Perry Rhodan 3202: Zerstört die MAGELLAN! - Oliver Fröhlich - E-Book

Perry Rhodan 3202: Zerstört die MAGELLAN! E-Book

Oliver Fröhlich

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Beschreibung

Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr. Wie es aussieht, könnte Perry Rhodan, der als erster Mensch von der Erde auf Außerirdische gestoßen ist, sich endlich seinem großen Ziel nähern: der alte Traum von Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmung ein, man arbeitet intensiv und gleichberechtigt zusammen. Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit. Doch ES weilt nicht mehr in der Galaxis – das Geisteswesen scheint zwischen den Sterneninseln verschollen zu sein, zersplittert in Fragmente. Eines soll sich in der Galaxis Morschaztas befinden. Diese aber ist unzugänglich, und ihre Herrscher – Cappins aus dem Volk der Panjasen – reagieren feindselig auf die Fremden aus der Milchstraße. Es scheint, als bliebe Perry Rhodan nur noch ein Ausweg: ZERSTÖRT DIE MAGELLAN ...!

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Seitenzahl: 178

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Nr. 3202

Zerstört die MAGELLAN!

Terraner gegen Panjasen – sie kämpfen um ein riesiges Raumschiff

Oliver Fröhlich

Christian Montillon

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog: Aus dem Mental-Diarium von Lad Wettir

1. Nach dem Duell

2. Blicke aus der Dunkelkammer

3. Stolperfallen der Vollkommenheit

4. Erste Schritte

5. Infiltration

6. Widerstand ist zwecklos

7. Verlegung

8. Dunkel und doch voll Hoffnung

Epilog: Aus dem Mental-Diarium von Lad Wettir

Journal

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr. Wie es aussieht, könnte Perry Rhodan, der als erster Mensch von der Erde auf Außerirdische gestoßen ist, sich endlich seinem großen Ziel nähern: der alte Traum von Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmung ein, man arbeitet intensiv und gleichberechtigt zusammen.

Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit.

Doch ES weilt nicht mehr in der Galaxis – das Geisteswesen scheint zwischen den Sterneninseln verschollen zu sein, zersplittert in Fragmente. Eines soll sich in der Galaxis Morschaztas befinden. Diese aber ist unzugänglich, und ihre Herrscher – Cappins aus dem Volk der Panjasen – reagieren feindselig auf die Fremden aus der Milchstraße. Es scheint, als bliebe Perry Rhodan nur noch ein Ausweg: ZERSTÖRT DIE MAGELLAN ...!

Die Hauptpersonen des Romans

Perry Rhodan – Der Terraner gibt den finalen Befehl.

Alschoran – Der Kastellan stellt sich in den Dienst der Sache.

Atlan – Der Arkonide spielt mit hohem Risiko.

Yahorosch und Devvasch

Prolog

Aus dem Mental-Diarium von Lad Wettir

Die Panjasen sind in Tamoglon gelandet, und das Leben wird nie wieder sein, wie es einmal war.

Nach allem, was ich gehört habe, wäre es für Leute wie mich nun das Vernünftigste, sich vor ihnen zu verstecken, um ihrem Diktat zu entgehen. Und nicht nur für Leute wie mich ...

Der Südsumpf soll sich dafür eignen, weil Panjasen den Geruch als zu stechend empfinden. Zugegeben, dort stinkt es bestialisch, aber sei's drum. Die Mirbsen lieben das Aroma. Nirgends vermehren sie sich so zahlreich. Und wenn sie im Frühjahr in Scharen ausschwärmen und die Pallinen befruchten, gibt es im Herbst reiche Ernte. Warum sich also über den Geruch beschweren, anstatt die Sinne davor zu verschließen?

Außerdem gefallen den Panjasen die dürren, verkrümmten Äste der Zylalien und die wild wuchernden Moraststräucher im Sumpf nicht. Ihr Anblick sei eine Beleidigung für jedes Lebewesen mit einem Hauch von ästhetischem Spürsinn, sagen sie. Zu wenig sinnschmeichelnd. Zu wenig schön.

