Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Die letzten Aktivatorträger der Milchstraße - sie müssen für die Zukunft entscheiden In der Milchstraße schreibt man das Jahr 1469 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ) - das entspricht dem Jahr 5056 christlicher Zeitrechnung. Seit dem dramatischen Verschwinden des Solsystems mit all seinen Bewohnern hat sich die Situation in der Milchstraße grundsätzlich verändert. Die Region um das verschwundene Sonnensystem wurde zum Sektor Null ernannt und von Raumschiffen des Galaktikums abgeriegelt. Fieberhaft versuchen die Verantwortlichen der galaktischen Völker herauszufinden, was geschehen ist. Dass derzeit auch Perry Rhodan mitsamt der BASIS auf bislang unbekannte Weise "entführt" worden ist, verkompliziert die Sachlage zusätzlich. Kein Wunder, dass in der Milchstraße an vielen Stellen große Unruhe herrscht. Mit dem Solsystem ist schließlich ein politischer und wirtschaftlicher Knotenpunkt der Menschheitsgalaxis entfallen - die langfristigen Auswirkungen werden bereits spürbar. Die Welt Maharani wird zum Schauplatz einer Konferenz, bei der die neue Führung der Liga Freier Terraner gewählt werden soll. Aber alles wird gefährdet durch DAS PLEJADEN-ATTENTAT ...
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Das Hörbuch können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Nr. 2625
Das Plejaden-Attentat
Die letzten Aktivatorträger der Milchstraße – sie müssen für die Zukunft entscheiden
Hubert Haensel
In der Milchstraße schreibt man das Jahr 1469 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ) – das entspricht dem Jahr 5056 christlicher Zeitrechnung. Seit dem dramatischen Verschwinden des Solsystems mit all seinen Bewohnern hat sich die Situation in der Milchstraße grundsätzlich verändert.
Die Region um das verschwundene Sonnensystem wurde zum Sektor Null ernannt und von Raumschiffen des Galaktikums abgeriegelt. Fieberhaft versuchen die Verantwortlichen der galaktischen Völker herauszufinden, was geschehen ist. Dass derzeit auch Perry Rhodan mitsamt der BASIS auf bislang unbekannte Weise »entführt« worden ist, verkompliziert die Sachlage zusätzlich.
Kein Wunder, dass in der Milchstraße an vielen Stellen große Unruhe herrscht. Mit dem Solsystem ist schließlich ein politischer und wirtschaftlicher Knotenpunkt der Menschheitsgalaxis entfallen – die langfristigen Auswirkungen werden bereits spürbar.
Die Hauptpersonen des Romans
Bostich I –Der Vorsitzende des Galaktikums muss auch seine Pflichten als Imperator von Arkon erfüllen.
Lagon Claudrin – Der Admiral der Heimatflotte Sol versucht Bostichs Griff nach der JULES VERNE zu vereiteln.
Ronald Tekener – Der »Smiler« recherchiert in Maske auf Maharani.
Arun Joschannan – Der Administrator des Plejadenbunds muss Maharani auf die Ankunft der Delegierten vorbereiten.
Lordadmiral Monkey
Es bleiben Zweifel, sobald der Mensch gestorben.
»Er ist!«, sagte dieser. »Er ist nicht!«, meint jener.
Das möchte ich, von dir belehrt, erkennen ...
Katha Upanishad I
(Frage an den Todesgott Yama)
Prolog
»Der Weltraum brennt!«
Tadeus Singh quittierte den Ausruf mit einem schläfrigen Nicken. Nur mehr beiläufig registrierte er, dass die Ortung etwas erfasst hatte, jedoch berührte es ihn kaum. Mit mühsam offen gehaltenen Augen starrte er auf die Holos, die ihm seit Stunden lediglich Schwärze und eine Handvoll ferner Sterne zeigten. Als einziger um ein Weniges größerer Lichtpunkt war Sol zu sehen.
Aber Sol ...
Sein Kopf sank nach vorn. Singh zuckte erschrocken zusammen, ein Adrenalinstoß weckte noch einmal seine Aufmerksamkeit. Unruhig blickte er ins Halbrund der Zentrale. Niemand schien bemerkt zu haben, dass er seinen Widerstand gegen die Erschöpfung allmählich verlor.
