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Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr. Vielleicht kann Perry Rhodan, der als erster Mensch auf Außerirdische gestoßen ist, endlich sein großes Ziel erreichen: Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien. Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit. Doch ES weilt nicht mehr in der Milchstraße – das Geisteswesen ist in Fragmente zersplittert worden, die sich an verschiedenen Stellen im Kosmos befinden. Eines dieser Refugien wurde bereits von dem Raumschiff TEZEMDIA und seiner Besatzung entführt. Während Perry Rhodan sich an die Verfolgung macht, ist Gucky in der Galaxis Wolf-Lundmark-Melotte auf der Suche nach einem anderen Fragment. Seine Suche führt ihn in die Stadt Allerorten. Dort treffen sich GUCKY UND DER PARA-PARASIT ...
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Seitenzahl: 143
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Nr. 3281
Gucky und der Para-Parasit
Sie erkunden den Anabranch – und suchen Reginald Bulls Tochter
Leo Lukas
Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Prolog: Besieger des Schwarms
1. Ein wilder Ritt
2. Willkommen im Anabranch
3. Das Lager am Raumhafen
4. Nachtdienst
5. Die verriegelten Brücken
6. Vor- und Rückschläge
7. Die Straße Allerhäuser
8. Wiedersehen mit Beigeschmack
9. Parapassant versus Para-Parasit
10. Thaotama
Epilog: Der Durchbruch
Fanszene
Leserkontaktseite
Glossar
Impressum
Das Ende des 21. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist angebrochen. Mehr als dreieinhalbtausend Jahre von unserer Zeit entfernt lebt die Menschheit in Frieden. Zwischen den Sternen der Milchstraße herrschen keine großen Konflikte mehr.
Vielleicht kann Perry Rhodan, der als erster Mensch auf Außerirdische gestoßen ist, endlich sein großes Ziel erreichen: Freundschaft und Frieden zwischen den Völkern der Milchstraße und der umliegenden Galaxien.
Bei ihrem Weg zu den Sternen hat ein geheimnisvolles Wesen die Menschen begleitet und unterstützt: Es trägt den Namen ES, man bezeichnet es als eine Superintelligenz, und es lebt seit vielen Millionen Jahren zwischen Zeit und Raum. Rhodan sieht ES als einen Mentor der Menschheit.
Doch ES weilt nicht mehr in der Milchstraße – das Geisteswesen ist in Fragmente zersplittert worden, die sich an verschiedenen Stellen im Kosmos befinden. Eines dieser Refugien wurde bereits von dem Raumschiff TEZEMDIA und seiner Besatzung entführt.
Während Perry Rhodan sich an die Verfolgung macht, ist Gucky in der Galaxis Wolf-Lundmark-Melotte auf der Suche nach einem anderen Fragment. Seine Suche führt ihn in die Stadt Allerorten. Dort treffen sich GUCKY UND DER PARA-PARASIT ...
Gucky – Der Ilt stößt an die Grenzen seiner Leistungs- und Leidensfähigkeit.
Jamelle Halloran und Bouner Haad – Die Xenotechnik-Spezialistin und der Haluter treffen auf unverständliche Anlagen und Apparaturen.
Danou Shinshid – Der Parapartizipierer hat keine Skrupel und viele fiese Tricks im Ärmel.
Ogden-Lahu, Ghous-2-Appnu und die Steinäugige Duuta
Wenn der Horizont nicht derselbe ist, sind es auch die Gedanken nicht.
Wenn du den Ursprung nicht erkennst, stolperst du in Verwirrung und Kummer.
Wenn du erkennst, woher du kommst, wirst du ganz natürlich tolerant, aufgeschlossen, amüsiert, gütig wie eine Großmutter, würdevoll wie ein König.
[Aber] wenn du erst einmal so weit bist, dass du stets das Richtige triffst und es niemals verfehlst, dann hast du das richtige Vergessen erlangt – und kannst vergessen, was richtig ist.
(Zhuangzi, ca. 4. Jh. v. AZ)
Prolog
Besieger des Schwarms
Ich weiß nicht, ob ich diesen Gucky mag.
Zweifellos verfügt er über enorme Talente. Sein außergewöhnlich hohes Psi-Potenzial könnte unserer Sache nützen.
