Perry Rhodan 3170: Die Türmer von Tratuum - Leo Lukas - E-Book

Perry Rhodan 3170: Die Türmer von Tratuum E-Book

Leo Lukas

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Beschreibung

In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2071 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem Jahr 5658 nach Christus. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat. Noch vor Kurzem wirkte es, als würde sich der alte Traum von Partnerschaft und Frieden aller Völker der Milchstraße und der umliegenden Galaxien endlich erfüllen. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmtheit ein, man arbeitet intensiv zusammen. Doch entwickelt sich in der kleinen Galaxis Cassiopeia offensichtlich eine neue Gefahr. Dort ist FENERIK gestrandet, ein sogenannter Chaoporter. Nachdem Perry Rhodan und seine Gefährten versucht haben, gegen die Machtmittel dieses Raumgefährts vorzugehen, bahnt sich eine unerwartete Entwicklung an: FENERIK stürzt auf die Milchstraße zu. In der Heimatgalaxis der Menschheit wappnen sich die freien Völker so gut es geht gegen die unbekannten Absichten und Machtmittel des Chaoporters. Ihnen zur Seite stehen die Galaktischen Kastellane. In der Andromeda zugehörigen Kleingalaxis Cassiopeia agieren zudem die Meisterin der Insel Soynte Abil und Vetris-Molaud. Auch Rhodans Enkelin Farye Sepheroa ist dort aktiv und beobachtet das Treiben rund um DIE TÜRMER VON TRATUUM ...

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Nr. 3170

Die Türmer von Tratuum

Geheimmission auf der Hitzewelt – die Chaostruppen errichten eine Kryo-Bank

Leo Lukas

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog: Duell um den Titel

1. Der Sondergast

2. Der Angriff der Farton-Phalanx

3. Flucht in die Dunkelheit

4. Kniegelenke und andere Eigenheiten

5. Die dunklen Gebirge

6. Geschenke und Zugeständnisse

7. Schutzherren für Valotio

8. Der Anschlag

Epilog: In der ewigen Enge

Journal

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2071 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem Jahr 5658 nach Christus. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat.

Noch vor Kurzem wirkte es, als würde sich der alte Traum von Partnerschaft und Frieden aller Völker der Milchstraße und der umliegenden Galaxien endlich erfüllen. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmtheit ein, man arbeitet intensiv zusammen.

Doch entwickelt sich in der kleinen Galaxis Cassiopeia offensichtlich eine neue Gefahr. Dort ist FENERIK gestrandet, ein sogenannter Chaoporter. Nachdem Perry Rhodan und seine Gefährten versucht haben, gegen die Machtmittel dieses Raumgefährts vorzugehen, bahnt sich eine unerwartete Entwicklung an: FENERIK stürzt auf die Milchstraße zu.

In der Heimatgalaxis der Menschheit wappnen sich die freien Völker so gut es geht gegen die unbekannten Absichten und Machtmittel des Chaoporters. Ihnen zur Seite stehen die Galaktischen Kastellane. In der Andromeda zugehörigen Kleingalaxis Cassiopeia agieren zudem die Meisterin der Insel Soynte Abil und Vetris-Molaud. Auch Rhodans Enkelin Farye Sepheroa ist dort aktiv und beobachtet das Treiben rund um DIE TÜRMER VON TRATUUM ...

Die Hauptpersonen des Romans

Farye Sepheroa – Die Missionskommandantin bemüht sich, Unheil abzuwenden.

Tragalon-Breit – Der neue Taktmann der Farton-Phalanx träumt vom ewigen Ruhm.

Grokhan – Der Gharse freundet sich mit einem unliebsamen Auftrag an.

Shema Ghessow, Damar Feyerlant und Hogeslav Nir-Bu'up – Das Einsatzteam macht Maske.

Onontru-Duldsam

Die Chaotarchen verfügen über zahlreiche enorme, geradezu monströse Machtmittel.

Selbst innerhalb dieses gewaltigen Aufgebots, das von unserer vergleichsweise niedrigen Existenzebene aus nie vollständig zu überblicken, geschweige denn zu verstehen ist, nehmen die Chaotender und Chaoporter eine Vorrangstellung ein. Laut Aussage Synn Phertoshs, seinerzeit Advokat der Materiesenke Phaatom, hüten und erweitern sie »den Freiraum, aus dem das Unberechenbare in die Wirklichkeit tritt«.