Aber Sol existiert schon nicht mehr, nahm er seine Überlegung wieder auf. Wer etwas anderes behauptet, belügt sich selbst.
Sein mühsames Blinzeln half ihm kaum gegen die bleierne Schwere der Lider. Die grafischen Auswertungen der letzten Analyse entwickelten ein bizarres Eigenleben, sie verzerrten sich wie der Raum rund um ein gewaltiges Schwarzes Loch.
»Seht euch das an, verdammt! Was ist das?«
Mühsam drehte Singh den Kopf. »Was ist ... was?« Er glaubte, klar und deutlich zu reden, obwohl er wusste, dass er Schwierigkeiten damit hatte. Übermüdet ... Die Stimulantia wirken schon nicht mehr.
»Sieh dir das an, Tadeus! Schließlich bist du der Spezialist für fünfdimensionale Phänomene.«
Singh riss die Augen auf, so weit es ging. Da war etwas. Ein rötliches Glühen. Irgendwo dort, wo Sol gewesen war.
»Ich ...« Er grinste breit – und ärgerte sich zugleich darüber. »Ich bin ... mir nicht sicher.« Mit beiden Händen rieb er sich über die Schläfen und zog dabei die Augenlider nach oben.
»Was ist das?«, drängte der Mann an der Ortung. »Was könnte es sein?«
Singh fixierte das rote Pulsieren.
»Sol kehrt zurück«, sagte er schwer und völlig gegen seine Überzeugung, als führte seine Zunge plötzlich ein Eigenleben. Er leckte sich über die Lippen. »Alles wird wieder ... wie es war. – He!«, rief er erschrocken, als sich urplötzlich eine Hand um seinen Oberarm schloss.
Er sah auf. Ein Medoroboter stand neben ihm.
»Verschwinde!«, ächzte Tadeus Singh.
»Du arbeitest seit siebenundzwanzig Stunden ohne Pause«, sagte der Roboter.
»Tue ich das?« Singh ließ sich in seinem Kontursessel zurücksinken. »Dann ... wird es wohl nötig sein. Un... unum...« Das Wort wollte ihm nicht mehr über die Lippen.
»Unumgänglich«, half der Roboter aus.
Singh versuchte ein Grinsen.
Dass er dabei einfach zur Seite gekippt sein musste, merkte er erst, als der Roboter ihn aufrichtete. Für einen Moment hatte er geglaubt, auf Maharani zu sein, im Institut für hyperphysikalische Phänomene. Vor seinen Studenten, die ihn mit ihren Fragen bestürmten.
Ein klassischer Drop-out, stellte er fest, als er die Hochdruckinjektion im Nacken spürte. Drei Wochen war er schon aus dem Institut fort. Um Terra zu helfen. Irgendwie jedenfalls. Doch seine Hoffnungen waren schnell verweht.
»Du wirst nun einige Stunden lang sehr tief schlafen, Tadeus«, sagte der Roboter.
1.
Es war ein Affront, kaschiert mit dem Deckmantel der Hilfsbereitschaft. »Als Vorsitzender des Galaktikums übernehme ich die Sicherung des Sektors Null ...«, hatte Bostich eröffnet.
Admiral Claudrin blieb gelassen. Natürlich nutzte der Arkonide die Gunst der Stunde. Seine Haltung, die Mimik, der Blick seiner tief in den Höhlen liegenden roten Augen im Funkholo – all das erschien dem Oberbefehlshaber der Heimatflotte Sol wie der Ausdruck mühsam verhaltenen Triumphs.
»Desweiteren übernehme ich nach Ausrufung des Ausnahmezustands ab sofort die JULES VERNE – es ist unser schnellstes und bestes Schiff zur Verteidigung der Milchstraße.«
Claudrin lächelte – das gleiche undurchsichtig zufriedene Lächeln, das Bostichs Mundwinkel umspielte.
In einer halben Tonta, wie du es eben verlangt hast, erhältst du deinen Lagebericht, keinesfalls eher, entschied Claudrin. Und erwarte erst gar nicht, dass dir Sektor Null oder die JULES VERNE wie überreife Äpfel in den Schoß fallen werden, nur weil das Solsystem verschwunden ist.
