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Wir schreiben das Jahr 1551 NGZ, gut dreitausend Jahre vom 21. Jahrhundert alter Zeitrechnung entfernt. Nach großen Umwälzungen in der Milchstraße haben sich die Verhältnisse zwischen den unterschiedlichen Sternenreichen beruhigt; im Großen und Ganzen herrscht Frieden. Vor allem die von Menschen bewohnten Planeten und Monde streben eine positive Zukunft an. Tausende von Welten haben sich zur Liga Freier Galaktiker zusammengeschlossen, in der auch Wesen mitwirken, die man in früheren Jahren als "nichtmenschlich" bezeichnet hätte. Trotz aller Spannungen, die nach wie vor bestehen: Perry Rhodans Vision, die Galaxis in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln, scheint sich langsam zu verwirklichen. Man knüpft sogar vermehrt Kontakte zu anderen Galaxien. In dieser Situation kommt es zu einem Kontakt, mit dem niemand gerechnet hat. Die neuen Besucher scheinen in einer engen Verbindung zur Erde zu stehen – und es geht um DAS KOSMISCHE ERBE ...
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Seitenzahl: 168
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Nr. 2900
Das kosmische Erbe
Ein kosmisches Leuchtfeuer erstrahlt – und ein Sonnensystem stirbt
Verena Themsen
Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Prolog: Ein neues Band
1. Ausflug zum Merkur
Zwischenspiel: Vorabend
2. Empfang mit Störungen
Zwischenspiel: Letzte Nacht
3. Fingerzeige
Zwischenspiel: Ein kosmisches Auge
4. Tagebuch eines Weltuntergangs
Epilog: Zu den Sternen!
Sonderbeilage – Brennpunkt Merkur
Die Stadt im Krater
Merkurs Herz – Asalluc City
Forschungszentrum Merkur-Alpha
Die HaLem-Armee
Leserkontaktseite
Glossar
Impressum
Wir schreiben das Jahr 1551 NGZ, gut dreitausend Jahre vom 21. Jahrhundert alter Zeitrechnung entfernt. Nach großen Umwälzungen in der Milchstraße haben sich die Verhältnisse zwischen den unterschiedlichen Sternenreichen beruhigt; im Großen und Ganzen herrscht Frieden.
Vor allem die von Menschen bewohnten Planeten und Monde streben eine positive Zukunft an. Tausende von Welten haben sich zur Liga Freier Galaktiker zusammengeschlossen, in der auch Wesen mitwirken, die man in früheren Jahren als »nichtmenschlich« bezeichnet hätte.
Trotz aller Spannungen, die nach wie vor bestehen: Perry Rhodans Vision, die Galaxis in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln, scheint sich langsam zu verwirklichen. Man knüpft sogar vermehrt Kontakte zu anderen Galaxien.
In dieser Situation kommt es zu einem Kontakt, mit dem niemand gerechnet hat. Die neuen Besucher scheinen in einer engen Verbindung zur Erde zu stehen – und es geht um DAS KOSMISCHE ERBE ...
Perry Rhodan – Der Terraner begegnet einer unheimlichen Armee.
Farye Sepheroa-Rhodan – Die Pilotin reist mit ihrem Großvater zum Merkur.
Dezio Gattai – Der Archäologe entdeckt erstaunliche Hinterlassenschaften.
Täller
Prolog:
Ein neues Band
Stille senkte sich über die Tribünen. Das allgegenwärtige Murmeln und Flüstern verstummte; das Rauschen der Stimmen verlief zu einem Rinnsal aus feinen Geräuschen. Zehntausende Menschen schienen den Atem anzuhalten. Holokameras, Sonden und winzige Roboter schwebten über dem Raumhafen und richteten sich auf die zwei Männer aus, die aufeinander zugingen.
Natija Comarcan beugte sich vor. Auch wenn die Kameras ihr in jeder Sekunde Millionen von Bildern lieferten, war doch sie es, die eine Auswahl traf. Sie sprach den Kommentar, und ihre Intuition sorgte dafür, dass eine Berichterstattung entstand, die nicht bloß informierte, sondern bewegte.
