Perry Rhodan 2937: Das Zerwürfnis - Wim Vandemaan - E-Book

Perry Rhodan 2937: Das Zerwürfnis E-Book

Wim Vandemaan

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Beschreibung

Gut dreitausend Jahre in der Zukunft: Perry Rhodans Vision, die Milchstraße in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln, lebt nach wie vor. Der Mann von der Erde, der einst die Menschen zu den Sternen führte, möchte endlich Frieden in der Galaxis haben. Unterschwellig herrschen immer noch Konflikte zwischen den großen Sternenreichen, aber man arbeitet zusammen. Das gilt nicht nur für die von Menschen bewohnten Planeten und Monde. Tausende von Welten haben sich zur Liga Freier Galaktiker zusammengeschlossen, in der auch Wesen mitwirken, die man in früheren Jahren als "nichtmenschlich" bezeichnet hätte. Besucher aus anderen Galaxien suchen Kontakt zu den Menschen und ihren Verbündeten; dazu zählen auch die Thoogondu aus der Galaxis Sevcooris. Einst waren sie in der Milchstraße beheimatet und haben nun den Wunsch geäußert, erneut Kontakt aufzunehmen. Gegenwärtig hält sich Rhodan in ihrem Goldenen Reich auf, wo er auch auf ein Splittervolk der Menschheit gestoßen ist: das Neue Solare Imperium. In der Milchstraße suchen derweil Agenten des TLD und der USO gemeinsam mit Ernst Ellert nach Hinweisen auf ES' tatsächlichen Verbleib und Pläne. Dabei stoßen sie auf ein Dokument, das die Verbindung von ES zu den Thoogondu zeigt. Es beleuchtet DAS ZERWÜRFNIS ...

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Nr. 2937

Das Zerwürfnis

Sie gehören zur Gilde des Gondus – und schmieden ein galaktisches Komplott

Wim Vandemaan

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog

1. Der Medikus von Thoo

2. Die Gilde des Gondus

3. Der Sonnenzähmer

4. Das Komplott

5. Wie tief ist die Nacht?

Epilog

Leserkontaktseite

Glossar

Clubnachrichten

Impressum

Gut dreitausend Jahre in der Zukunft: Perry Rhodans Vision, die Milchstraße in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln, lebt nach wie vor. Der Mann von der Erde, der einst die Menschen zu den Sternen führte, möchte endlich Frieden in der Galaxis haben.

Unterschwellig herrschen immer noch Konflikte zwischen den großen Sternenreichen, aber man arbeitet zusammen. Das gilt nicht nur für die von Menschen bewohnten Planeten und Monde. Tausende von Welten haben sich zur Liga Freier Galaktiker zusammengeschlossen, in der auch Wesen mitwirken, die man in früheren Jahren als »nichtmenschlich« bezeichnet hätte.

Besucher aus anderen Galaxien suchen Kontakt zu den Menschen und ihren Verbündeten; dazu zählen auch die Thoogondu aus der Galaxis Sevcooris. Einst waren sie in der Milchstraße beheimatet und haben nun den Wunsch geäußert, erneut Kontakt aufzunehmen. Gegenwärtig hält sich Rhodan in ihrem Goldenen Reich auf, wo er auch auf ein Splittervolk der Menschheit gestoßen ist: das Neue Solare Imperium.

In der Milchstraße suchen derweil Agenten des TLD und der USO gemeinsam mit Ernst Ellert nach Hinweisen auf ES' tatsächlichen Verbleib und Pläne. Dabei stoßen sie auf ein Dokument, das die Verbindung von ES zu den Thoogondu zeigt. Es beleuchtet DAS ZERWÜRFNIS ...

Die Hauptpersonen des Romans

Ernst Ellert – Der Mann aus der Vergangenheit begegnet dem Wächter von Thoo.

Mahnaz Wynter – Die USO-Agentin schläft.

Opiter Quint und Zau – Ernst Ellerts Begleiter erleben das Zerwürfnis.