Er muss es nicht einmal freiwillig bereitstellen. Um mich daran zu bedienen, genügt mir seine Nähe.
Selbst wenn er mich attackiert, speist und stärkt er mich. Nicht nur kann ich seine Angriffe mühelos abblocken, ich ziehe zusätzlich noch bleibenden Gewinn daraus.
Trotzdem, geheuer ist er mir nicht.
Das liegt wahrscheinlich an der Diskrepanz zwischen den zugegebenermaßen beeindruckenden Fähigkeiten und Guckys äußerer Erscheinung. Er ist noch kleiner und gnomenhafter als die Vrochonen.
Deren schwarze Uniformen, kniehohe Stiefel und martialisches Gehabe kompensieren die knochig-fragile Konstitution. Nicht trotz, sondern wegen dieses Kontrasts wirken sie unheimlich und gefährlich. Hinzu kommt ihre an Fanatismus grenzende soldatische Disziplin.
Bei Gucky hingegen passt gar nichts zusammen. Man könnte ihn für ein Kuscheltier halten – trüge er nicht einen Raumanzug, offensichtlich maßgeschneidert, mitsamt Futteral für den lächerlich breiten, platt gedrückten Schwanz.
Kugelbäuchig und kurzbeinig, watschelt er mehr, als er läuft. Offenbar legt er wenig Wert auf körperliche Ertüchtigung.
Da Gucky ein starker Telekinet und Teleporter ist, kann ich dieses Verhalten ansatzweise nachvollziehen, obwohl ich es prinzipiell ablehne. Parapsychische Hochbegabung darf niemals zur Ausrede für Laschheit, Müßiggang und Leichtsinn werden.
Aber soll ich mich über die Schwachpunkte eines Gegners beschweren? Wer sich ausschließlich auf sein bewährtes Waffenarsenal verlässt, ist umso leichter zu bezwingen, sobald man es ihm wegnimmt.
*
Ich erinnere mich an einen ähnlichen Fall.
Vor etlichen Jahren berief man mich in das Yjumandusystem. Auf dem vierten Planeten hatte sich eine exotische Wesenheit eingenistet und binnen weniger Wochen die Macht an sich gerissen.
Yjumandu IV war eine öde, unfruchtbare Welt, allerdings rohstoffreich. Unter der Schirmherrschaft der Sternenassoziation Haye betrieben zahlreiche Konzerne Stützpunkte zum großmaßstäblichen Abbau begehrter, weil andernorts seltener Mineralien.
Die meiste Arbeit erledigten Roboter. Daher betrug die Einwohnerzahl der 358 größtenteils entlang des Äquators verstreuten Kuppelstädte insgesamt nur knapp sechzig Millionen, überwiegend Hayelen, Ellanaren und Thourinen.
Von wem und mit welchem Raumschiff das Mentalkollektiv der Colmenaelli eingeschleppt worden war, blieb ungeklärt; ebenso, woher sie stammten. Möglicherweise bestand eine Verwandtschaft zu den Compaconen.
Aber über dieses dunkle Kapitel der Vergangenheit unserer Galaxis schweigen sich die Historiker aus ...
Jedenfalls handelte es sich bei den Colmenaelli um eine Schwarmintelligenz. Ihre psionische Durchsetzungskraft wuchs direkt proportional zur Menge der Personen, die sie durch Sporen infizierte und per Hypnosuggestion assimilierte.
Der Widerstand der Befallenen erlahmte rasch. Vor allem, weil das Mentalkollektiv Wunschträume freisetzte, die sie schon lange insgeheim hegten.
Immer mehr Prospektoren, Metallurgen, Techniker, Logistiker und Verwaltungsbeamte rebellierten gegen ihre Auftraggeber. Anstatt Yjumandu IV weiter rücksichtslos auszubeuten, wollten sie die Ödwelt mittels Planetenformings in ein blühendes Paradies verwandeln.
Naturgemäß reagierten die Bergbaugesellschaften nicht amüsiert.
*
Geheimagenten und Söldnertrupps wurden entsandt. Flugs gerieten sie ebenfalls unter den mittlerweile ins ganze Umfeld ausstrahlenden, suggestiven Einfluss der Colmenaelli und schlossen sich den Aufständischen an.
