Perry Rhodan 3024: Der Geist von Hellgate - Verena Themsen - E-Book

Perry Rhodan 3024: Der Geist von Hellgate E-Book

Verena Themsen

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Beschreibung

Mehr als 3000 Jahre in der Zukunft: Längst verstehen sich die Menschen als Terraner, die ihre Erde und das Sonnensystem hinter sich gelassen haben. In der Unendlichkeit des Alls treffen sie auf Außerirdische aller Art. Ihre Nachkommen haben Tausende von Welten besiedelt, zahlreiche Raumschiffe fliegen bis zu den entlegensten Sternen. Perry Rhodan ist der Mensch, der von Anfang an mit den Erdbewohnern ins All vorgestoßen ist. Nun steht er vor seiner vielleicht größten Herausforderung: Die Rückkehr von seiner letzten Mission hat ihn rund 500 Jahre weiter in der Zeit katapultiert. Eine Datensintflut hat fast alle historischen Dokumente entwertet, sodass nur noch die Speicher der RAS TSCHUBAI gesichertes Wissen enthalten. Auf der Suche nach Wissen und Verbündeten haben sich Perry Rhodan und Atlan zeitweise getrennt. Nun treffen sie einander wieder und beschließen ihre nächsten Schritte. Dabei hilft ihnen DER GEIST VON HELLGATE ...

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Nr. 3024

Der Geist von Hellgate

Im Orbit einer Höllenwelt – ein rücksichtsloser Feind greift an

Verena Themsen

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Tag der Lilie

2. 15. November 2045 NGZ – Tag der Sommerblumen

3. 16. November 2045 NGZ – Tag der Apfelblüte

4. 17. November 2045 NGZ – Tag der Duftflechten

5. 18. November 2045 NGZ – Tag des Waldregens

6. 19. November 2045 NGZ – Tag der Lilie

7. 22. November 2045 NGZ – Tag der Chrysantheme

Report

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

Mehr als 3000 Jahre in der Zukunft: Längst verstehen sich die Menschen als Terraner, die ihre Erde und das Sonnensystem hinter sich gelassen haben. In der Unendlichkeit des Alls treffen sie auf Außerirdische aller Art. Ihre Nachkommen haben Tausende von Welten besiedelt, zahlreiche Raumschiffe fliegen bis zu den entlegensten Sternen.

Perry Rhodan ist der Mensch, der von Anfang an mit den Erdbewohnern ins All vorgestoßen ist. Nun steht er vor seiner vielleicht größten Herausforderung: Die Rückkehr von seiner letzten Mission hat ihn rund 500 Jahre weiter in der Zeit katapultiert. Eine Datensintflut hat fast alle historischen Dokumente entwertet, sodass nur noch die Speicher der RAS TSCHUBAI gesichertes Wissen enthalten.

Auf der Suche nach Wissen und Verbündeten haben sich Perry Rhodan und Atlan zeitweise getrennt. Nun treffen sie einander wieder und beschließen ihre nächsten Schritte. Dabei hilft ihnen DER GEIST VON HELLGATE ...

Die Hauptpersonen des Romans

Atlan – Der Arkonide erfährt Neues aus seiner Heimat.

Gucky – Der Mausbiber agiert verdeckt.

Perry Rhodan – Der Terraner bereitet sich auf neue Aufgaben vor.

Sabru – Die Ekhonidin ist für die Sicherheit der Werft HEPHAISTOS verantwortlich.

Kloog

1.

Tag der Lilie

Sabru täuschte einen Sprung zur Seite an, tauchte stattdessen unter dem Arm ihres Gegners hindurch und hechtete nach vorne auf das rettende Schott zu. Doch er war schneller, warf sich herum und sprang ihr nach. Mit voller Wucht schmetterte er beide Arme von hinten in ihre Seite und warf sie aus der Bahn.

Sie krachte gegen einen Container und schrie auf. Schmerz durchzuckte ihren Arm und den linken Brustkorb und lähmte für einen Moment ihre Glieder. Haltlos sackte sie zusammen. Das Blut rauschte ihr in den Ohren, ihr Blick wurde unscharf. Sie rang nach Atem.

