Perry Rhodan 2793: Die Weltenbaumeister - Oliver Fröhlich - E-Book

Perry Rhodan 2793: Die Weltenbaumeister E-Book

Oliver Fröhlich

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Beschreibung

Sie erschaffen Welten - und dienen der Zerstörung Seit die Menschheit ins All aufgebrochen ist, hat sie eine wechselvolle Geschichte hinter sich: Längst sind die Terraner in ferne Sterneninseln vorgestoßen, wo sie auf raumfahrende Zivilisationen und auf die Spur kosmischer Mächte getroffen sind, die das Geschehen im Universum beeinflussen. Mittlerweile schreiben wir das Jahr 1517 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ). Die Milchstraße steht weitgehend unter dem Einfluss des Atopischen Tribunals. Dessen Richter behaupten, nur sie könnten den Weltenbrand aufhalten, der sonst unweigerlich die Galaxis zerstören würde. Auf diese Weise zementiert das Tribunal in der Milchstraße seinen Machtanspruch, während der Widerstand dagegen massiv aufrüstet. Perry Rhodan und die Besatzung des Fernraumschiffes RAS TSCHUBAI haben in der fernen Galaxis Larhatoon in Erfahrung gebracht, dass das eigentliche Reich der Richter die Jenzeitigen Lande sind. Mit Atlan steht dem Terraner der einzig geeignete Pilot für den Flug dorthin zur Verfügung, doch nur ein Richterschiff vermag diesen Flug auch durchzustehen. Zurück in der Milchstraße, entwickeln Perry Rhodan, Atlan und der ehemalige Arkon-Imperator Bostich einen Plan zur Eroberung der CHUVANC, des Raumers von Richter Chuv, der sich im Arkonsystem aufhält. Zunächst muss Rhodan aber ins Solsystem. Dort befinden sich DIE WELTENBAUMEISTER ...

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Veröffentlichungsjahr: 2015

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Nr. 2793

Die Weltenbaumeister

Sie erschaffen Welten – und dienen der Zerstörung

Oliver Fröhlich

Seit die Menschheit ins All aufgebrochen ist, hat sie eine wechselvolle Geschichte hinter sich: Längst sind die Terraner in ferne Sterneninseln vorgestoßen, wo sie auf raumfahrende Zivilisationen und auf die Spur kosmischer Mächte getroffen sind, die das Geschehen im Universum beeinflussen.

Mittlerweile schreiben wir das Jahr 1517 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ). Die Milchstraße steht weitgehend unter dem Einfluss des Atopischen Tribunals. Dessen Richter behaupten, nur sie könnten den Weltenbrand aufhalten, der sonst unweigerlich die Galaxis zerstören würde. Auf diese Weise zementiert das Tribunal in der Milchstraße seinen Machtanspruch, während der Widerstand dagegen massiv aufrüstet.

Perry Rhodan und die Besatzung des Fernraumschiffes RAS TSCHUBAI haben in der fernen Galaxis Larhatoon in Erfahrung gebracht, dass das eigentliche Reich der Richter die Jenzeitigen Lande sind. Mit Atlan steht dem Terraner der einzig geeignete Pilot für den Flug dorthin zur Verfügung, doch nur ein Richterschiff vermag diesen Flug auch durchzustehen.

Zurück in der Milchstraße, entwickeln Perry Rhodan, Atlan und der ehemalige Arkon-Imperator Bostich einen Plan zur Eroberung der CHUVANC, des Raumers von Richter Chuv, der sich im Arkonsystem aufhält. Zunächst muss Rhodan aber ins Solsystem. Dort befinden sich DIE WELTENBAUMEISTER ...

Die Hauptpersonen des Romans

Gucky – Der Ilt teleportiert fernöstlich.

Perry Rhodan – Der Unsterbliche kehrt in seine Heimat zurück.

Orion Desch – Ein TLD-Spezialist sucht nach Gegnern Terras.