Man erwog, Kampfroboter ohne jegliche Führungsoffiziere einzusetzen. Letztlich schreckte man jedoch davor zurück. Alle Experten prognostizierten für diesen Fall erhebliche Kollateralschäden an der Infrastruktur.
Nun war guter Rat teuer. Jeder Tag, an dem die Förderanlagen stillstanden, schlug mit hohen Verlusten zu Buche.
Die immer mächtiger und trickreicher werdende Schwarmintelligenz forderte Autonomie für das gesamte Yjumandusystem. Das führte zu diplomatischen Krisen zwischen der Sternenassoziation Haye, dem Sternennest Ella und der Thour-Republik.
Sowohl die arkonidische Kristallkolonie als auch das Neu-Akonische Dual boten sich als Vermittler an. Selbstverständlich versprachen sie sich davon, ihre eigenen Einflusssphären um die abtrünnige Region zu erweitern.
Das Commonwealth der Terraner und Tefroder hingegen hielt sich bedeckt. Prompt kamen Gerüchte auf, diese Partei sei der wahre Drahtzieher im Hintergrund. Das Commonwealth habe die Colmenaelli eingeschleust, um eine Rebellion zu inszenieren und den Hayelen mittelfristig das Yjumandusystem abspenstig zu machen.
Insgesamt ergab sich eine prekäre Situation, ganz besonders für die Konzernchefs. Die »grüne Revolution« von Yjumandu IV lenkte das Interesse der galaktischen Öffentlichkeit auf den Schürfplaneten. Zuvor hatte ihn außer den Fachleuten kaum jemand im Fokus gehabt.
Je mehr über die Vorgänge publik wurde, desto mehr Details würden nebenbei ans Licht kommen; darunter gewisse Machenschaften, die in diesem Industriezweig keineswegs unüblich waren, aber den Rahmen der Legalität doch sehr weit ausreizten. Das durfte nicht geschehen.
Deshalb musste die Krise unbedingt so schnell wie möglich beendet werden. Man benötigte dringend einen Spezialisten für die Abwehr parapsychischer Bedrohungen: mich.
*
Ich heiße Danou Shinshid. Mein Nachname stammt aus der uralten Palastsprache und bedeutet, »Die gegen Unwetter gefeit sind«.
Soviel ich weiß, bin ich der einzige Thourine, der die Gabe besitzt, Psi-Fähigkeiten anderer Personen nicht nur temporär zu neutralisieren, sondern auch gleichsam zu »spiegeln« und dadurch gegebenenfalls selbst anzuwenden.
In unserer kleinen Galaxis, die rund 8000 Lichtjahre durchmisst, treten parapsychische Talente nicht eben häufig auf. Trotzdem gehört es für Angehörige der Thour-Republik zu den Standarduntersuchungen bei Neugeborenen, Einzuschulenden und Volljährigen, sie auf eine etwaige Affinität zum ultrahochfrequenten Hyperspektrum, wo die Psi-Kräfte angesiedelt sind, zu überprüfen.
Bei mir wurde jedes Mal eine markante Anomalie entdeckt. Das hatte zur Folge, dass ich von klein auf unter Beobachtung stand.
In der Krabbelgrube, in sämtlichen Schulstufen, sogar im Sportverein hatte ich das Gefühl, auf meinem Rückenpanzer leuchtete permanent ein Warnsignal. Als würden alle, mit denen ich zu tun hatte, nur darauf warten, dass ich mich irgendwann ohne Vorwarnung in ein Monster verwandelte.
Nichts dergleichen geschah. Die Mediker und Hyperphysiker, die meine Eltern gelegentlich konsultierten, mussten zugeben, dass sie nicht die geringste Ahnung hatten, ob die Anomalie sich jemals manifestieren würde, und falls ja, auf welche Weise.
Der mentale Makel hatte, so schien es, keinerlei Auswirkungen – außer auf mich selbst.
Ich litt unter der Sonderstellung, für die ich nichts konnte. Je mehr meine Umgebung sich bemühte, mich »ganz normal« zu behandeln, desto ausgestoßener fühlte ich mich.