Khuulespiu

Prolog

Die Einsatzgruppe um Opiter Quint, den Agenten des Terranischen Liga-Dienstes (TLD), hatte sich auf die Suche nach Hinterlassenschaften der verschollenen Superintelligenz ES begeben. Sie waren einem Hinweis von Homunk gefolgt, dem Gehilfen von ES, und waren zur Canis-Major-Zwerggalaxis geflogen. Dort fanden sie im System der roten Sonne Madurant den Planeten Thoo, damit die Ursprungswelt der Thoogondu, und schließlich – tief in der Kruste von Thoo – das Relais.

Dieses Artefakt sollte das Protokoll des Zerwürfnisses bewahren, Informationen über den Grund, weswegen sich vor Jahrtausenden ES und die Thoogondu zerstritten hatten.

Das Relais gewährte ihnen Zutritt.

Am 13. November 1551 NGZ um 18.23 Uhr Terra Standardzeit gingen Ernst Ellert, Opiter Quint und Zau durch die Querung.

Dies ist ihre Geschichte.

Geisterstimmen:

Helden

Alle meine Helden waren Journalisten. Clark Kent, natürlich, der in seiner Freizeit als Superman die Welt rettet, Lois Lane an seiner Seite und den treuen Jimmy Olsen. Superman habe ich zuerst auf Englisch gelesen, in Heften, die mein Vater von der Arbeit mitgebracht hatte, als Leihgabe von einem Kollegen, der gute Kontakte zu den Amerikanern hatte.

Tim und Struppi sind weitgehend an mir vorbeigegangen, schade eigentlich. Nur die Geschichte um »Le Thermozéro« habe ich gerne, sogar mehrfach gelesen, diese Räuberpistole mit dem Autounfall und der anschließenden Entführung von Kapitän Haddock nach Berlin. – Hunderttausend heulende Höllenhunde!

Natürlich mochte ich Spirou und Fantasio, die aber zunächst bei uns noch anders hießen. Fridolin und Ferdinand, meine ich, und später Pit und Pikkolo. Die Übersetzer glaubten damals offenbar, dass es nichts Lustigeres gäbe als Alliterationen. Echte Schenkelklopfer. QRN ruft Bretzelburg – das ist für mich bis heute eines der großen Kunstwerke des 20. Jahrhunderts.

Immer wieder habe ich versucht, Artikel über diese Wunderwerke im Feuilleton der »Abendpost« unterzubringen. Aber: keine Chance! Stattdessen: Operetten, Opern, manchmal Kino, allenfalls die Lach- und Schießgesellschaft mit Dieter Hildebrandt, Klaus Havenstein und Ursula Herking, Regie: der große Sammy Drechsel, dessen Beruf: Sportreporter, Journalist.

Clark Kent, Tim, Spirou, Fantasio und Sammy Drechsel – später kam noch Fermor hinzu, Patrick Leigh Fermor. Ich weiß nicht mehr, wie oft ich seinen Baum des Reisenden gelesen habe. Drei Mal? Vier Mal?

Auf Englisch, versteht sich.

Seine Reise in die Karibik, zu den Inseln über und unter dem Winde, seine Begegnungen mit den allermerkwürdigsten Kulten der Pocomanen von Kingston, den Voodoo-Anhängern auf Haiti und den Maronen in den Bergen von Jamaika, wo man zum Zeichen des Friedensschlusses die Hüte tauscht – das war für mich das Inbild einer anderen Welt, da sollte es hingehen, irgendwann, raus jedenfalls aus den Redaktionsräumen der »Abendpost«, wo der Feuilletonchef August Maria Utzschneider immer noch »Junge, komm bald wieder« summte oder »Ich kauf mir lieber einen Tirolerhut« und ein signiertes Bild von Alfons Goppel auf dem Schreibtisch stehen hatte.

