Parker und die "Mega-Ratten" - Günter Dönges - E-Book

Parker und die "Mega-Ratten" E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! Parker lustwandelte über den schmalen Bergpfad und genoß den herbstlichen Wald in all seiner bunten Pracht. Gut, er sah nicht wie einer der Feriengäste oder Touristen aus, doch das spielte keine Rolle. Er trug die übliche schwarze Kleidung, die steife, englische Melone und hatte sich seinen Universal-Regenschirm korrekt über den linken Unterarm gelegt. An Regen war wirklich nicht zu denken, aber das focht den Butler nicht an. Ohne zwingende Gründe trennte er sich niemals von diesem Regenschirm, denn er war ihm manchmal von Nutzen, wie sich in der Vergangenheit schon oft gezeigt hatte. Parkers Ziel war eine kleine Waldhütte oberhalb des Bergwaldes. Bis dorthin mußte er gut und gern noch eine halbe Stunde gehen. Doch das machte ihm nichts aus. Er hatte eine längere Fahrt in seinem Privatwagen hinter sich und war froh, sich endlich einmal die Beine vertreten zu können. Er war, was die Schönheiten des herbstlichen Waldes anging, nicht ganz bei der Sache. Wenigstens nicht innerlich. Nach außen hin spielte er zwar den Feriengast, der sich entspannen will, innerlich aber beschäftigte er sich intensiv mit jenem seltsamen Pfeifen, das er schon seit knapp zehn Minuten hörte. Dieses kurze, schrille Pfeifen vermochte er nicht einzuordnen. Von Murmeltieren konnte es nicht herrühren. Parker kannte sich da aus. In früheren Jahren war er verschiedentlich in der Schweiz gewesen und hatte diese reizenden, kleinen Burschen aus nächster Nähe beobachtet. Nein, dieses Pfeifen klang irgendwie drohend. Es kitzelte die Nerven und war dazu angetan, den Rücken mit einer soliden Gänsehaut zu versorgen. Parker hatte immer wieder nach den Urhebern dieser Pfiffe Ausschau gehalten, bisher aber nichts entdecken können. Diese Pfiffe wechselten dauernd die Richtung und schienen ihn einzukreisen.

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Butler Parker – 163 –

Parker und die "Mega-Ratten"

Günter Dönges

Parker lustwandelte über den schmalen Bergpfad und genoß den herbstlichen Wald in all seiner bunten Pracht. Gut, er sah nicht wie einer der Feriengäste oder Touristen aus, doch das spielte keine Rolle. Er trug die übliche schwarze Kleidung, die steife, englische Melone und hatte sich seinen Universal-Regenschirm korrekt über den linken Unterarm gelegt. An Regen war wirklich nicht zu denken, aber das focht den Butler nicht an. Ohne zwingende Gründe trennte er sich niemals von diesem Regenschirm, denn er war ihm manchmal von Nutzen, wie sich in der Vergangenheit schon oft gezeigt hatte.

Parkers Ziel war eine kleine Waldhütte oberhalb des Bergwaldes. Bis dorthin mußte er gut und gern noch eine halbe Stunde gehen. Doch das machte ihm nichts aus. Er hatte eine längere Fahrt in seinem Privatwagen hinter sich und war froh, sich endlich einmal die Beine vertreten zu können.

Er war, was die Schönheiten des herbstlichen Waldes anging, nicht ganz bei der Sache. Wenigstens nicht innerlich. Nach außen hin spielte er zwar den Feriengast, der sich entspannen will, innerlich aber beschäftigte er sich intensiv mit jenem seltsamen Pfeifen, das er schon seit knapp zehn Minuten hörte. Dieses kurze, schrille Pfeifen vermochte er nicht einzuordnen. Von Murmeltieren konnte es nicht herrühren. Parker kannte sich da aus. In früheren Jahren war er verschiedentlich in der Schweiz gewesen und hatte diese reizenden, kleinen Burschen aus nächster Nähe beobachtet.

Nein, dieses Pfeifen klang irgendwie drohend. Es kitzelte die Nerven und war dazu angetan, den Rücken mit einer soliden Gänsehaut zu versorgen. Parker hatte immer wieder nach den Urhebern dieser Pfiffe Ausschau gehalten, bisher aber nichts entdecken können.