Liya Debbouze – Eine Frau begeistert sich für die Weltenbaukunst.

Fernand Beaujean

1.

Figuren- und Schauplatzeinführung

8. August 1517 NGZ

Das Erschaffen einer Holosion erfordert mehr, als eine lebensechte Umgebung zu programmieren. Städte, Steppen, Wälder, ja sogar die trostloseste Oberfläche eines Mondes wirken wie Kulisse, wenn wir nicht allerhöchsten Wert auf zwei weitere Aspekte legen: Figuren und Gefühle.

Eine Figur können wir einführen, indem wir den Zuschauer – ich nenne ihn lieber den Einbezogenen – direkt mit ihr konfrontieren. Subtiler und deshalb in vielen Fällen wirkungsvoller ist aber, sie mit einer scheinbar unwesentlichen Handlung ins Spiel zu bringen.

Die Frau, die verloren an der Straßenecke steht und nach dem Weg fragt. Der Mann, der bei einer Wüstenexpedition die Sensoren der Fahrzeuge reinigt. Der Haluter, der im Hintergrund dröhnend lacht. Sie alle könnten unbedeutende Staffage sein, könnten sich aber genauso gut zu wichtigen Handlungsträgern entwickeln. Der Einbezogene weiß es im Voraus nicht, und das macht das Spiel mit den Figuren so reizvoll.

Mit Schauplatz und Personal erschaffen wir also ein glaubhaftes, ein erlebbares Holo. Doch erst, wenn wir die Gefühle des Einbezogenen ansprechen, verschmilzt das Holo mit der Illusion zu dem, was wir zu kreieren beabsichtigen: zur Holosion. Stellt euch bei jeder neuen Welt, bei jedem Szenario, bei all den kleinen Details, die ihr komponiert, deshalb immer folgende Frage: Wie fühlt es sich an?

(Aus Wesz Hedroleits Vortrag an der Pariser Akademie der Weltenbildenden Künste, 1468 NGZ)

Der Laserstrahl traf die kleine Bäckerei hundert Meter vor Liya Debbouze. Die Schaufensterscheibe barst, die rot-weiß gestreifte Markise ging in Flammen auf.

Liya zuckte zusammen und schrie erschrocken auf, als Glassplitter und Gesteinsbrocken nur Zentimeter an ihrem Gesicht vorbeizischten und eine Spur der Wärme auf der Kopfhaut hinterließen. Es stank nach schmelzendem Kunststoff und verkohltem Brot.

Schreie erklangen. Panisch, voll Todesangst. Nur gelegentlich mischte sich ein Kinderlachen darunter.

»Nach links!«, brüllte ein Mann hinter ihr. »Schnell! Sie haben uns gleich eingeholt!«

»Nein!«, kam es von einem anderen. »Das ist eine Sackgasse. Wir müssen nach rechts!«

»Der ist echt groß, Mama«, sagte ein Mädchen in staunendem Tonfall, der so gar nicht zu dem Entsetzen rundum passen wollte.

Liya blieb kurz stehen und drehte sich zu den restlichen Flüchtlingen um. Vierzehn Terraner. Sieben Männer, fünf Frauen, zwei Kinder. Die Erwachsenen schauten gehetzt, das Mädchen und der Junge hingegen – beide um die acht Jahre alt – strahlten übers ganze Gesicht.

Die Straße hinter der Gruppe bot ein Bild der Verwüstung. Qualmende Wracks von Gleitern, zerstörte Fassaden, Flammen, die aus Fenstern schlugen, eingestürzte Häuser, abgeknickte oder brennende Bäume. Ein Schwebetaxi, das in zehn Metern Höhe aus der Glasfront eines Bürogebäudes ragte, neigte sich herab und stürzte in die Tiefe. Funken sprühten, als es an der Außenwand entlangschlitterte. Beim Aufprall verging es in einem gewaltigen Feuerball, der den Fliehenden eine heiße Welle entgegenschlug. Wo vor Kurzem ein Park zum Spazierengehen eingeladen hatte, klaffte ein riesiger Krater.

