Perry Rhodan 1374: Wiege der Kartanin - Ernst Vlcek - E-Book

Perry Rhodan 1374: Wiege der Kartanin E-Book

Ernst Vlcek

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Beschreibung

Im Charif-System - der Mann aus Meekorah auf der Welt des Ursprungs Den Völkern der Milchstraße ist nach der Zerschlagung des Kriegerkults nur eine kurze Verschnaufpause vergönnt. Die neue Bedrohung, die auf die Galaktiker zukommt, wird Anfang des Jahres 447 NGZ, das dem Jahr 4034 alter Zeitrechnung entspricht, erstmals erkennbar. Teile der Galaxis Hangay aus dem sterbenden Universum Tarkan gelangen in unseren eigenen Kosmos, was wohl als Folge der verheerenden Paratau-Katastrophe im Tarkanium von ESTARTU geschehen ist. Im Sommer 447 ist allerdings längst klar, dass eine solche Deutung nicht genügt, zumal noch weitere Materiemassen in der Lokalen Gruppe aufgetaucht sind. Den wildesten Spekulationen sind Tür und Tor geöffnet, aber nur wenige Galaktiker können sich das ganze Ausmaß der Gefahr vorstellen. Einer dieser Galaktiker ist Perry Rhodan. Doch er kann sein Wissen nicht nach Hause übermitteln, denn er wurde nach Tarkan verschlagen, wo er sich auf die Suche nach einer Rückkehrmöglichkeit und nach der verschollenen Superintelligenz ESTARTU macht. Inzwischen, im Juli 447, hat der Terraner zusammen mit Beodu, dem Attavenno, der ihn seit einiger Zeit begleitet, das Charif-System erreicht. Dort liegt Vinau, die WIEGE DER KARTANIN ...

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Nr. 1374

Wiege der Kartanin

Im Charif-System – der Mann aus Meekorah auf der Welt des Ursprungs

von Ernst Vlcek

Den Völkern der Milchstraße ist nach der Zerschlagung des Kriegerkults nur eine kurze Verschnaufpause vergönnt. Die neue Bedrohung, die auf die Galaktiker zukommt, wird Anfang des Jahres 447 NGZ, das dem Jahr 4034 alter Zeitrechnung entspricht, erstmals erkennbar. Teile der Galaxis Hangay aus dem sterbenden Universum Tarkan gelangen in unseren eigenen Kosmos, was wohl als Folge der verheerenden Paratau-Katastrophe im Tarkanium von ESTARTU geschehen ist.

Im Sommer 447 ist allerdings längst klar, dass eine solche Deutung nicht genügt, zumal noch weitere Materiemassen in der Lokalen Gruppe aufgetaucht sind. Den wildesten Spekulationen sind Tür und Tor geöffnet, aber nur wenige Galaktiker können sich das ganze Ausmaß der Gefahr vorstellen.

Einer dieser Galaktiker ist Perry Rhodan. Doch er kann sein Wissen nicht nach Hause übermitteln, denn er wurde nach Tarkan verschlagen, wo er sich auf die Suche nach einer Rückkehrmöglichkeit und nach der verschollenen Superintelligenz ESTARTU macht.

Die Hauptpersonen des Romans

Perry Rhodan – Der Mann aus Meekorah auf der Ursprungswelt der Kartanin.

Beodu – Perry Rhodans Begleiter.

Mi-Auwa – Perry Rhodans Betreuerin.

Gil-Gor – Ein Mitglied der Shuo-Gon-Wen.

Dalphrol, Fellgel und Istam

1.

Ein Hauch von Kälte weckte ihn.

Fröstelnd schlug er die Augen auf. Er war sofort hellwach, als er die fremde Umgebung sah. Augenblicklich fand er sich in der Realität zurecht; er galt nicht umsonst als Sofortumschalter.

Er befand sich in einem anderen Universum, in Tarkan. Fern seiner Familie – durch Dimensionsbarrieren von der Menschheit getrennt.

Perry Rhodan war allein in diesem fremden Universum. Schon seit Wochen und Monaten, ein halbes Jahr beinahe schon.

Seine Odyssee hatte ihn nach einem Abstecher in die Randzone der Galaxis Hangay ins Charif-System geführt, die Heimat der Kartanin und der Nakken. Und nun befand er sich auf dem zweiten Planeten Vinau. In einem Randbezirk der kartanischen Metropole Vin-Marau. Er bewohnte hier eine Luxusvilla, erwachte in einem nierenförmigen Luftkissenbett. Nackt. Die niedrige Zimmertemperatur hatte seinen Körper unterkühlt und ihn geweckt. Ohne seinen Zellaktivator hätte er sich vermutlich eine Erkältung zugezogen.