Diese Pfiffe wechselten dauernd die Richtung und schienen ihn einzukreisen. Klangen sie jetzt noch recht nah, hörte es sich wenige Minuten später so an, als würden sie weit oben im Bergwald produziert. Parker, allen Rätseln der Natur stets aufgeschlossen, nahm sich vor, die Produzenten dieser Pfiffe festzustellen. Er legte eine kleine Pause ein und sah hinunter auf Aspen.

Diese ehemalige Silberminenstadt, 1893 aufgegeben und zu einer Geisterstadt geworden, hatte sich nach dem 2. Weltkrieg in einen feudalen Sommer- und Winterkurort rückverwandelt. Das kleine Städtchen, inzwischen wieder auf fast achttausend Einwohner angewachsen, lag in einem jetzt romantisch anmutenden Talkessel. An den Hängen erhoben sich Motels, Bungalows und Hotels im Westernstil. Nichts war mehr von der alten Silberminenstadt zu sehen, wenn man von den Stollenmündungen und geschleiften Fördertürmen der alten Mine absah, die in einem stillen Seitental verschwanden.

Parkers Aufmerksamkeit wurde abgelenkt.

Seitlich von ihm tauchte plötzlich für Sekundenbruchteile ein Schatten auf. Er bewegte sich mit großer Schnelligkeit über den Boden und verschwand im dichten Unterholz.

Parker hatte Einzelheiten nicht erkennen können, doch er glaubte, so etwas wie einen Fuchs gesehen zu haben. Nicht weiter verwunderlich hier oben im Bergwald. Und dennoch, der Butler war gewarnt. Sein stets waches Unterbewußtsein signalisierte Alarm. Irgend etwas stimmte nicht. Die Bedrohung wurde nur noch stärker.

Dann wieder das schrille Pfeifen!

Diesmal kam es ganz aus der Nähe.

Parker wandte sich schnell um, ohne dabei aber seine würdevolle Gelassenheit auf zugeben.

Und dann sah er das Tier...

Es war groß wie ein Terrier, besaß ein braunschwarzes Fellkleid und hatte eine spitze Schnauze, an der deutlich zu beiden Seiten lange, dünne Barthaare zu erkennen waren.

Kalte, freche und verschlagene Augen zugleich musterten den Butler prüfend.

Und dann entdeckte der Butler noch etwas, was ihn vollends irritierte.

Dieser Terrier, der keiner sein konnte, verfügte über einen langen, dünnen Schwanz, über einen Schwanz, wie ihn nur Ratten oder Mäuse besaßen!

Dieses seltsame Tier pfiff plötzlich schrill und stürzte sich auf den Butler.

Josuah Parker schüttelte mißbilligend den Kopf. Er war ein Tierfreund und hatte etwas dagegen, die unschuldige Kreatur, gleich in welcher Form sie sich auch darbot, zu töten.

Doch jetzt und hier mußte er sich sehr schnell entscheiden. Das Tier schien überhaupt keine Angst zu kennen. Es handelte auch keineswegs in blinder Wut.

Wohlüberlegt, mit einer gewissen, erkennbaren Intelligenz täuschte es den Butler, fintierte förmlich, um dann konzentriert und mit kalter Wut zuzuschnappen.

Parker sah ein scheußliches Gebiß mit ausgeprägten Fangzähnen. Er sah den Geifer. Nun wehrte er sich mit seinem Universal-Regenschirm.

Die bleigefütterte Bambuskrücke sauste auf das Tier hinunter, verfehlte es, trieb das Tier dennoch zurück und verwandelte sich dann in Sekundenbruchteile in einen rasiermesserscharfen Degen.

Durch den Druck auf einen verborgen angebrachten Knopf hatte Josuah Parker die Degenklinge hervorzischen lassen. Als das Tier den zweiten Angriff wagte, war der Butler gewappnet.

Ein blitzschneller Stich, ein schriller Pfiff. Dann rollte das seltsame Tier auf die Seite und blieb mit zuckenden Gliedern auf dem steinigen Boden liegen.

Parker wollte sich über diesen vierbeinigen Angreifer beugen und ihn aus nächster Nähe studieren, doch ein peitschender Schuß lenkte ihn ab.

Dieser Schuß war oberhalb des Bergwalds abgefeuert worden.

Und diesem Schuß folgten zwei weitere Schüsse, die in schneller Reihenfolge hintereinander krachten.

Parker dachte an den Mann, mit dem er sich treffen wollte. Er hatte es plötzlich sehr eilig, nach oben zur Berghütte zu kommen und kümmerte sich nicht weiter um das Tier.

Was er wohl besser doch getan hätte!