Chaotender verschlingen ganze Galaxien. Nicht bloß eine, sondern mehrere, über Jahrtausende hinweg, um unter anderem den Kosmischen Fabriken der Ordnungsmächte zu trotzen.

Chaoporter wiederum sind kaum weniger komplex aufgebaut und mindestens ebenso gefährlich; nur mobiler. Sie durchstreifen den Kosmos gemäß des Prinzips der Serendipität: Explizit suchen sie nicht – sie finden, unterwegs, beiläufig, zufällig.

Was sich ihnen in den Weg stellt, ist meist zum Untergang verdammt.

(Enzyklopädia Terranica)

In nicht allzu ferner Zukunft werden unsere Nachfahren sich wundern, dass wir so offensichtliche Dinge nicht erkannt haben.

(Lucius Annaeus Seneca, ca. 30 AZ)

Prolog

Duell um den Titel

7. September 2071 NGZ

Er sah den Prankenhieb kommen.

Rechtzeitig auszuweichen, schaffte Tragalon-Breit nicht mehr. Zu sehr war er noch damit beschäftigt, den Schwung seiner eigenen, leider ins Leere gelaufenen Attacke abzubremsen.

Also duckte er sich nur, drehte sich zur Seite und riss die Deckung hoch, um seine empfindliche Flanke zu schützen. Worfzuc-Wendigs Schlag auf den Oberleib traf ihn mit weniger Wucht als befürchtet.

Jedoch hatte Tragalons Gegner gar nicht beabsichtigt, ihn schon direkt mit dieser Aktion außer Gefecht zu setzen. Vielmehr wickelte Worfzuc seinen mit skalpellspitzen Federn besetzten Schweif um Tragalons Hals und zog abrupt die Schlinge zu.

Fest.

Sehr fest.

Der schmerzhafte Würgegriff drohte Tragalon den Atem zu rauben. Sein Puls raste, dröhnte in den Ohren, immer schneller ratternd.

Die Sicht trübte sich. Die Umgebung verschwamm. Ein schwarzer Rahmen entstand um Tragalons Wahrnehmung und wurde dicker und dicker.

Erstickend zähflüssige Dunkelheit breitete sich aus, von allen vier Seiten her. Tropfen vereinigten sich zu Flächen. Bis nur noch ein kleiner runder Ausschnitt übrig war wie die Linse eines verschmierten Monokels.

»Gib auf!«, zischte Worfzuc.

»Niemals!«

Der Gong rettete Tragalon. Wenige Sekunden länger, und er hätte nicht nur das Bewusstsein verloren, sondern die gesamte Tripartie.

»Ende dieser Runde«, verkündete eine der Ringrichterinnen. »Sie wird zwei zu null für den Titelverteidiger gewertet. Somit liegt er insgesamt einen Punkt vorne. Der Herausforderer muss infolgedessen eine seiner Figuren vom Spielbrett entfernen. Kurze Pause!«

Tosender Applaus.

Worfzuc reckte die Arme und verneigte sich. Wiewohl merklich wackelig auf den Beinen, gab er vor, in den Ovationen des Publikums zu baden und sich dadurch sogleich zu erfrischen.

Tragalon hingegen schleppte sich mehr schlecht als recht in seine Ecke, wo ihn die Betreuer erwarteten und mit Sauerstoff und sonstigen Aufputschmitteln versorgten.

*

Beide Kontrahenten keuchten immer noch, als sie sich an den Spieltisch setzten.

Tragalon hatte sich die Stellung gemerkt. Möglicherweise hatte er während der vorigen Nahkampfrunde so viel darüber nachgedacht, dass er unaufmerksam geworden und ins Hintertreffen geraten war.

Egal. Den Verlust der Figur, die er nach kurzer Bedenkzeit beiseitestellte, konnte er verschmerzen, leichter als die mangelhaft bandagierten Wunden am Hals.

»Du opferst keinen deiner Mineure, sondern die letzte Lastkröte?«, fragte Worfzuc verblüfft. »Dann steht mir dein Turm über zwei verschränkte Diagonalen offen!«

»Berührt, geführt«, sagte Tragalon. Er wischte sich über die flatternden Augen, als wäre er nach wie vor geistig beeinträchtigt. »Ich bleibe dabei. Das gebietet die Fairness.«

»Na dann ...«

Worfzuc zog seinen gelben Kampfgleiter auf das Feld von Tragalons rotem Bollwerk. Triumphierend schnippte er es mit einem dreieckig zugefeilten Klauennagel hinweg.