Nun, ich bin da rausgekommen. Ich bin in die Wüste Gobi gereist, dort dem Amerikaner Major Rhodan begegnet und zwischenzeitlich verstorben. Ich bin in der Zukunft wieder zu mir gekommen, bin in das System der Riesensonne Wega geflogen, und zwar schneller als das Licht, habe dort eine künstliche Welt kennengelernt und einen einheimischen Androiden, und von dort sind wir weitergezogen in die Kleingalaxis Canis Major, ein paar Tausend Lichtjahre Richtung Sonnenuntergang.

Nimm das, August Maria Utzschneider!

Und nun?

Nun bin ich durch die Querung getreten, weiß nicht, wo ich bin, weiß nicht, wohin. Ob ich etwas sehe? Nein. Ich habe keine Augen. Jedenfalls kann ich keine ertasten. Ich habe keine Hand. Sollte ich schreien? Wozu? Ich habe keinen Mund. Vergeht hier Zeit? Wer weiß. Mir ist, als hätte sich das Universum eingeschnürt zu einer einzigen Sanduhr; ich selbst bin nur ein Körnchen Sand, und riesle nach unten.

Dabei bin ich kleiner als das kleinste Körnchen Sand, Nichts und weniger als Nichts.

Nur eine Stimme, ohne jeden Klang.

Ein Gespenst auf Reisen.

1.

Der Medikus von Thoo

Khuulespiu schüttelte sich kurz. Was für ein merkwürdiges Gefühl: als hätte ein Pratakk ihn in die Gedanken gestochen. Die winzigen Insekten stachen aber nicht in Gedanken, sondern in die Haut, um Blut zu saugen.

Der Pratakk müsste sich schon arg verflogen haben, überlegte Khuulespiu. Dann verdrängte er diesen Gedanken und wandte sich wieder Rochashad zu.

Das Mädchen spielte mit dem zahmen Firrner und lachte. Sein Schild schimmerte in vielen Farben, alle noch ein wenig blass und durchscheinend, aber das würde sich in den nächsten Jahren ändern.

Es blieb Zeit, so viel Zeit.

Am späten Nachmittag würde Rochashad ihren Eltern von diesem zahmen Firrner erzählen und wie er Wasser aus ihrer Hand geschlürft hatte; sie würde ihnen von der Heimreise erzählen, wie sie in den Schweber gestiegen war, Hand in Hand mit ihrem Kindermädchen, das auf sie Acht gab, wie sie über Thoodid geflogen waren und dann über das Perlenmeer, mitten durch die Schwälle des Herbstregens, heim nach Straschcardh.

Rochashad würde plappern, plaudern, während ihre Mutter sich um sie rollte und ihr Vater auf der Duftpfeife blies. Was sie nicht alles erlebt hatte in Thoodid, dieser Stadt aller Wunder! Der Mediker hatte sie nur ganz, ganz kurz untersucht, die Narbe in ihrem Nacken vor allem, aber auch die neue Haut. Alles war gut.

Zur Belohnung hatte er sie und das Kindermädchen mitgenommen in die Große Menagerie von Thoodid-Ghelter; da hatte sie einem echten Konzert von Firrnern gelauscht, hatte Sorbet gegessen, sonnenrotes Püree, und, oh ja, sie hatte sich getraut, sie hatte die Trakkods gesehen, gefangen in diesem Würfel aus Panzerglas. Mit ihren Schlangenaugen. Mit ihren elektrischen Zungen. Mit ihren Geschossbuckeln.

»Was du alles erlebt hast, Juwel!«, würde ihre Mutter sagen und sie in die Schlummersenke tragen.

»Bleibst du noch, bis ich eingeschlafen bin, Mutter du?«, würde sie fragen.

»Aber ja«, würde die Mutter sagen, »ich bleibe. Ich bin immer da.«

»Immer?«

»Immer, mein Juwel. Schlaf.«

Und Rochashad würde schlafen, schlafen und von den Firrnern träumen, vom Sorbet, von den Trakkods, deren Geschosse sie nicht treffen konnten, eingeschlossen in dem großen gläsernen Tresor.

