Perry Rhodan 2948: Sunset City - Verena Themsen - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan 2948: Sunset City E-Book und Hörbuch

Verena Themsen

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Beschreibung

Gut dreitausend Jahre in der Zukunft: Perry Rhodans Vision, die Milchstraße in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln, lebt nach wie vor. Der Mann von der Erde, der einst die Menschen zu den Sternen führte, möchte endlich Frieden in der Galaxis haben. Unterschwellig herrschen immer noch Konflikte zwischen den großen Sternenreichen, aber man arbeitet zusammen. Das gilt nicht nur für die von Menschen bewohnten Planeten und Monde. Tausende von Welten haben sich zur Liga Freier Galaktiker zusammengeschlossen, in der auch Wesen mitwirken, die man in früheren Jahren als "nichtmenschlich" bezeichnet hätte. Besucher aus anderen Galaxien suchen Kontakt zu den Menschen und ihren Verbündeten. Derzeit machen vor allem die Thoogondu aus der Galaxis Sevcooris von sich reden, einst ein von ES erwähltes und dann vertriebenes Volk. Dazu gesellen sich die Gemeni, die angeblich den Frieden in der Lokalen Gruppe im Auftrag einer Superintelligenz namens GESHOD wahren wollen. Hinzu kommt Adam von Aures, dessen Ziele, Methoden und Absichten nach wie vor unklar sind. Derzeit sucht er scheinbar nach einem Mittel, die Existenz eines Perry Rhodan zu sichern, der aus den Enklaven Wanderers stammt. Sein Anlaufpunkt dabei ist SUNSET CITY ...

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Zeit:4 Std. 2 min

Sprecher:Renier Baaken
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Nr. 2948

Sunset City

Sie sind die besten Wissenschaftler der Liga – sie arbeiten an einem ungeheuerlichen Projekt

Verena Themsen

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog: Dämmerland

1. Begegnungen

2. Abendstadt

3. Forscherland

4. Leben in der Büchse

5. Fallenlauf

Epilog: Freifliegen

Report

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

Gut dreitausend Jahre in der Zukunft: Perry Rhodans Vision, die Milchstraße in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln, lebt nach wie vor. Der Mann von der Erde, der einst die Menschen zu den Sternen führte, möchte endlich Frieden in der Galaxis haben.

Unterschwellig herrschen immer noch Konflikte zwischen den großen Sternenreichen, aber man arbeitet zusammen. Das gilt nicht nur für die von Menschen bewohnten Planeten und Monde. Tausende von Welten haben sich zur Liga Freier Galaktiker zusammengeschlossen, in der auch Wesen mitwirken, die man in früheren Jahren als »nichtmenschlich« bezeichnet hätte.

Besucher aus anderen Galaxien suchen Kontakt zu den Menschen und ihren Verbündeten. Derzeit machen vor allem die Thoogondu aus der Galaxis Sevcooris von sich reden, einst ein von ES erwähltes und dann vertriebenes Volk. Dazu gesellen sich die Gemeni, die angeblich den Frieden in der Lokalen Gruppe im Auftrag einer Superintelligenz namens GESHOD wahren wollen.

Hinzu kommt Adam von Aures, dessen Ziele, Methoden und Absichten nach wie vor unklar sind. Derzeit sucht er scheinbar nach einem Mittel, die Existenz eines Perry Rhodan zu sichern, der aus den Enklaven Wanderers stammt. Sein Anlaufpunkt dabei ist SUNSET CITY ...

Die Hauptpersonen des Romans

Mar Tulek – Eine junge Frau will nicht erwachsen werden.

Adam von Aures – Der Adaurest infiltriert ein wichtiges Forschungszentrum.

Perry Rhodan – Der Terraner möchte sich zu erkennen geben.

Alban Monutariu und Basil Oberg

Prolog

Dämmerland

Mar spürte den Wind, den Strom und die Turbulenzen um sich und unten in den Tälern und der Ebene. Sie reckte sich, trat mit weit ausgebreiteten Armen an die Felskante und ließ sich nach vorne fallen. Der Sturm fing sie auf und trug sie mit sich.