Er parierte Bostichs stechend werdenden Blick. Langsam verschränkte er die Arme vor dem Brustkorb.
Das holografische Konterfei des Arkoniden erlosch und ließ das Logo des Galaktikums zurück – ein zweifelhafter Beweis dafür, dass Bostich als Vorsitzender des Galaktischen Rates handelte und keineswegs als Imperator des Kristallimperiums. Das Logo verschwand allerdings nach wenigen Sekunden ebenfalls.
Ein Schiff wie die JULES VERNE weckte natürlich Begehrlichkeiten. Bislang war ihr Besitz für Bostich I. da Arkon ein unerfüllbarer Wunsch gewesen, doch das Verschwinden des Solsystems hatte die Karten in diesem Machtspiel neu gemischt.
Nicht einmal als Vorsitzendem des Galaktikums stehen dir alle Wege offen! Ein tiefer Atemzug begleitete Claudrins Überlegung.
Angespannte Stille herrschte in der Hauptzentrale der CORONA. Jedem der Offiziere musste bei Bostichs Eröffnung bewusst geworden sein, dass die politische Situation in der Milchstraße und im Galaktikum kurz vor dem Umbruch stand.
Der Arkonide demonstrierte den assoziierten Völkern damit eine groß angelegte Hilfsaktion zugunsten der Liga Freier Terraner. Für alle, die sich ihr gesundes Misstrauen bewahrt und nicht verlernt hatten, eins und eins richtig zusammenzuzählen, war das eher ein Fanal.
»In Ordnung«, sagte Claudrin, ohne seiner Stimme mehr als einen geschäftsmäßigen Tonfall zu verleihen. »Wir haben das generöse Hilfsangebot vernommen. Das hindert uns aber nicht daran, zur Tagesordnung zurückzukehren.«
*
Der Verfolgte wurde langsamer. Einer Gruppe gestenreich diskutierender Ferronen, die ihm entgegenkam, wich er zu spät aus. Die Blauhäutigen waren so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie den Mann überhaupt nicht beachteten, und er – diesen Eindruck hatte Tekener sofort – ließ sich bewusst von ihnen anrempeln. Jedenfalls nutzte Jagan die Gelegenheit, sich mit einer unauffälligen Drehung umzusehen.
Er ahnt, dass er beobachtet wird!
Mit einem Blinzeln ließ Tek die Projektion auf seiner Netzhaut umspringen. Der Sylphe, der ihm die Bilder übermittelte, war neuester USO-Standard. Nicht mehr weiter miniaturisiert, sondern besser vor Ortung geschützt und deshalb mit größerer Reichweite. Dass Morasan Jagan, obwohl LFT-Sekretär hier im Yogul-System, schon über dieses neueste Gimmick informiert war, musste Tekener eigentlich nicht befürchten.
Er stand gut achthundert Meter von dem Mann entfernt, in einer der Straßen, die den indischen Markt wie Spinnenfinger umschlossen. Trotzdem sah er den hageren Terraner zum Greifen nah vor sich. Gewöhnungsbedürftig war an der äußerst präzisen Bildübermittlung lediglich der Eindruck, dass die Wahrnehmung direkt in Teks Gehirn entstand.
Jagan zeigte angespannte Aufmerksamkeit. Falten hatten sich über seiner Nasenwurzel eingegraben. Für einen Sekundenbruchteil spiegelten sich sogar Facetten des bunten Treibens ringsum in seinen Augen.
Die Schaulustigen strömten wegen Lord Zwiebus heran. Der Neandertaler war in der Tat schwer zu übersehen, zumal er seine klobige Holzkeule mit beiden Armen in die Höhe reckte und schwache Thermoschüsse daraus in den Himmel schickte. Das Interesse, das eben noch Zwiebus gegolten hatte, wandte sich allerdings unvermittelt einer zweiten Gestalt zu: Takvorian zwängte seinen Zentaurenleib durch die Menge.