Sie glaubte an das Motto des Senders Augenklar und wusste, dass sie mehr liefern konnte als eine nüchterne Berichterstattung wie von jedem beliebigen Medienroboter: »Wir informieren Terra – mit dem Herzen des Terraners.« Zuschauer auf Tausenden Welten der Milchstraße bewiesen, dass das Konzept funktionierte.
Mit einem Fingerschnippen aktivierte sie das Akustikfeld und die Aufnahmegeräte. Ihr Gesicht tauchte in dem Holowürfel auf, der vor ihr schwebte. So wurde sie in diesem Moment von Milliarden Menschen, Menschenabkömmlingen und Nichtmenschen gesehen.
Natija Comarcan holte tief Luft. Es war eine Ehre und Auszeichnung, das Gesicht eines Senders zu sein, und zugleich eine Bürde. Ihr schwindelte, wenn sie sich das bewusst machte.
»Wir werden Zeugen eines historischen Ereignisses«, sagte sie leise, während sie eine Kamera so dirigierte, dass sie die beiden Männer einfing. Niemand sah ihre Handbewegungen, stattdessen vermischten sich im Holo die Bilder der Geschehnisse über dem Landefeld mit ihrem Gesicht.
»Wir sehen zwei Männer. Beide sind humanoid, doch stammen sie von fremden Welten, einer sogar aus einer anderen Sterneninsel.«
Nur noch wenige Meter trennten die Männer auf der Begegnungsplattform voneinander. Der Purpurläufer, über den sie sich einander näherten, wirkte grell und würdevoll zugleich.
»Der larische Botschafter Kadhonor-Lom hat eine weite Reise auf sich genommen, um in Terrania als erster diplomatischer Vertreter seines Volkes die Amtsgeschäfte aufzunehmen«, sagte Natija. Sie wusste, dass sie distanziert klang, aber das wollte sie so: erst einmal nüchterne Information, dann wieder Emotion. »Aus der über zwanzig Millionen Lichtjahre entfernten Galaxis Larhatoon ist er nach Terra gekommen, um ein neues Band zu knüpfen. Ohne die Sternenportale hätte ihn die Strecke Jahre gekostet. So konnte er sie in weniger als einem Monat zurücklegen.«
Automatisch wurden Daten in das Bild eingeblendet, die ein Zuschauer lesen oder wegschalten konnte. Wer wollte, konnte sich über die Biografie des Laren informieren oder einige Kurzfilme anschauen. Wer nicht, verließ sich auf Natija und ihren Bericht, auf die Bilder, die über Relaisketten hinaus ins All geschleudert wurden.
Kadhonor-Lom ging aufrecht und mit gemessenen Schritten. Seine schwarze Haut glänzte im Sonnenlicht und ließ die gelben Lippen, die hellen Augäpfel und das kupferrote Haar deutlich hervortreten. Die Haare waren dick und rollten sich wie Spiralen. Früher hatte man die larischen Frisuren etwas despektierlich mit Vogelnestern verglichen Die des Botschafters erinnerte eher an eine Strahlenkrone. Sein Gesicht wirkte gelöst, entspannt.
»Nur wenige Schritte«, sagte Natija, »dann kommt es zu einer Begegnung, an die schon niemand mehr glauben wollte. Vor zweitausend Jahre standen sich die Laren und die Völker der Milchstraße als Feinde gegenüber. Jetzt treffen sie offiziell zusammen, um diplomatische Beziehungen aufzunehmen. Als Vertreter der Liga agiert Hekéner Sharoun – er spricht nicht nur als Resident für die Menschheit und ihre Verbündeten, sondern wurde ermächtigt, in diesem Moment auch das gesamte Galaktikum zu vertreten.«
Sie orchestrierte das Bild so, dass der Mann, über den sie gerade sprach, vor ihr Gesicht geschoben wurde. Rote Haare, blaue Haut und vorspringende Augenwülste – die ferronische Herkunft war nicht zu leugnen. Man hätte Sharoun für einen Menschen von der Erde halten können, der sein Aussehen mit Pigmenten und einer moderaten kosmetischen Operation verändert hatte – doch er war auf dem achten Planeten des Wegasystems geboren und aufgewachsen.