Warum?, schrien ihre Gedanken. Wie konnte das passieren?

Sie spürte den Boden unter den schweren Schritten ihres Gegners erzittern. Sie drehte den Kopf ein wenig, versuchte, wieder nur noch ein Bild zu sehen anstatt zweier. Da war das Schott mit den Öffnungskontrollen und daneben, nur wenige Schritt entfernt an der Wand ...

... der Interkom!

Stöhnend drehte sie sich auf den Bauch und kroch auf das Schott zu. Den rechten Arm ließ sie hängen, als wäre er ausgerenkt. In Wirklichkeit tastete sie vorsichtig nach dem Strahler in ihrem Holster. Alles war zu schnell geschehen, der Angriff zu überraschend gekommen, um ihn zu ziehen. Aber nun ...

Ihr Gegner packte sie am Bein, wollte sie wegziehen. Sie trat mit dem freien Fuß nach seiner Hand, warf sich herum und schoss. Überrascht brüllte er auf und stolperte zurück.

Sie nutzte die Gelegenheit und stemmte sich hoch, ignorierte den Schmerzenssturm in der linken Körperhälfte, fiel mehr, als sie rannte, streckte die Hand aus.

Hitze verbrannte ihre Handoberfläche, als sie die Kontakte erreichte. Ihr Gegner hatte mit dem Thermostrahler geschossen und die Schottkontrollen knapp neben ihrer Hand zu einer glühenden Masse zerschmolzen. Sie würde den Raum nicht mehr verlassen.

Aber das Lämpchen des Interkoms, den sie wie zufällig dabei berührt hatte, leuchtete.

Sie ließ sich fallen, rollte weg, während über ihr erneut der heiße Strahl in die Wand fuhr. Sie sah nicht hin, hoffte nur, dass das Lämpchen weiterhin leuchtete und jemand auf den Kampf aufmerksam wurde.

Sie schoss blind auf den dunklen Schatten, der ihr Gegner sein musste. Sie aktivierte ihren Schutzschirm ...

Warum habe ich das nicht längst gemacht? Was ist nur los mit mir?

... sprang auf und rannte auf ihn zu. Es gab keine Deckung und kein Entkommen. Ihre einzige Chance lag in der Überraschung und der direkten Konfrontation.

Doch ihre Schüsse lösten lediglich ein Flackern aus. Er hatte ebenfalls längst den Schutzschirm aktiviert, wahrscheinlich vor ihr. Langsam, bedrohlich in seiner Riesenhaftigkeit, kam er auf sie zu. Sie wich ebenso langsam zurück, suchte nach Möglichkeiten, irgendwie die Oberhand zu gewinnen oder zumindest einen Gleichstand zu erreichen. Das Pulsieren ihres Blutes und das Flirren vor ihren Augen machten es nicht leicht.

»Gib auf!«, sagte er. »Akzeptiere den Tod.«

»Meinen Tod könnte ich akzeptieren«, entgegnete sie. Das Pfeifen, von dem ihre Worte begleitet wurden, klang nicht gut. »Aber nicht den der anderen. Ich werde das nicht zulassen.«

Das Unerwartete tun ...

Sie sprang nach vorne. Ihre gleichartig eingestellten Schutzschirme verschmolzen, wie sie es erwartet hatte. Während sie sich mit der einen Hand an seinem Nacken festkrallte, rammte sie ihm mit der anderen den Thermostrahler in den Bauch. Aber ehe sie den Kontakt betätigen konnte, stieß er sie von sich und prellte sie zu Boden wie einen Ball.

Sie hörte ein leises Knacksen, spürte etwas brechen. Wieder schoss heißer Schmerz durch ihr Rückenmark, setzte ihre linke Seite in Brand – und dann war der Schmerz vorbei und auch alles andere.

Sie spürte nichts mehr außer dem Schweiß auf ihrer Stirn und der Tränenflüssigkeit, die ihr aus den Augenwinkeln rann. Und roch sie nicht Blut? Sie durfte nicht daran denken.

Was habe ich falsch gemacht? Wo habe ich etwas übersehen?