Mit demselben Nagel öffnete er eine Getränkedose und stürzte den schäumenden Inhalt hinunter. »Du hast das Ende des Fahnenmasts erreicht, würde ich meinen, alter Freund.«

»Noch nicht ganz«, erwiderte Tragalon. Bedächtig, fast feierlich ersetzte er zwei seiner Figuren durch höherwertige.

»Hä? Was tust du da?« Worfzuc rülpste. »Das ist nicht erlaubt!«

»Doch.«

Tragalon lehnte sich zurück, auf einmal die Ruhe selbst. »Es dürfte dir entgangen sein, aber ... Nach der kürzlich erfolgten Aktualisierung der Regeln durch die Oberkommission von Sindrad ist ein derartiger Austausch gestattet. Unter zwei Bedingungen: Wenn der dominierende Spieler – das bist du – mindestens doppelt so viele Gleiter am Brett hat. Und wenn er außerdem über eine von ihm geöffnete Doppeldiagonale dem gegnerischen Turm den Fluchtweg versperrt. Was, wie du zweifelsfrei erkennen kannst, seit deinem letzten Zug gegeben ist.«

»Aber, aber ...« Worfzuc schnappte nach Luft. »Dann verändert sich die Situation komplett.«

»So war's beabsichtigt.«

»Dein neuer blauer Energiewall blockiert meinen Angriff. Zugleich bedroht dein ebenfalls eingewechselter Kanonier unmittelbar meinen Turm! Im nächsten Zug wäre ich geschlagen.«

»Tja, so ist das, wenn man erstens sich nicht auf dem Laufenden hält und zweitens nicht mitzählt bei dem, was man übereifrig an Verlusten anrichtet.«

»Sindrad ist irrelevant. Geschichte. Ein von allen guten Geistern verlassenes Experimentaldorf nahe dem Nordpol!«

»Jedoch nach wie vor Sitz der Regulatoren. – Oder etwa nicht, hochgeehrtes Schiedsgericht?«

Tragalon blickte schräg nach oben, in Richtung der Kameras, die den Wettstreit übertrugen, an viele Tausend, wenn nicht Millionen Zuseher auf einem Gutteil der südlichen Hemisphäre des Planeten.

Eine dunkle, unaufgeregt klingende Frauenstimme antwortete: »Der Herausforderer hat recht. Die jüngst veröffentlichten, modifizierten sindradischen Spielregeln sind definitiv gültig.«

»Soll heißen ...?«

»Worfzuc-Wendig könnte kapitulieren und seine endgültige Niederlage eingestehen. Oder er akzeptiert, dass Tragalon-Breit diese Runde gewonnen und an Punkten ausgeglichen hat.«

Brummelnd strich sich Worfzuc über den Schuppenkamm: »Pfui, ganz schön fies. Na ja, was bleibt mir übrig? Ich beuge mich der verf..., ähem, hochgeehrten Kommission.«

»Somit wird das Duell um den Vorrang in Farton weitergeführt.« Die Sprecherin wartete, bis die lokalen und überregionalen Ovationen abgeklungen waren.

Das dauerte eine Weile, denn die Mehrheit der Zuseher feierte Tragalon für den raffinierten Trickspielzug, mit dem er Worfzuc in die Falle gelockt hatte. Etwa ein Drittel hingegen verhöhnte ihn deswegen umso lauter.

Dann sagte sie: »Wir gehen abermals zur dritten Disziplin über. Soeben werden den Kombattanten die Umschläge ausgehändigt, in denen jene Positionen skizziert sind, die sie gleich anschließend zu vertreten haben. Aber zuvor Musik! Sie hören den Chor der Plantagenarbeiterinnen von ...«

*

Lang gezogener, depressiver Gesang erklang. Die schleppende, gefühlt bei jeder Note immer tiefer absinkende Melodie quälte sich durch so gut wie sämtliche bekannten Molltonleitern.

Tragalon öffnete das Kuvert, das man ihm überreicht hatte. Was er auf den herausgezogenen Folien las, erfüllte ihn nicht unbedingt mit Begeisterung. Er sollte Argumente für eine Überzeugung finden, der er nicht im Mindesten anhing.