Zumindest berichten die Einwohner von Tamodarg und Tamoglyst davon, die in unsere Stadt geflohen sind. Wie lange ist das nun her? Zehn Tage? Oder gar 15? Ich müsste in den Diariumseinträgen nachsehen, aber letztlich spielt es keine Rolle.

»Was wollt ihr bei uns?«, fragte ich einen der Flüchtlinge, dem ich in einer Nebelstube begegnete. »Glaubt ihr wirklich, hier wärt ihr sicher? Denkt ihr, ausgerechnet Tamoglon werden die Panjasen verschonen?«

»Ist es neuerdings verboten zu hoffen?«, lautete die Antwort.

Die Aussprache des Mannes klang verwaschen und nuschelig. Das mochte an seiner stark vernarbten Unterlippe liegen. Der glasige Blick und der Speichel, der ihm über das Kinn rann und aufs Hemd tropfte, ohne dass er ihn wegwischte, verrieten mir jedoch zwei Dinge.

Erstens: Der Flüchtling hatte keinerlei Erfahrung mit Pallinennebel. Wahrscheinlich vertrug er ihn nicht einmal. Ich nehme an, er war nie zuvor einer Nebelstube auch nur nahegekommen.

Zweitens: Er suchte keine Innere Einkehr im Sinne der Vollkommenheitsphilosophie – oder zumindest die Andeutung dessen, denn mehr konnten die Nebelstuben ohnehin nicht bieten. Womöglich hatte er von der Vollkommenheitslehre nicht einmal etwas gehört. Nein, mein neuer Bekannter suchte die Betäubung um der Betäubung willen. Er floh nicht nur körperlich vor den Panjasen, er versuchte, ihnen auch innerlich zu entkommen. Das war der wahre Grund für die verwaschene Aussprache.

Drittens: Nach seiner Ankunft in Tamoglon war er schnurstracks in eine Nebelstube gestapft. Und das lag sicherlich schon etliche Tage zurück.

Gut, das waren drei Dinge und nicht nur zwei. Da mir Letzteres – allerdings nicht sein Blick oder der tropfende Speichel – durch den strengen Geruch seiner Kleider verraten wurde, der sogar die Süße der Pallinen überdeckte, nehme ich es an dieser Stelle nicht so genau.

»Wie heißt du?«, fragte ich ihn.

»Whiff«, seufzte er. Ob es sich dabei tatsächlich um seinen Namen handelte, ein nebelinduziertes wohliges Aufstöhnen oder nur um ein mir unbekanntes tamodargisches Modewort für »Lass mich in Ruhe«, weiß ich nicht.

»Verboten ist Hoffnung sicherlich nicht«, sagte ich. »Aber nutzlos.«

Er hörte mich schon nicht mehr. Also ersparte ich mir die Belehrung, dass nur die Innere Einkehr wahre Freiheit schenken konnte.

Ach, hätte doch nur Whiff mit seiner sinnlosen Hoffnung recht behalten, die Panjasen könnten Tamoglon verschonen! Hätte ich mich doch nur geirrt! Aber das habe ich nicht.

Zwei panjasische Schiffe sind vor wenigen Minuten gelandet, hinten beim Verwaltungsturm. Drei weitere schweben noch über der Stadt. Rote Tropfen, als weinte der Himmel blutige Tränen.

Und nun? Wollen die Flüchtlinge aus Tamodarg und Tamoglyst in die nächste Stadt weiterziehen? Wieder und wieder und wieder, bis es schließlich keinen Ort mehr gibt, der weiteren Aufschub gewährt? Oder ziehen sie sich selbst in den von ihnen angepriesenen Südsumpf zurück?

Ich werde nichts dergleichen tun. Die Sicherheit dort halte ich für eine Illusion.

Ein anderer Flüchtling erzählte mir, in Tamoglyst hätten panjasische Roboter die Dränghecken ausgerissen und durch ein fürchterlich kitschiges Blütenmeer ersetzt.