*

Die Berghütte lehnte gegen einen steil aufragenden Felsen. Sie sah zur Höhe dieser Steilwand wie eine Streichholzschachtel aus. Parker trat aus dem Bergwald und beobachtete die Hütte. Er wartete darauf, daß sich dort etwas rührte. Er wartete, genauer gesagt, auf einen gewissen Herrn Ball, der ihn hierher bestellt hatte.

Das vereinbarte Zeichen fehlte übrigens. Am Fenster war nichts von einem Handtuch zu sehen, eine Tatsache, die den Butler noch mißtrauischer werden ließ.

Um zur Hütte zu gelangen, mußte er die weite Bergwiese überschreiten. Deckungslos! Außer Felsblöcken, die sich aus der Wiese erhoben, war von Schutzmöglichkeiten nichts zu sehen. Dennoch wagte der Butler es!

Er kam nicht weit.

Er hatte ein Drittel dieser sattgrünen Bergwiese gerade hinter sich gebracht, als ein Schuß fiel. Fast gleichzeitig zischte ein Geschoß dicht an seinem Oberkörper vorbei und klatschte gegen einen Baum.

Parker, an einem Treffer überhaupt nicht interessiert, zog es daraufhin vor, dem Schützen die Sicht zu nehmen. Er nebelte sich im wahrsten Sinne des Wortes ein. Dazu zog er eine kleine Plastikröhre aus der Tasche seines schwarzen Zweireihers, zerbrach die darin befindliche Glasampulle mit einer harten Handbewegung und wurde innerhalb weniger Sekunden von einer Nebelwolke eingehüllt.

Diese Wolke hatte es in sich!

Sie breitete sich zu einer undurchdringlichen Wand aus und ließ den Butler völlig verschwinden. Getrieben von einem sanften Wind, zog sich diese Nebelwand zurück zum Bergwald.

Parker schloß sich dieser Nebelwand an und befand sich nach einigen Minuten wieder in Sicherheit. Der Schütze, der irgendwo in den Felsen steckte, hatte keinen zweiten Schuß abgefeuert. Wahrscheinlich grübelte er noch über Parkers Trick nach.

Der Butler nutzte diese mögliche Verblüffung aus.

Mit einer Schnelligkeit, die er sonst verabscheute, umging er bereits die weite Bergwiese und näherte sich der Hütte diesmal von der linken Flanke her.

Der Nebel hatte sich aufgelöst.

Parker stand hinter dichtem Strauchwerk und beobachtete die Felswände oberhalb der Hütte.

Dort vermutete er den Schützen. Hatte dieser heimtückische Mensch sich bereits abgesetzt? Oder wartete er darauf, einen zweiten, besser gezielten Schuß anzubringen? Man mußte Geduld haben, wenn man ein Wild belauerte.

Und Parkers Geduld zahlte sich auch prompt aus.

Nach etwa zehn Minuten blinkte irgend etwas in der Wand.

Parker konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf dieses Blinken und machte eine Gestalt aus, die ein Gewehr in der Hand trug. Der Lauf dieses Gewehrs hatte so verräterisch aufgeleuchtet und Parker alarmiert.

Der Schütze stieg vorsichtig nach unten.

Wollte er sich eine bessere Schußposition verschaffen? Glaubte er vielleicht, doch getroffen zu haben? Wollte er nach seinem Opfer suchen?

Parker holte sein Etui hervor und beschäftigte sich mit einer Zigarre. Er zog sie teleskopartig auseinander und besaß damit auch schon ein einäugiges Fernglas von hervorragender Schärfe.

Er konnte das Gesicht des Schützen gut erkennen.

Es war oval, wurde von einer hakenartigen Indianernase beherrscht und verfügte über einen schmalen, harten Mund. Der Mann trug saloppe, bunte Ferienkleidung und sah im Grund nicht wie ein potentieller Mörder aus.

Parker prägte sich dieses Gesicht gut ein. Er war davon überzeugt, es bald wiederzusehen. Dann ließ er sein Fernrohr wieder im Zigarrenetui verschwinden und machte sich auf eine Auseinandersetzung gefaßt. Er wollte wissen, wer geschossen hatte. Und er wollte herausfinden, warum man eben erst ihn, Josuah Parker, unter Feuer genommen hatte.

Der Mann hatte die Berghütte fast erreicht.

Er stieg gerade über ein kleines Geröllfeld, als er sich jäh an die Brust faßte.

Er sackte in sich zusammen. Und dann erst war der Schuß zu hören, der ihm gegolten hatte.

