Perry Rhodan 2994: Engel und Maschinen - Wim Vandemaan - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan 2994: Engel und Maschinen E-Book und Hörbuch

Wim Vandemaan

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Beschreibung

Gut dreitausend Jahre in der Zukunft: Perry Rhodan hat nach wie vor die Vision, die Milchstraße in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln. Der Mann von der Erde, der einst die Menschen zu den Sternen führte, möchte endlich Frieden in der Galaxis haben. Davon ist er in diesen Tagen des Jahres 1552 Neuer Galaktischer Zeitrechnung allerdings weit entfernt: In der von der Superintelligenz ES verlassenen Milchstraße wütet der Weltenbrand, der alle intelligenten Lebewesen betrifft und zu einer Hypersensibilität führt, gegen die es kein Mittel gibt. Wird der Weltenbrand nicht gelöscht, dauert es nur Jahrzehnte, bis die Milchstraße unbewohnbar geworden sein wird. Hervorgerufen wurde dieses Phänomen in erster Linie durch den skrupellosen Adam von Aures, der weitreichende Pläne verfolgt, die letztlich die Evolution der Maschinen und deren Vorherrschaft bedeuten sollen. Es gibt zwar Hoffnung, nachdem mit der Bergung von Proto-Eiris ein Mittel gefunden wurde, das sich womöglich entsprechend modifizieren lässt, den Weltenbrand zu löschen, aber keinerlei Garantie. Der Agent Opiter Quint begibt sich nun auf die Suche nach den Wurzeln jenes Adam von Aures. In der Stadt, in der dessen Werden und Streben seinen Anfang nahm, hofft er auf ein Mittel zu stoßen, mit dem der scheinbar Unangreifbare ergriffen und mattgesetzt werden kann. Doch Adam ist kein gewöhnlicher Mensch, und er kämpft für ENGEL UND MASCHINEN ...

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Zeit:3 Std. 57 min

Sprecher:Florian Seigerschmidt
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Nr. 2994

Engel und Maschinen

Ernst Ellert und Opiter Quint suchen die Stadt Aures – und erkennen die vierte Losung des Techno-Mahdi

Wim Vandemaan

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog: Auf der Straße nach Aures

1. Landung auf Sanhaba

2. »Wo sind die Menschen?«

3. Lightfoot

4. Im Wald

5. Im Stadtarchiv

6. Ein Regentag

7. Verwundbar

8. Kinderspiele

Epilog: Auf der Straße

Leseprobe PR NEO 191 – Oliver Plaschka – Pilgerzug der Posbis

Vorwort

Prolog

1.

2.

Gespannt darauf, wie es weitergeht?

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

Gut dreitausend Jahre in der Zukunft: Perry Rhodan hat nach wie vor die Vision, die Milchstraße in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln. Der Mann von der Erde, der einst die Menschen zu den Sternen führte, möchte endlich Frieden in der Galaxis haben.

Davon ist er in diesen Tagen des Jahres 1552 Neuer Galaktischer Zeitrechnung allerdings weit entfernt: In der von der Superintelligenz ES verlassenen Milchstraße wütet der Weltenbrand, der alle intelligenten Lebewesen betrifft und zu einer Hypersensibilität führt, gegen die es kein Mittel gibt. Wird der Weltenbrand nicht gelöscht, dauert es nur Jahrzehnte, bis die Milchstraße unbewohnbar geworden sein wird.

Hervorgerufen wurde dieses Phänomen in erster Linie durch den skrupellosen Adam von Aures, der weitreichende Pläne verfolgt, die letztlich die Evolution der Maschinen und deren Vorherrschaft bedeuten sollen. Es gibt zwar Hoffnung, nachdem mit der Bergung von Proto-Eiris ein Mittel gefunden wurde, das sich womöglich entsprechend modifizieren lässt, den Weltenbrand zu löschen, aber keinerlei Garantie.

Der Agent Opiter Quint begibt sich nun auf die Suche nach den Wurzeln jenes Adam von Aures. In der Stadt, in der dessen Werden und Streben seinen Anfang nahm, hofft er auf ein Mittel zu stoßen, mit dem der scheinbar Unangreifbare ergriffen und mattgesetzt werden kann. Doch Adam ist kein gewöhnlicher Mensch, und er kämpft für ENGEL UND MASCHINEN ...