Dass viele Tamolkonoren die Hecken dafür nutzen, die erste Stufe der Vollkommenheit wenigstens ansatzweise zu erfahren, interessierte die Panjasen nicht. Im Gegenteil. Die Vorstellung widerte sie an, dass man sich nackt durch die Dornen schieben sollte, um die Haut zu überreizen und für einige Zeit genauso gefühllos zu machen wie die Altersnarben.

Gerade fällt mir ein anderer Flüchtling ein, den ich wenige Stunden vor Whiff traf – und zwar nicht in einer Nebelstube, sondern in der Nähe des Vollkommenheitsphilosophischen Instituts.

»Diese Panjasen sind in ihrer Arroganz nur schwer zu ertragen«, berichtete er mir. »Weißt du, was einer von ihnen zu mir gesagt hat, als er mich aus einer Dränghecke kommen sah? ›Was für eine absonderliche Auffassung von Vollkommenheit ihr doch habt, hat er gesagt. Aber wir werden euch gerne lehren, was wahre Vollkommenheit bedeutet.Und wenn ihr sie schon niemals erreichen werdet, sollt ihr sie doch wenigstens erkennen können.‹ Kannst du so etwas glauben? Faselt etwas von Vollkommenheit und hat dabei selbst ein so jugendlich makel- und narbenloses und symmetrisches Gesicht, dass es schwerfällt, es ohne Abscheu anzusehen.«

Vermutlich hätte ich mich mehr mit diesem Flüchtling und weniger mit Whiff unterhalten sollen.

Wie dem auch sei: Wenn die Panjasen die Dränghecken roden, werden sie eines Tages auch den Südsumpf trockenlegen und ihn nach ihren Vorstellungen umgestalten. Dann gibt es dort keinen Gestank mehr, aber auch keine Mirbsen und keine Pallinenernte. Von Nebelstuben ganz zu schweigen.

Nein, sich im Sumpf vor ihren Lehren zu verstecken, zögert das Unvermeidliche nur hinaus.

*

Das Unvermeidliche.

Tamol pflegt keinen allzu regen Kontakt mit den Völkern anderer Planeten, wenn man vom notwendigen Handel mit drei Nachbarwelten absieht, der uns mit Langkorngetreide und Gemüse versorgt. Nur von Pallinen und Rottlanfleisch kann man eben schlecht leben.

Das bedeutet allerdings nicht, dass wir keine Ahnung von dem hätten, was in Gruelfin vor sich geht. Im Gegenteil. Wir wissen sehr genau, wie die Panjasen ihre Vorstellung der Vollkommenheit anderen überzustülpen versuchen. Den Faravanua, Ikhoni, Juclas und wie sie alle heißen.

Oder nein, nicht nur versuchen, sondern es tatsächlich tun. Und nun sind eben wir dran.

Das Unvermeidliche.

Für alle, denen die Panjasen ihre neue Lehre gebracht haben, bedeutet dies: Unterwerfung. Wer Widerstand leistet, wird gefügig gemacht, wird umerzogen.

Ein probates Mittel ist die Gehirnwäsche. Die Panjasen beraten, schmeicheln, belehren und überzeugen, manchmal subtil, manchmal brachial – und zumeist mit dem Ergebnis, dass ihre Schüler danach nicht mehr unterscheiden können, was ihr eigener Wille und was der der Panjasen ist.

Mit ihren Methoden werden sie auch bei manchen Tamolkonoren ans Ziel kommen, womöglich bei vielen, doch gewiss nicht bei allen. Zumindest hoffe ich das. Ja, ich weiß, schließlich habe ich es selbst zu Whiff gesagt: Hoffnung ist nicht verboten, aber nutzlos. Dennoch gehe ich davon aus, dass die Panjasen nicht alle Tamolkonoren unterwerfen können. Zumindest jene, die das Hinterhirn für mehr als nur das Mental-Diarium verwenden, sollten widerstehen können, denn es dürfte jedem Versuch trotzen, es zu waschen.

Hoffentlich sind sie überhaupt bereit, die Mühen des Widerstands auf sich zu nehmen. Ich bin es.

Und da ist es wieder, dieses nutzlose Wort. Hoffentlich.

Das Unvermeidliche.