Parker verließ die Deckung.

Nach wenigen Minuten hatte er den Mann erreicht, der über das Geröllfeld gerutscht war. Er lag etwa fünfzig Meter seitlich neben der Berghütte und atmete schwer.

»Mir scheint, daß Sie sich in einigen Schwierigkeiten befinden«, sagte Parker in seiner höflichen Art und lüftete grüßend die Melone.

»Sie aber auch!« antwortete der angeblich Verletzte und richtete die Mündung des Gewehrlaufes auf den Butler. Diese Bewegung, die mehr als eindeutig war, wurde von einem höhnischen Grinsen unterstrichen.

*

»Ich muß eingestehen, daß ich einem sehr gut durchdachten Trick zum Opfer gefallen bin«, antwortete der Butler, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen. »Ich darf unterstellen, daß Sie mit einem Kompagnon zusammenarbeiten, nicht wahr?«

»Richtig!« sagte der Mann mit dem harten Mund und der Hakennase, »er hat angeblich auf mich gefeuert und Sie ’rausgelockt!«

»Mein Kompliment«, entgegnete der Butler. »Sie scheinen an meiner bescheidenen Person lebhaft interessiert zu sein.«

»Stimmt haargenau! «

Eine überraschend weiche Stimme hinter Parker schaltete sich ein. Der Butler nahm den Kopf etwas herum und musterte den zweiten Mann. Es handelte sich um einen Mann von etwa vierzig Jahren, korpulent und mit aufgedunsenem Gesicht. Er hielt einen 38er schußbereit in der Hand.

»Wodurch, wenn ich fragen darf, habe ich Ihr Mißfallen erregt?« forschte der Butler gemessen.

»Mit wem wollten Sie sich hier oben in der Berghütte treffen?« fragte der Korpulente.

»Kommen Sie uns erst gar nicht mit faulen Ausreden«, fügte die Hakennase hinzu, »wir wissen, was hier läuft!«

»Nun, denn ... Ich bin mit einem gewissen Mister Ball verabredet«, antwortete der Butler wahrheitsgemäß.

»Ah. Und was will er von Ihnen?« Der Korpulente sah den Butler prüfend an.

»Das entzieht sich zur Zeit noch meiner Kenntnis«, redete der Butler weiter, »ich erhielt vor knapp anderthalb Stunden einen ungewöhnlich mysteriösen Anruf im Hotel. Besagter Mister Ball stellte sich vor und bat mich dringend, ihn hier oben in der Berghütte zu besuchen.«

»Ach nee!« warf die Hakennase spöttisch ein.

»Bevor ich Fragen zu stellen vermochte, legte Mister Ball bereits wieder auf«, berichtete der Butler unwahrheitsgemäß weiter. »Da meine Neugierde erregt worden war, machte ich mich also auf den Weg und erlebte hier die Überraschungen, die Ihnen ja bereits bekannt sind.«

»Sie haben also überhaupt keine Ahnung, wie?« Jetzt war wieder der Korpulente an der Reihe. »Kommen Sie, gehen wir ’rüber zur Berghütte. Dort können wir uns ungestörter unterhalten.«

»Aber mit dem größten Vergnügen, meine Herren!« Parker gab sich arglos und war in dieser Rolle durchaus überzeugend. Er mißachtete die diversen Schußwaffen seiner beiden Begleiter und ging voraus.

Die Hakennase drückte die Hüttentür auf und machte eine einladende, jedoch spöttische Handbewegung.

Noch auf der Türschwelle blieb der Butler jäh stehen.

Vor dem roh zusammengefügten Tisch aus. Brettern und Kanthölzern lag ein Mann, dessen Arme fast unter dem verkrümmten Körper verschwanden.

»Ihr Mister Ball!« sagte der Korpulente fast stolz. »Wenn Sie nicht schleunigst reden, liegen Sie bald neben ihm!«

*

»Sie erschrecken mich«, antwortete der Butler, »darf ich der liegenden Haltung dieses Mannes dort entnehmen, daß er getötet worden ist?«

»Sie dürfen!« Der Korpulente nickte fast stolz, »Schnüffler sterben schnell. Sollten Sie sich mal merken. Aber jetzt zu Ihnen, wer sind Sie?«

»Mein Name ist Parker, Josuah Parker! Ich habe die Ehre und den Vorzug, der Butler des Mister Rander zu sein!«

»Wie war das? Sie heißen Parker?« Die Hakennase schien diesen Namen schon einmal gehört zu haben. »Stammen Sie aus Chikago?«

»Aber keineswegs«, entgegnete der Butler und richtete sich würdevoll auf, »ich wurde in der Grafschaft Essex geboren, in dem kleinen Landstädtchen.«

»Aber Sie wohnen jetzt in Chikago?« präzisierte die Hakennase.