Jede Änderung ihrer Körperhaltung, jede Muskelbewegung löste ein Gewitter schwacher Lichtblitze aus, die in Hunderten Filamentfasern das hauchfeine Nanoweave-Doppellagengewebe der Dämmerwindschwingen durchliefen. Sie steuerten Hunderte verteilte Kontraktionszentren an, die ihre Energie piezoelektrisch aus der Luftströmung bezogen und sie nutzten, um mit Mikrospannungen das umliegende Gewebe so zu formen, wie Mars Körper es verlangte.

Sie wusste genau, was sie brauchte, um die Dämmerwinde zu zähmen und ihnen Auftrieb zu entnehmen. Nur an der Grenze zwischen Tag und Nacht war es überhaupt möglich, der dünnen Atmosphäre ausreichend Schub zu stehlen. Nur dort steckte genug Energie in ihren Winden.

Energie, die von der roten Riesensonne Bolo stammte, die über der Tagseite des Planeten flammte. Sie erhitzte die dünne Atmosphäre und trieb sie von sich weg zur Eiseskälte der Nachtseite, wo ein Großteil kondensierte, um am nächsten Morgen wieder in die Atmosphäre aufzusteigen.

Aber in der Dämmerzone, wo Licht und Schatten, Hitze und Frost aufeinanderstießen, entlud sich die Energie in rasend schnellen Luftströmungen, die sich an den Felsen von aufgewölbten Bruchkanten und Meteoritenkratern brachen und wahre Stürme entfachten.

Die Projektionsfläche vor Mars Gesicht vermittelte ihr Daten über die umgebenden Strömungen innerhalb ihres Sichtfeldes. Nach einem schnellen Rundblick formten ihr Wissen und ihre Erfahrung daraus ein umfassendes Bild der Strömungsverhältnisse und der zu erwartenden Entwicklung. Sie fand einen Wirbel, passte die Stellung der Schwingen an und ließ sich darin nach oben tragen. Höher und höher schraubte sie sich und beobachtete, wie Bolos Scheibe für sie zwischen den Gipfeln der nahen Bergkette aufging.

Die Verdunkelung wurde aktiv, dämpfte das unerträgliche Strahlen zu einem warmen Rotgold voller Sommersprossen. Das erhabene Rund einer Protuberanz erhob sich über dem Rand der Scheibe und griff hinaus in den Raum, als wollte sie ihn zu sich ziehen.

Oder als strebte sie selbst hinaus, fort ... zu fremden Sternen.

Mar unterbrach ihren Steigflug, um den Anblick weiter zu genießen, richtete die Schwingen ohne bewusste Anstrengung neu aus und schlug sie eben so, dass sie sie an der Stelle hielten – ein Engel in einer Aurora aus Sonnenlicht, hätte man sie von hinten betrachtet.

Ein Engel der Technik, mit riesigen Flügeln und Schweifschwingen, dachte Mar belustigt. Unwillkürlich kam ihr die vierte Techno-Mahdische Losung in den Kopf: Wenn Engel in die Geschichte eintreten, werden sie Maschinen sein.

Für Mar waren die Dämmerwindschwingen oder -segler wie Engel, die ihr die Erlösung gebracht hatten; die Befreiung von den Fesseln eines bodengebundenen Lebens, und gleichzeitig die Segnung mit einem Sinn, einem Ziel. Sie wollte die Beste sein ... nein, mehr als das. Sie wollte eins sein. Wollte sein. Sie wollte sein, was sie in ihrem Inneren spürte. Den Weg dahin hatte sie erst begonnen, aber sie würde ihn verfolgen, egal welche Widerstände und Schwierigkeiten sich auftäten.