Er war nicht ganz freiwillig hier, aber auch nicht gegen seinen Willen. Nun, da er einmal hier war, war es ihm ganz recht, die Heimat der Kartanin näher kennenzulernen. Früher oder später wäre er ohnehin hierhergekommen, die Koordinaten hatte er von Ren-No, dem Projektleiter im Anklam-System.

Es war still im Zimmer, das Panoramafenster, das in einen gepflegten Garten blicken ließ, war verdunkelt.

Er ließ den Blick über die glatte Decke wandern und drehte sich auf die andere Seite.

Dort stand ein Kopfloser in einer Netzkombination. Daneben ein zweiter Humanoide in einer Art Harlekinkostüm, ebenfalls kopflos. Eigentlich erweckten die beiden Gestalten den Eindruck von Unsichtbaren, von denen nur die Kleidung sichtbar war – gerade so, als seien sie einem Hollywood-Film aus seinen Kindertagen entstiegen. Wie lange lag diese Zeit schon zurück! Über zweitausend Jahre.

Aber war es nicht ein beruhigendes Gefühl, dass man sich als relativ Unsterblicher an solche Kleinigkeiten erinnern konnte? Dass man an solchen Erinnerungen festhielt, obwohl man kosmische Geschichte machte oder zumindest mitmachte?

Die Szene aus »The Invisible Man« löste sich nicht auf, denn sie war kein Spuk, sondern real. Die Lösung war einfach genug: Er hatte, bevor er zu Bett ging, seine Netzkombination einer kartanischen Abart eines Kleider-Boys überlassen, der sie unter Luftdruck gesetzt hatte; gerade so, als müsste man eine Netzkombination bügeln, um sie faltenfrei zu halten.

Rhodan ließ seinen Blick über das Harlekinkostüm wandern. Als er sich schlafen gelegt hatte, war es nicht da gewesen. Er verstand die Absicht und sagte:

»Nur über meine Leiche!«

Seine Stimme klang fremd in dem großen Zimmer, dumpf und ohne Obertöne, als würden die Wände sie schlucken. Obwohl er ausgeruht war, dachte er nicht daran, die angenehm vibrierende Luftkissenniere zu verlassen. Er genoss es, diesen Luxus voll auszukosten. Es war schon eine geraume Weile her, dass er auf die Annehmlichkeiten der Netzkombination verzichtet und sich ihrer entledigt hatte.

Seit er im Universum Tarkan war, hatte er stets unter Druck gestanden und keine Gelegenheit gehabt, die Seele einfach baumeln zu lassen. Ganz gelang ihm das auch jetzt nicht, aber wenigstens stand er nicht unter Zugzwang.

Rhodan konnte es sich leisten, die Dinge auf sich zukommen zu lassen.

Wie hatte Gil-Gor noch gesagt?

»Es ist große Unruhe in der Galaxis Hangay.« Der Kartanin hatte ihn, Rhodan, als Grund dafür genannt und ihm angekündigt: »Die Projektorganisation hat dir einen Vorschlag zu machen, der in deinem und unserem Interesse liegt.«

Gil-Gor hatte auf Vinau vermutlich einen ähnlich hohen Rang wie Ren-No im Anklam-System. Er musste jedoch einen völlig anderen Aufgabenbereich haben, denn im Charif-System gab es keine solche Transfer-Station wie im Anklam-System. Das hätte LEDA herausgefunden und ihm gemeldet, wie so viele andere umfassende Daten über die Sonne Charif und ihre zwölf Planeten. Rhodan berichtigte sich, eigentlich besaß er nur Unterlagen über die inneren drei Planeten, weil die anderen uninteressant waren.

Der erste Planet hieß Nansar und umkreiste die Sonne Charif in einem mittleren Abstand von 110 Millionen Kilometern. Es war die Heimatwelt der Nakken und für Rhodan nicht nur darum von besonderem Interesse. Nansar besaß nämlich einen Mond, der ein Black Hole war, Anansar genannt. Man hätte auch ebenso gut von einem Doppelplaneten sprechen können, weil beide Himmelskörper um einen gemeinsamen Schwerpunkt rotierten.

Der zweite Planet war Vinau, die Heimatwelt der Kartanin, insgesamt erdähnlich, wenn auch mit etwas größerem Durchmesser und einer um acht Hundertstel höheren Schwerkraft – und einem etwas kühlen Klima, wie Rhodan beim Erwachen feststellen musste. Er hätte die Klimaanlage entsprechend regulieren können, aber er wollte in seinem neuen Wohnbereich kein zu großes Gefälle zu den Außentemperaturen haben.