Sein offenes Lächeln machte einen ehrlichen Eindruck. Natija fuhr alle anderen Geräusche zurück und fokussierte die Audiowiedergabe auf Hekéner Sharoun, der jetzt die Begegnung eröffnete.
»Botschafter Kadhonor-Lom, es ist mir eine Ehre, vor allem aber auch eine Freude, dich heute hier auf Terra begrüßen zu dürfen. Ich heiße dich willkommen in der Milchstraße, im Namen des Galaktikums ebenso wie in dem der Liga Freier Galaktiker.«
In einer impulsiv wirkenden Geste streckte er die Hand aus.
Die Stille zog sich, während der Botschafter den Blick auf die Hand senkte, als müsste er erst nachdenken, was sie bedeutete.
Dann ergriff er sie. Jubel brandete auf.
Jetzt auf das Publikum!, dachte Natija. Sie selbst brauchte nichts mehr zu sagen, die Aufnahmen sprachen für sich: die strahlende Sonne über Terrania City, die zwei Männer, die einander die Hand reichten, die jubelnden Menschen.
»Ein historischer Augenblick«, wiederholte sie, »und ein Aufbruch für die gesamte Milchstraße. Das Universum steht uns buchstäblich offen, den Menschen und allen anderen Zivilisationen unserer Sterneninsel.«
1.
Ausflug zum Merkur
Perry Rhodan schaltete ab. Was als Nächstes gekommen war, wollte er lieber erst für sich auseinandersortieren, bevor er sich anhörte, was die Berichterstatter dazu meinten.
»Hey!«, protestierte Farye. »Ich wollte das sehen!«
Rhodan deutete auf die Kontrollen. »Hast du nicht ein Beiboot zu fliegen?«
Farye machte eine ausholende Bewegung, die die kleine Zentrale des Kugelraumschiffes umfasste. Auf den Rundumschirmen war außer der nahen Sonne nichts Bemerkenswertes zu sehen, alle Holoanzeigen zeigten Normalwerte.
»Minor Globes fliegen sich fast von selbst. Außerdem ist Merkur weit genug weg, die Automatik regelt das locker. Leutnant Koldwin würde uns schon Bescheid geben, falls etwas ist.« Sie machte eine Kopfbewegung zu der Soldatin an der Funk- und Ortungsstation, außer ihnen beiden das einzige Besatzungsmitglied an Bord der KATZER-7. »Also, schaltest du wieder an? Du warst doch als Nächstes dran, oder?«
»Ja, war ich«, antwortete Rhodan knapp. »Der Botschafter hat mir die Hand gedrückt und mich ansonsten abblitzen lassen. Nicht unbedingt das, was du gerne sehen willst, nehme ich an. Alles andere kann ich dir auch selbst erzählen, vom Schnitt des Anzugs des Botschafters bis zur Bewaffnung und Panzerung seiner Leibwache. Oder du begleitest mich heute Abend auf den Empfang und schaust dir das alles selbst an.«
»Die Sicherheitsabteilung hat mich das zwar schon gefragt, aber ich habe mich bisher nicht entschieden. Ich hab genug zu tun, sobald ich dich erst wieder in Terrania abgesetzt habe.«
»Die Sorgen einer Bataillonskommandantin«, sagte Rhodan. Er lächelte. »Die ich als einfache Pilotin angefordert habe.«
»Geschenkt.« Farye winkte ab. »Ich greife nach jeder Gelegenheit, eines unserer Beiboote zu steuern. Und die KATZER-7 ist brandneu und schnurrt wie ein Purrer. Ich werde es bedauern, sie wieder abstellen zu müssen.«
»Kann ich gut verstehen.« Rhodan hatte Farye bewusst angefordert. Die Gelegenheiten, Zeit mit seiner Enkelin zu verbringen, waren rar gesät.