Tekener grinste schräg. Szenen wie diese spielten sich seit Wochen auf ganz Maharani ab, nicht nur in der Hauptstadt Goyn. Lord Zwiebus und Takvorian waren eines der Teams, die zu den großen Veranstaltungen riefen, in denen der Vergangenheit neues Leben eingehaucht wurde. Die Dritte Macht auf Terra ... Das Solare Imperium ... Die Geburt der LFT ... Maharani war frühzeitig Teil dieser Historie geworden.
Tek biss sich auf die Unterlippe. Hunderte Menschen drängten und schoben nach vorn. Jagan war zwischen ihnen untergetaucht.
Der Sylphe, nach mythischen Luftgeistern wie Oberon und Ariel benannt, arbeitete sein Suchprogramm ab. Fremde Gesichter huschten durch Tekeners Wahrnehmung, doch jedes hatte nur für den Bruchteil einer Sekunde Bestand. Der Sylphe erfasste sie, prüfte die Biometriedaten – und verwarf.
Eine flüchtige Beständigkeit unterbrach den schnellen Wechsel. Eines der Konterfeis blieb länger stabil, als es den anderen vergönnt gewesen war. Unmäßig lang erschien Tekener die Spanne, dennoch konnten es nicht mehr als drei oder vier Sekunden sein, in denen der Sylphe einen Schwall von Messpunkten einblendete. Sie verrieten die Manipulation. Biomolplast kaschierte die hohen Wangenknochen und verstärkte die Brauenwülste. Kontaktlinsen hatten die Augenfarbe verändert, aber den schmalen Randstreifen einer roten Iris deckten sie nicht ab.
Identifikation: Kar da Tokheras, Arkonide, las Tekener den auf seiner Netzhaut aufleuchtenden Schriftzug. Zuordnung: mutmaßlicher Agent der TRC. Aufgabenbereich: unbekannt. Letzter Kontakt: 1467 NGZ, Eastside.
Kar da Tokheras ...? In Momenten wie diesem beneidete Ronald Tekener Menschen, die über ein wirklich fotografisches Gedächtnis verfügten und den gesuchten Text, eine Situation oder das passende Bild sofort vor ihrem inneren Auge sahen. Er verfügte nicht über diese Gabe, war sich aber des Umstands bewusst, dass nichts zu vergessen Segen und Fluch gleichermaßen sein konnte. Es gab genug Geschehnisse, die der Smiler gern vergaß, weil sie ihm nur mentalen Ballast bedeutet hätten.
Tokheras ... Er entsann sich: ein Arkonide der dritten Garnitur, kein ernst zu nehmender Gegner. Die Dossiers vor zwei Jahren waren in der Hinsicht deutlich gewesen. Wenn da Tokheras auf Maharani weilte, bedeutete das bestenfalls, dass er der USO oder dem Terranischen Liga-Dienst als Köder angeboten wurde, um von wichtigeren Personen abzulenken. Niemand in der USO zweifelte daran, dass die Hauptwelt des Plejadenbunds dieser Tage zum Tummelplatz der Geheimdienste wurde. Die Entscheidung der Liga Freier Terraner für Maharani als Tagungsort der Sonderkonferenz hatte den Planeten in den Fokus der meisten Milchstraßenvölker gerückt.
Suche fortsetzen!, befahl Teks Lidschlag dem Sylphen. Der Luftgeist war etwa so groß wie sein vorderes Daumenglied – und unsichtbar. Kein Deflektorfeld schützte die Gestalt, die ein annähernd menschenähnliches Äußeres aufwies, sondern bestes Licht ablenkendes Material. Wer die fliegende Sonde entdeckte, nahm schlimmstenfalls ein leichtes Flirren wie von erwärmter Luft wahr.
Erneut huschten Dutzende Gesichter in schneller Folge durch Tekeners Wahrnehmung. Urplötzlich sah er Gucky. Der Mausbiber materialisierte nur wenige Meter vor Takvorian und Lord Zwiebus.
Der Sylphe splittete die Übertragung. Er sondierte weiterhin die Gesichter auf der Suche nach dem LFT-Mann Jagan, zugleich folgte er dem Vorrangprogramm, das auf Guckys Erscheinen reagierte.
