Perry Rhodan 3301: Die Krone von Terrania - Oliver Fröhlich - E-Book

Perry Rhodan 3301: Die Krone von Terrania E-Book

Oliver Fröhlich

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Beschreibung

4000 Jahre in der Zukunft ... Wir befinden uns in der Mitte des 23. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Die Menschen leben in Frieden und Freiheit. Von der Erde aus haben sie ein Netz aus Handelsbeziehungen und Bündnissen geschlossen, das zahlreiche Planeten in der Milchstraße umfasst. Perry Rhodan – der Mann, der die Menschheit zu den Sternen geführt hat – wird noch immer von der Vision angetrieben, die ihn seit seiner ersten Begegnung mit Außerirdischen erfüllt: ein partnerschaftliches Miteinander aller Völker der Milchstraße zu erreichen. Aber seit geraumer Zeit hat er diesen Plan erweitert: Das »Projekt von San« soll auch die freundschaftlichen Kontakte zu anderen Sterneninseln und ihren Bewohnern intensivieren. Ein wichtiges Hilfsmittel dazu ist der PHOENIX. Doch der Jungfernflug des PHOENIX gerät zum Desaster: Die bisher im Verborgenen lauernde Shrell fordert von Perry Rhodan, mit dem PHOENIX in ihre Heimat zu fliegen und dort einen finsteren Usurpator zu töten: ausgerechnet Rhodans ältesten Freund, Reginald Bull. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, zündet sie dreimal ein »Brennendes Nichts«. Werden diese nicht gelöscht, werden sie nach vier Jahren die Erde und den Mond auflösen. Perry Rhodan bleibt kaum eine Wahl, wenn er seine Heimat retten will. Dazu gehört auch DIE KRONE VON TERRANIA ...

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Nr. 3301

Die Krone von Terrania

Er hört den Gesang des Brennenden Nichts – ein junger Mann und seine Odyssee

Oliver Fröhlich

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Eine Krone zerbricht

2. Ruinen

3. Eine traurige Heimkehr

4. Sprengskulpturen

5. Die Grenzen der Erpressbarkeit

6. Atlans Gerippe

7. Erkenntnis am Ende einer Suche

8. Treffen der Conduiten

9. Begrenzte Auskunftsbereitschaft

Fanszene

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

4000 Jahre in der Zukunft ...

Wir befinden uns in der Mitte des 23. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung.

Die Menschen leben in Frieden und Freiheit. Von der Erde aus haben sie ein Netz aus Handelsbeziehungen und Bündnissen geschlossen, das zahlreiche Planeten in der Milchstraße umfasst.

Perry Rhodan – der Mann, der die Menschheit zu den Sternen geführt hat – wird noch immer von der Vision angetrieben, die ihn seit seiner ersten Begegnung mit Außerirdischen erfüllt: ein partnerschaftliches Miteinander aller Völker der Milchstraße zu erreichen. Aber seit geraumer Zeit hat er diesen Plan erweitert: Das »Projekt von San« soll auch die freundschaftlichen Kontakte zu anderen Sterneninseln und ihren Bewohnern intensivieren. Ein wichtiges Hilfsmittel dazu ist der PHOENIX.

Doch der Jungfernflug des PHOENIX gerät zum Desaster: Die bisher im Verborgenen lauernde Shrell fordert von Perry Rhodan, mit dem PHOENIX in ihre Heimat zu fliegen und dort einen finsteren Usurpator zu töten: ausgerechnet Rhodans ältesten Freund, Reginald Bull. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, zündet sie dreimal ein »Brennendes Nichts«. Werden diese nicht gelöscht, werden sie nach vier Jahren die Erde und den Mond auflösen. Perry Rhodan bleibt kaum eine Wahl, wenn er seine Heimat retten will. Dazu gehört auch DIE KRONE VON TERRANIA ...

Die Hauptpersonen des Romans

Gucky – Der Ilt sucht vergeblich und kommt beinahe zu spät.

Shrell – Die Leun sucht verbissen und nimmt ihr Ziel ins Visier.

Cameron Rioz – Der Trividder nimmt Abschied von seinem bisherigen Leben.