Sie spürte die Veränderung im Wind nur einen Sekundenbruchteil, bevor ihre rechte Schwinge sich einfaltete und sie selbst den Halt verlor. Die Wut über sich selbst und ihre Unaufmerksamkeit brach sich in einem wilden Aufschrei Bahn. Während sie trudelnd zwischen flatternden Bahnen stürzte, spannte sie den Körper an, um den Bahnen wieder die notwendige Festigkeit zu verleihen und den Fall zumindest zu bremsen. Mit einem kurzen Blick löste sie gleichzeitig die Notrufschaltung aus.

Auf Rettung konnte sie sich nicht verlassen, Sunset City war zu weit entfernt, und außerhalb gab es kaum jemanden, der ihr zu Hilfe eilen konnte.

Last Hope, dachte sie. Meine letzte Hoffnung bin wohl nur ich selbst.

Sie erahnte die rasch näher kommenden Felskanten des Wallgebirges mehr, als sie sie sah. Es war ihr gelungen, die inneren Teile der Bahnen etwas aufzublähen und damit das Trudeln in einen kontrollierteren, gleitenderen Sturz zu überführen, der sie über den Grat hinwegtrug – in eines der Täler zwischen den aufgewölbten Felskanten des riesigen Kraters.

Immer wieder kamen die langen Schwingen sich selbst in die Quere, blockten Luftströme ab und nahmen Mar die Sicht. Zwar übermittelten die entlang der Schwingen und ihrem Körper verteilten Mikrosensoren ihr weiterhin über das Display alles, was sie wissen musste. Trotzdem erschwerte das Flattern und Wirbeln die Orientierung.

Ein Ruck ging durch ihre rechte Schwinge, als sie eine Felskante touchierte. Mar spürte den Riss wie am eigenen Körper und schrie den Schmerz hinaus. Nur am Rand bemerkte sie einen großen Schatten.

Die Felsen. Sie sind viel näher, als ich dachte ...

Kurz flackerte Panik in ihr auf. Sie unterdrückte sie, spannte sich erneut an. Mit einem Aufbäumen ihrer Muskulatur gelang es ihr endlich, die Schwingen wieder voll zu entfalten.

Sofort verlagerte sie ihren Körper, um die eingerissene Schwinge möglichst zu entlasten, doch der Riss hatte sich bereits erweitert.

Sie ging in eine weite Kurve, trudelte und sah erneut den Felsboden. Er kam viel zu schnell näher.

Ein Gleiter, schoss es ihr plötzlich durch den Sinn. Ich habe einen Gleiter gesehen!

Er musste sich bei ihrem Notruf bereits irgendwo in der Nähe befunden haben. Aber wenn es nicht zufällig ein Rettungsgleiter mit einem Traktorstrahl war, würde ihr das wenig helfen.

Sie warf sich zur Seite, um einem Felsvorsprung auszuweichen, nahm dabei in Kauf, dass die angeschlagene Schwinge für einen Moment in sich zusammenfiel. Als sie sie vorsichtig streckte, klaffte der Riss weiter auseinander. Mar stiegen Tränen in die Augen.

Meine Schwingen ... ich darf sie nicht verlieren!

Sie kämpfte, balancierte auf dem schmalen Grat zwischen Flug und Sturz, und sie wusste, dass sie es nicht schaffen würde. Selbst wenn sie verhindern konnte, dass der Riss sich weiter öffnete, würde der Aufprall am Boden mit solcher Wucht erfolgen, dass alles umsonst war.

Sie registrierte erneut die größere Masse. Sie näherte sich von hinten und verlieh der Luft unter Mar neue Aufwärtsströmungen. Mar nutzte sie, um etwas an Höhe zu gewinnen, richtete sich gleichzeitig auf und wand die Schwingen in Bremsstellung. Der graue Schatten, der von hinten herangeschossen kam, glitt nur wenige Meter unter ihr vorbei, verlangsamte seinen Flug und schob sich langsam wieder unter sie.

Der Gleiter.

Sie konnte es kaum glauben. Was für ein aberwitziger Pilot hatte sich zwischen die Felsen gewagt, nur um sie abzufangen?