Der Mausbiber entblößte seinen einzigen Zahn. Telekinetisch hob er sich vom Boden ab und landete aufrecht stehend auf dem Rücken des Zentauren. Von da streckte er Zwiebus eine Hand entgegen. Der Neandertaler griff lachend zu.
Gucky teleportierte.
Obwohl die Schaulustigen sofort vorwärts stürmten, war da schon niemand mehr, nach dem sie greifen konnten.
Gleichzeitig entdeckte der Sylphe den Gesuchten: Jagan war in der Menge eingekeilt gewesen, nun versuchte er, weiterzukommen. Für einen Moment erschien es Tekener, als blickte der Mann ihn durchdringend an. Doch wenn überhaupt, konnte Jagan nur den »Luftgeist« bemerkt haben. Ein Lächeln erschien im Gesicht des Mannes. Es war ein kaltes, bedrohliches Lächeln.
Etwas explodierte.
Grelles Licht tobte durch Tekeners Sehnerv. Gurgelnd schlug er sich die Hände vors Gesicht. Unbändige Hitze schien sein Auge zu verbrennen. Er taumelte, krümmte sich vornüber und rang nach Atem.
Jagan? Kein Zweifel, der Sekretär des planetaren Sicherheitsdienstes hatte den Sylphen zerstört, die kleine Sonde womöglich mit einem Energiefeld verglüht.
Klebrige Nässe rann aus Teks schmerzendem Auge. Seine rechte Kopfseite war wie taub, aber er schaffte es wenigstens, mit dem anderen Auge gegen die Tränenflut anzublinzeln.
Weiß Jagan, wer ich bin?
Der Mann durfte ihm nicht entkommen. Dass ihn sein Gespür nicht getrogen hatte, war für Tek ein schwacher Trost. Wie sollte er dem Verfolgten auf den Fersen bleiben?
Er machte einen Schritt ... einen zweiten ..., als stolpere er ins Nichts. Vor dem linken Auge pulsierten Schatten, rechts sah er immer noch grelle Helligkeit.
Hatte er das Augenlicht verloren? Zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Die Ärzte würden Wochen brauchen, um ihm die Sehfähigkeit auf die eine oder andere Weise zurückzugeben.
Aber während der Sonderkonferenz zum Nichtstun verurteilt zu sein ... Tekener rieb sich das linke Auge. Der Tränenfluss versiegte allmählich. Wenn er die Lider auseinanderzog, konnte er schon wieder vage die Umrisse der nächsten Gebäude ausmachen.
Ein schrilles Räuspern ließ ihn zusammenzucken. Er hatte nicht einmal bemerkt, dass jemand so nah an ihn herangekommen war.
»Du brauchst einen Medoroboter, terranischer Freund?«
»Ich habe nur etwas im Auge. Das wird wieder.«
»Sicher?«, erklang es mitfühlend.
Tekener streckte sich. Er musste den Kopf schräg halten, um die hagere, groß gewachsene Gestalt einordnen zu können. In der Nähe sah er noch ziemlich unscharf.
Neben ihm stand ein Blue. Den vieräugigen Tellerkopf ziemlich weit geneigt, blickte er den Menschen an.
»Soll ich dich führen, Terraner?«
Sein schwaches Kopfschütteln ließ den Schmerz erneut intensiver werden. Tek glaubte jetzt zu spüren, dass ihm die Projektionslinse auf dem Augapfel einen Teil der Qual verursachte.
»Danke!«, sagte er abwehrend. »Ich komme zurecht, wirklich.«
Der Blue zirpte in seiner Muttersprache. Nur wenig davon war verständlich, denn die Stimme hob sich schnell in den Ultraschallbereich.
»Ihr Menschen seid immer noch stolz und hochnäsig. Nicht einmal helfen lasst ihr ...«
*
Kopfschüttelnd taxierte Admiral Claudrin das Datenholo, das die zu einem Paket zusammengefügten Sequenzen einzeln erkennen ließ.