Und am Ende der Straße einer der Zerstörer: ein Roboter, doppelt so hoch und dreimal so breit wie ein Haluter, mit metallenen Säulenbeinen und vier waffenbewehrten Armen. Die Kampfmaschinen der Invasoren waren nicht flugfähig, das machte sie aber nicht weniger gefährlich. Was sich ihnen in den Weg stellte, walzten sie rücksichtslos nieder.

Ein zweiter Roboter stapfte hinter einem Hotel hervor. Bei jedem Schritt bebte der Boden. Die Erschütterungen pflanzten sich bis in Liya Debbouzes Körper fort.

»Nach links!«, brüllte einer der Flüchtlinge erneut, ein durchtrainierter Mittvierziger in einem makellosen dunkelroten Designeranzug.

Synchron hoben die Kampfmaschinen die Arme, zielten auf die Terraner. Energiestrahlen zuckten hervor, leuchteten grellrot in der staubigen Luft, brachten den Straßenbelag zum Platzen. Beißender Gestank stieg auf, und ein Geschmack nach Asche erfüllte Liyas Mund.

Sie warf sich herum und rannte weiter, in den breiten Boulevard zu ihrer Linken, wie der Mann im Anzug vorgeschlagen hatte. Die anderen folgten.

Der Weg schien frei zu sein. Steinbrocken, umgestürzte Bäume, Gleiterwracks, aber nichts, was die Fluchtroute unpassierbar machte. Glaubte sie zumindest – bis sie erkannte, was sich hinter der Rauchwand in zweihundert Metern Entfernung erhob: eine unüberwindliche lodernde Mauer aus Schutt, Glas, Metall und den Wracks mehrerer explodierter Gleiter.

»Wären wir doch nur nach rechts gegangen«, jammerte jemand.

»Zu spät!«, sagte ein anderer.

Liya näherte sich dem Hindernis, so weit sie konnte. Hitze schlug ihr entgegen und ließ sie innehalten. Sie waren in eine Sackgasse gelaufen.

In einem Wohnhaus auf der linken Seite öffnete sich die Eingangstür. Ein Mann, dessen schwarzes Haar einen Grauschimmer aus Staub aufwies, winkte ihnen zu. »Hier entlang! Der Hinterausgang führt zu einem ...«

Von einem Energiestrahl getroffen barst ein Baum neben dem Gebäude. Der Mann duckte sich. Plötzlich roch es nach verkohltem Holz. Der nächste Schuss zerstörte das Antigravmodul einer quer über der Straße schwebenden Holotafel, die das eingefrorene Gesicht einer Nachrichtensprecherin und die Bildunterschrift »Angriff auf New York« zeigte. Die Tafel krachte unter infernalischem Getöse herab und bohrte sich in den Untergrund vor dem Hauseingang. Der Schwarzhaarige verschwand dahinter.

Funken flogen. Es zischte und knisterte.

»Jetzt sitzen wir in der Falle«, sagte der Mann im Designeranzug.

Liya drehte sich um.

Die Roboter standen am Ende der Straße, regungslos, als wollten sie sich daran weiden, ihre Beute in eine ausweglose Situation getrieben zu haben.

Sekunden vergingen. Niemand sprach. Alle starrten die Kolosse an, die New York heimgesucht hatten.

In beinahe zeitlupenhafter Langsamkeit hoben die Kampfmaschinen die Waffenarme, richteten sie auf die Flüchtlinge aus, und ...

... plötzlich schoss ein leuchtender Strahl geballter Energie aus dem wolkenverhangenen Himmel und traf das Bein eines Roboters. Der Koloss taumelte, schwankte, fiel aber nicht. Er und der zweite Zerstörer rissen die Waffen hoch und feuerten Salve um Salve auf den neuen Gegner.