Für mich bedeutet das, im Hinterhirn eine Kontrollinstanz zu erschaffen, mit der das Haupthirn sehr wohl zwischen meinem Willen und dem der Panjasen zu unterscheiden vermag. Und zu diesem Zweck muss ich einige wichtige Erinnerungen im Mental-Diarium ablegen, ehe ich mir ihrer nicht mehr sicher sein kann.

Wie meine Erinnerung an den ersten Besuch im Tempel der Vollkommenen.

*

Es ist 16 oder 17 Jahre her. Genauer weiß ich es nicht mehr. Allein daran sieht man, wie dringend nötig es ist, dieses Erlebnis aufzuzeichnen.

Auf jeden Fall waren in Amudyeks Gesicht gerade die ersten Striemen aufgeplatzt und halbwegs wieder verheilt. Es würden prächtige Narben zurückbleiben. Wenn die nächsten Schübe ähnlich verliefen, würden sich die Frauen irgendwann darum prügeln, mit ihm das Lager zu teilen.

Bei mir hingegen waren Wangen, Stirn, Nase und Kinn noch ungezeichnet. Nur unter dem rechten Auge zeigte sich eine rote Linie, die in einigen Tage oder Monaten aufbrechen könnte – oder die rückstandslos wieder verschwinden würde. Es war mir gleichgültig. Ich legte keinen Wert darauf, dass jemand mit mir das Lager teilte, egal welchen Geschlechts. Es gab Wichtigeres im Leben. Auch wenn mir das in diesem Moment nicht richtig bewusst war.

Also ja, 16 oder 17 Jahre dürften stimmen.

Es war Sommer, die Unterweisungen pausierten, und wir hatten zu viel Zeit für uns. Zumindest ich empfand es so. Die restlichen Mitglieder meiner Unterweisungsgruppe – ich zögere, sie Freunde zu nennen – sahen das anders. Sie feierten, betranken sich, tanzten sich die vier Lungen aus dem Leib. Wenn ich mich recht erinnere, war damals Bozzna in Mode. Ich habe dieses nutzlose Herumwirbeln und Springen zu ohrenbetäubender, stampfender und kreischender Musik immer verabscheut.

Illustration: Swen Papenbrock

Wieder andere verausgabten sich beim Vier-Felder-Hekkny oder veranstalteten Veghia-Turniere.

Alles nicht meine Welt. Und so war ich froh, dass ich Amudyek zu einer Wanderung in die Berge hatte überreden können. Damals war er der Einzige, bei dem ich nicht gezögert hätte, ihn einen Freund zu nennen.

Inzwischen jedoch ... nun, das ist ein anderes Thema, von dem ich nicht weiß, ob ich es ins Diarium aufnehmen will.

Ich genoss die Wanderung. Das Fehlen der lärmenden und stinkenden und grell leuchtenden Stadt, stattdessen Stille, der Duft der Pflanzen, die Farben der Natur. Amudyek langweilte sich, das merkte ich schnell. Doch es war mir egal, denn an diesem Tag bemerkte ich zum ersten Mal, dass das Leben so viel mehr für einen bereithielt, wenn man sich von der Überreizung durch Äußerlichkeiten befreite. Sagte nicht auch der Vollkommenheitsphilosoph Benrat Morliner in seinem Werk über ...

Oh, ich lasse mich mitreißen und schweife ab. Dabei soll dieser Diariumseintrag doch dem Besuch im Tempel der Vollkommenen gelten.

Um es kurz zu machen: Wir verliefen uns in den Bergen. Was sich im Nachhinein als Glücksfall erwies, zumindest für mich. Amudyek hingegen schäumte vor Wut. Vielleicht war dies der Moment, in dem wir begannen, uns voneinander zu entfernen.

In unserem Versuch, den Hauptweg wiederzufinden, stießen wir auf ein kleines Tal. Fernab aller Straßen und vor den Blicken aus einem Gleiter verborgen durch Felsüberhänge und Bäume mit ausladenden Kronen.

Zwischen all diesen Bäumen lag er: der Tempel.

