich richtig interpretiert haben.« Damit hatte die Lady Parker ebenso geschickt wie gewohnt den schwarzen Peter zugespielt.

Mike Rander, der dieses Spiel schon kannte, grinste anzüglich. Gespannt wartete er auf Parkers Ausführungen.

»Sicher denken Mylady weniger an eine Entführung zum Zweck der Lösegeld-Erpressung«, begann er und sah Mylady ruhig an. Diese winkte ungeduldig ab. »Weiter, Mister Parker! Bis jetzt stimmt es, was Sie sagen.«

»Mylady denken wahrscheinlich und mit einiger Sicherheit daran, daß Myladys Gast der Freiheit beraubt wurde, um gewisse Dienstleistungen zu erpressen«, fuhr Parker gemessen fort.

»Sie denken an Prostitution, Parker?« tippte Mike Rander an.

»In der Tat, Sir, dies wäre eine Möglichkeit«, gab Parker zu.

»Nun ja, die Kleine ist ja recht hübsch«, räumte auch Lady Agatha ein. »Weiter so, Mister Parker, Sie sind auf dem richtigen Weg.«

Der Butler verbeugte sich höflich. »Verbindlichsten Dank, Mylady. Zudem haben Mylady selbstverständlich an dem Bus, aus dem die junge Dame floh, noch etwas bemerkt.«

Mike Rander sah die ältere Dame neugierig an. »Tatsächlich Mylady, was denn?« Er wußte natürlich, daß ihr mit Sicherheit nichts aufgefallen war ... Und sie reagierte auch wie erwartet.

»Sagen Sie Mister Rander, was mir sonst noch auffiel, Mister Parker«, forderte sie ihren Butler auf. »Ich möchte Ihre Beobachtungsgabe prüfen.«

»Sehr wohl, Mylady. Wie Mylady sofort bemerkten, war der ganze Bus von hübschen jungen Damen besetzt. Mylady schätzt ihre Zahl auf etwa zwanzig. Daraus ziehen Mylady gewisse Rückschlüsse.«

»Spannen Sie Mister Rander nicht unnötig auf die Folter, Mister Parker, fahren Sie fort«, grollte die Hausherrin, die ihre Neugier kaum zügeln konnte.

»Mylady denken daher an eine Künstlertruppe oder etwas ähnliches«, fügte Parker gelassen hinzu. »Mylady beabsichtigen deshalb, in dieser Richtung zu recherchieren«, schloß Parker seinen Vortrag.

»Tatsächlich?« wunderte sich Agatha Simpson. »Nun, in der Tat, Mister Parker, ich wollte Sie darum bitten, sich um hier in der Stadt befindliche südamerikanische Künstlergruppen mit weiblicher Besetzung zu kümmern.«

Josuah Parker verbeugte sich leicht. »Man war so frei, bereits Mister Pickett um diesbezügliche Nachforschungen zu bitten, Mylady.«

*

Wie auf ein geheimes Stichwort hin läutete in diesem Augenblick das Telefon. Butler Parker begab sich steif und würdevoll zur Anrichte, um abzuheben. Aufmerksam hörte er sich an, was ihm der andere Teilnehmer zu sagen hatte, dann bedankte er sich höflich und legte auf.

»Nun, Parker, erste Informationen zum neuen Fall?« erkundigte sich Mike Rander in seiner saloppen Art.

»Ich nehme an, mein lieber Junge, es ist die erste telefonische Drohung gegen mich in diesem Fall«, hoffte Lady Agatha, während sie Parker erwartungsvoll ansah.

»Nicht ganz, Mylady.« Der Butler verneigte sich leicht in Richtung seiner Herrin. »Es war Mister Pickett mit einem Zwischenergebnis der Bemühungen, um die meine bescheidene Wenigkeit ihn gebeten hatte.«

»Ach ja, der gute Mister Pickett.« Agatha Simpson lächelte versonnen und nippte nachdenklich an ihrem Glas. Die Lady war von dem ehemaligen Eigentumsumverteiler außerordentlich angetan, was in erster Linie mit dessen erstklassigen Manieren zusammenhing.

»Sie sollten ihn mal zum Tee einladen, Mylady«, schlug Mike Rander vor. Schon seit langer Zeit plante Lady Agatha dies, vergaß es aber immer wieder.

»Tatsächlich, Mister Parker, erinnern Sie mich bitte bei Gelegenheit daran. Sie wissen, ich schätze Mister Pickett sehr. Was hatte er Ihnen mitzuteilen?«

»Mister Picketts Nachforschungen zufolge hält sich zur Zeit nur eine südamerikanische Künstlertruppe bei uns auf, die unseren Vorstellungen entspricht, Mylady. Es handelt sich um ein Tanzensemble mit dem klangvollen Namen ›las gacelas‹.«

»Und was stelle ich mir darunter vor, Mister Parker? Sagen Sie mir, woran ich denke«, verlangte Agatha Simpson zu wissen, während sie ihren Butler scharf ins Auge faßte, als wollte sie seinen Wissensstand prüfen.