Jalip, der dritte Planet, besaß einen Durchmesser von 16.500 Kilometern, durch seine relativ geringe Dichte jedoch nur eine Oberflächenschwerkraft von 0,87 Gravos. Aus dem regen Funkverkehr, der in einer Vielzahl von Informationskodes abgewickelt wurde, schloss LEDA, dass diese Welt ein Schmelztiegel für annähernd zwei Dutzend Völker war. Die Folgerung, dass dort Vertreter aller 22 Völker der Kansahariyya lebten, jenes »Bunds der 22«, die hinter dem Transfer Hangays ins Standarduniversum standen und auch für den Bau des KLOTZES verantwortlich waren, lag darum auf der Hand.

Dass dieses Sonnensystem zwei so grundverschiedene Intelligenzvölker wie Kartanin und Nakken hervorgebracht hatte, war ungewöhnlich. Aber der mögliche Grund konnte bei dem Black Hole Anansar zu suchen sein, auch für die Fremdartigkeit der Nakken.

Rhodan wollte darüber noch keine Spekulationen anstellen. Aber LEDAS Messergebnisse, die aussagten, dass das Black Hole in unregelmäßigen Intervallen psionische Energie emittierte, die die Oberfläche des Planeten Nansar regelrecht bombardierte, diese Tatsache konnte eine Erklärung dafür sein, dass die Nakken so wurden, wie sie waren.

Über Vinau wusste Rhodan vergleichsweise noch wenig, obwohl er auf der Heimatwelt der Kartanin zu Gast war. Oder war es richtiger, dass er hier gefangen war?

*

Es waren 1347 kartanische Trimarane gewesen, die Rhodan mit seiner LEDA aufgebracht und ins Charif-System geleitet hatten. 1347 Einheiten für eine kleine und unscheinbare DORIFER-Kapsel! Aber nur ein einzelnes Schiff hatte sie zur Planetenoberfläche hinuntergeleitet. Besser gesagt, der Trimaran hatte die LEDA in einem Hangar verschluckt und erst nach der Landung am Rand der Hauptstadt Vin-Marau wieder ausgespuckt. Auf diesem Privatlandefeld einer kartanischen Luxusvilla, die von einer haushohen Mauer aus Pflanzengrün abgeschirmt wurde. Zumindest nach drei Seiten hin. Von der vierten Seite aus hatte man eine prächtige Aussicht auf die tiefer liegende Stadt und aufs Meer.

Der Trimaran war sofort wieder gestartet, kaum dass die LEDA ausgeladen war. Nach dem Verlassen der DORIFER-Kapsel trafen Rhodan und sein Begleiter Beodu im Garten auf eine Kartanin, die sie bereits erwartete.

»Ich bin Mi-Auwa«, stellte sie sich vor. »Ich soll euch die Einrichtungen eures Domizils erklären und alle anfallenden Fragen beantworten.«

Aber den Fragen, die Rhodan stellte, wich sie zuerst hartnäckig aus. Sie war sehr zuvorkommend, gleichzeitig hatte sie etwas von einer Fremdenführerin an sich, die Touristen durch ein Museum führte.

»Diese Villa befindet sich im Besitz des Koordinationszentrums, der Regierung gewissermaßen«, leierte sie herunter. »Sie wird fallweise den Delegierten der Kansahariyya für den Aufenthalt auf Vinau zur Verfügung gestellt, die ein Visum bekommen. Auf Vinau haben nur Angehörige unseres Volkes einen ständigen Wohnsitz – dieser Planet ist schließlich die Wiege der Kartanin. Für das Völkergemisch steht Jalip zur Verfügung. Gäste wie ihr sind uns natürlich willkommen.

Das Gebäude steht auf einem der zwanzig Hügel, die die Altstadt mit dem Hafen von Vin-Marau umsäumen. Sie ist teilweise in den Fels eines Abhangs gebaut – man hat von hier aus eine wunderbare Aussicht, besonders bei Sonnenuntergang.

Ihr seid hier von der Außenwelt gut abgeschirmt. Es gibt eine Reihe von Sicherheitseinrichtungen, über die selbst ich nicht informiert bin. Ich weiß nur, dass alles Kartaninmögliche für eure Sicherheit getan wurde. Hier seid ihr jedenfalls völlig ungestört.

Wenn ihr mir jetzt ins Haus folgen wollt, zeige ich euch, welche Annehmlichkeiten es zu bieten hat.«

»Und wenn ich das Bedürfnis habe, mich unters Volk zu mischen?«, hatte Rhodan gefragt.