Äußerlich ein schlichter Bau aus rauem, schmucklosem Gestein, im Inneren jedoch hoch technisiert, zumindest was die Lebenserhaltungssysteme auf den Einkehrpritschen betraf.

Zunächst vermutete ich in dem Mann, der uns in Empfang nahm, einen der regulären Bewohner des Gebäudes. Er hieß Galeikan. Ich schätzte sein Alter auf knapp über 100 Jahre. Jedenfalls war seine Kopfhaut auf einer Seite längst verkrustet und hielt dort keine Haare mehr. Auf einem Auge war er blind. Eine kreuzförmige Narbe verlief darüber.

Zu weiteren Schritten, so sagte er uns später, fehlte ihm leider der Mut. Amudyek erklärte ihn für verrückt. Ich hingegen ... nun ja.

Erst als uns Galeikan zu einer Einkehrpritsche führte, begriff ich, dass er nur ein Diener war. Jemand, der die wahren Tempelbewohner pflegte und darauf hoffte, eines Tages selbst einen Platz auf der Pritsche einnehmen zu können.

Der Anblick der Frau auf der Pritsche überraschte und faszinierte mich. Amudyek entsetzte er.

Sie war nackt, was jedoch erst auf den zweiten Blick auffiel, da ihr gesamter Leib verkrustet war. Bereits damals wusste ich, dass die körperlichen Veränderungen, die wir im Laufe eines Lebens durchmachen, die Auswirkungen einer genetischen Mutation in der Vergangenheit sind. Striemen entstehen auf unserer Haut, platzen auf, verheilen, vernarben und werden gefühllos. Die Kopfhaut bildet krustige Narben, die Haare fallen aus. Nichts Ungewöhnliches.

Doch etwas derart Allumfassendes hatte ich bisher nie gesehen. Ich wusste nicht einmal, dass es überhaupt möglich war.

Aber mehr noch: Dort, wo Augen im Gesicht der Frau hätten sitzen müssen, starrten leere Höhlen zur Decke. Anstatt einer Nase und Ohren wucherte knolliges Narbengewebe. Im geöffneten Mund sah ich keine Zunge.

»Das ist Vyarnya«, sagte Galeikan. »Sie hat die fünfte und letzte Stufe der Vollkommenheit vor einem Jahr erreicht, mit gerade einmal sechzig. Wenn sie Glück hat und das Schicksal ihr gewogen ist, stehen ihr noch viele wundervolle und erfüllte Jahrzehnte der Inneren Einkehr bevor. Ist sie nicht wunderschön?«

Das war sie, ganz ohne Zweifel.

Vier Medosonden umkreisten ihren Kopf wie Monde einen Planeten. Ein Holo hinter der Pritsche zeigte die Messergebnisse.

»Wie ihr seht«, sagte Galeikan, »regelt das, was die meisten Tamolkonoren Haupthirn nennen, nur noch wesentliche Funktionen wie Atmung und Herzschlag. Es verarbeitet jedoch keinerlei Sinneseindrücke mehr. Vyarnya ruht vollkommen in sich.«

Das Hinterhirn hingegen barst vor Aktivität. Es wirkte, als hätte sich die Frau in eine Region zurückgezogen, die von vielen lediglich als zusätzlicher und im Gegensatz zum Haupthirn unbestechlicher Datenspeicher in Form des Mental-Diariums verwendet wurde. Als lebte sie dort, unbeeinflusst von äußeren Ablenkungen.

Noch etwas, von dem ich bisher nicht gewusst hatte, dass es überhaupt möglich war.

Ich stellte mir vor, wie es sein musste, den Lärm der Stadt nicht nur durch die Ruhe der Berge zu ersetzen, sondern durch ein vollständiges Fehlen von Geräuschen. Anstatt des Gestanks von Tamoglon nicht nur den Duft der Natur zu riechen, sondern gar nichts mehr.

In diesem Augenblick beneidete ich Vyarnya. Und dennoch ... Nun, ich konnte durchaus nachvollziehen, dass Galeikan der Mut fehlte, sich auch das zweite Auge zu nehmen.