Liya legte den Kopf in den Nacken.

Eine gigantische Kugel von zweieinhalb Kilometern Durchmesser stieß durch die Wolken. Die wahre Größe konnte sie vom Boden aus unmöglich abschätzen, wusste sie aber, weil sie das Schiff kannte. Die verdrängte Luft zerrte an ihrer Kleidung, Staub prasselte ihr auf die Gesichtshaut, ein Wrack rutschte von der Schuttwand.

»Das ist die MARCO POLO!«, rief das Mädchen aus der Flüchtlingsgruppe. Ihre zu Dutzenden Schnecken gedrehten kohlschwarzen Haare reflektierten die grellweißen Strahlerschüsse des Raumschiffes. »Die habe ich vorhin im Museum gesehen.«

»Ich will ein Eis«, verkündete der Junge, ein sommersprossiger Bursche mit Stupsnase.

»Später!«, sagte eine Frau, vermutlich die Mutter des Kleinen.

Das ehemalige Flaggschiff der Flotte des Solaren Imperiums machte mit den Kampfmaschinen kurzen Prozess. Ohne dass die Laserstrahlen der Roboter ihm etwas anhaben konnten, deckte es die Kolosse mit energetischem Feuer ein.

Weiße Strahlen, gelbe, rote und bläuliche zuckten auf die Diener der Invasoren, hüllten sie ein, tauchten sie in ein Meer aus Farben. Das Feuerwerk ließ die Erwachsenen staunen und die Kinder entzückt aufjauchzen.

Die Roboter erstarrten. Grelle Funken huschten über ihre Oberfläche, drangen in Sensoren ein und verschmorten das empfindliche technische Innenleben der Giganten. Unvermittelt zerplatzte einer nach dem anderen. Glühende Metallsplitter zischten über die Köpfe der Flüchtlinge hinweg. Ein Waffenarm schlug nur wenige Meter vor ihnen in den Boden. Erneut spürte Liya die Erschütterung.

»Wow!«, entfuhr es dem Jungen.

Es kehrte Ruhe ein. Niemand wusste etwas zu sagen. Zu gewaltig, zu beeindruckend war die Zerstörung der Kampfmaschinen gewesen.

»Die Invasion wurde zurückgeschlagen«, erklang plötzlich eine mit einer gehörigen Portion Pathos versehene Stimme aus dem Himmel, vermutlich die des Kommandanten Elas Korom-Khan. »So, wie wir bisher jede Invasion zurückgeschlagen haben und es mit jeder zukünftigen tun werden. – Vielen Dank, dass ihr die Holosion ›Angriff auf New York‹ besucht habt. Bitte vergesst nicht, die synaptischen Stimulatoren am Ausgang abzugeben.«

Die MARCO POLO stieg auf, und die Wolken schlossen sich hinter ihr. Ein kurzes Flimmern durchlief Häuser, Schutt und Roboterteile. Sie wurden erst durchsichtig und verschwanden schließlich ganz.

Das zerstörte New York machte einem kuppelförmigen Raum Platz, der nicht annähernd so groß war wie die darin dargestellte Szenerie. Tausende von Holo- und Prallfeldprojektoren sprenkelten die cremefarbene Innenhülle.

Sekundenlang stand die Besuchergruppe regungslos da, als wollte sie die letzten Augenblicke des abklingenden Nervenkitzels auskosten. Schließlich brandete begeisterter Applaus auf.

Kaum dass er verklungen war, fragte der Junge: »Bekomme ich jetzt mein Eis?«

*

Liya Debbouze löste die Kontakte des synaptischen Stimulators hinter den Ohren und im Nacken, nahm das Halsband ab, an dem sie befestigt waren, und gab es einem Terraner am Eingang des Holosionsraums. Drei Dinge dominierten dessen Gesicht: die buschigen schwarzen, zu einer einzigen Linie zusammengewachsenen Augenbrauen, die große, spitze Nase und das geschäftsmäßige Lächeln.