Die Hauptpersonen des Romans

Opiter Quint – Der Agent sucht die Achillesferse eines gefährlichen Mannes.

Ernst Ellert – Ein Mensch fühlt sich einer facettenreichen Stadt verbunden.

Yemaya Shango – Ein Bewusstsein duldet kein Feuer auf seinem Dolan.

Curd Lincoln – Der Wiedergeborene betätigt sich als Fremdenführer.

Usher Lightfoot

Prolog

Auf der Straße nach Aures

Vom Raumhafen aus führt eine Straße zur Stadt Aures. Die Straße ist auf dem größten Teil der Strecke recht breit; es gibt Abschnitte, da machen Bäume, die sie zu beiden Seiten säumen, die Straße zu einer Allee. Die Kronen der hoch aufragenden Bäume sind schon lange ineinander verflochten.

Einige Straßenabschnitte im Schatten dieser Wipfel sind gepflastert; verwendet wurden dazu Kalkstein und Basalt, seltener Klinker und Kupferschlackenstein. Wenn es regnet, nimmt die Straße das Wasser mühelos mit ihren Fugen auf, und die Steine glänzen wie poliert und duften.

Da und dort gibt es Abschnitte, da hat man anstelle von Steinen hölzerne Balken verlegt, ganz so, als befände man sich auf einem Steg oder einer Seebrücke und, siehe da, tatsächlich riecht die Luft hier ein wenig nach Salz und Tang und ozeanischem Phosphor.

Selbstverständlich hat die Straße auch asphaltierte Bereiche aus Erdpech und Gesteinskörnungen, es gibt Etappen aus einem kühlen und kühlenden Metall und solche aus einem schwarzen, meist undurchsichtigen Glas. Ich sage meist, weil hin und wieder ein leuchtendes Bild aus den unbestimmbaren Tiefen dieses Glases aufsteigt wie ein sonderbarer Fisch aus dem Abyssus eines Meeres, schmal und schnell wie ein Barrakuda. Aber diese Erscheinung verweilt nicht lange und zudem muss man auf die Knie gehen, um dieses Schauspiel zu sehen.

Straßen sind jedoch nicht dazu da, um darauf zu knien, oder?

Die Straße führt durch den Wald der Werkzeugmacher. Der Wald ist eine der Liegenschaften der Stadt. Er befindet sich rechts und links der Straße, allerdings in durchaus respektvoller Entfernung. Dies ist jedenfalls mein Eindruck: Der Wald der Werkzeugmacher hält sich fern. Ich weiß, dass andere es anders sehen; sie sagen zum Beispiel: Es sei die Straße, die den Wald auf Distanz halte.

In dem Wald der Werkzeugmacher, heißt es, leben nur Tiere. Ich wüsste nicht viele beim Namen zu nennen, meine auch, dass die meisten Arten noch unbenannt sind. Immerhin weiß ich, dass man die landbewohnenden Oktopoden, die in den Wipfeln der Augenblattbäume hausen, Klicker nennt – eine naheliegende Bezeichnung. Denn sie geben Klickgeräusche von sich, wenn sie an den Ästen herumwirbeln, sich mehrfach überschlagen und endlich loslassen, zehn, fünfzehn, manchmal zwanzig Meter hoch durch das Blätterdach in den Himmel schießen und dann ihre fein geflochtenen Gleitmatten entfalten, an denen sie wie ein Blatt im Wind zu Boden kreisen.

Wozu dieser Flug gut ist? Niemand weiß es genau; mir scheinen die Matten jedenfalls noch die verständlichsten Werkzeuge zu sein, die in diesem Wald hergestellt werden. Andere Instrumente sind viel rätselhafter.

Ich selbst verfüge über ein Mitbringsel aus dem Wald, das auf den ersten Blick einem Tannenzapfen ähnelt. Es misst eine Handspanne. Die natürlichen Schuppen sind von einer nächtlichen Bläue, aber irgendwelche Kreaturen des Waldes haben zusätzliche Schuppen aus einem perlmuttartigen Material eingesteckt, die beim leisesten Luftzug in Bewegung geraten und dabei ein winziges Klirren von sich geben wie feines, zerscherbendes Glas.