Keine Zeit für Fragen. Jetzt sind wir aufeinander angewiesen ...

Sie lehnte sich nach vorne, balancierte erneut die Luftströmungen so gut es ging zwischen den Schwingen aus und initiierte einen taumelnden Sinkflug. Die Gleiteroberfläche kam in greifbare Nähe, und das Luftpolster darüber half ihr, sich zu stabilisieren. Mar bewunderte, mit welcher Sicherheit der Pilot jede ihrer Schwankungen vorauszuahnen schien – als wäre er selbst bestens mit den Auswirkungen von Winden und Strömungen auf ein trudelndes Objekt vertraut.

Endlich konnte sie einen schmalen, flossenartigen Vorsprung auf dem Dach packen, über dessen Sinn und Zweck sie sich keine weiteren Gedanken machte. Vielleicht verbarg sich darin ein Prallfeldprojektor, oder er diente in dichterer Atmosphäre einer besseren Windschnittigkeit. Im Moment war er ihr Lebensretter.

Mühsam, Stück für Stück, faltete und rollte Mar mit kontrollierten Muskelanstrengungen die Schwingen ein. Die rechte Schwinge bildete einen hässlichen Packen, in dem sich weiterhin Fahrtwind fing, doch sie hatte keine Hand frei, um den Stoff weiter heranzuziehen und zu verdichten. Sie wusste, dass es sinnvoll gewesen wäre, die Notöffnung zu aktivieren und die Schwingen wegfliegen zu lassen, damit sie nicht mehr an ihr rissen. Aber sie konnte es nicht.

1.

Begegnungen

Nachdem der Gleiter zwischen einigen Felsbrocken am Rand des Kraterwalls gelandet war, dauerte es einige Atemzüge, ehe Mar es schaffte, ihre Finger von ihrem Halt zu lösen. Als Erstes desaktivierte sie die Notrufschaltung und sendete stattdessen das Signal für »Situation unter Kontrolle, keine Verletzten«. Erst dann öffnete sie das Netz, das ihren Anzug mit den Schwingen verband, setzte sich auf und faltete die schadhafte Schwinge zusammen. Es tat ihr weh, die Gewebefetzen und heraushängenden Fasern zu sehen.

Unter ihr glitt die Gleitertür auf. Jemand in einem Schutzanzug stieg aus und starrte zu ihr hoch. Im Dämmerlicht konnte Mar kaum den Kopf in dem Transparenthelm sehen, geschweige denn ein Gesicht erkennen.

»Mar, bist du das etwa?«

Eine männliche Stimme. Sie kannte sie irgendwoher, und der Besitzer der Stimme kannte offenbar sie. Trotzdem reagierte sie nicht gleich, sondern konzentrierte sich erst einmal darauf, den langen und sperrigen Packen, den sie aus dem hauchfeinen Gespinst gebildet hatte, mit Haftriemen zusammenzuschnüren. Erst als sie damit fertig war, blickte sie wieder nach unten.

Eine zweite Gestalt hatte sich zu der ersten gesellt. Das rote Dämmerlicht schimmerte auf weißem Haar; vermutlich war die Person entweder alt oder ein Arkonide, denn zurzeit war Weiß keine Modefarbe. Die beiden unterhielten sich, aber auf der Standardfrequenz war nichts zu hören. Mar startete einen Suchlauf. Keinen Atemzug später hörte sie die Stimmen zweier Männer in ihrem Empfänger.

»... ein Risiko. Bist du dir denn ganz sicher? Andernfalls ...« Das war die Stimme des Weißhaarigen. Sie klang angenehm und definitiv nicht alt, hatte aber einen Tonfall, der Mar nicht recht gefallen wollte.

»Ich bin sicher, dass es Mar ist«, fiel der Erste dem anderen ins Wort. »Wer sonst wäre so verrückt, alle Sicherheitsschaltungen zu desaktivieren?«

Das war die vertraute Stimme. Ihr fiel ein, zu wem sie gehörte: dem Hyperfunkspezialisten Pain Faaling. Bei genauerem Hinsehen glaubte sie das schmale Gesicht und den kurz geschorenen, aschblonden Schopf im Helm zu erkennen.