»Bostich ist an der JULES VERNE interessiert«, sagte der Funkoffizier. »Er wird nachfragen, wenn wir seine Neugierde nicht ...«
»Wenn Bostich ein Haar in der Suppe finden will, findet er es!«, unterbrach Claudrin sein Gegenüber. »Notfalls reißt er sich die eigenen Haare aus. Das sollte jedem klar sein.«
Er griff in das Holo, schloss die Finger um die Wiedergabe des Hantelraumschiffs. Ruckartig zog er die Projektion zu sich heran, und sie löste sich irrlichternd auf.
»Die Lücke mit unseren wissenschaftlichen Theorien zu Sektor Null und der Havarie der Forschungsschiffe füllen! Auch wenn Bostich längst detailliert informiert sein dürfte, unsere Flottenstärke im Bereich des verschwundenen Solsystems keinesfalls verschweigen.«
»Der Arkonide soll auf Distanz gehalten werden?«, erkundigte sich der Funkoffizier zögernd.
»Auf Dauer wäre das unmöglich. Ich erwarte vielmehr, dass Bostich die Bedrohung in vollem Ausmaß erkennt. Im schlimmsten Fall werden andere Sonnensysteme bald ebenfalls betroffen sein.«
Der Offizier nickte knapp.
»Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen ...« Admiral Claudrin wandte sich mit seiner Feststellung an alle in der Zentrale der CORONA. »Die JULES VERNE befindet sich tatsächlich nicht mehr im Bereich von Sektor Null, auch nicht zwischen den Ausläufern des Hyperorkans.«
Die Information, dass Bostich sich einen persönlichen Eindruck im »Katastrophengebiet« verschaffen wollte, hatte ihn rechtzeitig erreicht. Schon aus dem Grund war die Forderung des Ratsvorsitzenden für Claudrin keine Überraschung gewesen. Wer auch nur halbwegs über den Verlauf der Vollversammlung des Galaktikums auf Aurora informiert war, hatte mit dieser Entwicklung rechnen müssen.
Als Expeditionsleiter für die JULES VERNE war Ronald Tekener von der USO angefordert worden. Tekener war Aktivatorträger – einer der wenigen, die zurzeit nicht verfügbar waren. Als zweiter Mann in der Hierarchie der United Stars Organisation weilte er derzeit auf der Hauptwelt des Plejadenbunds. Über Hyperfunk hatten der General und der Smiler festgelegt, dass die JULES VERNE keinesfalls zum Objekt begehrlicher Konfrontationen werden dürfe. Das Hantelraumschiff hatte daraufhin Rückzugsorder erhalten.
Lagon Claudrin ließ sich in seinen Sessel sinken, die Positronik hüllte ihn in den Infostream, eine Mischung aus real-optischer Wahrnehmung und aufbereitetem Ortungsbild. Die Zentrale des zweieinhalb Kilometer durchmessenden Ultraschlachtschiffs der JUPITER-Klasse wurde damit weitgehend seiner Wahrnehmung entzogen.
Sektor Null – leicht verständlich, alles aussagend. Null stand für das verwaiste Machtzentrum der Liga ebenso wie für den Zustand des Weltraums in der mit einem Lichtjahr Durchmesser großzügig bemessenen Zone. Mehreren wissenschaftlichen Vorschlägen zufolge, rekapitulierte Claudrin, existierte der Weltraum in diesem Bereich nicht mehr in der vertrauten Form. Sol und ihre Planeten hatten ein Loch im Raum-Zeit-Gefüge hinterlassen, das sich erst wieder schließen musste.
Vielleicht würde das nie geschehen.
Wenn dem so war, was blieb zurück? Das absolute Nichts? Ein undefinierbarer Bereich, in dem weder Raum noch Zeit existierten? Der Eigenschaften aufwies, wie sie vor der Geburt des Universums bestanden haben mochten?
Claudrin schürzte die Lippen. Derart Irreales behagte ihm nicht. Weitaus akzeptabler erschien es ihm, dass im Sektor Null ein Übergang entstanden sein mochte. Ein Weg nach irgendwo. In ein anderes Universum?
Womöglich in einen Bereich, auf den weder Kosmokraten noch Chaotarchen Zugriff hatten, so wie in einem PULS.
War das Verschwinden des Solsystems also keiner fremden Macht zuzuschreiben, sondern einem fehlgeschlagenen terranischen Experiment? Einem Unfall ...?