Das Flimmern in der Luft wurde stärker, sie schloss die Augen. Sie dachte an die Bombe und an die Feuerblumen, die sie aufblühen lassen würde.

Roch die Luft aus den Elysäischen Gärten heute nicht nach Lilien?

Sie sog sie tief ein, ließ sie den Rauch und den Blutgeruch verdrängen. Ja, es war Lilie.

Passend für den Tod.

2.

15. November 2045 NGZ – Tag der Sommerblumen

Gleißendes Licht lag über dem felsigen Land, riss Staub und Gestein aus der Schwärze des Alls und badete es in Hitze. Wohin es nicht gelangte, herrschte völlige Dunkelheit. Die Grenze zwischen Regionen des Lichts und der Finsternis waren scharf gezogen. Nur die unregelmäßige Körnung des feinen Gesteinssands, der überall den Boden bedeckte, verlieh den Linien eine gewisse Unschärfe.

Der Sand mochte das Produkt von Meteoriteneinschlägen sein. Ebenso gut konnte er von den thermischen Spannungen herrühren, denen das Gestein bei jedem Übergang zwischen der Kälte des Alls und der mörderischen Hitze der nahen Sonne ausgesetzt war. Zahlreiche Risssysteme im Boden und tiefe Spalten in jedem Höhenzug zeugten davon.

Vielleicht war der Sand aber auch lediglich ein Relikt aus jener Zeit, als der Planet eine Atmosphäre besessen hatte und seine Oberfläche der Erosion ausgesetzt gewesen war.

Schwache Reste davon waren noch vorhanden oder entstanden jedes Mal neu, wenn die Sonne die Gase aus dem Gestein trieb. Doch diese Ahnung einer Atmosphäre reichte gerade eben aus, hochempfindlichen Raumanzugsensoren einen schwachen Eindruck der eigenen Schrittgeräusche zu vermitteln oder ein etwas lauteres Zischen, wenn man mit einem Thermostrahler schoss.

Der Mann, der im grellweißen Licht der nahen Sonne durch den Sand stapfte, wusste das aus Erfahrung.

Längst war er froh, dass sein Schuss damals das Ziel verfehlt hatte. Eine verglaste Stelle im Boden zeugte vermutlich noch immer davon, nahe der großen Verglasung, die durch die Explosion eines Kleinraumschiffes erzeugt worden war. Kein Wind und kein Wetter würden diese Spuren jemals verwischen.

Auch dem Stahl der Kuppelstation, auf die er zuhielt, hatte nichts etwas anhaben können. Die Station war Jahrtausende alt, hatte zahllose Katastrophen in der Milchstraße überdauert, ohne dass sich jemand um sie gekümmert hatte. Das Vakuum des Alls hatte sie konserviert und die Beschichtung sie gut genug vor den zerstörerischen Einflüssen des Temperaturwechsels zwischen dem langen Tag und der ebenso langen Nacht geschützt.

Jemand lehnte neben der einzigen Schleuse, die ins Innere führte. Mit verschränkten Armen sah er dem Ankömmling entgegen.

»Anscheinend war ich wieder einmal ein wenig schneller«, stellte der andere über Funk fest und stieß sich von der Kuppelwand ab. Er legte eine Hand an den gelb markierten Hebel des Öffnungsmechanismus. »Hilfst du mir mal?«

»Überheblich wie immer – und doch auf Arkoniden angewiesen«, spottete der Neuankömmling und griff zu.

Gemeinsam öffneten Perry Rhodan und Atlan die Schleuse, durch die sie zuletzt vor über drei Jahrtausenden gegangen waren.

*

Anderswo

Wie ein Schwarm glitten die hundertneunzig Meter langen Doppelkeilschiffe durch das tiefschwarze All, stetig in Bewegung, keines für sich greifbar. Ohne erkennbares Leitschiff umschwirrten sie die gemeinsame Flugbahn in Schleifen und Spiralen. Schwenks wirkten unvermittelt, ohne dass ein Einzelschiff erheblichen Verzögerungen ausgesetzt worden wäre.