Alles war gut.

*

Khuulespiu hatte den zerquetschten Schweber gesehen. Auf dem Boden, einige Meter entfernt, drehte sich das Wrack des autokybernen Frachtbehältnisses, ein kolossaler Quader, der auf dem Rücken lag, die Antigravgondel nach oben gekehrt. Das Behältnis ruckte unkontrolliert mal vor, mal zurück, kippte zur einen, zur anderen Seite, wie ein lebendes Wesen, das hilflos auf dem Rücken lag und sich aufzurichten versuchte.

Unfälle wie diese gab es selten auf Thoo. Wann geriet ein autokybernes Frachtbehältnis jemals außer Kontrolle? Wann war kein Sicherheitsliquidator zur Stelle, der das Behältnis immobilisierte? Wann kollidierte es mit einem Schweber, weil dessen Selbststeuerung ausgefallen war, gerade in diesem Moment, gerade an diesem Ort?

Einen solchen Unfall konnte man mit Fug und Recht ein Jahrzehntereignis nennen.

Wären diese Bilder in den Infokanälen des Gondunats gezeigt worden, hätten sie eine wahre Flammenspur gezogen. Die beiden toten Thoogondu, die Eltern. Das schwer verletzte Kind, das auf die brennenden Leichen seiner Eltern starrte, in seinem Entsetzen geradezu gebannt, unempfindlich für die Flammen auf seinem eigenen Körper.

Ein Anblick von solch einer Vernichtungskraft, dass es sich davon niemals würde erholen, ein Anblick, den es niemals würde vergessen können.

*

»Warum zeigst du mir das?«, hatte Khuulespiu gefragt.

Nalanaodir hatte die Frage überhört. »Sie heißt Rochashad«, hatte sie stattdessen gesagt. »Das Kind.«

»Oh.«

»Rochashad ist sehr schwer verletzt worden. Der Ghuogondu selbst hat befohlen, dass die besten Mediker des Gondunats sie behandeln.«

»Gut.«

»Ja. Aber die körperliche Therapie wird nicht genügen. Der Anblick ihrer brennenden Eltern hat eine solche Vernichtungskraft, dass sie sich davon niemals wird erholen können.«

»Ja.«

»Ein Anblick, den sie niemals vergessen wird.«

»Oh.«

»Sie wird neue Eltern bekommen, Pflegeeltern. Gute Eltern, Khuulespiu. Aber die Erinnerung wird über ihr Leben herrschen, und eine Erinnerung wie diese ist ein Tyrann. Ein Schwarzer Sternenfresser. Vielleicht wird sie auch das Leben ihrer neuen Eltern zerstören.«

»Ja.«

»Wenn du ihr nicht hilfst. Nur du könntest sie retten.«

»Deswegen bist du also gekommen«, hatte Khuulespiu festgestellt.

»Aber nein«, hatte Nalanaodir gesagt und den Kryokelch an den Mund gehoben. »Wegen des ausgezeichneten Sorbets bin ich gekommen.« Sie hatte einen Schluck genommen. »Khuulespiu, du bist ihre einzige, ihre letzte Hoffnung. Hilf ihr, Liebstbruder.«

Liebstbruder – so hatte sie ihn lange nicht mehr genannt. Und sie war lange nicht mehr in Cooris gewesen, länger nicht mehr auf Thoo. Sie arbeitete im Bereich der Flottenlogistik, war, wie man hörte – sie selbst hatte es ihm nicht gesagt –, zur Logistikdirektorin der 17. Gondunalen Flotte aufgestiegen. Diese Flotte operierte in den peripheren Regionen des Reiches, dort, wo jederzeit mit einem riskanten Einsatz gerechnet werden musste, wo die Logistik eine Herausforderung und Improvisationstalent gefragt war.

Nalanaodir hatte sich bewährt, über das normale Maß hinaus; der Ghuogondu schätzte sie, und selbst dem Gondu war sie – wenn auch im Rahmen einer größeren Audienz – persönlich begegnet.