Bonnifer – Der Gefangene versucht seinem Leben zu entkommen.

Atlan

1.

Eine Krone zerbricht

Der 7. Juni 2249 NGZ hatte zu einem Tag des Triumphs werden sollen. Auf globaler Ebene, weil Terra mit der Schiffstaufe des PHOENIX den Grundstein für einen neuen Aufbruch ins All legte, aber auch für Rita Rioz persönlich. Perry Rhodan, der Terraner, hatte ihren Sohn Cameron nämlich eingeladen, von der feierlichen Veranstaltung auf Luna zu berichten. Ihr Mutterherz platzte fast vor Stolz.

Doch statt Freude und Begeisterung in die Familie Rioz zu bringen, endete der Tag in einer Katastrophe.

*

»Kannst du Rhodan nicht leiden?«, fragte Ritas Mann Arlo, der hinter ihr stand.

»Hm?«, machte sie, ohne sich umzudrehen. »Wie kommst du denn darauf?«

»Weil du den alltäglichen Blick aus dem Wohnzimmerfenster seiner Rede vorziehst. Sie muss jeden Augenblick beginnen. Das Knabberzeug steht bereit und wartet nur auf dich. Und ich übrigens auch.«

»Nur noch ein paar Sekunden, dann bin ich bei dir.«

Rita sah über Atlan Village hinweg: über die meist flachen Häuser, deren Dächer im Licht der Sonne glänzten, über die ausgedehnten Inseln aus Bäumen und Rasen dazwischen und auf die fünf von ihrem Standpunkt aus sichtbaren Wohntürme der Krone von Terrania, einem der neuen Wahrzeichen des Stadtteils. Einige Kilometer dahinter lag der südliche Rand des Atlan Space Port. Von diesem Raumhafen aus war am Morgen die OSIRIS gestartet, um die Ehrengäste der Schiffstaufe zur Werft auf Luna zu bringen.

Zu ihnen zählte nur, wer auf Terra Rang und Namen hatte – und völlig überraschend auch Ritas Sohn Cameron.

Inzwischen war es beinahe zehn Uhr, und jenseits des Fensters herrschte wieder Ruhe, soweit man beim ständigen Kommen und Gehen über einem Raumhafen davon sprechen konnte.

Ja, der Ausblick war alltäglich. Rita genoss ihn trotzdem. Er schenkte ihr den Frieden und die Gelassenheit, die sie an einem Tag wie diesem brauchte. Manchmal, wenn Cameron mit seinem Kanal auf Sendung ging, um über tagesaktuelle Ereignisse zu berichten, verspürte sie nicht nur Stolz auf ihren Sohn, sondern zugleich eine unterschwellige Aufregung, als litte sie stellvertretend für ihn unter Lampenfieber – womit Cam sie jedes Mal aufzog.

»Daran ist nichts Außergewöhnliches, Ma«, sagte er dann immer. »Wenn du ständig nervös bist, sobald ich auf Sendung gehe, bekommst du irgendwann noch eine Angststörung.« Das Ganze trug er mit einem so zuckersüßen Lächeln vor, dass sie ihm einfach nicht böse sein konnte.

Ihr Sohn war ein herzensguter Mensch, der sie über alles liebte. Und sie liebte ihn zurück. Aber manchmal war er so unfassbar ... Cam!

Sie war eben seine Mutter. Da musste ein bisschen Anspannung erlaubt sein.

Eigentlich waren Cam und seine Freundin Lyta nur zum Raumhafen gegangen, um für seinen Trivid-Kanal vom Start der OSIRIS zu berichten. Dann jedoch war es auf einem benachbarten Schiff, der ELDA-RON, zu Explosionen gekommen. Cameron hatte sich um Verletzte gekümmert, anstatt den Unfall für seine Abonnenten auszuschlachten, und Perry Rhodan damit so nachhaltig beeindruckt, dass dieser ihn und Lyta nach Luna eingeladen hatte. Wenn das kein Anlass für Aufregung war!