Plötzlich richteten sie ihre Doppelbugspitzen aus und schossen direkt auf den riesigen Zylinder zu, auf dessen Ober- und Unterseite sich je im Zentrum eine kleinere Halbkugel wölbte und der offensichtlich ihr Ziel darstellte. Der Schutzschirm der Raumwerft leuchtete auf wie Wolken in einem Gewittersturm. Augenblicke später hüllte gleiches Gewitterleuchten den Schwarm ein.

Die angreifenden Ladhonenschiffe schossen und rochierten, verteilten das gegnerische Feuer unter sich und ihren Schirmfeldern, bis sie kurz vor dem Schirmfeld ihres Angriffsziels plötzlich auseinanderspritzten. Ehe sich die Geschütze der Raumwerft auf eines der Ziele hatten einschießen können, waren sie bereits abgedreht und in der Schwärze des Raums verschwunden, um sich bei ihrem Mutterschiff erneut zu sammeln.

»Achtzig Prozent Schirmbelastung«, murmelte Sabru. »Das war knapp. Und die Geschützstellungen reagieren viel zu langsam auf so eine Art des Manövrierens.«

Mit einer Handbewegung setzte die Ekhonidin das Szenario zurück. Sie hörte den dumpfen Ton von Kloogs Schritten hinter sich, erkannte den typischen Rhythmus seines schwankenden Gangs.

»Gestehst du den Ladhonen nicht etwas zu viel Geschick zu?«, hallte seine tiefe Stimme durch den Raum.

Sabru drehte sich zu ihm um und strich sich das weiße Haar aus der Stirn. »Keineswegs, und das solltest du wissen.«

Sie beobachtete den Naat, der in diesen Augenblicken neue Blumen aus den Elysäischen Gärten auf dem Tisch im Wohnbereich ausbreitete. Ihr Duft strich zu ihr herüber; ein Duft nach Sommerblumen. Seufzend schaltete sie die Holosimulation ab, die den Großteil ihres Arbeitsbereiches im hinteren Drittel des Quartiers einnahm.

Es war ein typisches Werftquartier auf HEPHAISTOS: kreuzförmig und mit nur einer festen Wand, zur Hygienezelle hin, die hinter dem Schlafbereich lag. Andere Bereiche konnten zwar jederzeit über Felder optisch und akustisch gegen den Rest des Quartiers isoliert werden, doch man konnte einfach durch die Felder hindurchtreten. Sabru hatte allerdings nie erlebt, dass ein Gast das ohne Einladung getan hätte. Er wäre wohl auch nie mehr eingeladen worden.

Sie ging zum Tisch, um die Blumen zu betrachten. Sie bildeten einen angenehmen Kontrast zu der polierten schwarzen Marmorfläche.

»Dass die technische Ausstattung der Ladhonen auf so niedrigem Niveau liegt, ist unser Glück. Sie kämpfen mit unglaublicher Präzision und Flexibilität. Dabei ist ihnen ihr eigenes Leben so wenig wichtig wie das anderer. Und sie sind in einem so hohen Maß aufeinander eingespielt, dass Manöver wie das eben durchgespielte möglich scheinen. Es wäre eine sträfliche Vernachlässigung meiner Pflichten als Sicherheitschefin, das zu ignorieren.«

Der Naat blinzelte belustigt mit allen drei Augen. »Und außerdem liegen dir Herausforderungen mehr als die Routine.«

»Ich wäre dumm, das zu leugnen. Stillstand ist Rückschritt. Ungewöhnliche Denkweisen und neue Wege werden immer und überall gebraucht, damit Intelligenzen und Zivilisationen nicht nur am Leben, sondern lebendig sind. Und ich will sehr lebendig sein. Darum liegt mir an Veränderung und Erneuerung.«

Kloog pickte eine Blume aus der Sammlung, um sie für ein Arrangement zurechtzutrimmen. Es war schwer zu glauben, dass dieser füllige Dreimeter-Riese mit den kurzen Säulenbeinen und zwar deutlich schlankeren, aber trotzdem unbeholfen wirkenden langen Armen die dünnen Stängel nicht einfach zerbrach. Stattdessen umstrichen die langen Krallenfinger zärtlich die Blätter und Blüten und bemühten sich, mit möglichst wenigen Eingriffen eine perfekte Erscheinung zu erzeugen. Dabei hoben sich die farbenfrohen Blüten von seiner schwarzbraunen, ledrigen Haut und dem dunkelgrauen Anzug, den er trug, ebenso stark ab wie zuvor von der Tischplatte.