Mi-Auwa hatte ihn mit großen Augen angesehen.

»Bei deinem Status?«

»Welchen Status habe ich denn?«, fragte Rhodan. »Den eines Gefangenen?«

»Dir werden die höchsten Ehren zuteil, die das Protokoll kennt«, erwiderte die Kartanin geradezu empört. »Dein Stand ist mit dem eines Konzessionärs gleichzusetzen, ja, du kommst fast einem Gon-Wen gleich. Kann ich jetzt die Führung fortsetzen?«

»Erst, wenn du mir sagst, was ein Gon-Wen ist.«

»Gil-Gor hat den Rang eines Gon-Wen, er ist Mitglied der Projektorganisation, der Shuo-Gon-Wen«, hatte sie unwillig geantwortet.

»Und was ist ein Konzessionär?«

»Ein konzessionierter Koordinator, der noch über einem pragmatischen Koordinator steht.«

»Und was soll sich ein Außenstehender darunter vorstellen?«

»Profan ausgedrückt?«

»Ja, bitte.«

»Ein Mitglied der Regierung.«

»Das ist fast zu viel der Ehre.«

»Gon-Wen Gil-Gor wird deinen Status noch genau bestimmen.«

Mi-Auwa erklärte ihnen die sanitären Einrichtungen, die Funktionsweise der Raumverdunkelung, der Klimaanlage und des Videosystems und führte sie durch die insgesamt zehn Schlafräume im Obergeschoss, die auf die Bedürfnisse aller möglichen Wesen abgestimmt waren. Mi-Auwa hatte für Rhodan das Zimmer mit dem Druckluft-Nierenbett aktiviert. Beodu, der die ganze Zeit schweigend hinter ihnen herstolperte, bekam ein kleines Zimmer mit einem harten Lager im anderen Flügel der Villa zugewiesen.

»Werdet ihr euch zurechtfinden?«, fragte die Kartanin nach beendeter Führung.

»Es ist alles ziemlich narrensicher etikettiert«, erwiderte Rhodan und spielte darauf an, dass jede Sensortaste, die eine Funktion auslöste, nicht nur mit kartanischen Schriftzeichen bezeichnet war, sondern auch noch zusätzlich durch Piktogramme.

»Dann werde ich euch jetzt euch selbst überlassen«, sagte sie und wollte davoneilen.

Aber Rhodan hielt sie am Handgelenk fest.

»Geh noch nicht«, bat er. »Ich möchte mich noch ein wenig mit dir unterhalten. Ich möchte mehr über das Leben auf Vinau erfahren. Wie der Alltag der Kartanin aussieht und ...«

»Gon-Wen Gil-Gor wird dich über alles aufklären«, sagte Mi-Auwa hastig und versuchte, sich aus seinem Griff zu winden. Aber dazu reichten ihre Kräfte nicht aus. Sie war fast um einen Kopf kleiner als Rhodan und von zierlicher, fast knabenhafter Gestalt. Während sie einige Sekunden so rangen, stellte Rhodan erschüttert fest, wie in ihren großen Augen Angst aufflackerte und ihr der Haarflaum ihres Körpers unter der engen Kombination fast zu Berge stand.

Rhodan ließ sie los, und die Kartanin beruhigte sich. Statt Hals über Kopf zu fliehen, wie Rhodan es erwartete, stand sie unentschlossen und mit gesenktem Kopf da. Ihre Neugierde und der heimliche Wunsch, sich mit dem fremden Gast zu unterhalten, überwogen nun ihre Angst. Wovor fürchtete sie sich eigentlich?

»Du musst wissen, dass ich aus einem anderen Universum komme«, sagte Rhodan. »Ich stamme aus Meekorah, jenem Universum, in das die Galaxis Hangay transferiert werden soll – wohin Hangay bereits zur Hälfte transferiert wurde! Ich habe dort Kartanin kennengelernt, die Tarkan schon vor langer Zeit verlassen hatten. Bei den Meekorah-Kartanin sind die Frauen stark. Es sind Kämpferinnen, die sich vor nichts und niemandem fürchten und sich nicht einschüchtern lassen, und schon gar nicht würden sie sich an unsinnige Gebote halten, die irgendwer erlassen hat.«

Rhodan hatte die Stimme immer lauter erhoben, um Mi-Auwa zu erreichen, die plötzlich wie von allen Furien gehetzt geflohen war.