»Ein paar Sekunden sind vorbei«, erklang Arlos Stimme erneut. »Falls du noch was von dem Knabberkram abhaben willst, solltest du dich zu mir setzen.«

Rita musste grinsen. Die lockere Art hatte Cameron von seinem Vater. Arlo hatte ihr schon immer mit seinem schnoddrigen Tonfall ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert, egal wie anstrengend ihr Tag gewesen war.

Sie erinnerte sich an den Tag vor 22 Jahren, als sie mit Arlo die neu errichtete Terrania-Krone besichtigt hatte. In deren Zentrum lag ein See inmitten eines riesigen, runden Parks. Er war so üppig bepflanzt, dass zu jeder Jahreszeit irgendwo etwas blühte.

Auf einer den Park umgebenden, gedachten Kreislinie wuchsen an sechs Stellen geschwungene, silbern glitzernde Wohntürme empor, die sich ab dem hundertsten Stockwerk auf den Zentralsee zuneigten und sich schließlich in einem Kilometer Höhe trafen. Von dort stürzte ein Wasserfall in die Tiefe, dessen Gischt aus Tröpfchen das Sonnenlicht brach, sodass stets ein Regenbogen den Park überspannte. Die Glassitsäule, durch die das Seewasser zurück nach oben gepumpt wurde, verlief so gut wie unsichtbar innerhalb des Wasserfalls.

Die Architekten hatten der Anlage den Namen Atlan Village Aquadome gegeben. Bei so manchem hielt sich die Begeisterung darüber in Grenzen, dass die hohen Gebäude das Stadtbild des ansonsten weitgehend flachen Häusermeers störten. Und so nannten böse Zungen sie despektierlich und anatomisch unzutreffend Atlans Gerippe. Denn bei dem spottnamensgebenden Arkoniden schützten nicht etwa Rippenden Brustkorb, sondern Knochenplatten. Aber seit wann interessierten sich die Schreihälse dieser Welt für Fakten?

Arlo hingegen hatte in der Konstruktion etwas anderes gesehen.

»Gerne würde ich dir, meiner Königin, diese wundervolle Krone aufs Haupt setzen«, hatte er mit huldvoller Stimme gesagt – und in normalem Tonfall hinzugefügt: »Da ich mir das nicht leisten kann, werden wir uns wohl mit einem Appartement in einem der Türme begnügen müssen.«

Die Ähnlichkeit der Konstruktion mit dem Symbol altertümlicher Herrscherwürde war offenbar auch anderen aufgefallen, und bald wurde die Anlage nur noch Krone von Terrania genannt.

Zwei Wochen nach der Besichtigung waren Rita und Arlo in das Appartement im 99. Stockwerk des südöstlichen Turms gezogen. Im Jahr darauf war Cameron zur Welt gekommen und hatte ihre glückliche Zwei-Personen-Familie zu einer noch glücklicheren Drei-Personen-Familie gemacht.

»Die Mangorangen-Drops habe ich inzwischen alle verputzt«, sagte Arlo. »Wenn du dich beeilst, ergatterst du vielleicht ein paar der Kirschknusperflocken, die ... Das gibt es doch nicht! Rita! Das musst du dir ansehen! Hast du davon etwas mitbekommen?«

Sie drehte sich zu ihrem Mann um. Er saß im Massagesessel und starrte auf das Holomosaik, in dem drei verschiedene Nachrichtenströme liefen. Das vierte Segment zeigte Camerons Trivid-Kanal, auf dem allerdings keine Livebilder, sondern ein Lauftext zu sehen war: »Hi, Cam-Fans! Habt bitte einen Augenblick Geduld, bald bin ich wieder für euch da.«

Doch das war es nicht, was Arlos Überraschung ausgelöst hatte.

Durch die drei Nachrichtenströme liefen ebenfalls Schriftbänder, die in unterschiedlichem Wortlaut eine sensationelle Meldung verkündeten: »ELDA-RON gestartet – Geisterschiff nimmt Kurs auf Luna.«

Arlo deutete auf das Fenster, an dem Rita gestanden hatte. »Hast du sie aufsteigen sehen? Die ELDA-RON, meine ich?«

Sie nickte nur – und musste sich eingestehen, so in Gedanken gewesen zu sein, dass sie kaum darauf geachtet hatte. Nun jedoch erfasste sie eine merkwürdige Unruhe. Vielleicht weil der Start eines geheimnisvollen schrottreifen Raumschiffs für einen Großteil der Bevölkerung eine größere Sensation darstellte als eine schnöde Schiffstaufe, egal wie bahnbrechend der PHOENIX sein mochte?