Farye warf einen Blick auf die Anzeigen und setzte sich auf. »Jetzt wird es allerdings erst einmal Zeit, die KATZER auf dem Landefeld zu parken. Ich übernehme die Steuerung. Leutnant Koldwin, schon etwas von Port Myron gehört?«
Die Funkerin straffte sich. »Jawohl, Kommandantin. Wir haben das Landefenster um 16.05 Uhr Standardzeit, Einflugschneise 8, Landeplatz C7. Soll ich einen Richtpeilstrahl anfordern?«
»Ja. Ich fliege nicht oft genug zum Merkur, um mich bei einem freihändigen Einflug wohlzufühlen.«
Rhodan betrachtete seine Enkelin. Sie trug ihr dunkles Haar kurz geschnitten; man sah die kleinen Mulden an ihren Schläfen. Früher hatte sie das Haar schulterlang getragen und darübergekämmt, um Fragen aus dem Weg zu gehen. Diese Zeiten waren eindeutig vorbei. Die Ausbildung bei den Raumlandetruppen hatte sie zu einer selbstbewussten Frau werden lassen.
»Peilstrahl steht«, meldete die Funkerin.
Im Rundumholo gewann die pockennarbige Felskugel vor ihnen schnell an Größe. Das Oberflächengestein des Merkur war deutlich dunkler als das des Erdmondes, allerdings ließ die nahe Sonne die Strukturen auf der Tagseite durch scharf geschnittene Schattenwürfe klar hervortreten.
Über Jahrmillionen hatten Meteoriten die Oberfläche bombardiert und ihre Spuren hinterlassen. Die von ihnen aufgeworfenen Ringwälle waren zum Teil kilometerhoch. Am auffälligsten war die Caloris Planitia, eine riesige Ebene, vergleichbar einem Mare Lunas.
Ein gigantischer Meteorit hatte bei seinem Einschlag auf der Oberfläche das Gestein des Planeten mit solcher Wucht aufgerissen, dass sich Spalten bis zum Lavakern bildeten. In der Folge war ein gigantischer Lavasee entstanden, dessen Versteinern eine Fläche zurückließ, die nur von der Position der KATZER aus immer noch glatt wirkte. Rhodan wusste, wie zerklüftet auch sie schon wieder war: Schroffe Felsen, zerrissene Grate, ein Meer aus Splittern, Zacken und Untiefen zeugten von den Spannungen des Erkaltens und neuen Einschlägen.
Das Ereignis, das die Caloris Planitia erschaffen hatte, war heftig genug gewesen, um auf der anderen Seite Merkurs eine Region zu erschaffen, die das vollständige Gegenteil war. Dort ragten übereinandergeschobene Felsplatten und aufragende Zacken in einem chaotischen Durcheinander Hunderte und Tausende von Metern in die atmosphärelose Höhe. Beide Strukturen zusammen waren ein eindrucksvolles Zeugnis der Wucht solcher kosmischen Kollisionen.
»Was ist das eigentlich für eine Ausgrabung, zu der wir fliegen?«, fragte Farye.
»Eine ziemlich rätselhafte lemurische Hinterlassenschaft«, antwortete Rhodan. »Sie wurde zufällig entdeckt, man hat dort Rohstoffquellen gesucht. Es geht gewissermaßen um Kameraden von dir. – Hast du dich jemals mit den alten Chinesen beschäftigt?«
»Bislang nicht. Lohnt es sich denn?«
»Durchaus. Warte kurz ...« Er aktivierte ein Infoterminal und suchte nach Daten über chinesische Frühgeschichte. »Vor mehr als fünftausend Jahren ließ der erste chinesische Kaiser für sich ein Mausoleum bauen, in das Nachbildungen von allem gebracht wurden, was er später im jenseitigen Leben zur Hand haben wollte ... Die Chinesen betrieben damals einen ausgeprägten Totenkult. Ah, hier! Das ist zum Beispiel etwas, über das er verfügen wollte.«
Rhodan rief ein Holobild auf. Über den Kontrollen schwebte das Bild einer Grube, in der endlose Reihen von Statuen standen, sauber hintereinandergestellt wie Figuren in einer Schachtel, die für das nächste große Spiel bereitgehalten wurden. Er zog eine heraus, dann eine weitere. Sie drehten sich in der Luft über der Grube.