Als Verlierer der vorigen Runde hatte Worfzuc das erste Argument. Er lugte in seinen Stichwortzettel und räusperte sich.

»Unser Volk, die Gemeinschaft der armudanischen Stadtstaaten«, begann er dann, »ist zweifelsohne auserwählt und zu Großem berufen. Hätten wir, eine ursprünglich recht schwache Spezies, uns diesen Planeten mitsamt allem, was sonst darauf kreucht und fleucht, untertan machen können, wenn nicht höhere Mächte über uns wachten?«

»Wer oder was denn?«, entgegnete Tragalon rollengemäß. »Naturgeister? Etwa gar Götter? Tempel gibt es massenhaft auf unserer wunderbaren Welt. Jedoch mutmaße ich, dass sie hauptsächlich dazu geeignet sind, die jeweilige Priesterschaft mitsamt ihrer Gelegen und Gesinde fett und träge werden zu lassen.«

»Zwischen Himmel und Erde«, sagte Worfzuc, ebenso an seine Vorgaben gebunden, »existieren viel mehr Dinge, als unser Verstand zu erfassen vermag. Empirische Wissenschaft ist segensreich, keine Frage. Aber nicht alles. Hat nicht unlängst eine Plage fast ein Fünftel der Bevölkerung der Stadt Farton hinweggerafft, bevor die Mediziner ein Gegenmittel produzieren konnten?«

»Vielleicht hätten deine Priester«, warf Tragalon ein, »sich besser öfter die Hände gewaschen. Ehe sie von einem Krankensaal zum anderen stolzierten, um ihren Hokuspokus aufzuführen, und dadurch die Erreger der Seuche erst recht im ganzen Hospital verbreiteten.«

»Wenn denn solche Erreger überhaupt existieren. Hast du jemals welche gesehen? Mit eigenen Augen?«

»Niemand kann sie sehen, nicht mal durch ein Mikroskop. Genauso wenig wie Windböen oder elektrischen Strom. Aber die Auswirkungen wurden seit Jahrhunderten dokumentiert.«

»Ah ja. Diesem Irrglauben kann man anhängen. Wieso auch nicht, da es keine für die Allgemeinheit schlüssig nachvollziehbaren Beweise gibt, weder in die eine noch in die andere Richtung.«

Illustration: Swen Papenbrock

»Die gibt es sehr wohl.«

»Ha, ha.«

»Spinnst du? Beispielsweise haben wir die schlimmsten Kinderkrankheiten nahezu vollständig ausgerottet. Dank der Errungenschaften der medizinischen Forschung.«

»Oder, weil die Hohen Mächte uns gewogen waren. Beweis mir das Gegenteil!«

Tragalon merkte, dass sein Widersacher ebenso wie er damit kämpfte, Standpunkte vertreten zu müssen, die er eigentlich ablehnte. Aber darum ging es momentan nicht.

»Weshalb«, sagte er, »sollten sich Wesenheiten, die eine ungleich höhere Existenzstufe erreicht haben, überhaupt für jemanden wie uns interessieren?«

»Wieso nicht?«

»Ein allmächtiger Schöpfergott, wenn es ihn denn gäbe, könnte sich freihändig erschaffen, was ihm am frühen Morgen zu Gesicht steht. Und nachmittags auslöschen, was ihm dann missfällt. Wir aber leben und diskutieren noch.«

»Vielleicht, weil die Tätigkeit der Priesterschaften und die Hingabe der Gläubigen sein Wohlwollen sichern?«

»Mhm. Von mitleiderregend schief intonierten Gesängen oder Geld- und Sachspenden an die Tempel lassen sich allmächtige Gottheiten ganz gewiss bestechen! So jemand gönnt sich ja sonst nichts.«

»Du glaubst also, dass alles, was geschieht, zufällig passiert?«, sagte Worfzuc, nachdem er erneut seinen Spickzettel konsultiert hatte. »Ohne höheren Plan, einfach so, im ganzen Universum?«

»Das habe ich nicht behauptet. Ich stelle keineswegs in Abrede, dass anderswo äußerst weitreichende Pläne geschmiedet und zumindest teilweise umgesetzt werden könnten.«

»Eben. Wir haben erst einen winzigen Bereich des Kosmos erforscht. Die Astronomen unserer Observatorien erwähnen immer wieder schaudernd die unfassbare, majestätische Unendlichkeit, in die sie blicken. Dieweil die Astrologen wenigstens in der Lage sind, nützliche Sinnzusammenhänge zu konstruieren.«