Immerhin hatte die ELDA-RON über fünfzig Jahre auf dem Raumlandefeld geparkt, lange genug, dass sich inzwischen etliche urbane Legenden um sie rankten, von denen vermutlich keine der Wahrheit auch nur nahekam. Oder sollte man wirklich an einen Seuchenraumer glauben, auf dem die Geister der längst toten Besatzung umgingen?

Aber war das der einzige Grund für ihr ungutes Gefühl?

Die Unruhe nahm zu, als einige Nachrichtensender und Trivid-Kollegen von Cameron voll Sensationsgier meldeten, die ELDA-RON habe einen schwarzen, eiförmigen Container auf ihrem Stellplatz zurückgelassen, den Sicherheitskräfte vorsichtshalber mit einem Schutzschirm isoliert hätten. Außerdem werde der Raumhafen evakuiert.

Rita ließ sich in ihren Massagesessel neben Arlo sinken, aktivierte ihn und verfolgte die neuesten Meldungen. Sie zupfte mit den Fingern am Stoff ihrer Hose wie so oft, wenn sie nervös war. Für die Schale mit den Kirschknusperflocken interessierte sie sich nicht.

*

Der Verdacht, dass die Lage schlimmer war als angenommen, konkretisierte sich zwei Minuten später, als Perry Rhodans für zehn Uhr terranischer Standardzeit angekündigte Rede ausblieb – »aus technischen Gründen«, wie die Nachrichtenkanäle behaupteten. Rita hielt das für Journalisten- und Offiziellen-Sprech, den man am ehesten übersetzen konnte mit: »Etwas ist fürchterlich schiefgegangen, und wir wissen im Augenblick selbst nicht genau, wie wir damit umgehen sollen.«

Kurz danach lief das nächste Schriftband durch die Holos: ELDA-RON bezieht Stellung über Hamiller-Werft – Ist der PHOENIX in Gefahr?

»Wen interessiert der PHOENIX?«, entfuhr es Rita. »Cam ist dort oben!«

Arlos Hand legte sich auf ihre und drückte sie.

Sie atmete durch. Vielleicht hatte Cam recht. Womöglich war sie tatsächlich überfürsorglich und würde irgendwann eine Angststörung entwickeln, falls sie nicht vorher lernte, ihren Sohn loszulassen.

Rita beschloss, daran zu arbeiten. Morgen. Morgen würde sie damit beginnen.

Mit einem raschen Griff zum Kommunikationsarmband rief sie Cameron an. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis er das Gespräch entgegennahm und sich ein kleines Holo über Ritas Handgelenk aufbaute. Es zeigte ein Gesicht mit ebenmäßigen Zügen, dunkelbrauner Haut und sanftem Blick. Das Lächeln ihres Sohns kam ihr immer ein wenig spitzbübisch vor.

»Ma!«, sagte Cameron. »Das ist nicht der allergünstigste Moment. Rhodans Rede wird jeden Augenblick losgehen.«

»Sie hätte schon vor Minuten losgehen sollen.«

»Ich weiß. Technische Probleme oder so.« Seine Stimme wurde leiser, das Lächeln breiter. »Ich kann es immer noch nicht fassen. Ich bin auf Luna, hab den PHOENIX gesehen, um mich tummeln sich lauter wichtige Leute. Ist das nicht lässig?«

»Total lässig. Und dafür musstest du auch nur die Explosionen im Raumhafen überleben.«

»Ach Ma, das war halb so wild. Ich nenne das Fügung. Oder Karma.«

»Ich nenne es Dummheit. Warum treibst du dich an Orten herum, an denen es gefährlich wird? Du könntest tot sein!«

Sie ärgerte sich selbst über diese Worte. Sie hatte Cam doch nichts von ihrer Sorge spüren lassen wollen, aber sie konnte nicht aus ihrer Haut.