Ich habe diesen Zapfen einmal einem Werkzeugsammler der Stadt gezeigt, der meinte, es könnte sich um die Nachahmung einer gijaridischen Gravitationslampe handeln; andererseits und bei anderem Licht betrachtet ähnele es einer Zeitwaage, wie sie bei den Mheriren in ihrer monosexuellen Epoche in Gebrauch gewesen sein soll. Vielleicht sei es aber auch ein tasthabisches Passepartout mit programmierbarem Visum. Bekanntlich haben die Thasthaben ein Faible für Designs, die den Zweck auch nicht von fern erahnen lassen.

Aber die Werkzeugsammler leben bekanntlich in ihrer eigenen Welt und führen ein hermetisches Leben. Wer weiß, was sie ausspinnen und ob und welche Berührungspunkte es zwischen ihren Hirngespinsten und der Welt gibt.

Kurz bevor man dorthin gelangt, wo sich die Straße verzweigt, sieht man eine andere Liegenschaft der Stadt: die Ebene der Späher. Die Späher sind fünf bis zehn Meter hohe Köpfe aus Basalt, deren Gesichter keinen Mund, keine Nase und keine Ohren haben. Nur vom Halsansatz bis zum Hinterkopf ziehen sich beidseitig zwei erstaunlich fein gewirkte Fächer, zwei Gebilde, die vielleicht Kiemen darstellen.

Die Augen der Kopfskulpturen sind faustgroße, leere Mulden. Wenn es regnet, fließen diese Mulden bald über, merkwürdigerweise immer bei allen Köpfen zugleich, obwohl sie verschieden groß sind. Weniger merkwürdig ist, dass die Köpfe selbst in heftigsten Stürmen unbewegt dastehen, wie es sich für Steinskulpturen gehört. Manchmal aber, wenn ein besonderer, kaum spürbarer Windhauch von Osten her weht, bewegen sie sich lautlos, und es ist, als schauten sie sich um.

Warum sie dieSpäher heißen? Die Bezeichnung scheint mir treffend gewählt, denn alle Köpfe sind in den Nacken gelegt; sie spähen in den Himmel, als hielten sie nach etwas Ausschau. Und nicht ein einziges Mal bin ich auf der Straße an dieser Ebene vorübergegangen, ohne den Spähern beifällig und dankbar zuzunicken.

Ein gutes Stück hinter der Ebene der Späher verzweigt sich dann die Straße.

Geht man nach rechts, erreicht man den Strand und damit die dritte Liegenschaft. Allerdings hört die Straße hier nach einer Weile auf, im Wortsinn Straße zu sein. Sie wird erst Weg, später und die Felsen hinunter verwildert sie zu einem kaum mehr sichtbaren Trampelpfad.

Der Strand wirkt nur auf den ersten Blick wie ein Sandstrand. Von einem sandfarbenen Weiß ist er, keine Frage, und er liegt in der Bucht wie eine helle Sichel, die das Meer vom Land trennt. Gleichmäßige Wellen laufen von fern auf den Strand zu, schaumgekrönt und so breit, als wäre ihr Kamm mit dem Horizont identisch.

Aber keine dieser Wellen erreicht je den Strand. Der Strand besteht aus einem Metall oder einer Legierung, die gegen die Temperaturen der Umgebung völlig unempfindlich bleibt. Immer ist er 14,6 Grad Celsius warm. Über den Strand verteilt liegen mal größere, mal kleinere Maschinen, unzweifelhaft technisches Gerät, auch wenn es nur selten gelingt, seinen Zweck und Wirkungsweise zu entschlüsseln. Sicher scheint, dass ausnahmslos jedes aus einer anderen technischen Sphäre stammt und dass sie eines gemeinsam haben: Sie sind beschädigt. So liegen sie da, schräg, desolat, wie aus anderen Welten angeschwemmt.

Manche meinen, im Laufe der Zeit an dieser oder jener Maschine kleine Veränderungen feststellen zu können, Reparaturen, von denen niemand weiß, wer sie erledigt haben sollte. Tatsächlich verschwindet jedes Stück Treibgut irgendwann, manchmal im Laufe eines Monats, manchmal übers Jahr.