Wir Thourinen sind grundsätzlich gesellige, offene Wesen. Da wir uns jederzeit in die persönliche Sicherheit des Panzers und der Knorpelhaube zurückziehen können, legen wir keinen großen Wert auf gesetzlichen Schutz der Privatsphäre. Übertriebene Geheimniskrämerei gilt als unschicklich.
Die Ergebnisse meiner Untersuchungen unterlagen zwar dem Vertraulichkeitsgebot, aber sie sprachen sich gleichwohl herum. Immer wieder triezten mich Jahrgangskollegen, ob ich ein »Mutant« sei und demnächst, wie die Helden populärer Unterhaltungsserien, fliegen können würde oder Gedanken lesen oder aus den Augen Laserstrahlen verschießen ...
Derlei steckte ich noch ganz gut weg. Mit der Geschlechtsreife jedoch traten Fragen auf, die mich stark trafen: Etwa, ob meine Anomalie vererbbar sei und ich mindestens ebenso »abartige« Kinder zeugen würde.
Das erhöhte nicht gerade meine Chancen auf intime Kontakte.
Als ich alt und selbstständig genug war, zog ich die Konsequenzen und haute ab. Ich verdingte mich als Steward auf Raumschiffen, reiste viel und weit. Unzählige Fremdwesen lernte ich kennen, wenige zu schätzen, viele zu verachten.
*
Worin meine Begabung bestand, erkannte ich spät.
Man hatte mich zur Betreuung einer multikulturellen Künstlertruppe eingeteilt. Ihre Show wurde im ganzen linksseitigen Sektor der Balkengalaxis gefeiert, insbesondere wegen der fluiden Holografien, die in jedem einzelnen Betrachter subjektive Glücksgefühle hervorriefen.
Beim ersten Mal, als ich hinter den Kulissen damit beschäftigt war, die Protagonisten mit Getränken, Imbissen und der einen oder anderen Aufputschdroge zu versorgen, funktionierte plötzlich dieser Kontakt zum Publikum nicht mehr so, wie er sollte. Stattdessen bemerkte ich perplex, dass ich auf die Übertragung Einfluss nehmen konnte.
Rückblickend weiß ich, was ein telepathischer Rapport ist und dass ihn eine parabegabte Künstlerin üblicherweise mit den Zusehern herstellte, um sie in milde Euphorie zu versetzen. Damals geriet ich in Panik, weil die psionische Energie mich zu überfluten drohte.
Ich stieß sie ab, warf sie zurück, moduliert von meinen eigenen Ängsten. Und dann ...
Illustration: Swen Papenbrock
Je nun, was soll ich sagen? Es gab Tote, einen Skandal, ein massives Aufgebot an Polizei und Kriminaltechnikern.
Mit dem Glück des Unschuldigen gelang mir die Flucht.
*
Mehrere ähnlich unerquickliche Episoden später fand ich Anschluss an eine Gruppe von Gleichgesinnten.
Besser ausgedrückt: Ich traf, weit abseits der interplanetaren Verkehrswege, im Halo der Galaxis, zwischen vielen alten und lichtschwachen, rötlichen Sternen, auf Lebewesen, die ebenfalls vom Schicksal einer unerwünschten Psi-Begabung gezeichnet waren.
Einer musste permanent seine Emotionen unterdrücken, weil er sonst bei der geringsten Irritation Atomkerne zur Explosion brachte.
Eine regte, falls sie nicht verflixt aufpasste, sämtliche Pflanzen in ihrem Sichtfeld zu abstrusen, krankhaften Wucherungen an.
Eines versetzte, wenn es erschreckt wurde, die nächststehende Person in eine Hypersenke, ohne sie daraus zurückholen zu können.
Und so weiter.
Es waren viele. Sie alle hatten ihre Freude an mir, weil ich ihre ungeliebten Fähigkeiten hemmte oder in ungefährliche Bereiche ableitete. Für eine Weile.
Allerdings gingen sie mir bald auf die Nerven. So sehr, dass ich mich ihrer entledigen musste, ehe sie mich in den Wahnsinn trieben.