»Armes Ding«, meinte Rhodan, der sich nicht vorstellen konnte, womit man der Kartanin gedroht hatte, dass sie sich so sehr vor einem Gespräch mit ihm ängstigte. Er wandte sich von der Tür ab, die hinter Mi-Auwa wieder zugeglitten war, und sein Blick fiel auf Beodu.

»Und warum gibst du keinen Ton von dir?«, herrschte er den Attavenno an.

»Ich fürchte in dieser fremden Umgebung um meine Träume, Waqian«, antwortete Beodu kleinlaut.

Rhodan seufzte. Er schaltete das Videogerät ein und suchte einen Nachrichtensender. Aber auf allen Kanälen wurde nur leichte Unterhaltungskost gesendet, Shows, Revuen und Komödien, über die Rhodan nicht lachen konnte, weil er die Pointen nicht verstand.

Rhodan schaltete ab.

»Legen wir uns schlafen«, beschloss er. »Und warten wir, bis Gil-Gor kommt und uns sagt, wie die Aktien stehen.«

*

Ihm wurde nun doch langweilig, und er beschloss, sich anzukleiden und sich in der näheren Umgebung umzusehen. Beim Anblick des orange-blau schillernden Harlekinkostüms rümpfte er die Nase, griff nach seiner Netzkombination und zog sie an.

Die Sprechanlage meldete sich mit einem für menschliche Ohren unangenehm hohen Pfeifton.

»Ja, was ist?«, fragte Rhodan in den Raum hinein.

An der Videowand entstand eine Projektionsfläche, die Beodu zeigte. Der Attavenno trug seinen lockeren, bis zum Boden fallenden Umhang. Jedoch traute Rhodan seinen Augen nicht, als er sah, dass sein Gewand in fast allen Farben des Spektrums leuchtete.

»Ich wollte mich nur erkundigen, ob du schon wach bist«, sagte Beodu.

»Wäre ich es noch nicht, hättest du mich jedenfalls geweckt«, erwiderte Rhodan. »Was hast du mit deinen Kleidern gemacht, Beodu?«

»Ich habe sie nach vinauischer Mode eingefärbt«, antwortete Beodu. »Mit einem Spray, den Mi-Auwa nachts gebracht hat. Die Gebrauchsanweisung besagt, dass die Farbe nach einiger Zeit von selbst wieder abblättert.«

»Hast du mit der Kartanin gesprochen?«, erkundigte sich Rhodan.

»Sie hat sich wie eine Diebin eingeschlichen, und ich tat, als würde ich sie nicht bemerken«, erklärte Beodu. »Sie war übrigens auch in deinem Zimmer und hat eine Nachricht für dich gespeichert.«

»Treffen wir uns im Garten, Beodu«, sagte Rhodan, um das Gespräch zu beenden. Beodus Holo erlosch.

Die Netzkombination wies die Raumtemperatur mit 16 Grad Celsius aus. Rhodan war aber sicher, dass er die Klimaanlage mittels seiner Körpertemperatur reguliert hatte. Sie musste sich in der Nacht auf die Kartanin eingestellt haben, als diese sich ins Zimmer schlich, um dieses Narrenkostüm zu hinterlegen.

Rhodan suchte die Videowand nach dem entsprechenden Piktogramm ab und spielte dann Mi-Auwas Nachricht ab.

Es war nur eine bildlose Tonaufzeichnung. Sie war kurz.

»Ich bringe dir das Gewand, das deinem gesellschaftlichen Stand auf Vinau entspricht, Perry Rhodan. Danach werde ich Meldung machen, darüber, was du mir gesagt hast. Ich hatte keine Ahnung. Möglich, dass man mir danach jeden weiteren Kontakt mit dir verbietet. Wir werden uns vielleicht nicht wiedersehen. Schade.«

Das war alles.

Rhodan ließ das Zimmer verdunkelt und fuhr mit dem Lift ins unterste Geschoss. Das war aber um eine Etage zu tief, denn er kam nicht im Garten heraus, sondern auf einer gut hundert Quadratmeter großen Terrasse, die von Felswänden flankiert war und über einen etwa zweihundert Meter tiefen Abgrund hinausragte.

Er ging bis zu der Abgrenzung aus Pflanzentrögen vor und blickte auf die Altstadt von Vin-Marau hinunter. Rhodan war, als blicke er auf eine mittelalterliche Stadt in maurischem Stil hinunter. Aber das war nur der erste Eindruck. Die Gebäude des Stadtzentrums waren vermutlich uralt, waren ineinander verschachtelt und türmten sich zu regelrechten Gebirgen. Dazwischen ragten verschiedenartigste Antennen auf, und im Luftraum darüber herrschte reger Gleiterverkehr.