»So befragt, muß ich antworten und zwar im bejahenden Sinn!«

»Moment, ich bin gleich wieder zurück!« sagte die Hakennase zu dem Korpulenten, »laß den Burschen nicht aus den Augen! Ich glaube, wir haben da einen tollen Fang gemacht!«

»Okay«, sagte der Korpulente, »nimm dir nur Zeit!«

Die Hakennase hatte es sehr eilig, die Berghütte zu verlassen. Parker konnte leider nicht feststellen, wohin sie verschwand. Wollte der Mann neue und nähere Anweisungen einholen? Unten von Aspen aus? Das war so gut wie ausgeschlossen. Der Hin- und Rückweg hätte gut und gern weit über eine Stunde gedauert.

Der Korpulente lehnte sich gegen die Wand und zündete sich geschickt eine Zigarette an, ohne die Waffe in seiner rechten Hand sinken zu lassen.

Parker hatte sich längst entspannt. Er überlegte gerade, wie er den Mann überlisten könnte, als er eine unheimliche Feststellung machte.

Mister Ball zu seinen Füßen rührte sich! Nicht viel, kaum merklich nur. Der Korpulente schien noch nichts bemerkt zu haben. Er sah hin und wieder prüfend hinaus auf die Bergwiese.

Sekunden später passierte es.

Der angeblich tote Mister Ball schoß.

Dröhnend krachte der Revolverschuß.

Der Korpulente blieb wie unbeweglich stehen, dann nahm sein Gesicht einen ungemein erstaunten Ausdruck an. Anschließend rutschte er haltlos in sich zusammen und blieb unterhalb vom Fenster regungslos liegen.

Parker beugte sich schnell zu Ball hinunter.

»Ich bin Parker, Josuah Parker«, sagte er eindringlich zu Ball, der jetzt die Augen geöffnet hatte und den Butler fast triumphierend ahsah.

»Vorsicht!« keuchte der jetzt wirklich sterbende Ball, »Vorsicht! Die Ratten kommen. Die Ratten!«

Parker verzichtete auf eine Frage.

Mister Ball war bereits tot. Seine Kraft hatte gerade noch ausgereicht, einen Schuß abzufeuern und eine mysteriöse Warnung zu flüstern.

Der Butlei richtete sich auf.

Er nahm feierlich die Melone vom Haupt und deutete eine kleine Verbeugung an. Dann rüstete er sich mit der Waffe des Korpulenten aus und wartete auf die Rückkehr der Hakennase.

*

Nach etwa zehn Minuten – Parker hatte sich in verschiedener Hinsicht nützlich betätigt – erhielt er Besuch. Und zwar nicht von der Hakennase, sondern von einem Wildhüter.

Dieser in seiner typischen Uniform – breitrandiger Hut, Breeches, Schnürstiefel und Wetterjacke – erschien am Waldrand und kam mit schnellen Schritten zur Berghütte hoch.

Parker war ein vorsichtiger Mensch.

Er sah sich in der Hütte um und entschied sich dann für das kleine, rückwärtige Fenster. Würdevoll stieg er also aus der Hütte und nahm knapp neben dem Fenster Aufstellung.

Der Wildhüter hatte die Hütte erreicht.

»Ist da jemand?« rief er.

Parker dachte nicht im Traum daran, eine Antwort zu geben. Er verhielt sich vollkommen ruhig.

Der Wildhüter öffnete die Tür und betrat die Berghütte. Nun konnte der Butler ihn vom Fenster aus genau sehen. Der Wildhüter starrte nicht etwa auf Mister Ball, der doch direkt in seinem Blickfeld lag. Nein, der Wildhüter interessierte sich für den Korpulenten.

»Was ist?« fragte er über flüssigerweise und stieß ihn vorsichtig mit der Stiefelspitze an. Als der Korpulente sich verständlicherweise nicht bewegte, sah der Wildhüter sich etwas konzentrierter um.

»Hallo?« rief er.

Parker verzichtete auf eine Antwort. Er wartete darauf, daß der Wildhüter das nur von außen wieder zugedrückte kleine Fenster bemerkte. Doch das war nicht der Fall.