Zählt es als Mord, jemanden vom Joch einer unverlangten psionischen Bürde zu erlösen? Indem du ihren Fluch gegen sie selbst wendest?
Wenn du den Zünder atomisierst? Die Wucherin von Lianen erdrosseln lässt? Das Teletransportwesen auf Nimmerwiedersehen in den Halbraum verbannst?
Meiner Ansicht nach: nein. Maximal reden wir von Sterbehilfe. Aber für unsereins gelten, so rar, wie wir nun mal sind, sowieso andere Gesetze.
Dieser komische Knilch namens Gucky würde mich verstehen, glaube ich. Aber bevor ich auf ihn zurückkomme, muss ich die Geschichte von Yjumandu IV fertig erzählen.
*
Die Schwarmintelligenz der Colmenaelli hatte nicht die gesamte Bevölkerung des vierten Planeten und der anderen Habitate im Yjumandusystem unterworfen.
Um ihre Agenda voranzutreiben, genügte es, zentrale Positionen mit beeinflussten Personen zu besetzen. Der große Rest der Mitläufer fügte sich und passte sich an, wie sie sich zeitlebens schon immer angepasst und gefügt hatten.
Ein robotgesteuertes Beiboot der Hayelen setzte mich auf Yjumandu IV ab. Bereits während des Landeanflugs verspürte ich den versuchten Zugriff des Mentalkollektivs.
Ich saugte die psionische Energie ab und absorbierte einen Teil davon. Das meiste aber reflektierte ich, umgewandelt, aufgeladen mit all dem Schmerz, den ich in meinem glücklosen Leben erduldet hatte, getränkt mit allem Leiden an meiner erbärmlichen Existenz.
Kann es etwas Sinnloseres und Bedrückenderes geben als ein Talent, einzig dazu geeignet, die Talente anderer zu stören oder zu pervertieren? Angeekelt von mir selbst, steigerte ich mich in Frustration, Verzweiflung und Wut – und entließ sie geballt ins globale paramentale Netz der Colmenaelli.
Mag sein, dass ich ein wenig überzog. Der Effekt war jedenfalls durchschlagend.
Die ohnehin willensschwachen Opfer der Schwarmintelligenz kippten reihenweise um, verloren jegliche Orientierung, fielen ins Koma oder gerieten in Raserei. Es gab mehrere Wellen von Amokläufen und Selbstmordattentaten, Hunderte Tote, Tausende Verletzte.
Aber wie die Prospektoren sagen: Wo geschürft wird, fällt Abraum an.
Im Großen und Ganzen kam die Bevölkerung glimpflich davon. Die Konzerne wiederum bezahlten einen geringen Preis dafür, dass die Rebellion zerschlagen und die ökonomische Ordnung wiederhergestellt worden war.
Meine Auftraggeber waren hochzufrieden. Sie hatten nicht erwartet, dass sie ihre Fördergebiete und Maschinenparks so flott und kaum beschädigt zurückgewinnen würden.
Aus Dankbarkeit – und mit sehr dezenter parapsychischer Nachhilfe – drängten sie mir eine Zusatzprämie auf: Ich durfte die matt gesetzten Überreste der Colmenaelli-Keimzelle behalten.
Noch viele Monate lang zehrte ich von diesem Psi-Reservoir.
*
Ähnliches schwebt mir als ideale Verwendung für Gucky vor.
Ich habe bereits einen Zwinger entworfen, in dem ich ihn transportieren kann, quasi als psionischen Proviantvorrat im Handgepäck. Er nimmt ja nicht viel Platz ein.
Die Adjunkten der Vrochonen haben anderes im Sinn. Sie hoffen immer noch, Gucky zum Überlaufen bewegen zu können.
Ich finde es fast rührend, wie missionarisch sie ihren Glauben an Kmossen, den in den Schatten, verbreiten. Sie wetteifern um seine Gunst und begehren, von ihm zu seinem Eigentum gemacht zu werden. Für Vrochonen bedeutet die freiwillige Versklavung moralische Entlastung, Befreiung von Egoismus, zugleich Sicherheit, Verwahrung und die Erweiterung des eigenen Erlebnisraumes. Die Aussicht darauf treibt sie zu Höchstleistungen an.