Ich verwende in diesem Diariumseintrag Begriffe, die ich damals noch nicht kannte, wie beispielsweise Einkehrpritsche. Tatsächlich hatte ich natürlich bereits von der Vollkommenheitsphilosophie der Inneren Einkehr gehört, verstand aber erst beim Anblick von Vyarnya, dass es Amudyek und mich in ein Lehrgelass der Philosophen verschlagen hatte. Sie selbst nannten es Tempel der Vollkommenen.

Bis zu diesem Tag hatte ich mich nie mit ihrer Lehre über das hinaus befasst, was man allgemein so hörte. Ich hielt sie für Spinnerei, für Eskapismus vor dem, was uns die Biologie aufbürdete. Das hohe Ideal der Inneren Einkehr erschien mir als zu abgehoben, als dass ich darüber auch nur eine Sekunde nachdachte.

Im Laufe des Tages lernten wir jedoch – oder nein: lernte ich, denn zu diesem Zeitpunkt hatte Amudyek den Tempel längst verlassen, um allein den Heimweg zu suchen. Im Laufe des Tages lernte also ich weitere Philosophen kennen. Viele hatten gerade die erste oder höchstens die zweite Stufe der Vollkommenheit erreicht, waren folglich noch in der Lage, ihre Weisheit mit mir zu teilen. Sie eröffneten mir eine Welt, wie ich sie mir faszinierender, erfüllender und verheißungsvoller nie hätte vorstellen können.

Aber ich begriff, dass mir die wenigen Stunden eines Nachmittags nur den Hauch dessen vermitteln konnten, was diese Lehre für mich bereithielt.

Und so beschloss ich, nach Abschluss der verpflichtenden Unterweisungen in einem oder zwei Jahren weiter zu lernen und Vertiefungsunterweisungen zu belegen. In tamolkonorischer Geschichte, in Biologie – und in Vollkommenheitsphilosophie.

Sofern das Schicksal es gut mit mir meinte, wollte ich eines Tages auch auf so einer Einkehrpritsche liegen und ein Leben in Vollkommenheit führen.

1.

Nach dem Duell

Wenn es etwas auf der Welt gab, das Atlan verabscheute, war es erzwungene Untätigkeit, dicht gefolgt von Ungewissheit.

Inzwischen verfluchte er sich für seine Vorsicht und dafür, dass er den Kontakt zu Perry Rhodan über Marats Module immer nur vom Habitat der MAGELLAN aus hergestellt hatte. Gewiss, dort fielen die flugfähigen kleinen Dinger zwischen all den Maschinen, Kleinrobotern und Sonden zur Pflege der Flora und Fauna am wenigsten auf. Trotzdem hätte er es riskieren sollen, ein Modul mit auf die Medostation zu schmuggeln. Keines der faustgroßen Elemente, aber vielleicht eines in Insektengröße. Oder eines derjenigen, die mit bloßem Auge nicht zu erkennen waren. Verborgen in den Falten seiner Kleidung oder gar direkt platziert im Gehörgang ...

Selbstverständlich hätte das funktionieren können, belehrte ihn sein Extrasinn. Da dein Weg zurück in die Medostation aber stets über einen Interntransmitter führt ...

Das ist mir durchaus bewusst, dachte Atlan. Ich glaube allerdings, der Transmitter hätte das Modul höchstwahrscheinlich mittransportiert.

Seit wann bist du ein Mann des Glaubens? Mag sein, dass du recht hast. Vielleicht hätte der Transmitter aber auch Alarm ausgelöst, weil er Materie verschickte, die weder zu deinem Körper noch zur Kleidung gehört.

Den Zellaktivator hat er anstandslos transportiert.

Und Devvasch hat ihn entdeckt. Deshalb war es die richtige Entscheidung, innerhalb der Medostation auf eine Kommunikation zu verzichten. Das Risiko, dass euer Kontakt auffliegt, wäre zu groß.

Atlan wusste, dass der Extrasinn recht hatte. Wie viel zu oft für seinen Geschmack.

Zum wiederholten Mal innerhalb kurzer Zeit zogen die vergangenen Ereignisse an seinem inneren Auge vorüber.