Farye musterte die Figuren. »Sind das Soldaten?«
»Tausende Figuren vorzeitlicher Soldaten, um genau zu sein, jede einzelne von Hand aus Terrakotta gefertigt. Lebensgroß! Jede hat eigene Gesichtszüge und eine individuelle Ausrüstung. Eine absolute Meisterleistung für die damalige Zeit und die Möglichkeiten.«
»Faszinierend«, gab Farye zu. »Aber was hat das mit der Ausgrabung auf dem Merkur zu tun?«
Rhodan wischte die Bilder beiseite. »Dort wurde in einer lemurischen Station ebenfalls eine künstliche Armee gefunden, mit frappierenden Ähnlichkeiten zur Terrakotta-Armee der alten Chinesen. Allerdings hat keiner die leiseste Ahnung, was das zu bedeuten hat. Auch der Zweck der Station ist unklar.«
»Und warum holen sie dich dazu?«
»Sie erhoffen sich Denkanstöße von dem einzigen erreichbaren Menschen, der jemals Lemurern jener Zeitepoche begegnet ist.« Er tippte an die Stelle seiner Schulter, an der er gelegentlich das sanfte Pochen seines Zellaktivators spürte. »Einer der Aspekte der relativen Unsterblichkeit: Man ist beliebtester Ansprechpartner der Geschichtsschreiber und Archäologen.«
»Hoffentlich geht es dir dabei nicht wie damals bei dieser Terminus-Sache.«
Unwillkürlich sah Rhodan wieder eine Ebene voller Obelisken vor sich, die keinen Schatten warfen. Er schüttelte den Kopf. »Dafür gibt es bisher keine Anzeichen. Die Sache mag rätselhaft sein, aber nicht völlig unerklärlich.«
»Wer weiß, was noch kommt?«, sagte Farye. »Wir beginnen den Landeanflug.«
Sie hatten die Grenze zur Nachtseite überquert. Schräg unter ihnen war der Krater Myron zu erkennen, in dessen Innerem Merkurs Hauptstadt Asalluc City lag. Im Moment war die dreifache Kuppel über der Stadt undurchsichtig geschaltet und erlaubte keinen Blick ins Innere. Das war notwendig, um in der Stadt einen Tag simulieren zu können.
Am westlichen Fuß des tausend Meter hohen Ringgebirges um Asalluc City lag das hell erleuchtete Raumlandefeld von Port Myron. Während Farye die Minor Globe darauf herabsinken ließ, wanderte für die Insassen der KATZER-7 die Sonne hinter den nördlichen Horizont. Sanft setzte der Kugelraumer auf seinen Teleskopstützen auf.
Ein Archäologe verschläft
14. Mai 1551 NGZ, 09.00 Uhr Lokalzeit Khalad Town
Ungläubig starrte Dezio Gattai auf die Zeitanzeige. Er konnte es nicht glauben. Er hatte vollkommen verschlafen! Wann bitte schön war ihm das zuletzt passiert?
Gattai setzte sich auf und griff nach seinem Armbandkom. Etwas klapperte. Einen Moment starrte er irritiert auf das Holzkästchen, das er versehentlich von seinem Nachttisch gestoßen hatte. Dann machte er sich auf den Weg in die Hygienezelle.
Unter dem Wasserstrahl griff Dezio sich an den Kopf, als ihm plötzlich wieder einfiel, welcher Tag war.
Perry Rhodan ...
Ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt musste so etwas passieren. Konnte er darauf hoffen, dass der Besuch abgesagt worden war?
Nein. Auf seinem Armband blinkten mehrere verpasste Anrufe. Zweifelsohne war der Liga-Kommissar längst auf dem Weg zur Ausgrabung. Und er, Dezio Gattai, der hätte brillieren können, machte gerade erst seine Morgentoilette.
Wie hatte es nur passieren können, dass er das Wecksignal verschlief? Hatte er sich in den letzten Wochen übernommen? Wahrscheinlich. Die Armee, die Entdeckungen ... wann war er überhaupt schlafen gegangen?