»Ein solcher Gott, wie du ihn imaginierst«, sagte Tragalon, »wäre unendlich einsam. Würde er nicht zumindest einen Antagonisten erdenken, der ihm Paroli bieten könnte?«

»Einen ... teuflischen Widersacher, meinst du? Sozusagen einen Geist, der stets verneint? Warum nicht?«

»Weil auf Dauer auch das nicht funktionieren würde. Der eine, vormals Einzige, sagt ja – und der andere, aus einer Laune entsprungene, sagt immerfort nein dazu, just das genaue Gegenteil? Metaphorisch gesprochen, natürlich. Na, komm! Eine solche Unterhaltung würde ihnen beiden schnell langweilig.«

Worfzuc runzelte die Stirn. »Du lässt durchblicken, dass ein derartiges Arrangement längerfristig unerquicklich wäre.«

»Sinnlos! Und unlogisch dazu.«

»Ein Kennzeichen der religiösen Weltanschauung ist aber, dass sie über rationale Denkweisen hinausgreift. Wer unhinterfragt glaubt, weiß es – und fühlt sich – automatisch besser.«

»Automatisch.«

»Das ist statistisch erwiesen. Solche Zeitgenossen sind glücklicher als jene, die tagaus, tagein alles anzweifeln. Schlussfolgerung: Wer heilt, wer Heil erwirkt, für sich oder andere, hat recht.«

Eine zugegebenermaßen pointierte Stellungnahme. Tragalon hatte Sorge, dass sein Gegner die Oberhand gewinnen und auch diese Runde für sich entscheiden könnte.

»Göttliche Allmacht bedeutet«, lenkte er deshalb auf einen früheren Themenstrang zurück, »dass, wer darüber verfügt, alles vorherbestimmen kann. Sogar muss. Unweigerlich!«

»Muss er?«

»Ja doch! Würde dein Gott sich selbst Hemmungen auferlegen, wäre er nicht mehr allmächtig. Andererseits unterliegt er auf diese Weise ebenfalls einem Zwang, nämlich dem zur Zwanglosigkeit. Aus diesem Dilemma kommt er nicht heraus.«

»Mein Gott«, sagte Worfzuc defensiv, »kann alles. Auch ein Paradoxon umgehen.«

»Schön für ihn. Und wo bleibt dann der freie Wille des Individuums? Auf der Strecke bleibt er, wenn Zufall und Schicksal zugleich auftreten! Denn dann regiert, da sie nicht gleichberechtigt sind, per Definition nicht sein können, immer das Schicksal.«

»Wortklauberei«, versuchte sich Worfzuc zu wehren. »Unser Vokabular reicht nicht aus ...«

»Wir haben kein anderes. – Mal angenommen, du hättest recht. Folglich plappern du und ich, auch in diesem Moment, einen Text nach, den uns jemand unermesslich Höherer schon vor Urzeiten vorgeschrieben hat! Auch der Ausgang dieses Duells steht längst fest, mitsamt den sich daraus ergebenden Konsequenzen.«

»Blödsinn!«

»Ein unangenehmer Gedanke, nicht wahr? Als wären wir nichts anderes als Spielfiguren, Marionetten, Nebencharaktere in einer Geschichte. Verzichtbar, jederzeit der übergeordneten Dramaturgie beziehungsweise Strategie zu opfern. Oder?«

Worfzuc rutschte auf seiner Sitzstange hin und her. »So kommen wir nicht weiter«, sagte er lahm.

»Ach, auf einmal gibst du klein bei?«

»Wir können uns schlicht und einfach nichts vorstellen, was über unserer Bewusstseinsebene angesiedelt ist.«

»Gleichwohl müsste es möglich sein, von unserem bescheidenen Niveau ausgehend zu extrapolieren.«

»Auch dafür schuldest du mir einen Beweis.«

»Wie sollte ich ...«

»Unentschieden«, mischte sich erlösend die Stimme der Schiedsrichterin ein. »Stopp. Die Zeit ist abgelaufen. Keiner konnte punkten. Nach einer kurzen Werbeunterbrechung haben die Konkurrenten sich deshalb wieder in den Ring zu begeben, zur finalen Runde und Ermittlung des Siegers.«

Tragalon und Worfzuc klatschten ab, kumpelhaft grinsend.