Nicht zum ersten Mal fragte sich Sabru, was der Naat an den Blumen fand. Natürlich wusste sie, dass sein Gesicht zwar nasenlos erschien, aber durchaus ein Riechorgan aufwies. Es wurde lediglich, ebenso wie die Gehörgänge, durch Hautmembranen geschützt. Ohne diese hätte kein Naat sich jemals an die Oberfläche ihres von Sandstürmen heimgesuchten Heimatplaneten wagen können. Auch der schmallippige, handbreite Mund und die drei riesigen Augen, die den Kugelkopf optisch dominierten, konnten auf diese Art geschützt werden.

Sie fragte sich, ob der Naat die Blumen mit dem silbrig schimmernden mittleren Auge anders sah als mit den anderen beiden Augen. Es hatte einen Rest Infrarotsichtigkeit aus den Urtagen der Naats behalten, und sie hatte eine vage Erinnerung daran, dass viele Bestäubungsinsekten infrarotsichtig waren. Gab es da einen Zusammenhang?

»Warum magst du Blumen, Kloog?«, fragte sie.

Der Naat verlagerte sein Gewicht behäbig von einem Bein auf das andere. Es schien, als müsse er über seine Antwort nachdenken. Dabei war sich Sabru sicher, dass er sie genau kannte. Er suchte lediglich die Worte sorgfältig aus, in die er sie kleidete.

»Blumen«, sagte er schließlich, »sind faszinierende Konglomerate aus symmetrischen und asymmetrischen Strukturen. Sie zeigen im Großen geometrische Ordnung, doch im Kleinen findet man Fraktale und andere Ausprägungen des Chaos. Sie sind perfekte Demonstrationsobjekte für viele komplexe mathematische Gebäude, und doch gleichzeitig im Gesamten unberechenbar. Sie besitzen für mich eine unübertreffliche Ästhetik.«

Sabru schüttelte den Kopf. Wenn sie Kloog zuhörte, konnte sie sich nicht vorstellen, wie die Arkoniden vergangener Tage jemals hatten auf die Idee kommen können, die Naats seien grobschlächtige Wilde ohne eigene Intelligenz. Andererseits hatten einige von ihnen sich bereitwillig zu Kampfhunden des alten Imperiums machen lassen. Aber diese Zeiten waren zum Glück vorbei – spätestens seit das Atopische Tribunal den arkonidischen Hochmut zurechtgestutzt und das Selbstverständnis der Naats unterstützt hatte.

»Und ihr Duft?«

Der Naat steckte die vorbereitete Pflanze in die Halterung in der Tischmitte, die wie ein natürlich gewachsener, poröser Felsbrocken aus rostfarbenem Gestein wirkte. »Er bedeutet mir nicht viel, denn mir fehlen die Rezeptoren für die feinen Nuancen. Ich hätte Mühe damit zu unterscheiden, ob eine Blume für dich gut riecht oder womöglich stinkt. Zum Glück werden in den Elysäischen Gärten nur Pflanzen mit für alle hier lebenden Völker angenehmen Duftstoffen kultiviert.«

Unwillkürlich atmete Sabru durch. Sämtliche Frischluft auf der Werft HEPHAISTOS durchlief die Elysäischen Gärten, ehe sie in die Verteiler kam. Sie trug daher stets Eindrücke von dort mit sich; den Duft eines Sommerregens auf einer aufblühenden Wiese, den nach frisch gemähtem Gras, nach den Blüten der Obstbäume oder eine Ahnung der betörenden Aromen der Nachtorchideen.

Wenn einem das nicht reichte, konnte man die Gärten auch leibhaftig besuchen. Obwohl die halbkugelige Wohnkuppel an der Unterseite der Werft drei Kilometer durchmaß, dauerte dank der guten Vernetzung mit Antigravschächten, Expressbahnröhren und Transportbändern kein Weg sonderlich lang.