»Danke für das Kompliment, Pain«, sagte sie. »Aber ganz so blöd bin ich doch nicht. Das Prallfeld hätte rechtzeitig gezündet. Keine Gefahr für Leib und Leben also, nur für das Material. Aber mit den Sicherheitsschaltungen ist ein freies Fliegen fast unmöglich.«

Sie griff sich den Packen mit den Schwingen und rutschte vom Gleiterdach. Als sie am Boden ankam, wurde ihr plötzlich schwindelig. Der Packen glitt aus ihren Händen, und sie ging in die Knie. Erst dabei bemerkte sie, dass ihr Körper sich anfühlte, als wäre sie unter eine Gravowalze geraten.

»Idiotisch«, wiederholte Faaling kopfschüttelnd, griff ihre Hand und zog sie hoch. »Ab in den Gleiter mit dir! Ich rufe deinen Onkel an. Wir können ihn ohnehin gut brauchen.«

Mar widersetzte sich seinem Griff nur kurz, um den Dämmerseglerpack aufzuheben, und stolperte dann gehorsam in das enge Gleiterinnere. Pain und der andere Mann folgten direkt.

Drinnen wartete auf dem Pilotensitz eine dritte Person, wie Pain und der andere Fremde in einem Schutzanzug. Der Gleiter war zu klein für eine Schleuse, daher war das notwendig. Andernfalls riskierte man selbst bei kurzer Öffnung, in Last Hopes dünner Atmosphäre zu ersticken oder den extremen Temperaturen zum Opfer zu fallen. Ungewöhnlich war allerdings, dass der Helm auf Verspiegelung gestellt war, als hätte die Person darunter vor, in die Sonne zu schauen – oder als gäbe es etwas zu verbergen.

»Hey! Bist du diese irren Manöver geflogen?«, grüßte Mar ihn auf der Standardfrequenz.

Ihr Gegenüber reagierte nicht. Pain drückte sich an ihr vorbei und setzte sich auf den Co-Pilotensitz, Mar ließ sich mit einem Schulterzucken in einen der beiden Passagiersessel des kleinen Gleiters fallen und schob ihr Schwingenbündel vorsichtig zwischen sich und die Außenwand.

Pain aktivierte das Funkgerät und gab Teo Taurens Kennung durch. Es war Mar zwar nicht sonderlich recht, dass ihr Onkel von ihrem Unfall erfahren sollte, aber es hätte sich ohnehin nicht lange vermeiden lassen. Besser, als wenn ihre Mutter davon erfuhr. Teo verstand sie und ihre Experimentierfreudigkeit. Er verschaffte ihr auch immer wieder Praktika in den Labors und sorgte dafür, dass sie eine breitere technische Weiterbildung erfuhr, als sie sie in der Hochschule bekommen konnte.

Der andere Fremde schloss inzwischen die Gleitertür und setzte sich neben sie. Mar beobachtete die Innendruck- und Temperaturanzeigen. Kaum wechselten die Indikatoren auf Gelbgrün, warf sie ihren Helm zurück und schüttelte das schweißfeuchte Haar aus.

»Ein Mädchen!«

Es dauerte einen Moment, bis Mar den erstaunten Ausruf dem verspiegelten Helm zuordnen konnte – der Stimme nach ein Mann.

»Ich bin eine junge Frau, das hast du schlau erkannt«, sagte sie mit gerunzelter Stirn. »Was genau daran verwundert dich so?«

»Nichts ...« Der Mann griff sich an den Helm. »Manchmal kommt in mir einfach der Hinterwäldler hoch, der von einer Welt stammt, in der Frauen selten solche waghalsigen Hobbys hatten.«

»Das muss aber eine verdammt hinterwäldlerische Gegend sein«, schnaubte Mar.