Sie bewegte sich in gesellschaftlichen Sphären, die Khuulespiu fern lagen und fremd blieben.

Nun kam sie, ihn um Hilfe zu bitten – eines verletzten Kindes wegen.

»Wir sind nicht so weit, Nalanaodir. Noch lange nicht.«

»Soweit ich weiß, ist der Prototyp deiner Re-Engrammatik einsatzfähig.«

»Ja, im Prinzip. Aber da du gut informiert bist, wirst du wissen, dass sie mit besonderen Hyperkristallen arbeitet.«

»Mit Hyperkristallen, die in winzigsten Mengen aus Neutronensternen gewonnen und dann von Kristallmeister Hooronon einer besonderen Behandlung unterzogen werden.«

Wider Willen hatte Khuulespiu lachen müssen, als Nalanaodir den Hyperphysiker Hooronon als Kristallmeister tituliert hatte. Das traf die Sache gar nicht übel. Hooronon hatte etwas Altväterliches an sich. Hatte Hooronon selbst oder seine Mitarbeiter – seine ihm völlig ergebenen Diener – diese Kristalle denn auch nach ihm benannt und sie als Hooris-Kristalle bezeichnet?

»Wir haben bislang keine belastbaren Daten, wie Thoogondu auf den Kontakt mit diesen Kristallen reagieren«, hatte Khuulespiu sich verteidigt.

»Hooris-Kristalle sind 5-D-Strahler mit einer sechsdimensionalen Tastresonanz, nicht wahr?«

»Allerdings. Möglicherweise beeinflussen sie das Mentalum negativ.«

»Khuulespiu«, hatte Nalanaodir in einem milde tadelnden Tonfall gesagt und den Kryokelch sacht auf dem Delikatessentisch abgesetzt, »das Mentalum dieses Kindes ist zerrissen, als hätte sich eine ganze Jagdhorde von Trakkods darüber hergemacht. Was hätte sie zu verlieren?«

»Ihr Leben?«

»Möchtest du so leben, wie sie leben müsste, Khuulespiu?«

Khuulespiu hatte geschwiegen, wirklich ratlos.

Nalanaodir war aufgestanden. Sie war zu Khuulespiu gegangen und hatte sich über ihn gebeugt. Ihr Rückenpanzer glomm geradezu in vielen, tiefen Farben. Khuulespiu hätte sich am liebsten eingerollt. Diese körperliche Nähe war ihm nicht angenehm. Und war es doch. »Sie ist ein Kind«, hatte Khuulespiu geflüstert.

»Sie steht in ihrer Verzweiflung einsam da wie ein Verlorener in einer Wüste. Wenn nicht du ihr hilfst. Sie ist ein Kind, Liebstbruder. Was, wenn es unser Kind wäre?«

»Wir haben keine Kinder«, hatte Khuulespiu gekrächzt.

»Nicht meine Schuld.« Sie richtete sich auf. »Wirst du es versuchen? Wirst du sie re-engrammieren?«

Wie viel Zeit verstrichen war. Wie viel zerbrochen war zwischen ihnen. Wie er sie hasste für ihren Verrat.

»Ja«, hatte er endlich gesagt.

*

Rochashad war die erste Thoogondu, bei der Khuulespiu und sein Team eine Re-Engrammierung vorgenommen und der sie einen neuen Gedächtnisinhalt vermittelt hatten.

Die erste Thoogondu, die sie geheilt hatten.

Der greise Hooronon selbst – der Kristallmeister – hatte darauf bestanden, der Prozedur bewohnen zu dürfen.

Sie hatten sich bis dahin nur einmal persönlich getroffen. Khuulespiu war auf die Raumstation eingeladen worden, die in einem weiten Orbit um den Neutronenstern im Sternhaufen Bennegash kreiste, aus dem die Thoogondu die Hooris-Kristalle schöpften. Dass es nicht Hooronon selbst gewesen war, der ihn eingeladen hatte, war Khuulespiu erst im Laufe der Begegnung mit dem Hyperkristallforscher klar geworden.