Die Elysäischen Gärten im oberen Kuppelbereich waren daher jederzeit gut besucht. Trotzdem war es nicht schwer, in der weitläufigen und abwechslungsreichen Parklandschaft ein Fleckchen für sich zu finden. Sabru nutzte diese Möglichkeit oft und gerne, allein und mit anderen.

»Weißt du mehr darüber, warum HEPHAISTOS das aktuelle Ziel anfliegt?«, fragte Kloog.

Sabru schüttelte den Kopf. »Es scheint eine Geheimsache höchster Stufe zu sein. Ich hoffe, wir geraten dadurch nicht alle in Gefahr.«

»Du bestimmst die Sicherheitsvorkehrungen der Werft. Es liegt in deiner Hand, wie viel Gefahr für wen besteht.«

Sabru machte eine Kopfbewegung zum Holo. »Wie man sieht, gibt es durchaus Fälle, die für mich schwer berechenbar sind. Für alles Vorhersehbare richte ich die bestmöglichen Antworten ein. Ob es reicht ... das kann nur die Zeit zeigen.«

Sie griff nach einer Blume. Kloog stieß einen Warnton aus, aber da spürte Sabru bereits den Stich. Hastig zog sie die Hand zurück und machte dabei die Sache noch schlimmer, denn der Stachel schrammte über ihre Haut. Sie hob den Finger unwillkürlich in ihr Blickfeld, obwohl sie es besser wissen musste. Eine Reihe winziger Blutperlen bildete sich entlang des Risses in der Haut. Sabru spürte, wie ihr Herzschlag sich unvermittelt schmerzhaft beschleunigte.

»Sieh nicht hin«, hörte sie Kloog sagen. Es klirrte, als hätte er sein Messer fallen gelassen, und im nächsten Augenblick wurde ihr etwas von hinten gegen die weichen Knie geschoben.

Sofort knickte sie ein und fiel auf den Stuhl. Ihre Hand sank herab. Sie schloss die Augen und kämpfte mit bewussten Muskelkontraktionen und Atemübungen gegen die aufkommende Ohnmacht an.

Verdammte Hämatophobie, dachte sie. Verdammtes ekhonidisches Erbgut. Warum nur habe ich meine Handschuhe ausgezogen ...

Sie gab sich die Antwort selbst. »Das«, flüsterte sie, »habe ich nicht kommen sehen.«

*

Anderswo

»Sichu Dorksteiger. Ich begrüße dich. Du hast die Paralyse offenkundig ohne Nachwirkungen überstanden.«

»Hallo Ariel. So ist es.« Sichu nickte dem Posbi zu, der vor der Zentrale auf sie wartete. Es war ruhig in dem breiten und hell erleuchteten Gang, niemand nutzte eines der Laufbänder oder die Wege daneben. Die einzige Bewegung kam von den Holopflanzen, die inzwischen ihren Weg in fast jeden nicht genutzten Winkel der RAS TSCHUBAI gefunden hatten. Sanft schwangen sie in einem imaginären Wind.

Sichu betrachtete Ariel und fragte sich zum wiederholten Mal, warum ausgerechnet ein den Terranern so skeptisch gegenüberstehender Posbi wie er einen Körper gewählt hatte, der so stark auf humanoidem Körperbau basierte, wie das sonst bei kaum einem Posbi der Fall war. War diese Entscheidung eher den positronischen Schaltkreisen oder dem biologischen Plasmaanteil in seinem Denkzentrum entsprungen? Eine interessante Frage.

Andererseits sah Ariel mit seinen silbrig grauen, glatten Metallplastoberflächen und -gelenken sowie den besonders im Halsbereich offen liegenden türkisblauen Biomolplast-Fasersträngen eigentlich eher wie ein Roboter aus, der lediglich nach menschlichem Vorbild gebaut worden war. Vielleicht war es gerade dieser Kontrast, den er angestrebt hatte. Aber was genau wollte er damit aussagen?

Sie machte eine auffordernde Handbewegung und trat auf ein Laufband. Ariel folgte ihr.

»Was weißt du über die Zain-Konstrukte?«, fragte sie.