Als er fertig angezogen in sein Schlafzimmer zurückging, hob er das schwarze Holzkästchen auf. Das etwas mehr als handgroße und nur wenige Zentimeter hohe Kästchen war aus wunderbar glatt poliertem Ceylon-Ebenholz, ein kleines Schmuckstück für sich. Es war fast zu schön, um etwas hineinzulegen.
Er öffnete den Deckel, der so gut angepasst war, dass er sich auch ohne Verschluss trotz des Sturzes nicht geöffnet hatte. Innen war das Holz so perfekt bearbeitet wie von außen und zeigte einen samtigen Schimmer. Trotzdem zögerte Gattai, hineinzugreifen. Etwas hielt ihn davor zurück.
Er drückte den Deckel wieder auf das Kästchen und holte seinen Schutzanzug. So ausgerüstet machte er sich auf den Weg von seinem Appartement in Khalad Town zur Ausgrabung.
In die Tiefe
Der Ausgrabungsort war eine helle Lichtinsel inmitten der Merkurnacht. Ein Prallfeldschirm stand als Kuppel über dem Gelände, eine Kunstsonne im Zenit. Sein Inneres war mit Sauerstoffatmosphäre geflutet.
Auf dem planierten Fels erhob sich eine Handvoll scheinbar zufällig verstreut stehender Kuppelzelte, deren metallisch-graues Material sie wie schimmernde Auswüchse des Merkurbodens erscheinen ließ. Dazwischen standen Bergbaumaschinen.
Das Zentrum des Geländes wurde von einem mehrere Meter hohen Reaktor beherrscht, von dem sich dicke Kabelstränge schlangengleich in alle Richtungen wanden, ehe sie im Boden unter Abdeckungen verschwanden. Abstrahleinheiten im oberen Bereich des Zylinders deuteten darauf hin, dass Energie auch kabellos übertragen wurde.
In unmittelbarer Nähe des Reaktors waren mehrere mobile Wohn- und Arbeitseinheiten zu einem Halbkreis zusammengestellt worden. Formvariable Verbindungsstücke fügten die einzelnen Container zu einem geschlossenen Komplex zusammen.
Unweit eines der Kuppelzelte wartete eine hochgeschossene, dürre Frau in einem leichten Raumanzug auf die Neuankömmlinge. Der kleinere Mann neben ihr wirkte trotz normaler Statur im Vergleich füllig.
»Ich bin Doktor Fadela Lozzi, die Ausgrabungsleiterin«, stellte sich die Frau vor und machte eine Handbewegung zu ihrem Begleiter. »Das ist Georgi Nakatsche, einer der maßgeblichen Mitarbeiter hier vor Ort.«
Der Archäologe lächelte breit. »Eigentlich sollte auch Dezio hier sein, also Dezio Gattai, das ist unser zweiter Chef gewissermaßen, Fadelas Stellvertreter, wenn sie am Institut ist, und der zweite Fachidiot in Sachen Lemurer neben mir. Ich frage mich, wo er bleibt ...«
»Sicher hat er etwas Dringliches zu erledigen«, unterbrach Lozzi. »Eigentlich ist Gattai sehr zuverlässig. Aber die Zeit unserer Gäste ist beschränkt, also können wir keine Rücksicht auf ihn nehmen. – Eure Anzüge sind raumtauglich?«
»Sind sie«, bestätigte Farye. »Wir wurden über die geltenden Sicherheitsvorschriften unterrichtet.«
»Gut. Wer weiß schon, was mit dem Prallfeldschirm passieren könnte? Außerdem dienen die Anzüge dazu, unten in der Ausgrabung die Fundstücke vor Kontamination durch Berührungen oder Atem zu schützen.«
Sie gingen auf das Kuppelzelt zu.
»Das da drüben sind unsere Forschungscontainer«, sagte Nakatsche und deutete auf die mobilen Einheiten im Zentrum. »Jeder der Container ist raumfest, also dicht und gegen Strahlung geschützt und so. Mit autarker Lebenserhaltung, selbstverständlich. Außerdem haben alle Antigravaggregate und Triebwerksdüsen. Sollten wir hier also plötzlich die Zelte abbrechen müssen, sind wir in kürzester Zeit mit Sack und Pack, also, allem Gerät zurück auf dem Gelände der Kantor-Universität.«
»Rechnet ihr denn mit so etwas?«, fragte Rhodan.