»Ich hoffe, die Vorstellung hat dir gefallen«, sagte er.

»Sie war sehr ... beeindruckend«, gab Liya zurück. »An manchen Stellen vielleicht etwas zu ... Wie soll ich es ausdrücken? Bunt? Knallig? Aber trotzdem: sehr lebensecht.«

Der Mann zuckte mit den Achseln. »Eine Show mit Zugang für Kinder. Was will man machen?« Er wandte sich von ihr ab und streckte die Hand der Mutter des sommersprossigen Jungen entgegen, um den synaptischen Stimulator von ihr in Empfang zu nehmen. »Ich hoffe, die Vorstellung hat dir gefallen.«

Liya wartete die Antwort der Frau nicht ab, sondern trat zwei Schritte in die Ausstellungshalle und blieb neben dem Ankündigungsholo stehen.

Erlebe Historie hautnah mit!, schrie es in großen Lettern in die Welt.

Darunter, etwas kleiner: Besuche das Holografische Museum der Solaren Residenz. Wir entführen dich in verbürgte und fiktive Momente der terranischen Geschichte. Tägliche Vorstellungen, nachmittags auch für Kinder geeignet.

Sie ließ den Blick durch die Halle wandern, achtete kaum auf all die Exponate, wie die langsam rotierenden Holomodelle berühmter Raumschiffe oder die Porträts bedeutender Personen, die den Besucher, sobald er nähertrat, in ein Gespräch verwickelten.

»Mein Name ist Lemy Danger. Was willst du über mich wissen?«

Ein älterer Herr stand im Zentrum einer Kreismarkierung auf dem Boden und tappte mit dem Fuß den Rhythmus eines historischen Musikstücks, das wegen der gerichteten Akustikfelder nur er hören konnte. Links davon saß eine Frau mit seligem Lächeln im zu stark geschminkten Gesicht auf einer Virtuelle-Führung-Matte und genoss den nur für sie erlebbaren Gang durch eines der berühmten Raumschiffe der Menschheitsgeschichte.

Da sah Liya ihn – den Mann aus der Holosion, der die Flüchtlingsgruppe in das Haus gewinkt hatte und gleich danach hinter der herabstürzenden Nachrichtentafel verschwunden war. Diesmal lag kein staubiger Grauschleier auf seinem schwarzen Haar.

Er stand neben einem Modell der MARCO POLO, halb verdeckt vom Holokörper des Kommandanten Elas Korom-Khan, und beobachtete die Besuchergruppe, die den Vorstellungssaal verließ. Sein Lächeln präsentierte zwei prominente Eckzähne, die ihm etwas Verwegenes gaben. Dennoch wirkte er unsicher und angespannt.

Erst als das Publikum wegen des Angriffs auf New York aufgeregt durcheinanderredete und sich darüber austauschte, welche der vielen grandiosen Szenen dem Einzelnen jeweils am besten gefallen hatten, erreichte das Lächeln des Mannes auch seine schwarzen Augen.

Liya Debbouze ging auf ihn zu. Er schaute sie kurz an, widmete die Aufmerksamkeit erneut der Besuchergruppe und sah doch wieder zu ihr.

»Du hast in der Holosion mitgespielt«, sagte sie.