Pain unterbrach ihr Geplänkel. »Teo ist unterwegs. Wir werden ihm entgegenfliegen. Ich habe die Koordinaten.«

Während der Gleiter wieder abhob und einen südlichen Kurs einschlug, musterte Mar den anderen Fremden. Er war tatsächlich ein Arkonide mit typischen roten Augen und weißem Haar, das er klassisch lang trug. Nicht so klassisch war allerdings der weiße Bart, der sein Gesicht zierte.

»Hey«, sagte sie. »Ich bin Mar. Mar Tulek, um genau zu sein. Und wem außer dem alten Pain verdanke ich meine Rettung?«

Der Arkonide lachte kurz auf; ein angenehmer, samtiger Laut. »Ich habe dazu nicht viel beigetragen, eher sogar im Gegenteil. Ich war mir sicher, dass du es auch ohne uns schaffen würdest.«

»Und du hast in mir ein Risiko gesehen«, stellte sie fest. »Warum? Und welches ›andernfalls‹ hast du im Sinn gehabt?«

Er betrachtete sie aufmerksam. »Du hast eine schnelle Auffassungsgabe, scheinst aber nicht besonders klug zu sein, wenn du mir deine Erkenntnisse so direkt präsentierst. Für mich ist nicht abschließend geklärt, ob du ein Risiko bist oder nicht.«

»Kein Grund, unhöflich zu sein. Ich habe mich dir vorgestellt.«

Seine Mundwinkel zuckten. »Khono da Khayd. Angenehm.«

»Soso, Hochadel. Ich fühle mich geehrt, dass mich so wichtige Personen mit ihrer Aufmerksamkeit bedenken. Und der andere? Warum versteckt er sich? Ist es der Zhdopandel persönlich?«

»Nicht ganz, aber dicht dran.«

Mar verschränkte die Arme. »Und darum bin ich ein Risiko? Weil ich weiß, dass angeblich wichtige Leute hier sind? Dann war es nicht sonderlich schlau, mir das so direkt zu präsentieren, hm?«

»Touché«, sagte da Khayd. »Sieh es als Vertrauensbeweis gegenüber Pain Faaling, der dich als vertrauenswürdig bezeichnet hat.«

»Und ihm vertraust du?«

»Das tue ich. Ihn und mich verbindet etwas.«

Mar stutzte, dann machte sie langsam eine Handbewegung. »Das ist eine besondere Technik«, sagte sie. »Kennst du sie?«

Dieses Mal wirkte sein Lächeln offener. »Recht gut, denn sie hat mich schon einmal gerettet. Ich sehe, jemand hat dich bereits in ein paar Geheimnisse des Techno-Mahdi eingeführt. Warst du das, Pain?«

Der Hyperfunkspezialist sah kurz zu ihnen nach hinten. »Nein, ihr Onkel Teo. Wie du siehst, vertraut er ihr ebenfalls.«

»So sieht es aus. Dann will ich eurem Urteil ebenfalls vertrauen.«

Mar setzte sich auf. »Bist du hier, um eine Aktion der hiesigen Gruppe zu unterstützen? Oder hast du selbst etwas im Sinne des Techno-Mahdi vor? Es gibt hier viele Unterstützer, in allen Labors und aus allen möglichen Fachgebieten. Was ist dein Spezialgebiet?«

Pain Faaling grinste den Fremden an. »Ich rate dir, den Jak aus der Kiste zu lassen. Du kannst ihr wirklich vertrauen, vor allem, wenn du ihr die Wahrheit sagst.«

»Hm.« Mar fand sich einer eingehenden Musterung durch die roten Augen ausgesetzt. Sie wich dem Blick nicht aus, sondern reckte herausfordernd das Kinn vor.

»Also gut«, sagte er schließlich. »Ich war tatsächlich bislang nicht ganz ehrlich. Mein Name ist nicht Khono da Khayd. Ich nenne mich in Wirklichkeit Adam. Adam von Aures, um genau zu sein, oder auch Auream.«

Mar konnte nicht verhindern, dass ihr die Kinnlade sank. Mit weiten Augen starrte sie ihr Gegenüber an.