Der Archäologe hob die Schultern. »Wenn in ein paar Wochen der Tag anbricht, mag keiner mehr hier sein. Zu heiß, wortwörtlich. Aber wir möchten die Zeit bis zuletzt nutzen.«
Sie betraten das Kuppelzelt. Das hell erleuchtete Innere war zur Hälfte als kombinierter Aufenthalts- und Besprechungsraum eingerichtet, mit Automatküchenzeile, Sitzgruppen und einem Projektor. Die andere Hälfte wurde von technischen Aggregaten beherrscht. In der Mitte des Zeltes ragte ein breiter Stahlzylinder aus dem Boden bis knapp unter die Decke, den Farye als oberes Ende eines Antigravschachtes identifizierte.
»Der Antigravschacht reicht nur bis in den obersten Bereich der lemurischen Station«, erläuterte Lozzi, während sie durch den Einstieg traten und langsam abwärts schwebten. »Allgemein sind wir äußerst behutsam vorgegangen, um im ursprünglichen Gangsystem und den Kavernen keine Einstürze zu provozieren. Natürlich haben wir alle notwendigen Vorkehrungen getroffen, um die Mitarbeiter vor etwaigen Einbrüchen zu schützen, ohne die ursprünglichen Strukturen anzutasten. Wir wollen alles genau so erhalten, wie wir es vorgefunden haben.«
Sie verließen den Schacht und standen in einem schlichten Raum mit Plastikwänden, in dem ansonsten nur eine Transmitterplattform zu sehen war. Für einen Moment verstärkte sich der Luftstrom durch die Kammer, und Farye spürte, dass sie auch von den Seiten her angeblasen wurde.
»Das soll verhindern, dass Staub von draußen reingetragen wird«, erklärte Doktor Lozzi.
Farye deutete auf die Transmitterplattform. »Kein direkter Zugang?«
»Nur ein einziger, an der ursprünglichen Fundbohrung, und der ist bereits wieder versiegelt. Die Transmitterverbindungen gehen nur über kurze Strecken, damit die entstehenden Felder möglichst schwach sind und keine Spuren in den Materialien hinterlassen, die uns interessieren. Wie gesagt, wir tun alles, um diese Anlage zu schützen. Lemurische Hinterlassenschaften sind immer ein ganz besonderer historischer Schatz.«
Ein grünes Licht zeigte Sendebereitschaft an. Nacheinander traten sie in den Käfig, der die Transmitterplattform umgab, und wurden abgestrahlt.
Ein geruhsamer Sprint
Als die Lichter der Ausgrabung am Horizont in Sicht kamen, atmete Dezio Gattai auf. Er sah auf seine Uhr: 09.45 Uhr. Das entsprach 16.45 Terranischer Standardzeit.
Khalad Town hatte – wie einige andere Niederlassungen auf dem Merkur – seine Lokalzeit der europäischen Zeitzone angeglichen, sodass standardmäßig morgens Asien, mittags Europa und abends Amerika erreichbar waren. Für Rohstoffkonzerne und Wissenschaftler war diese Lösung praktisch. Lediglich die Verwaltungszentren wie Asalluc City lebten nach der in Terrania herrschenden Zeit.
»Rhodan ist bestimmt längst in der Ausgrabung«, murmelte Gattai. »Jetzt ist guter Rat teuer ...«
Es half alles nichts. Dezio würde die Regeln etwas beugen müssen, um nicht alles zu verpassen.
»Kom-Anruf Ondri«, sagte er. Der Gleiterkom bestätigte den Verbindungsaufbau.
»Hallo, Dezio«, grüßte ihn die Stimme der Koordinatorin. »Alle haben dich gesucht. Ich schalte dir eine Einflugschleuse direkt über dem Einstieg zur Soldatenkaverne.«
»Danke, aber ich würde lieber bei den Containern landen.«
»Was? Wieso das?«