Sein Lächeln weitete sich zu einem Strahlen. »Ich weiß.« Verlegen sah er zu Boden, suchte schließlich aber doch ihren Blick. »Entschuldige, das war eine blöde Antwort. Ich bin nur ... ich bin es nicht gewöhnt, dass mich nach der Vorstellung jemand anspricht. Hat es dir gefallen?«

»Ich fand es großartig ...«

»Tatsächlich? Das ... das freut mich sehr.«

»... wenn man von zwei bis drei Dingen absieht.«

Das Lächeln des Mannes wurde unsicher. »Oh? Das ist schade. Welche Dinge wären das?«

»In erster Linie die Kinder. Versteh mich nicht falsch. Ich mag Kinder. Aber sie haben die Glaubwürdigkeit ein wenig beeinträchtigt.« Sie schmunzelte. »Wenn ein Junge auf der Flucht vor Robotern vor Begeisterung lacht und anschließend ein Eis von seiner Mutter verlangt, zerstört das die Illusion. Außerdem erschienen mir der Angriff der MARCO POLO mit all den bunten Energiestrahlen und die publikumswirksame Zerstörung der Kampfmaschinen zu sehr auf Effekt bedacht.«

Er zuckte mit den Achseln und wiederholte, was der Mann am Ausgang des Holosionsraums gesagt hatte: »Eine Show mit Zugang für Kinder. Was will man machen? Natürlich müssen wir ihnen etwas bieten, ohne sie zu verängstigen oder mit den wahren Schrecken eines Angriffs zu konfrontieren.

In Vorstellungen nur für Erwachsene laufen aber auch mal ein paar Holo-Charaktere mit, die von den Strahlen der Roboter pulverisiert werden. Du würdest kaum mehr einen Unterschied zur Realität feststellen. In sechs Tagen hat ein Epos Premiere, das wir ›Odyssee der CREST IV‹ genannt haben. Garantiert ungeeignet für Kinder.«

Er löste den Blick von ihr, sah zu Boden, räusperte sich. »Du könntest ja ... ich meine, vielleicht möchtest du es dir ansehen?«

»Schrecklich gerne.«

Bei Liyas Antwort sah der Mann wieder auf. Seine Wangen zeigten einen leichten Rotschimmer.

»Du sagst immer wir. Bist du nicht nur einer der Schauspieler?«

Der Mann lachte. »Keineswegs. Ein paar Leute und ich programmieren diese Shows. Die offizielle Bezeichnung lautet Holosionisten, aber wir nennen uns lieber Weltenbaumeister. Das passt besser zu unserer kindlichen Freude an der Erschaffung von Szenarien. Natürlich treten wir auch selbst darin auf.«

»Das ist alles unglaublich faszinierend. Ich heiße übrigens Liya. Liya Debbouze.«

»Fernand Beaujean«, stellte sich der Mann vor.

Ich weiß, hätte Liya seine Antwort von vorhin zurückgeben können, aber das hätte ihn sicherlich verstört und ihr Treffen weit weniger zufällig erscheinen lassen.

»Wie wäre es, wenn ... also, ich meine, ich würde gerne ... Darf ich dich zum Essen ins Marco Polo einladen?« Er grinste, offenbar um die Unsicherheit zu überspielen. »Das Restaurant, nicht das Raumschiff. Dann könnte ich dich mit allerlei technischen Einzelheiten langweilen.«

»Es wäre mir ein Vergnügen. Aber ich glaube nicht, dass du mich langweilen wirst.« Liya lächelte ihn an und war froh, dass er ihr mit der Einladung zuvorgekommen war.

*

Fernand Beaujean konnte es noch immer nicht glauben, dass er mit einer so bildhübschen Frau am Tisch saß, dass sie über die Kunst des Weltenbaus schwatzten, dass sie lachten, flirteten und Spaß hatten.

Gewiss, man sagte ihm ein attraktives Äußeres nach, obgleich er glaubte, völlig durchschnittlich auszusehen. Allerdings hatte ausgeprägte Schüchternheit bislang dafür gesorgt, dass sich seine Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht sehr überschaubar gestalteten.

Liya war ihm gleich aufgefallen, als sie den Holosionsraum verlassen hatte. Die weißblonden, im Nacken zu einem Knoten gebundenen Haare, die perfekt geschwungenen Lippen, die gerade, zierliche Nase, die makellose helle Haut, der grazile Hals und vor allem der verträumte, beinahe melancholische Blick.