Bald darauf trifft ein neues Stück ein, fremdartig, unbestimmbar, nicht mehr intakt.

Ich gehe die Straße nicht mehr oft. Früher war das anders. Ich bin damals gerne am Raumhafen gewesen, habe mit den Leuten in der Schenke geplaudert. Manchmal bin ich auch den Tower hochgestiegen und habe von dort oben weit ins Land geschaut, über den Wald der Werkzeugmacher, die Ebene der Späher. Sogar den Strand kann man von dort sehen.

Nicht zu vergessen die Silhouette der Stadt Aures.

Und natürlich die Straße selbst.

Manchmal war sie leer. Manchmal sah ich einen Reiter der Anachronistischen Patrouille auf seinem giraffenähnlichen Tier gemächlich dahintrotten; der Sitzkorb schwankte wie ein Kahn auf hoher See. Ich sah zu, wie der Reiter das Tier mit seiner Kupfergerte an eine der Tränken lenkte, die von der Straße in unregelmäßigen Abständen bereitgehalten werden. Ich bemerkte, wie das Tier zuerst in den Hinterläufen einknickte, noch einmal den Kopf hob und witterte, dann auch die Vorderläufe beugte, den Trinkrüssel ins Wasser tauchte und soff. Hin und wieder spie das Tier etwas von dem Wasser in einen bereitgestellten Eimer, aus dem daraufhin der Reiter trank, während er seinem Reittier kameradschaftlich in die Seite knuffte. Bald saß er wieder auf, klopfte mit der Kupfergerte auf die Flanke, schrie oder pfiff sein »Driio, Driio!«, und das Tier erhob sich und schritt voran wie auf Stelzen.

Bald darauf lag die Straße wieder verlassen.

Manchmal aber war die Straße alles andere als leer. Ich sah gewaltige Ströme von mal menschenähnlichen, dann wieder völlig fremdartigen Geschöpfen, bepackt und beladen mit allerlei Gerät; sie griffen hochrädrigen Holzwagen in die Speichen, schoben und zerrten voran, schaufelten Ruß aus eisernen Dampflokomotiven und befeuerten ihre Kessel neu, trieben Lasttiere an, wälzten sich in Richtung Stadt. Es waren, da hatte ich keinen Zweifel, Geflüchtete.

Geflüchtet wovor?

In der Stadt habe ich später nie eine Spur dieser Trecks entdeckt. Manche meinen, sie müssten von der Straße abgekommen sein, Unterschlupf gesucht haben im Wald der Werkzeugmacher oder sich einen Weg über die Ebene der Späher gebahnt.

Wenn man mich fragt, halte ich diese Trecks für Visionen oder Träume.

Vielleicht auch für Erinnerungen.

Wessen Erinnerungen?

Für Erinnerungen der Straße, glaube ich.

Man wird sagen: Wie abwegig! Wie kurios! Seit wann haben Straßen Erinnerungen?

Aber warum sollte nicht auch eine Straße Erinnerungen haben?

Man wird sagen: Wie eitel! Denn in diesem Gedanken schwingt doch wohl der Wunsch mit, irgendwann selbst zu diesen Erinnerungen zu gehören und damit unvergessen zu sein.

Oder?

Vielleicht. Ich will das nicht abstreiten.

Vielleicht sollte ich diese Straße mal wieder gehen, zum Raumhafen, sollte dort unter Menschen gehen und plaudern und Ausschau halten, und dann wieder zurück.

Nicht, dass die Straße mich vergisst.

Die Straße, die zur Stadt Aures führt, meiner Wiege, meiner Heimat.

1.

Landung auf Sanhaba

Der Dolan JASON schleuste aus.

Opiter Quint beobachtete das Manöver aus der Zentrale des organischen Schiffes. Yemaya Shango hatte einen hologafischen Bildschirm aktiviert. Für einige Sekunden bildeten das raumtüchtige Retortenlebewesen, die NEÈFOR und die LUGIA SCINAGRA drei Punkte auf einer geraden Linie, der Größe nach sortiert.