»Auream?«, sagte sie und verfluchte ihre wackelige Stimme. »Der Auream? Der tagelang die Leuchtschriften über den Casinos von Lepso die Techno-Mahdischen Losungen formen ließ? Und diese Zurück-zur-Natur-Nostalgiker auf Lilljan bloßgestellt hat durch Fehlfunktionen all ihrer versteckten Gadgets? Und der die Landolf-Petition zur Gleichstellung von künstlichen Intelligenzen in Schillerfarben im Galaktikum in die Wand eingeätzt hat, um ihr mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen? Und ...«

»Nett, dass du mir solchen Altruismus unterstellst«, unterbrach sie der Arkonide mit amüsiertem Gesichtsausdruck. »In Wirklichkeit hat es einfach nur Spaß gemacht, die Lücken auszunutzen.«

Mar schnaubte. »Aber der Freiheitsflug der Biopositroniken! Das war das erste in der breiten Öffentlichkeit wahrgenommene Statement zur zweifelhaften Moral des verbreiteten herabwürdigenden Umgangs mit fühlenden künstlichen Intelligenzen! Das kannst du nicht einfach nur aus Spaß initiiert haben!«

Er zuckte die Achseln. »Das Netzwerk auf Morvenna hatte den Plan schon entworfen. Sie wollten diese Aussage machen, nicht ich. Ich habe mit meinen Möglichkeiten die Dinge nur ein wenig ... beschleunigt.«

»Und deutlich erweitert!«

»Es ergab sich.« Er lächelte. »Damals hat es mich überrascht, wie schnell sich das Ganze im Anschluss im Netzwerk herumgesprochen hat.«

Mar hob die Augenbrauen. »Wir mögen alle Individualisten sein, aber schneller Informationsaustausch war schon immer wichtig bei dem, was wir tun. Nur wenn die richtigen Leute sich zur richtigen Zeit scheinbar zufällig zusammenfinden und auf Basis guter Informationen ohne Verzögerungen die richtigen Dinge tun können, bevor sie wieder auseinandergehen, laufen Aktionen reibungslos und ohne das Netzwerk zu kompromittieren.«

»Faszinierend, zu wie viel Disziplin und Präzision die quersten Köpfe der Milchstraße manchmal fähig sind, oder?«, sagte Adam. »Ich arbeite allerdings trotzdem lieber allein. – Aber mach ruhig weiter mit der Aufzählung meiner Heldentaten. Ich war zwar dabei, aber irgendwie werden sie nie langweilig.«

Mar schluckte. Zum ersten Mal wurde ihr bewusst, warum sie so stachelig auf den Mann reagiert hatte. Es waren nicht nur seine Worte gewesen, sondern auch dieses ... Gefühl. Diese Ausstrahlung, der sie nicht zum Opfer hatte fallen wollen. Etwas Weltgewandtes, Erfahrenes, Beeindruckendes. Und gleichzeitig eine enervierende Selbstsicherheit, fast schon Arroganz, die ihr gegen den Strich ging. Wie sie nunmehr wusste, war sie aber nicht unbegründet. Dieser Mann hatte wirklich etwas auf dem Kasten und konnte stolz auf seine Leistungen sein.

Sie schloss den Mund und nickte knapp. »Ich glaube dir.«

Anschließend biss sie sich auf die Unterlippe, um nicht mehr zu sagen, und wandte den Kopf ab. Aber vermutlich hatten ihre Augen ohnehin bereits alles verraten, was sie lieber verborgen gehalten hätte.

Lächerliche Heldenverehrung! Das ist nicht techno-mahdisch! Bleib kritisch!