Als Weltenbaumeister hatte er Übung, in Sekundenbruchteilen eine Vielzahl von Eindrücken aufzunehmen. Mehr Zeit war ihm nicht geblieben, denn er hatte hastig wieder weggesehen – aus Angst, sie könnte sich angestarrt fühlen. Als er der Versuchung, sie ein zweites Mal anzuschauen, nicht widerstehen konnte, hatte sie ihn angelächelt.

Plötzlich waren die Besucher der Vorstellung uninteressant geworden. Was scherte es ihn, wenn das Szenario Einzelnen nicht gefallen hatte, solange er anderen damit ein so strahlendes Lächeln entlockte?

Natürlich war ihm bewusst, dass er nicht mit ihr – umgeben von einschmeichelnden Klavierklängen – im Marco Polo säße, wenn sie ihn nicht angesprochen hätte. Er könnte mit ihr nicht den Ausblick über die Stadt genießen. Er sähe ihr nicht zu, wie sie ihr Pilzragout Terrania löffelte oder gelegentlich vom Wein nippte, und erst recht verlöre er sich nicht im Universum ihrer grauen Augen.

»Fernand?«, fragte sie.

»Hm?« Seine Mutter hatte früher oft behauptet, gegen Liebe auf den ersten Blick hülfe meistens der zweite. Aber wer sagte, dass Eltern immer recht haben mussten?

»Hast du mir zugehört?«

»Natürlich! Ich ... du wolltest wissen, wie ... ob ...«

Liya lachte auf. »Wie ihr es schafft, so große Szenarien in einem vergleichsweise kleinen Raum unterzubringen.«

»Ach ja, richtig. Das ist gar nicht so schwer. Die Illusion von Weite und Höhe bekommen wir mit Holos und einer ausgeklügelten Perspektive hin. Außerdem sorgen wir dafür, dass die Gruppe möglichst nahe zusammenbleibt und die Einbezogenen nicht in jede beliebige Richtung laufen können, indem wir ihnen Hindernisse in den Weg stellen. Den Rest erledigt ein beweglicher Fußboden, auf dem sie kilometerweit gehen könnten, ohne an eine Grenze zu stoßen.«

»Die Einbezogenen?«

»Der Fachbegriff für die Zuschauer einer Holosion. Geprägt hat ihn Wesz Hedroleit. Er war der führende Holosionist von Terra, Verfechter der fühlbaren Illusion und Entwickler des synaptischen Stimulators.«

»Ich dachte, die Gerüche oder der Aschegeschmack stammen von Duftstoffen.«

»Nicht nur. Die Stimulatoren verstärken die Empfindungen. In erster Linie sorgen sie aber für Gefühle, die man mit anderen Hilfsmitteln ungleich schwerer erreicht: den Luftzug, wenn ein rein holografisches Objekt an einem vorbeifliegt, die Wärme oder Kälte, die es ausstrahlt. Sie bescheren den Einbezogenen ein Miterleben, so echt, wie es nur sein kann.«

Mit der Gabel hob er ein Salatblatt vom Teller. »Übertroffen nur von Messingträumen. Aber die funktionieren sowieso auf einer ganz anderen Basis und sind nicht für normale Besucher erlebbar. In eingeschränktem Rahmen induzieren unsere Stimulatoren sogar Freude, Hunger, Unruhe.« Er kaute auf dem Blatt herum und fügte schließlich leise hinzu: »Oder Zuneigung.«

Liya winkte einem Robotkellner zu. Obwohl sie ihr Glas nicht ausgetrunken hatte, bestellte sie ein zweites. »Aufrichtiger fühlen sich diese Empfindungen aber gewiss an, wenn kein technisches Gerät sie hervorruft.«

Hitze stieg in Fernand Beaujean auf, und er spürte, wie er errötete. Bevor ihm eine kluge Erwiderung einfiel, fuhr Liya fort: »Warum sind die Stimulatoren den Messinghauben unterlegen?«