Die LUGIA SCINAGRA war ein 2500-Meter-Schiff der JUPITER-Klasse, eine stählerne Welt für sich, die NEÈFOR ein ferronischer Frachter der PIGELL-Klasse, wenigstens seinem Äußeren nach. Tatsächlich stand das 300-Meter-Schiff mit seiner Besatzung in Diensten des TLD und erfreute sich der einen oder anderen Sonderausrüstung, die für den normalen Warenvertrieb nicht notwendig gewesen wäre.

JASON schließlich, der Dolan, durchmaß im wachen Aktionsmodus einhundert Meter, eine schwarze Kugel inmitten des schwarzen Alls. Wach war er, und einsatzbereit überdies. Er würde das letzte halbe Lichtjahr bis zum Khaydsystem mühelos aus eigener Kraft zurücklegen.

Opiter Quint folgte dem Funkgespräch, das Jenjur Mezepher mit Yemaya Shango führte. Die Kybernopsychologin hatte vor einiger Zeit ihr Bewusstsein in den Dolan übertragen und wirkte nun als dessen Exekutor Nummer 1, mithin als Navigatorin und Kosmonautikerin des lebenden Schiffes.

Gelegentlich bediente sie sich, wenn sie mit Außenstehenden sprach, eines Imagos ihrer menschlichen Gestalt; so auch in diesem Fall.

Dem ferronischen Kommandanten erschien sein Gegenüber deswegen als schmales, weibliches Gesicht mit dunkelbrauner Haut und nachtschwarzen Augen. Einige Dutzend kunstvoll geflochtener Zöpfe rahmten es. Allerdings wirkte das Gesicht auf Quint etwas abstrahiert. Die kleinen Unebenheiten und Asymmetrien, die ein menschliches Antlitz normalerweise zeigten und seine eigenartige Schönheit ausmachten, hatten sich verwischt.

Irgendwann, dachte Quint, würden sie sich ganz verloren haben. Er fragte sich, ob dies ein bewusster Prozess war, von Shango gesteuert. Shango war die ehemalige Ankerperson des Dolans; von daher hatte es immer eine gewisse Vertrautheit zwischen den beiden gegeben. Glichen die beiden sich auf diese Weise weiter an?

Mezepher strich sich nachdenklich den langen Bart. Quint bemerkte die blassroten Altersflecken auf der blauen Haut des Ferronen. Ein mattes Licht spiegelte sich auf seinem haarlosen Schädel. »Wir halten uns in Rufweite«, versicherte der Kommandant der Exekutorin.

Irgendwie hatte sich zwischen dem älteren Ferronen und dem Bewusstsein der terranischen Frau eine Art Vater-Tochter-Verhältnis entwickelt.

Quint schaute sich in der Zentrale des Dolans um. Ernst Ellert jonglierte mit einer unangezündeten Zigarette in der rechten Hand, und das mit beachtlicher Fingerfertigkeit. Anzünden würde er sie nicht; der Dolan reagierte selbst auf eine so kleine Flamme mit unangemessener, beinahe komischer Besorgnis. Shango hatte deswegen offenes Feuer an Bord ausdrücklich untersagt. Quint hatte gelernt, die Regungen des lebenden Schiffes ernst zu nehmen. Sie würden auf Gedeih und Verderb darauf angewiesen sein. Da gehörte sich nichts, was dem Schiff als Rücksichtslosigkeit erscheinen konnte.

Mahnaz Wynter und Zau waren nicht an Bord, was Quint bedauerte. Er vermisste Wynter. Auch die Zeitforscherin Aichatou Zakara hatte abgemustert.

Wir sind die Letzten, dachte Quint: er, Ellert, Shango.

Und Homunk natürlich. Leider.

Homunk hatte seine Kabine nicht wieder verlassen. Quint musste sich eingestehen, dass er diese Mission gerne ohne den Androiden von Wanderer betrieben hätte. Er hielt ihn für nicht berechenbar, für etwas wie einen Joker in einem Kartenspiel, dessen Regeln nicht ganz klar waren und dessen Mitspieler sich noch nicht alle gezeigt hatten.