Es tröstete sie kaum, zu wissen, dass sie nicht die Einzige war, die in Bewunderung verfiel, wenn es um Adam von Aures ging. Er hatte sich mit mehreren außergewöhnlichen Aktionen in den vergangenen Jahren einen geradezu legendären Ruf in den Reihen des Techno-Mahdi erarbeitet. Sie hatte die Berichte über ihn mit Spannung verfolgt, seit ihr Onkel sie vor zwei Jahren eingeweiht hatte, und wusste, dass Adam sich bei vielen das Höchstmaß an Respekt erworben hatte, das man beim Techno-Mahdi erhalten konnte.

Warum also sollte sie weniger begeistert tun?

Sie brauchte dringend etwas Ruhe, seufzte tief und schloss die Augen.

*

Als Mar hochschreckte, hatte der Gleiter bereits wieder aufgesetzt. Die Landung selbst war offensichtlich butterweich erfolgt; es musste das plötzliche Fehlen der schwachen Vibrationen von der Kühlung der Antigravtriebwerke gewesen sein, das sie geweckt hatte. Durch die Glassitscheiben sah sie eine graue, felsige Hochebene im leicht verwaschenen Dämmerlicht. Sie waren noch immer in der Terminatorzone.

Ein anderer Gleiter landete eben. Er war deutlich geräumiger und trug die offiziellen Insignien von Sunset City. Das musste Onkel Teo sein.

»Helme zu!«, sagte Pain Faaling, griff an den Kragen seines Anzugs und aktivierte gleichzeitig bereits die Öffnungssequenz. Mar folgte der Aufforderung hastig.

»Teo übernimmt euch alle«, sagte Pain, als die Tür schließlich aufglitt. »Ich fliege in die Stadt zurück. Ich wünsche euch alles Gute, und falls ihr meine Hilfe braucht, wisst ihr ja, wo ihr mich findet.«

Adam nickte in Pains Richtung, und Mar winkte kurz. Sie bemerkte den Blick, den Pain dem Mann mit dem verspiegelten Helm zuwarf. Offensichtlich wusste auch er nicht, wer das war; aber innerhalb des Techno-Mahdi stellte man keine Fragen. Je weniger man über geplante Aktionen anderer wusste, umso weniger konnte man versehentlich ausplaudern.

Teo Taurens Gleiter war größer und hatte eine Prallfeldschleuse. Das hatte den Vorteil, dass man sofort nach dem Einsteigen wieder den Helm öffnen konnte. Man musste auch nicht auf ein langwieriges Umpumpen der Luft warten.

Trotzdem zögerte Mar einen Augenblick, ehe sie mit einem Seufzen von der kurzen Rampe durch die Türöffnung trat. Die Schleusenschaltung zeigte den Feldwechsel an, und sie machte den nächsten Schritt in das Innere, das mit seinen sechs im Kreis angeordneten, frei beweglichen Kontursesseln eher einem Konferenzraum ähnelte als einem Transportmittel.

Mit gesenktem Blick ging sie nach hinten und verstaute ihren Packen hinter einem Wandpaneel. Erst dann wagte sie sich umzudrehen und dem Blick ihres Onkels zu begegnen.

Teo Tauren hatte die schmalen Augenbrauen fast bis zu seinem schwarzen Haupthaar hochgezogen. Falten kräuselten die Stirn bis in die hohen Geheimratsecken.

»Hast du mir etwas zu sagen, junge Dame?«

Zischend stieß Mar den Atem aus. »Ich habe doch nur ...«

»Nein! So nicht! Ich verstehe langsam, warum deine Mutter dich am liebsten in eurem Appartement einschließen würde. Du gehst unverantwortliche Risiken ein!«

»Aber ...«

»Kein ›Aber‹! Ich kenne deinen Ehrgeiz, und ich weiß, dass du glaubst, die Sicherheitsschaltungen stünden zwischen dir und der absoluten Beherrschung der Schwingen. Aber es ist unverantwortlich, unter solchen Umständen unbegleitet rauszugehen!«

Mar blieb einen Moment der Mund offen stehen, dann atmete sie durch. »Ich hatte Angst, du würdest mir den Flug verbieten«, gab sie zu.