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Studienarbeit aus dem Jahr 2002 im Fachbereich Medien / Kommunikation - Journalismus, Publizistik, Note: 1,0, Ludwig-Maximilians-Universität München (Institut für Kommunikationswissenschaft), Veranstaltung: HS: Kommunikation im Volksmund, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Arbeit befasst sich intensiv und umfassend mit der Entwicklung des Objektivitätsideals in der deutschen Presse. Ausgehend von den sprachlichen Wurzeln des Begriffs Parteilichkeit wird die Herausbildung des Versuch unparteiischer Berichterstattung beleuchtet. Auf die Geschichte und Karriere des fachwissenschaftlichen Terminus Parteilichkeit wird dabei ebenso eingeganen wie auf die Realität der Berichterstattung, die den Objektivitätsanspruch nur selten vollständig einzulösen vermag.
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Ludwig-Maximilians-Universität München München, den 21.10.02
Institut für Kommunikationswissenschaft
HS: Kommunikation im Volksmund
vorgelegt von: Henryk Hielscher
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Im Januar 2001 reichte es dem Kanzler: Diese Art der Berichterstattung sei eine gezielte Kampagne gegen seine Regierung. Es gebe eine Reihe von Leuten, die „diesen Verlag politisch einsetzen wollen“1, frotzelte Schröder. Adressat der harschen Kritik war die BILD-Zeitung, der eine „Schmuddelkampagne“ zugunsten der Christdemokraten vorgeworfen wurde nachdem sie genüsslich über die angeblichen Terrorkarrieren von Außenminister Fischer und Umweltminister Trittin berichtet hatte. Wenig später konterte der Verlag: Nicht Springer fahre eine Kampagne gegen Schröder, sondern Schröder gegen Springer. Der Kanzler wolle damit nur „von den Fehlern und Problemen der Regierung ablenken“2und „mit dem Böllerschuss auf unseren Verlag unabhängige Journalisten einschüchtern und mundtot machen“3, die Kanzler-Attacke sei ein „Angriff auf die Pressefreiheit“4. Den Vorwurf, parteilich zu sein, wolle man sich auf nicht gefallen lassen.
Einseitige Berichterstattung, Parteipresse, Parteilichkeit: Was all diesen Vorwürfen gemeinsam ist, ist die Kritik journalistischer Einseitigkeit und damit der Parteilichkeit, die einer objektiven Betrachtung entgegen steht. Doch was bedeutet es, für eine Sache Partei zu nehmen und warum wird dies gerade bei Journalisten kritisiert? Woher stammen die Begriffe und warum haben sie einen derart großen Einfluss sowohl in der Umgangssprache als auch in der kommunikationswissenschaftlichen Fachsprache? Diese Fragen werde ich im Rahmen der Hausarbeit versuchen, zu beantworten. Das Erkenntnisinteresse erstreckt sich dabei ebenso auf den Einfluss der vorwissenschaftlichen Ursprungsbedeutungen auf die heutige Kommunikationswissenschaft wie auf die Entwicklung des Objektivitätsideals der Presse. Ziel dieser Hausarbeit ist es deshalb auch, den Objektivitätsbegriff einzugrenzen, ihn deutlich zu machen und ihn dem Begriff der Unparteilichkeit gegenüber zu stellen.
1zitiert nach: Der Tagesspiegel vom 27.01.2001, Die Mundtotmacher. Der Axel-
Springer-Verlag und die Gerhard-Schröder-Regierung beschimpfen einander, S. 35.
2ebd.
3ebd.
4ebd.
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Eine Analyse sollte mit der Klärung der Begriffe beginnen. Deshalb werde ich zuerst die Entwicklung der essentiellen Termini „Partei“ und „Parteilichkeit“ darstellen und auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten zur heutigen Verwendung eingehen.
Begriffsgeschichte und ursprüngliche Bedeutung bilden so das Grundgerüst für eine weitergehende wissenschaftliche Auseinandersetzung, die sich primär auf den entgegengesetzten Begriff der Unparteilichkeit konzentriert und an dem auch die Entwicklung des Objektivitätsideals im Journalismus nachvollzogen werden soll. Das Hauptaugenmerk liegt auf dem deutschen Sprachraum und den frühen Zeitungen, die USA werden als Vergleich herangezogen. Schließlich werden verschiedene Ansätze der journalistischen Objektivität dargestellt.
Selbstverständlich gilt es bei all dem das anfangs formulierte Erkenntnisinteresse
- also den Einfluss der kommunikativen Begriffswurzeln - nicht außer Acht zu lassen. Um die Resultate und Überlegungen dezidiert darstellen zu können, werde ich am Ende der Hausarbeit nochmals versuchen zu zeigen, welche Wirkung die vorwissenschaftlichen Ursprungsbedeutungen bis heute auf die Verwendung der Begriffe haben und inwieweit die Ursprungsbedeutungen für die Kommunikationswissenschaft relevant sind. Das vorletzte Kapitel beschäftigt sich deshalb mit der Unterscheidung der BegriffeUnparteilichkeitundObjektivität.Am Ende werde ich in einem Fazit die wesentlichen Punkte nochmals überblicksartig zusammenfassen.
Betrachtet man den Begriff `Partei´, denkt man wohl zuerst an CDU und SPD, an Wahlkampf und Kanzlerkandidaten. Unter einer Partei in diesem modernen Sinne versteht man den „organisierten Zusammenschluss von Bürgern mit gemeinsamen sozialen Interessen und polit. Vorstellungen über die Gestaltung der staatl., gesellschaftl. und wirtsch. Ordnung mit dem Ziel der Übernahme, der Behauptung bzw. der Kontrolle der Reg. des Staats“.1Doch diese von Demokratie und Parlamentarismus inspirierte politische Dimension des Wortes
1Meyers neues Lexikon: in 10 Bänden, Band 7, Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich, 1993,
S. 337.
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ist nur ein Teil der Bedeutungen. Denn der Begriff ´Partei` reicht historisch zurück bis in eine Zeit, in der das heutige `Parteiensystem´ nicht vorstellbar war. Nur so ist auch die umfassende Anwendung des Terminus Partei in den verschiedensten Bereichen erklärbar: vor Gericht stehen sich Parteien gegenüber, in der Wirtschaft schließen Parteien Verträge, Parteien stellen sich zur Wahl und sind Mieter von Wohnungen, Behörden laden zum Parteienverkehr, es gibt Parteiensysteme und Systemparteien, Parteigänger, Parteifreunde, Parteigegner...