»Ich will bloß nicht, dass es irgendwem schlecht geht«, gab er zurück. »Vor allem, wenn ich der Grund dafür bin. Diese Fans waren schließlich meinetwegen auf dem Raumhafen. Woher hätte irgendwer wissen können, dass es just während des Volksfests auf dem Geisterschiff zu Explosionen kommt? Hunderte Menschen waren dort. Sogar Perry Rhodan!«

Was sie selbstverständlich längst wusste, schließlich hatte Cam ihr nach Rhodans Einladung sofort eine Textnachricht geschickt. Dass er es nun einmal mehr erwähnte, zeigte nur, wie aufgeregt selbst ihr Sohn werden konnte, für den seine Sendungen sonst nur Alltäglichkeiten waren.

»Ich bin nur froh, dass dir nichts passiert ist. Und jetzt darfst du zur Belohnung für deine gute Tat den großen Unsterblichen persönlich interviewen?«

Illustration: Swen Papenbrock

Kurz wirkte Cam abgelenkt. Wahrscheinlich wies ihn Lyta gerade darauf hin, dass er sich beeilen sollte. »Wenn sich die Gelegenheit ergibt, Ma. Ich muss Schluss machen. Liebdich.«

Das Armbandholo erlosch.

Rita fühlte sich etwas besser. Dennoch konnte sie es sich nicht verkneifen, kurz nach der Unterhaltung eine Nachricht an Cam zu schicken: Dein Pa und ich sind stolz auf dich. Freuen uns auf dein Gespräch mit PR.

Der Datenstrom des Nachrichtensenders TNT, der bisher den leeren Stellplatz des Geisterschiffs im Raumhafen samt dem mysteriösen schwarzen Eicontainer gezeigt hatte, schaltete um auf ein Livebild von Luna und der ELDA-RON. Ihre Flügelscheibe in Form eines Dreiviertelkreises erinnerte an ein weit aufgerissenes Maul, aus dem der Zentralkeil wie eine spitze Zunge ragte. Mit den notdürftig verschlossenen Brüchen und dem verformten Metall sah das Schiff aus wie verwundet.

Drei Einheiten der Solaren Flotte flankierten es, griffen aber nicht erkennbar ein. Minutenlang geschah nichts, als belauerten die Militärraumschiffe die ELDA-RON, die wiederum Luna belauerte.

»Was geht dort vor?«, murmelte Arlo.

Rita antwortete nicht. Was hätte sie sagen sollen?

Cams Datenstrom zeigte, dass er auf Sendung gegangen war. Rita schämte sich, dass ihr Blick ständig zwischen ihrem Sohn und der ELDA-RON hin und her zuckte.

Das Deckenlicht über Cameron flackerte. Die Personen im Hintergrund sahen irritiert nach oben und unterhielten sich mit einem Mal aufgeregt.

Rita setzte sich aufrecht hin. Was war auf Luna los?

Cameron beendete die Reportage, wies mit beiden Daumen auf sich und zeigte ein Zahnpastagrinsen.

Kurz darauf erlosch das Holomosaik im Wohnzimmer.

Das rhythmische Pulsieren der Massagesessel brach abrupt ab. Im gleichen Augenblick ertönte von draußen ein ohrenbetäubender Knall, gefolgt von einem Dröhnen. Der Boden bebte. Die kristallene Trophäe, die Cam mit zehn Jahren in einem Sportwettbewerb gewonnen hatte, fiel aus dem Regal.

Rita sprang aus dem Sessel auf, während Arlo wie festgewachsen sitzen blieb. Sie hastete zum Fenster, starrte hinaus und versuchte, das Unbegreifliche zu verstehen, das sie dort draußen sah. Es gelang ihr nicht.