»Wieso denkst du, dass ich etwas über sie wissen müsste?«

Sichu seufzte. »Ist das nicht offensichtlich? Du bist ein Posbi, und zwar ein so hoch geachteter unter deinesgleichen, dass die Posbis der RAS TSCHUBAI dich nach Jiqirens Abgang zu ihrem Sprecher gewählt haben.«

»Was nicht viel bedeutet, wenn man bedenkt, dass die meisten Posbis gemeinsam mit Jiqiren gegangen sind.«

Sichu runzelte die Stirn. »Mach dich nicht kleiner, als du bist. Außerdem tut das nichts zur Sache. Die Posbis sind schon seit irgendwann vor 1552 NGZ mit den Zain-Konstrukten in der Union Positronisch-biologischer Zivilisationen verbündet. Seit wann genau eigentlich?«

»Das ist nicht relevant.«

»Nicht? Für wen?«, fragte Sichu. »Wir finden es durchaus relevant, zu wissen, wie lange ein Bündnis bereits besteht. Es gibt Auskunft darüber, wie tief die Verbindung geht – und in diesem speziellen Fall auch, wie lange Heimlichtuerei betrieben wurde.«

»Wen genau meinst du mit ›wir‹, Sichu Dorksteiger? Du bist eine Ator und stammst aus einer Galaxis, die so weit weg ist, dass sie seit dem Wegfall des Polyport-Systems nicht mehr erreichbar ist. Du zählst somit nicht zu den Terranern, nicht zu den Milchstraßenvölkern, nicht zu denen der Lokalen Gruppe. Du stammst nicht einmal aus dem gleichen Supercluster. Das macht es mir schwer, abzuschätzen, von welcher Gruppe du sprichst.«

»Es sollte dir nicht entgangen sein, dass ich in die Liga Freier Galaktiker eingebürgert wurde«, entgegnete Sichu. »Sonst hätte ich kaum deren Chefwissenschaftlerin werden können. Ich gehöre somit zur Gruppe der Liga-Bürger, und du kannst getrost davon ausgehen, dass es diese Gruppe ist, von der ich spreche, wenn ich ›wir‹ sage.«

»Ah. Und ich dachte, du sprächest vielleicht bloß von dir und Perry Rhodan als einer durch Vertragsbindung geschaffenen Gruppe. Sag mir eines, Sichu Dorksteiger: Wenn du deinen Partner gebeten hättest, eure Verbindung vorerst geheim zu halten, selbst gegenüber seinen engsten Freunden, mit denen er seit Jahrtausenden die relative Unsterblichkeit teilt – hätte er dich dann mit einer Ablehnung brüskiert und den neu geschlossenen Bund aufs Spiel gesetzt?«

Die Wendung des Gesprächs warf Sichu für einen kurzen Moment aus der Bahn. Nach kurzem Nachdenken antwortete sie: »Er hätte auf jeden Fall eine Erklärung gefordert, ehe er das entschieden hätte.«

»Und wenn diese Erklärung solcher Natur gewesen wäre, dass du sie ihm nicht hättest geben wollen? Stellen wir uns vor, du hättest nicht gewollt, dass man dir gewisse wissenschaftliche Meriten nur deines Partners wegen verleiht. Gleichzeitig würdest du aber fürchten, dass er, wenn er diesen Grund kennen würde, unbewusst erst recht seinen Einfluss einsetzen würde, um dich zu fördern, weil er den Zeitpunkt herbeisehnte, an dem ihr offen zueinanderstehen könntet. Würdest du ihm unter solchen Umständen nicht die Erklärung verweigern und erwarten, dass er dir einfach vertraut?«

Dieses Mal musste Sichu länger nachdenken. Ariel bewies eine erstaunliche Einsicht in menschliches Denken – egal, ob der Mensch Terraner oder Ator war. So weit waren diese beiden Völker nicht auseinander, obwohl es keinerlei nachgewiesene Verwandtschaft gab.

»Wisst ihr inzwischen, warum die Zain-Konstrukte um Stillschweigen gebeten haben?«

Ariel neigte den Kopf in einer ruckartigen Bewegung etwas zur Seite, als wollte er sie aus einer anderen Perspektive betrachten. »Vielleicht wissen es die Posbis dieser