Quint fragte in Richtung Mezepher: »Gibt es Neuigkeiten von den SCOUTS?«

»Nein«, sagte der Ferrone. »Keine der drei Sonden hat eine hyperphysikalische Aktivität auf dem Planeten gemessen. Die Daten werden derzeit noch ausgewertet. Immerhin sind die SCOUTS auf nichts Alarmierendes gestoßen.«

»Haben sie weitere Städte entdeckt?«

»Nach wie vor haben sie nur eine gefunden«, sagte Mezepher.

»Aures«, sagte Quint.

»Wir können nicht ausschließen, dass weitere Siedlungen existieren, aber gut getarnt sind. Oder dass eventuelle hyperenergetische Anlagen unter einem hochrangigen Ortungsschutz liegen.«

Quint nickte.

»Ich beschleunige«, meldete Shango.

Wieder nickte Quint. Er beobachtete im Holo, wie sich die dunkle, schwarze Kugel aus der gedachten Linie löste. Die NEÈFOR und die LUGIA SCINAGRA blieben im All zurück.

Kurz darauf ging der Dolan in eine kurze Linearraumetappe. Im Holo sah es aus, als wischte eine unsichtbare Hand über die schwarze Tafel des Weltraums und hinterließe unlesbare Zeichen. Dann verschwanden die unbestimmten Schlieren des Zwischenraums, und es wurde wieder Licht.

Die Sonne Khayd stand vor ihnen.

Der Flugvektor des Dolans führte von schräg unterhalb ins System, orientiert am Südpol des Planeten Sanhaba. Analog zu den Planeten und Monden des Solsystems galt auch dort als Nordpol jener Pol, der in Richtung des Gesamtdrehimpulses des Sternsystems wies.

Die Rotationsachse Sanhabas stand erstaunlich aufrecht. Ein Mond, optisch wegen der niedrigen Umlaufbahn deutlich größer, aber faktisch kleiner als Luna und etwas unförmiger, umkreiste den Planeten in Äquatorhöhe.

Einer der drei SCOUTS hatte einen Orbit innerhalb der Mondbahn bezogen, ein anderer knapp jenseits des Trabanten. Shango nahm Kontakt mit den SCOUTS auf. Die dritte Sonde hielt sich an der Peripherie des Systems auf.

Der Dolan befand sich zurzeit noch etwa zwanzig Lichtsekunden unter dem System.

Die SCOUTS lieferten Bilder und Informationsmaterial. Opiter Quint beobachtete, wie Ernst Ellert seine immer noch unangezündete Zigarette wieder in der zerknitterten Schachtel verstaute und die Schachtel in die Jackentasche seiner Bordkombination schob.

*

Im Holo erschien ein leicht stilisierter Überblick über das System. Die Himmelskörper waren gestochen scharf und farbecht dargestellt, allerdings nicht alle im selben Maßstab.

Das also ist das Khaydsystem, dachte Quint.

Es war erstaunlich genug, dass sie es überhaupt gefunden hatten. Letztlich hatten sie diesen Erfolg dem Arkoniden Atlan zu verdanken. Der war an Bord eines halutischen Raumschiffwracks dem Aggregat Etain begegnet, einem Mitglied von Lotho Keraetes schöner Familie. Der Arkonide hatte seinerzeit das Bewusstsein der Olkonorin Tamareil in sich getragen; dieser als Pedotransferin war es gelungen, dem Geist des Aggregats eine Ansicht des Khaydsystems und seiner Nachbarschaft zu entnehmen.

Atlan hatte diese Konstellation in seinem fotografischen Gedächtnis gespeichert und später über eine SEMT-Haube NATHAN zugänglich gemacht. Selbst für das Mondhirn war es alles andere als leicht gewesen, aus diesem Bild die wahrscheinlichen kosmischen Koordinaten Sanhabas zu rekonstruieren.

NATHAN hatte zahllose Sternkarten auswerten und etliche Simulationen durchführen müssen. Erst am 15. Mai 1552 NGZ hatte NATHAN eine relativ verlässliche Einschätzung präsentieren können, wo das Khaydsystem zu finden sein könnte. Hekéner Sharoun hatte daraufhin am 18. Mai 1552 NGZ eine Expedition auf den Weg nach Ecloos geschickt, bestehend aus den drei Schiffen. In der Milchstraße hatte sich bereits das Hyperlicht ausgebreitet und damit der Weltenbrand begonnen.