Die Welt auf der anderen Seite der Scheibe war zum größten Teil in einer Dunkelheit verschwunden, die Ritas Blicke nicht durchdringen konnten. Im ersten Impuls glaubte sie an eine Fehlfunktion der Wohnungspositronik. Womöglich eine Störung des Realitätserweiterungsmoduls, das Atlan Village auf Wunsch im Regen, im Schnee, unter Wasser oder umgeben von Lavaströmen zeigen konnte. Doch schnell erkannte sie, dass sie sich etwas vormachte. Der unbegreifliche Anblick entsprach der Realität und entstammte nicht einer holografisch in die Scheibe projizierten Illusion.

Drei der sechs Wohntürme der Wohnanlage hatte die Schwärze ... verschlungen. Rita erschauderte, als ihr instinktiv dieser Begriff durch den Sinn ging, aber er schien so passend. Der Wasserfall war versiegt. Die Glassitröhre ragte gut sichtbar einen Kilometer in die Höhe. Nur wenige Meter dahinter erhob sich die Dunkelheit wie eine Wand, die die drei verschwundenen Wohntürme vor ihren Blicken verbarg. Lediglich ihre hoch gelegenen Ausläufer, die auf die Spitze der Terrania-Krone und den Wasserfall zuwuchsen, lagen noch im Licht.

Nein, die Dunkelheit erhob sich nicht wie eine Wand, denn das wäre etwas Materielles oder Energetisches gewesen. Diese Schwärze jedoch sah aus, als endete dort die Realität.

Und das bedeutete, dass die drei Wohntürme keineswegs verborgen in der Finsternis standen. Sie hatten aufgehört zu existieren! Vielleicht waren sie eingestürzt, obwohl außerhalb der Dunkelheit keine Trümmer auf dem Boden lagen. Womöglich war auch etwas anderes mit ihnen geschehen. Jedenfalls konnten sie nicht irgendwo in der Schwärze stehen, denn sie boten ihren aus der Dunkelmauer ragenden Ausläufern keinen Halt mehr. Lediglich die Festigkeit des Materials hatte diese bislang in der alten Position gehalten, doch auch die hatte ihre Grenzen. Trotz der Schalldämpfung des Fensters konnte Rita das Kreischen von Metallplast und Splittern von Glassit hören, mit dem die von ihren Körpern getrennten Arme nachgaben.

Warum halten die verbauten Antigravgeneratoren sie nicht in der Luft?, schoss es ihr durch den Kopf. Dann fiel ihr ein, dass die Holos erloschen waren und die Massagesessel nicht mehr arbeiteten. Sie verstand, was das bedeutete: Die Energieversorgung war unterbrochen. Dieses gigantische schwarze Monstrum hatte nicht nur die Wohntürme gefressen, sondern auch die unterirdisch verlaufenden Energieleitungen gekappt.

Zuerst sackten die längeren, äußeren Turmausläufer herab, dann der mittlere. Einzelne Segmente brachen heraus und stürzten in die Tiefe. Und mit ihnen die Menschen, die darin wohnten und keine Chance hatten, sich in Sicherheit zu bringen.

»Wir müssen raus!«, rief Rita.

Sie drehte sich zu Arlo um, doch der saß vom Schock gelähmt mit aufgerissenen Augen in seinem Sessel.

Ein weiteres Mal sah sie nach draußen und bekam gerade noch mit, dass die mit der Kronenspitze verbundenen Turmfragmente wie die Schienen eines Regenschirms nach unten klappten, in die Glassitröhre des Wasserfalls krachten und sie zertrümmerten. Ihres Halts beraubt, brachen auch Ausläuferteile der verbliebenen drei Wohntürme ab. Trümmerteile sirrten durch die Luft ...

... und direkt auf sie zu.

»In Deckung!«, brüllte Rita.

Instinktiv warf sie sich zu Boden. Das Fenster über ihr zerbarst. Splitter regneten auf sie herab. Ein dumpfer Laut im Inneren des Wohnzimmers erklang. Arlo ächzte.

Gleich darauf ertönte von draußen ein schreckliches Getöse. Ein Schlag erschütterte die Welt. Regale kippten um. Erneut erzitterte der Boden.

Ritas Verstand weigerte sich anzuerkennen, was das bedeutete.

Als nach einigen Sekunden eine gespenstische Ruhe einkehrte, stemmte sie sich mühsam wieder auf die Füße, sah zu ihrem Mann und erstarrte.