»Mylady wissen natürlich, was der spanische Begriff ›las gacelas‹ bedeutet«, antwortete Parker, ohne mit der Wimper zu zucken.

»Ach ja, spanisch«, seufzte die Detektivin, während sie sich zurücklehnte und ihr Gesicht einen verträumten Ausdruck annahm. »In meiner Jugend habe ich diese melodiöse Sprache perfekt beherrscht.«

»Tatsächlich, Mylady? Alle Achtung!« lächelte Mike Rander, der natürlich wußte, daß Agatha Simpson außer Englisch keine andere Sprache beherrschte. »Und was bedeutet dieses ›las gacelas‹ nun?«

»Mister Parker, sagen Sie es. Ich bin gespannt, ob Sie es auch wissen.«

»Wie Mylady zu wünschen geruhen«, gab Parker ungerührt zurück. »Mylady wissen, daß dieser Begriff ›Die Gazellen‹ bedeutet. Nach Mister Picketts Informationen handelt es sich dabei um ein Tanzensemble aus Buenos Aires, das hier ein Vierteljahr gastiert und hauptsächlich den sogenannten Tango aufführt.«

»Aha, aus Brasilien also«, stellte Agatha Simpson fest und nickte nachdenklich.

»Nicht ganz, Mylady«, korrigierte Parker gemessen. »Buenos Aires rechnet man zu Argentinien.«

»Und seit wann gastiert diese Truppe hier?« erkundigte sich Mike Rander.

»Seit genau einer Woche, Sir. Am vergangenen Samstag gab man bereits eine aus verkaufte Vorstellung in der Royal Albert Hall.«

»Das hört sich doch sehr seriös an«, fand der Anwalt. »Ich meine, wenn diese Truppe in der Albert Hall auftritt, muß sie künstlerisch doch was zu bieten haben. Glauben Sie wirklich, daß da etwas faul ist? Möglicherweise hat die Kleine nur private Differenzen mit einem anderen Ensemble-Mitglied.«

»Unsinn, mein lieber Junge, ich spüre ganz genau, daß hier etwas nicht stimmt. Ich tippe auf Mädchenhandel oder Rauschgiftschmuggel, ich werde mich später noch für das eine oder andere entscheiden. Auf jeden Fall werde ich diesen Fall aufklären, und zwar innerhalb von wenigen Tagen. Hier ist rasche und wirkungsvolle Hilfe gefragt, und die kann nur von einer erfahrenen und erfolgreichen Kriminalistin kommen.« Agatha Simpson nickte energisch und nahm einen neuen Schluck aus ihrem Cognac-Schwenker, der vom Format her an einen veritablen Blumentopf erinnerte.

»Vielleicht kann uns Miß Porter mit weiteren Informationen dienen«, mutmaßte Parker, der Kathy Porter die große Freitreppe herunterkommen sah.

*

»Nun, Kindchen, was haben Sie uns zu sagen?« erkundigte sich Lady Agatha bei ihrer Gesellschafterin und Sekretärin und sah sie fast liebevoll an.

Kathy Porter, eine etwas über mittelgroße, schlanke junge Dame von apartem, exotisch anmutendem Reiz, nahm bei Lady Agatha den Rang einer Ersatztochter ein. Es war der größte Wunsch der Lady, die beiden Kinder, wie sie Kathy Porter und Mike Rander nannte, zu verehelichen und ein Paar aus ihnen zu machen.

»Unser Gast heißt Ines Paretti, Mylady, und es sieht tatsächlich so aus, als hätten wir einen neuen Fall. Zumindest ist das mein Eindruck«, erwiderte Kathy, während sie von Parker dankbar eine Tasse Tee entgegennahm.

»Na bitte, sage ich doch die ganze Zeit«, erwiderte Lady Agatha. »Mein Instinkt hat mich noch nie im Stich gelassen, nehmen Sie sich daran ein Beispiel, Mister Parker.«

»Man wird sich Mühe geben«, murmelte Josuah Parker, der steif und würdevoll neben dem Sessel seiner Herrin stand.

»Und worin besteht dieser neue Fall, Kathy?« erkundigte sich Mike Rander gespannt.

»Miß Paretti gehört zu einer argentinischen Truppe, die sich ›las gacelas‹ nennt«, fuhr Kathy Porter fort.

»Das weiß ich bereits«, unterbrach die Hausherrin ungeduldig. »Ich warte auf die Neuigkeiten.«

»Die Truppe ist seit einer Woche in London, aber in dieser Zeit sind schon vier Mädchen verschwunden«, berichtete Kathy weiter. »Die Betreuer behaupten, sie hätten sich einfach abgesetzt oder woanders ein attraktiveres Angebot angenommen.«

»Und warum wollte diese Miß Garetta aus dem Bus flüchten?« fragte die Lady gespannt.