Die Reise zum Hooris-Stern war nicht unbeschwerlich gewesen. Die militärische Atmosphäre an Bord der Doppelsphärenschiffes BURRUKHAST, die permanente Überwachung, die allgegenwärtige Geheimnis- und Wichtigtuerei, all das hatte Khuulespiu angewidert und erschöpft. Ganze Tage hatte er eingerollt in der Schlafmulde verbracht oder Thermobilder entrollt und sich stundenlang die zarten, schleierhaften Landschaften angesehen, auf denen alles unerreichbar fern und zugleich gegenwärtig schien.

Khuulespiu wusste, dass es in Poshcooris viele Völker gab, die keinen Sinn für Bilder seines Volkes hatten und sie als Wärmebilder bezeichneten. Er hatte hin und wieder Bilder gesehen, wie diese Wesen sie schufen; sie waren ihm eisig und eintönig erschienen. Armselig, verglichen mit den Bildern der Thoogondu.

Immerhin hatte Khuulespiu einmal dem Auftritt des Bordchores beigewohnt.

Khuulespiu war durchaus überwältigt gewesen vom stimmlichen Glanz der Darbietung; so hatte er sich immer den Gesang des mythischen Shaur-Chores vorgestellt, jener 50 Sängerinnen, die allein für den Gondu vortrugen und deren Stimmen vom Alter angenehm rissig geworden waren.

Dies, hatte Khuulespiu gedacht, könnte die Bestimmung der Thoogondu sein: mit ihren Sphärenschiffen hineinzutauchen in die Tiefen der Ewigkeit und allem, was hören konnte, vom Leben zu singen, von seinem berauschenden Elend und seinen leuchtenden Gefahren.

Der Sternhaufen Bennegash beherbergte über zwanzig Pulsare; aber nur aus dem Hooris-Stern hatten die Wissenschaftler und Techniker des Gondunats bislang die begehrten Hyperkristalle abschöpfen können.

Khuulespiu war kein Astrophysiker, wusste aber um die Besonderheiten des Hooris-Sterns: Er drehte sich in weniger als 1,4 Millisekunden in seiner Äquatorregion mit beinahe einem Viertel der Lichtgeschwindigkeit.

»Wir sind am Ziel«, informierte ihn endlich ein Mitglied der Zentralebesatzung. »Willst du in die Zentrale kommen?«

Im Holo der Zentrale sah Khuulespiu den Hooris-Stern zum ersten Mal.

Ins Holo waren Daten eingeblendet, die Khuulespiu kurz überflog. Demnach durchmaß der Millisekunden-Pulsar weniger als 32 Kilometer. Zusammen mit einem Hauptreihenstern, dessen Masse lediglich ein Zehntel jener Madurants betrug, bildete der Hooris-Stern ein Doppelsternsystem.

Der rasend schnell rotierende Millisekunden-Pulsar und sein Begleiter umrundeten einander alle 26 Stunden auf einem nahezu kreisförmigen Orbit. Der Hooris-Stern wäre mit bloßem Auge nicht wahrnehmbar gewesen, da er durch den Gasschleier seines Begleiters schwamm.

Die Positronik der BURRUKHAST machte ihn sichtbar.

Khuulespiu verbrachte einige Minuten reglos vor dem Holoschirm der Zentrale. Der Hooris-Stern trank vom Hauptreihenstern, verzehrte ohne Unterlass etwas von der Masse seines Quellsterns. Es sah aus, als ob eine kosmische Nabelschnur die beiden Himmelskörper verbände.

»Hast du dich satt gesehen?«, fragte der Kommandant.

Khuulespiu machte eine vage Geste, die alles bedeuten konnte. Er ärgerte sich darüber, die Einladung angenommen zu haben. Was hatte er sich davon nur versprochen? Die Begegnung mit Hooronon, der Legende?