Der Massagesessel war auf die Rückenlehne gekippt. Arlos Unterschenkel lagen auf dem nun nach oben weisenden Fußteil. Sie zuckten. Mehr sah sie nicht von ihm. Nicht weit dahinter ragte ein anderthalb Meter hoher Glassitsplitter empor. Ein Teil der Wasserfallröhre.

Zu nah. Viel zu nah.

*

Rita eilte um den Sessel. Der Splitter hatte sich durch Arlos Schulter und die Rückenlehne gebohrt. Tränen schossen Rita in die Augen.

Ihr Mann stöhnte auf.

»Was ...«, brachte er hervor und verstummte.

Aber er lebte. Nur das zählte.

Sie ging neben ihm in die Knie. »Notruf!«, sagte sie mit so fester Stimme, wie es ihr möglich war.

Die Hauspositronik reagierte nicht. Natürlich nicht. Die Reste der Wohnanlage waren energetisch tot.

Also versuchte sie es mit dem Multikom, ebenfalls vergeblich. Ihr Armband zeigte zwar einen Energiestand von beinahe zwanzig Prozent, bekam aber keine Verbindung zum nächsten Kommunikationsknotenpunkt.

Kurz fragte sie sich, was sich in den anderen Wohnungen gerade abspielte, verdrängte den Gedanken aber sofort wieder.

Zwei Silben krochen über Arlos Lippen. »Ri-ta.«

»Keine Sorge, Schatz«, sagte sie und bemühte sich darum, eine Zuversicht auszustrahlen, die sie nicht verspürte. »Ich hole Hilfe.«

»Nein.« Er hustete. »War-te. Du ...«

Sie konnte nicht warten. Sie musste etwas tun. Irgendetwas.

Eine leise Stimme in ihrem Verstand ermahnte sie, nicht in blinden Aktionismus zu verfallen. Doch was war die Alternative? Neben Arlo zu sitzen, seine Hand zu halten und darauf zu warten, dass ... ja, dass was geschah?

Rettungskräfte! Sie waren bestimmt längst auf dem Weg.

Aber stimmte das? Rita musste an die so unerwartet gestartete ELDA-RON denken, an Perry Rhodans Rede, die nicht stattgefunden hatte. In ihr kam der Verdacht auf, dass die Katastrophe – so groß sie den Bewohnern der Krone von Terrania erschien – in Wirklichkeit von deutlich gewaltigerem Ausmaß war und dass alles zusammenhing.

Wie weit dehnte sich dieses schwarze Nicht-Gebilde aus? Jedenfalls so weit, wie ihr Blick aus dem Fenster reichte. Zwanzig Kilometer? Dreißig? Noch mehr?

Wie viel es auch sein mochte, es bedeutete, dass sie enormes Glück brauchten, damit die Rettungskräfte ausgerechnet bei der Krone mit ihrer Arbeit begannen.

Falls sie überhaupt kamen.

Falls Atlan Village der einzige Ort war, an dem es zu einem ... Anschlag gekommen war.

Während sich all diese Gedanken in ihrem Kopf überschlugen, eilte Rita zur Wohnungstür.

»Öffnen!«, befahl sie und schalt sich eine Närrin, als ihr im nächsten Augenblick bewusst wurde, wie sehr man sich im Alltag auf positronische Unterstützung verließ.

Sie entriegelte die Tür manuell und trat hinaus. Die Wohntürme waren so angelegt, dass jedes Appartement ein komplettes Stockwerk einnahm. Deshalb führte ein kurzer Korridor lediglich in den Gebäudeteil, den die Architekten das Rückgrat getauft hatten. In ihm verliefen der Antigravlift und das Treppenhaus, das vermutlich bislang kaum jemand benutzt hatte.

Als sie das Gitter vor dem Zugang zur Liftkabine sah, fragte sie sich, was sie eigentlich bezweckte. Bei einem Energieausfall wurde der Schacht aus Sicherheitsgründen automatisch mechanisch verriegelt.

Etwas, das niemals passieren wird, hatten die Architekten versichert. Ahnungslose Idioten.