Dass Gucky ihre Verlockungen erhört, kann ich mir schwer vorstellen. Ich halte ihn für einen abgeklärten, unerschütterlichen Individualisten, diesbezüglich mir geistesverwandt. Der Mächtige ist am stärksten allein. Oder so.
Die Vrochonen haben Informationen über ihn eingeholt. Im Commonwealth dürfte Gucky sehr populär sein, erst recht in seiner 3,3 Millionen Lichtjahre entfernten Heimatgalaxis, der sogenannten Milchstraße.
Ich vermute allerdings, dass die Geschichten über seine Heldentaten mythologisch verbrämt und schamlos ausgeschmückt sind. Wer verleiht sich selbst Titel wie »Retter des Universums« oder »Überall-zugleich-Töter« und spielt andererseits den putzig-pelzigen Kobold?
Wie ich schon erwähnte: Das passt alles hinten und vorne nicht zusammen.
Mir kann's egal sein. Bald werden Gucky und ich einander erneut begegnen.
1.
Ein wilder Ritt
15. Juli 2098 NGZ
Das Gebäude bestand aus Knochen, so wie die ganze, in einer riesigen Kaverne liegende Stadt auf dem Eisplaneten Amboriand.
Die Decke der großen, hohen Halle war mit Sonne, Mond und Sternen wie von Kinderhand bemalt. Darunter drehte sich, vollkommen geräuschlos, ein Karussell. Es war doppelstöckig und wirkte uralt.
Tierfiguren fuhren langsam im Kreis und stiegen an Stangen auf und nieder: Pferde, Tiger, Elefanten und andere auf Terra heimische Arten, nicht anatomisch exakt modelliert, sondern wie kunterbunte Kinderphantasien.
Jamelle Halloran versuchte längst nicht mehr, die Maschinerie zu ergründen, die sich hinter dem antiken Karussell verbarg. Als Xenotechnik-Spezialistin liebte sie Herausforderungen. Aber sie hatte sich damit abgefunden, dass sie an diesem Ort an ihre Grenzen stieß.
Knapp neben den konzentrischen Stufen stand ein Kartenverkaufshäuschen. Eben schob sich eine Ehrfurcht gebietende Gestalt heraus, eine riesenhafte mechanische Puppe, die einem Haluter nachgebildet war.
»Du hast dich gut entschieden«, sagte sie in reinem Interkosmo, beugte sich zu Gucky hinab und legte ihm behutsam die beiden Mittelfinger der rechten oberen Hand an die schmächtige Schulter. »Es war richtig, mir deinen Zellaktivator als Pfand zu übergeben.«
Der Ilt nickte. Hoffentlich war es das tatsächlich. Allen war klar, was das bedeutete. Seine biologische Alterung wurde nicht länger angehalten. Vielmehr würde sie sich sehr bald rapide beschleunigen.
Jamelle blickte auf das Anzug-Chronometer. Es waren nur wenige Minuten vergangen, seit die Haluterpuppe das Vibroskalpell angesetzt und Guckys Zellaktivator herausgeschnitten hatte. Es war um 19.55 Uhr Terranischer Standardzeit gewesen.
Bekam Gucky den Zellaktivator nicht binnen 62 Stunden zurück, würde er sterben. Die Frist endete also in zweieinhalb Tagen und etwas weniger als zwei Stunden, am 18. Juli um 9.55 Uhr.
*
Sie hatten ihm davon abgeraten, dieses Risiko einzugehen.
Besonders Bouner Haad, der Dritte im Bunde, hatte Gucky unterstellt, eine irrationale Opferbereitschaft an den Tag zu legen. Als, wie er gemeint hatte, unsinnigen Versuch einer Sühne wegen des Todes der Pilotin Maxine Golden und des Medikers Salud Chu.
Die beiden waren im Gefecht mit Einheiten der Schattengarde umgekommen. Gucky gab sich zumindest eine Teilschuld daran, weil er die Kampfunerfahrenen allein zurückgelassen hatte.
Haads Einwand jedoch negierte Gucky immer noch – auch wenn er es nun reflektierte. Ihm ging es bloß um die Mission. Auf keinen Fall durften Kmossens Schergen das ES-Fragment vor ihnen finden!