»Weil wir den Einbezogenen nicht in eine Scheinwelt ziehen wollen, die nur in seinem Kopf existiert. Es wäre sicherlich machbar, die Stimulatoren aus der Wahrnehmung der jeweils anderen Besucher auszublenden, das entspricht aber nicht dem Selbstverständnis der Holosionisten. Wir unterscheiden uns damit grundsätzlich von Terras Geißel.«

Als er ihren verwirrten Blick bemerkte, sprach er es aus, obwohl er den Begriff hasste: »Simusense. Wir ziehen es normalerweise vor, diesen Begriff nicht zu verwenden und gebrauchen stattdessen ... Chiffren, wie eben Terras Geißel. Mit ... Simusense hatte Monos es beinahe geschafft, die Menschheit auszulöschen, und wir möchten nicht einmal begrifflich damit in Verbindung gebracht werden. – Wo war ich stehen geblieben? Ach ja: Wir möchten unseren Gästen etwas zeigen, das nicht da ist, und nicht etwas Vorhandenes verbergen. Deshalb halten wir die Stimulatoren so klein und unauffällig wie möglich. Außerdem ...« Beaujean stockte. Sollte er mit ihr wirklich ausgerechnet darüber reden?

»Außerdem?«, fragte sie.

»Es gibt eine ethische Grenze. Wesz Hedroleit – du weißt schon: das Vorbild jedes Holosionisten – hat viel mit den Stimulatoren experimentiert. Er wollte die induzierten Gefühle so verstärken, dass der Einbezogene sie während der Vorstellung nicht mehr von echten unterscheiden kann. Sein letzter Selbstversuch beschäftigte sich mit Angst.«

Liya klebte förmlich an Fernands Lippen. Er hatte noch nie eine Frau getroffen, die sich derart für seine Leidenschaft interessierte. »Ist es ihm gelungen?«

»Wie man es nimmt. Er ist dabei gestorben.«

Ihr Lächeln wich einem Ausdruck entsetzter Überraschung. »Du veralberst mich.«

»Leider nicht. Es heißt, er sei in Panik verfallen und habe versucht, dem eigenen Szenario zu entkommen. Er stürzte, fiel unglücklich gegen eine Wand und brach sich das Genick. Andere Quellen berichten, er sei in die holografische Darstellung einer Feuersbrunst geraten, die sich für ihn so echt anfühlte, dass er dem Schock der eingebildeten Verbrennungen erlag.«

»Das ist ja schrecklich! Aber bedeutet das nicht, dass Holosionen für die Einbezogenen gefährlich werden können?«

»Keine Sorge, du darfst die Premiere der ›Odyssee der CREST IV‹ guten Gewissens besuchen. Die Stimulatoren messen unentwegt die Hirntätigkeit und schalten sich bei alarmierenden Werten ab. Außerdem induzieren sie nicht einmal den Bruchteil der Gefühle, denen sich Wesz Hedroleit aussetzte.

Und dann gibt es noch etliche Roboter in verborgenen Nischen des Holosionsraums, die eingreifen, wenn etwas schiefzulaufen droht. Aber das ist bisher nie geschehen. Es wäre natürlich möglich, den Einbezogenen eine lebensechtere Erfahrung zu bescheren, als wir es tun, aber kein Holosionist wird jemals die Hedroleit-Schwelle übertreten, also die ethische Grenze, von der ich gesprochen habe.«

Fernand Beaujean bemerkte eine Bewegung neben einer durchsichtigen Dekorationssäule, in der kleine Flammen in die Höhe tänzelten. Ivar Colorti, erst seit etwas über einem Jahr Mitglied der Weltenbaumeister, sah ihn eindringlich an und winkte ihm zu.

Nicht ausgerechnet jetzt!, dachte Beaujean.