Der Aufbruch mit der RA nach Morschaztas, weil sie dort eines der Fragmente von ES zu finden hofften.

Die Ankunft beim Ultratender MAGELLAN, der die Reise als Vorhut zurückgelegt und kurz nach seinem Eintreffen einen Notruf gesendet hatte.

Die Erkenntnis, dass die Panjasen und ihr Gefolge die MAGELLAN übernommen und in eine Insel der Bewährung umgewandelt hatten.

Die Entdeckung, dass der Kugelsternhaufen Morschaztas nicht nur unzugänglich, sondern zudem optisch verschwunden war – verborgen hinter einem Phänomen, das Antanas Lato Horizont-Folie getauft hatte.

Und dann natürlich der Vorstoß auf die MAGELLAN.

Bei dem du dein Temperament wieder einmal nicht im Griff hattest, hämte der Extrasinn.

Zugegeben, so konnte man es sehen. Immerhin hatte sich Atlan in eine Auseinandersetzung zwischen Panjasen und dem, was sie Perfektionsstörer nannten, eingemischt. Man konnte es allerdings auch so betrachten, dass ihn die Aktion näher an den Gegner herangebracht hatte. Hinter die feindlichen Linien, wenn man so wollte.

Unbeabsichtigt, beharrte der Extrasinn. Weil Devvasch aus irgendwelchen Gründen einen Narren an dir gefressen hat und dich lieber auf die Medostation hat bringen, als dich auf dem Boden verbluten zu lassen. Ich nenne das unbeherrschtes Temperament.

Und ich nenne es eine glückliche Fügung, widersprach Atlan.

Denn dank Devvaschs und Yahoroschs Selbstbewusstsein, das die Grenze zur Überheblichkeit häufig übertrat, hatte er bereits einige Informationen sammeln und an Rhodan weitergeben können. Außerdem hatte Rhodan vorgeschlagen, dass Atlan nicht versuchen sollte, aus der Gefangenschaft zu fliehen, sondern stattdessen als Schlüssel nach Morschaztas zu fungieren. Der Arkonide hatte zugestimmt und war auf dem Posten in der Nähe der Panjasen geblieben.

Dadurch war er zwar nicht zur Stelle gewesen, als Sichu Dorksteiger von einer Pedotransfererin übernommen worden war, aber aus dieser Situation hatte Rhodan sie auch ohne arkonidische Hilfe befreien können. Dabei war der Terraner offenbar in Schwierigkeiten geraten, denn eines von Marats Modulen hatte Atlan zugewispert: »Perry braucht Unterstützung. Sofort. Jede Ablenkung der panjasischen Kräfte ist willkommen.«

Da sich Atlan in diesem Augenblick gerade mit Devvasch und Yahorosch in einem kleinen Besprechungsraum aufgehalten hatte, hatte er sofort reagiert und Yahorosch zu einem Duell mit der degenähnlichen Flexorette provoziert. Dabei hatte er mächtig einstecken müssen. Ein durchstochener Bizeps stellte dabei sein kleinstes, wenn auch nicht das am wenigsten schmerzhafte Problem dar.

Danach hatte man ihn sofort in die Medostation zurückverfrachtet – ohne Marats Modul, das selbstverständlich zurückbleiben musste. Also wusste der Arkonide nicht, ob sich sein Einsatz bezahlt gemacht hatte. Und es gab keine Möglichkeit, es auf die Schnelle herauszufinden.

O ja, Untätigkeit und Ungewissheit, seine beiden Erzfeinde.

Dennoch zwang er sich, auf dem Medobett liegen zu bleiben. Die – wie Atlan zugeben musste: beeindruckend fortschrittlichen – Nanomaschinen der Panjasen hatten die Bauchwunde, den Bizepsstich, die Absplitterung am Oberarmknochen und den Stich ins Schlüsselbein so gut versorgt, dass bis auf ein leichtes Zwicken nichts mehr zu spüren war. Eigentlich hätte er aufspringen und auf und ab laufen können, aber diesen allzu deutlichen Hinweis auf seine Angespanntheit wollte er den Panjasen nicht geben.