Der kleine Verband hatte am 22. Mai 1552 NGZ das Kharag-Sonnendodekaeder genutzt und war in Nullzeit zum Ecloos-Trio gesprungen.

Der Weg über das von Tefrodern kontrollierte Vengil-Trio, durch das vor 35 Jahren Shanda Sarmotte und Toufec mit dem Nanogentenschiff THOERIS gegangen waren, wäre zu umständlich gewesen. Näher gelegen – astrogatorisch wie strategisch – hatte das Sonnendodekaeder in Omega Centauri, da dieser nicht vom Tamanium besetzt war.

Deswegen Kharag. Die Transition durch den Ferntransmitter war problemlos verlaufen. Der Dolan JASON war zuvor in das ferronische Schiff eingeschleust worden. Die LUGIA SCINAGRA war vorangeflogen, die NEÈFOR ihr gefolgt. Selbstverständlich war das Spektakel in die Zentrale JASONS übertragen worden. Quint erinnerte sich, dass ihm der Anblick der zwanzig Sonnen, die das Dodekaeder bildeten, buchstäblich den Atem verschlagen hatte. Es war immer wieder unfassbar, zu welchen Leistungen die Sterneningenieure der Ersten Menschheit fähig gewesen waren.

Der Transmitter beförderte sie in Nullzeit zum Ecloos-Trio in der Kleingalaxis Draco, beinahe eine Viertelmillion Lichtjahre vom Solsystem entfernt, im Irgendwo zwischen der Milchstraße und Andromeda.

Erst dort wurde ihnen im vollen Umfang bewusst, wie sehr sie unter der Ekpyrosis gelitten hatten, unter dem penetranten, zermürbenden Schmerz. Es war nicht dessen Heftigkeit, sondern die Allumfassendheit, Unausweichlichkeit, Pausenlosigkeit, die sein besonderes Elend ausmachten. Schmerz, der alle Sinneseindrücke begleitete. Eltern, denen die Berührung ihrer Kinder wehtat, und die darunter litten, dass ihre Kinder bei jeder Berührung vor Schmerzen aufschrieen.

Die Wissenschaftler befürchteten, dass dieser Schmerz nur immer weiter zunehmen würde, dass sich die bewussten Lebewesen irgendwann würden betäuben müssen, um zumindest die schiere Existenz zu ertragen. Wer überleben wollte, würde sich isolieren müssen. Und welches Überleben würde das sein, jeder für sich, unberührbar, kontaktlos? In wenigen Jahrzehnten, in maximal ein- oder zweihundert Jahren, würde in der Milchstraße jedes höhere Leben ausgestorben sein.

Und dann? Dann wäre die Milchstraße unrettbar verloren.

Und dann? Niemand wusste es mit Sicherheit. Würden sich tatsächlich Maschinenintelligenzen erheben und eine neue Zivilisation aufbauen, wie Adam es prophezeit hatte? Der Vorgang war beispiellos, und es gab, wie Quint wusste, nicht wenige Stimmen, die den Tag verfluchten, als das Atopische Tribunal sich zurückgezogen hatte und Thez, dieser Statthalter des Lebens am Ende der Zeit, zugelassen hatte, dass sich das Universum scherte und damit den Weltenbrand zuließ.

Möglich, dass sich der Preis der vermeintlichen Freiheit als hoch erweisen würde. Als zu hoch, dachte Quint. Gesetzt, es gelingt uns nicht, den Weltenbrand zu löschen.

Mit Adam von Aures aber hatte die Menschheit einen Feind, der wohl alles tun würde, die Ekpyrosis weiter anzufachen.

Ein Feind ohne Schwachstellen, wie es schien.

»Selbst Achill hatte eine Schwachstelle«, hatte Atlan ihnen kurz vor dem Start gesagt.