*

Während ihn seine Sekundanten zum Endkampf rüsteten, ertappte sich Tragalon dabei, dass er über die eben absolvierte Debattierphase nachgrübelte.

Entgegen den Ansichten, die er widerwillig und doch, wie er rückblickend fand, trefflich geäußert hatte, glaubte er sehr wohl an eine höhere Bestimmung. Sein ganzes Leben wäre schlussendlich sinnlos, würde er nicht darauf hoffen, dass er irgendwann der lähmenden Trivialität seines Heimatplaneten entfliehen könnte!

Es mussten nicht unbedingt Götter sein, zu denen er Kontakt bekam, auch keine Engel oder Dämonen. Bloß Vertreter von Zivilisationen, die bessere, weiter reichende Überlichtmotoren gebaut hatten als jene störungsanfälligen, nach Havarien irreparablen Transitionstriebwerke, mit denen die Armudana kaum über ihr Heimatsystem hinauskamen.

Andererseits aber ...

Was unterschied, aus seiner beschränkten Sicht, etwaige weiter auf der Treppe der Evolution empor gelangte Wesen von Göttern? Wer sagte, dass solche Entitäten nicht längst ein wohlwollendes Auge oder sonstige Sinnesorgane auf das Armuunsystem geworfen hatten?

Vielleicht beobachteten sie Tragalon und seinesgleichen bereits seit Jahrtausenden. Vielleicht warteten sie nur darauf, dass die Armudana sich endlich würdig erwiesen, in eine interstellare galaktische Gemeinschaft aufgenommen zu werden.

Dafür benötigten sie einen charismatischen globalen Anführer. Tragalon war sich sehr sicher, dass niemand anderer als er diesen Posten optimal ausfüllen konnte.

Aber dazu musste er erst einmal seinen besten Freund besiegen.

*

Sie standen einander im Ring gegenüber: er und Worfzuc, lauernd, auf den abgeknickten Beinen wippend.

Oft hatten sie miteinander trainiert. Jeder von ihnen kannte die bevorzugten Angriffs- und Verteidigungstechniken des anderen.

Ihre Beinamen waren ihnen nicht von ungefähr verliehen worden. Wie bei den Armudana üblich, gründeten sie auf Eigenschaften, die sich bereits in der Pubertät gezeigt hatten.

Worfzuc war hochgewachsen, drahtig und wendig. Tragalon, der um fünfeinhalb Jahre Jüngere, war breit im Sinne von stämmig, mit überdurchschnittlich ausladenden Schultern und ebenso muskulösen Schenkeln.

Am auffälligsten unterschieden sich die Schweife. Tragalons maß gerade einmal zwei Armlängen. Stützte er sich darauf, musste er die Beine stark abwinkeln, um nicht nach hinten zu kippen.

Dafür konnte man ihn dann dank des niedrigen Schwerpunkts kaum aus der Balance bringen. Worfzucs verlängertes Rückgrat wiederum war fast drei Meter lang, aber viel dünner und verlieh ihm bei geringerer Stabilität eine ungleich höhere Reichweite.

Diese körperlichen Eigenheiten beeinflussten naturgemäß die jeweils bevorzugten Kampfstile. Worfzuc setzte den gefiederten Schwanz oft wie eine Peitsche ein, während Tragalon seinen geschuppten eher als Knüppel oder »drittes Bein« benutzte.

Beide waren erfahrene, ruhmreiche und gefürchtete Kämpfer, die gerne mit den kräftigen unteren Extremitäten angriffen. Mit den kurzen Armen attackierten sie selten, wehrten aber umso häufiger Tritte oder Schweifschläge ab.

Üblicherweise legte Tragalon es darauf an, den Gegner zu ermüden und durch seine Nehmerqualitäten zu zermürben. Worfzuc suchte umgekehrt meist die frühe Entscheidung, weil seine Schnelligkeit und Reflexe mit der Zeit nachließen.

Nicht nur wegen dieser und anderer bekannter Differenzen stieß ihr erstes öffentliches Duell auf reges Publikumsinteresse. Der Titel, den Worfzuc seit fast einem Jahrzehnt hielt, war nicht bloß eine Auszeichnung.

Bei dieser Tripartie stand mehr auf dem Spiel, viel mehr.