»Dann setzen wir dich über zur Raumstation«, sagte der Kommandant. »Hab keine Sorge, der Transfer ist nicht riskant. Die meisten überleben ihn.«

Verhaltenes Gelächter erklang in der Zentrale.

*

Der Thoogondu, der ihn durch die Station führte – zumindest jene Bereiche, die Gästen zugänglich waren –, war ein wortkarger Techniker. Er erläuterte Khuulespiu den Produktionsprozess, wenn auch nur mit der gebotenen Unschärfe im Detail.

Demnach wurden die Hooris-Kristalle – nachdem sie geortet worden waren – von einer speziellen Sonde angesteuert, dem Kescher. Dieser Kescher war ein veritables Raumschiff, kugelförmig mit einem Durchmesser von guten 70 Metern und ausgestattet mit mehreren Hochleistungs-Positroniken. Der Kescher sprang mit einer Transition in den Pulsar, nahm die Kristalle auf und strahlte sie über einen Transmitter in die Auffangstation ab, alles im Bruchteil einer Sekunde.

Dann war der Kescher auch schon von den namenlosen Kräften des Pulsars zerfetzt.

Die Menge an Kristallen, die er abschöpfte, war grotesk gering: manchmal nicht einmal fünf Gramm, die größte bisher erzielte Ausbeute lag bei knappen 20 Gramm.

Khuulespius Führer zeigte ihm einige Kristalle in ihrer Rohform. So hatte der Mediker sie noch nie gesehen: grau, aber von einem Grau, das auf Khuulespiu wie eine Kostümierung wirkte.

Anschließend wurden die Kristalle hyperenergetisch aufgeladen. Nach dieser Raffination schimmerten sie silbrig und so, wie Khuulespiu es kannte.

Ob die Hooris-Kristalle nur im Hooris-Stern vorkamen oder auch in anderen Pulsaren und ob sie gegebenenfalls anderswo zu ernten wären, wollte oder konnte der Führer ihm nicht verraten.

Der Führer brachte Khuulespiu in einen Raum ohne Fenster und Holoschirm, eine Mischung aus Kasino und Labor, vielleicht beides oder keines von beidem. Khuulespiu setzte sich an einen Tisch, auf dem eine beinahe leere Wasserflasche mit blau-rot gefleckten Shevke-Früchten stand und einige Messegräte, deren Zweck ihm nicht klar wurde.

Etwa eine halbe Stunde später hörte Khuulespiu, der eingenickt war und sich am Tisch so weit wie möglich eingerollt hatte, wie die Tür sich mit einem leisen Zischen öffnete. Khuulespiu sah auf.

Der eintretende Thoogondu war groß, aber alles andere als schlank. Er schwankte beim Gehen hin und her. Khuulespiu bemerkte, dass der Panzer in Höhe der Schultergelenke brüchig war.

Khuulespiu kannte ihn von Holoaufzeichnungen. Es war die Legende, Hooronon.

»Sie sind mir immer noch ein Rätsel«, sagte der Kristallforscher anstelle einer Begrüßung. »Sie bergen Geheimnisse, die wieder Geheimnisse bergen.« Er bedeutete Khuulespiu, sitzen zu bleiben, und setzte sich unter einigem Ächzen zu ihm. Er griff nach der Flasche, fischte mit einem Langstiellöffel eine Shevke-Frucht heraus, bot sie Khuulespiu an und aß sie selbst, nachdem sein Gast dankend abgelehnt hatte. »Vielleicht sind sie ein Schloss, vielleicht auch der Schlüssel.«

Er ist altersverwirrt, dachte Khuulespiu erschrocken.

Dann sprach Hooronon über die Eigenschaften des Kristalls, über Schwingquarze im Allgemeinen, über ihre Schwankungsbreiten und n-dimensionale Kompetenzen, über supramentale Kongruenzflächen und mikromentale Cluster.

Khuulespiu konnte vielem nur mit Mühe folgen.