Quint hatte Ellert einen fragenden Blick zugeworfen. »Eine Sagengestalt aus der Frühgeschichte der Menschheit«, hatte Ellert ihm erklärt. »Seine Mutter hatte ihn in das Wasser des Styx getunkt, eines Unterweltflusses. Das machte ihn unverwundbar, ausgenommen die Stelle, an der Frau Mama den kleinen Burschen festhalten musste: die Ferse.«

»Achill war etwas mehr als eine Sagengestalt«, bemerkte Atlan und lachte freudlos. »Ein Schlächter ohne Beispiel.«

»Dann wollen wir hoffen, dass auch Adam eine solche Angriffsfläche hat«, meinte Quint.

»Eine Achillesferse«, ergänzte Ellert.

»Darauf hoffen ist zu wenig«, schloss Atlan. »Wir müssen sie finden.«

Die Kleingalaxis Draco alias Ecloos alias UGC 10822 lag wie eine winzige lichte Insel zwischen den großen Sternenrädern der Milchstraße und Andromeda. Aber was bedeutete winzig schon in kosmischen Maßstäben? Etwa 100.000 Sterne waren auf etwa 3000 Lichtjahren versammelt; die meisten von Planeten umgeben. Etwa fünfzig dieser Sterne hatte NATHAN in die engere Auswahl der Kandidaten für Khayd genommen.

Deswegen waren die beiden Schiffe zunächst einige Tage unterwegs gewesen, hatten Daten gesammelt, Konstellationen sondiert, mögliche Ziele angeflogen und untersucht, und waren dann weitergezogen, zu einem nächsten Stern und seinen Begleitern. Schließlich hatten sie das Sonnensystem erreicht, das dem Bild aus Atlans fotografischem Gedächtnis so weitgehend entsprach wie keines zuvor.

Die Heimat des Adam von Aures.

Zu den erstaunlichen Hinweisen, die Atlan von dem Aggregat Etain erhalten hatte, gehörte die Aussage, dass es sich bei Adam von Aures nicht um einen Menschen – jedenfalls nicht nur – handeln sollte, sondern um ein Wesen, das in irgendeiner Weise über den Menschen hinausging und bloß in einem Präsenzmodus menschlich erschien.

Was immer das bedeuten sollte.

Die Sonne Khayd war ein gelber Stern der Klasse G mit 0,97 Prozent der Masse von Sol. Im Holo wurden sieben Planeten präsentiert, die dort mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten rotierten. Die ersten beiden waren heiße, merkurähnliche Welten, die Nummer drei ein marsgroßer, sonderbar deformierter Gesteinsbrocken mit drei Monden, die ihn auf so halsbrecherischen Bahnen umkreisten, dass ein Ende dieses Balletts für die nächsten Millionen Jahre absehbar war. Ein gewaltiger Sandsturm verschleierte eben die Nachtseite dieses bisher namenlosen Planeten.

Die zwei äußeren Himmelskörper waren Gasriesen, beide deutlich kleiner als der Saturn. Im Umfeld von Nummer sieben wimmelte es von Monden, Nummer sechs dagegen wies nur einen einzigen Mond auf. Dieser war mit einem Äquatordurchmesser von 6014 Kilometern allerdings beinahe so groß wie der solare Mars, wenn auch in weißem Frost erstarrt.

Sanhaba, die Zielwelt, war Planet Nummer vier, eine durchaus erdähnliche, sehr wasserreiche Welt mit nur einem Trabanten.

Quint betrachtete den Planeten. Im Holo wurde der Äquatordurchmesser mit 11.991 Kilometern angegeben, der polare Durchmesser mit 12.001 Kilometern – Sanhaba war eine beinahe vollkommene Kugel. Seine Landmasse war auf sieben Kontinente verteilt und brachte es doch nur auf ein gutes Viertel der Oberfläche. Der Rest war Ozean, ein Weltenmeer von makellosem Aquamarin.

Eine der SCOUT-Sonden hatte für Sanhaba ein Alter von knappen 5,3 Milliarden Jahren ermittelt, ein erster Annäherungswert.

Illustration: Swen Papenbrock

Interessant, dachte Quint. Wenn man dies mit den 4,6 Milliarden Jahren der Erde verglich, hatte das Leben auf Sanhaba 700 Millionen Jahre mehr Zeit für seine Evolution gehabt. Das mochte in kosmischen Maßstäben ein geringer Zeitraum sein; für das Leben aber, einmal an den Start gegangen, konnte dies eine gewaltige Strecke sein.