*

Als der Gong ertönte, tat Tragalon etwas für ihn Ungewöhnliches.

Er wartete nicht in defensiver Haltung ab, bis sich Worfzuc tänzelnd näherte, sondern stürmte seinerseits los. Wie aus einer Kanone geschossen, warf er sich dem Älteren entgegen.

Das war ein gewagtes Manöver, da er zwangsläufig die Deckung vernachlässigte. Aber es gelang. Der erhoffte Überraschungseffekt trat ein.

Worfzuc reagierte flink; jedoch nicht flink genug. Er schnellte sich hoch, schräg nach rechts hinten, und rotierte dabei halb um seine Achse. So vergrößerte er den Abstand wieder und peitschte zugleich mit dem Schweif waagrecht auf Höhe der Leibesmitte nach Tragalon.

Der hatte seinen Kontrahenten penibel studiert und dessen Gegenangriff vorhergesehen. Er tauchte darunter hindurch. Rollte sich ab. Nahm das Tempo mit, sprang auf. Überschlug sich in der Luft ein weiteres Mal – und erwischte Worfzuc in vollem Schwung von oben herab mit der Schwanzkeule am Hinterkopf.

Bam!, das saß. Ein weniger harter Schädel wäre geborsten.

Der Treffer zeitigte aber auch bei Worfzuc Wirkung. Er taumelte, fing sich jedoch gleich wieder.

Tragalon war, nach der vogelwilden Aktion und vom erfolgten Zusammenprall selbst irritiert, nicht perfekt mit den Füßen aufgekommen, hatte die Landung nur mangelhaft abfedern können. Beinahe hätte er laut aufgeschrien. Er verspürte einen stechenden Schmerz in der Ferse.

Dennoch rappelte er sich hoch und setzte nach, um Worfzuc zu rammen und aus dem Ring zu befördern. Wodurch er einen sofortigen Sieg erzielt hätte.

Diesmal war der Titelverteidiger um einen Tick schneller und gewitzter, wohl auch abgebrühter. Anstatt den Ansturm zu blockieren, zog er Tragalon, dessen Momentum ausnutzend, mit sich zu Boden und umklammerte ihn mit Schweif und Beinen.

»Klassisches Ringen«, fauchte er, »hat dir noch nie behagt, mein Junge, gell? Das war dir immer zu wenig spektakulär. Wie bitter, dass ich dich gerade auf diese Weise demütigen werde!«

»Du irrst dich«, widersprach Tragalon gepresst. »Ich habe hinzugelernt.«

In der Tat hatte er während der vergangenen Wochen intensiv Bodentechniken geübt, wohl wissend, dass Worfzuc-Wendig notfalls darauf zurückgreifen würde. Fast jeder beginnenden Umschlingung konnte man sich entziehen. Falls man darauf vorbereitet war und wusste, wie.

Tragalons linker Arm war noch nicht völlig gefesselt. Er zielte genau und stach Worfzuc mit der Klaue des Mittelfingers in die Lendenbeuge.

Grelles Aufheulen bestätigte, dass er den Nervenstrang getroffen hatte. Worfzucs Bein erschlaffte.

Sich windend und aufbäumend, kam Tragalon frei. Er robbte zurück, stemmte sich auf allen fünfen hoch und täuschte vor, zu einem weiteren Salto mit nachfolgendem Schwanzhieb anzusetzen.

Eine Finte, auf die Worfzuc prompt hereinfiel, indem er das einsatzfähige Bein und den spiralförmig zusammengerollten Schweif nach oben reckte, um den Kopf zu schützen. Stattdessen versetzte Tragalon ihm einen Tritt in den Unterleib.

Wehgeschrei und Schmähungen ignorierend, ließ er sich auf Worfzuc fallen. Mit Schwanz und Beinen arretierte er dessen zuckende hintere und untere Extremitäten und deckte ihn mit einem Hagel aus platzierten Fausthieben in die Nierengegend ein.

Armudanische Arme mochten für vieles zu kurz sein. Aber im Infight waren sie nicht zu verachten. Tragalon drosch zu, bis Worfzuc kein Lebenszeichen mehr von sich gab.

»Aus, stopp! Stopp, um aller Himmel willen!«, drang die Stimme der Schiedsrichterin zu ihm durch. »Bist du taub, Tragalon? Wie oft sollen wir dich denn noch zum Sieger erklären!«