Perry Rhodan 515: Die Wächter der Einsamkeit - William Voltz - E-Book

Perry Rhodan 515: Die Wächter der Einsamkeit E-Book

William Voltz

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Beschreibung

Vier Männer der GOOD HOPE II auf der verlassenen Welt - im Kampf mit den Wächtern Auf der Erde schreibt man Anfang November des Jahres 3441. Damit ist seit dem Tag, als die Katastrophe über fast alle Intelligenzwesen der Galaxis hereinbrach, nahezu ein Jahr vergangen. Immer noch herrschen Not und Chaos auf den meisten Planeten oder planetarischen Stützpunkten, immer noch kommen Hilferufe aus dem All. Und immer noch leisten Menschen, die von der Verdummungsstrahlung nicht betroffen sind, Übermenschliches, um das Chaos zu bewältigen und die Massen ihrer bemitleidenswerten Mitbürger mit dem Lebensnotwendigen zu versorgen. Perry Rhodan und 60 Gefährten, unter ihnen Atlan, Gucky und viele andere alte Bekannte, haben sich allerdings eine noch schwierigere Aufgabe gestellt. Unterstützt von der INTERSOLAR, Reginald Bulls Flaggschiff, versucht der Großadministrator, den mysteriösen "Schwarm" zu erforschen, der unaufhaltsam immer weiter in die Galaxis eindringt und dessen ebenso mysteriöse Lenker für die Veränderung der Gravitationskonstante und die dadurch herbeigeführte galaxisweite Retardierung der Intelligenz verantwortlich sind. Gegenwärtig hält Perry Rhodan sich mit seiner kleinen GOOD HOPE II in unmittelbarer Nähe des Schwarms auf, um weitere wertvolle Informationen zu sammeln. Wie gefährlich ein solches Unternehmen ist, erweist sich in Kürze. Tausende von riesigen Flugobjekten brechen plötzlich aus dem Schwarm, und die bei der Hypertransition auftretenden Strukturwellen vernichten beinahe Perry Rhodans Schiff. Dessen ungeachtet macht sich die GOOD HOPE sofort an die Verfolgung der Objekte aus dem Schwarm. Ein Planet wird schnellstens angeflogen, den auch die Fremden ansteuern - und ein kleines Landekommando aus der GOOD HOPE trifft auf DIE WÄCHTER DER EINSAMKEIT ...

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Nr. 515

Die Wächter der Einsamkeit

Vier Männer der GOOD HOPE II auf der verlassenen Welt – im Kampf mit den Wächtern

von WILLIAM VOLTZ

Auf der Erde schreibt man Anfang November des Jahres 3441. Damit ist seit dem Tag, als die Katastrophe über fast alle Intelligenzwesen der Galaxis hereinbrach, nahezu ein Jahr vergangen.

Immer noch herrschen Not und Chaos auf den meisten Planeten oder planetarischen Stützpunkten, immer noch kommen Hilferufe aus dem All. Und immer noch leisten Menschen, die von der Verdummungsstrahlung nicht betroffen sind, Übermenschliches, um das Chaos zu bewältigen und die Massen ihrer bemitleidenswerten Mitbürger mit dem Lebensnotwendigen zu versorgen.

Perry Rhodan und 60 Gefährten, unter ihnen Atlan, Gucky und viele andere alte Bekannte, haben sich allerdings eine noch schwierigere Aufgabe gestellt. Unterstützt von der INTERSOLAR, Reginald Bulls Flaggschiff, versucht der Großadministrator, den mysteriösen »Schwarm« zu erforschen, der unaufhaltsam immer weiter in die Galaxis eindringt und dessen ebenso mysteriöse Lenker für die Veränderung der Gravitationskonstante und die dadurch herbeigeführte galaxisweite Retardierung der Intelligenz verantwortlich sind.

Gegenwärtig hält Perry Rhodan sich mit seiner kleinen GOOD HOPE II in unmittelbarer Nähe des Schwarms auf, um weitere wertvolle Informationen zu sammeln.

Wie gefährlich ein solches Unternehmen ist, erweist sich in Kürze. Tausende von riesigen Flugobjekten brechen plötzlich aus dem Schwarm, und die bei der Hypertransition auftretenden Strukturwellen vernichten beinahe Perry Rhodans Schiff.

Die Hauptpersonen des Romans

Perry Rhodan – Der Großadministrator lässt einen fremden Planeten untersuchen.

Alaska Saedelaere – Cheforter der GOOD HOPE II.

Dalaimoc Rorvic – Ein Mann wird unsanft geweckt.

Tatcher a Hainu – Ein Marsgeborener.

Cucula Pampo – Ein »progressiver« Musiker.

Sandal Tolk

1.

Es war kurz vor sieben Uhr, als ich das B-Deck der GOOD HOPE II betrat, um Dalaimoc Rorvic in seiner Kabine aufzusuchen. Rorvics Dienst begann um sieben, aber das Winseln der Interkomanlage dürfte auf keinen Fall genügt haben, ihn zu wecken. Ich hatte mich selbst verspätet und rannte über den Gang, um auf keinen Fall zu spät zu kommen.

Vor Rorvics Kabine blieb ich stehen, um zu lauschen. Es war so still wie in einem Grab, aber das war nicht ungewöhnlich, denn Rorvic zeichnete sich auch im Wachzustand durch fast absolute Lautlosigkeit aus.

Ich hämmerte mit der Faust gegen die Kabinentür. Zwanzig Meter von mir entfernt wurde eine Tür aufgerissen, und ein schlaftrunkener Raumfahrer starrte auf den Gang heraus.

»Sie schon wieder!«, heulte er auf. Er hatte offenbar vor wenigen Augenblicken seinen Dienst beendet und war durch mein Klopfen wieder aufgewacht. Er trug nur seine Hose und trat jetzt auf den Gang hinaus, unschlüssig, ob er tätlich werden oder es mit Beschimpfungen bewenden lassen sollte. Er entschied sich glücklicherweise für die zweite Möglichkeit.

»Sie marsianischer Gnom!«, schrie er mich an. »Müssen Sie jedes Mal einen solchen Krach machen?«

Ich deutete mit dem Daumen hinter mich.

»Versuchen Sie, ob Sie Rorvic anders wachbekommen!«

Er überdachte diesen Vorschlag, schüttelte den Kopf und zog sich fluchend in seine Kabine zurück.

Ich trat gegen Rorvics Kabinentür. Im Kabineninnern musste sich das wie ein explosionsartiger Knall anhören, aber Rorvic ignorierte selbst diesen Lärm.

Ich warf einen Blick auf die Uhr.

Drei Minuten vor sieben!

Ich beging eine an Bord terranischer Raumschiffe unübliche Indiskretion und öffnete die Tür, ohne auf eine Aufforderung zu warten. Es war so, wie ich erwartet hatte.

Captain Dalaimoc Rorvic hockte mit übereinandergeschlagenen Beinen inmitten der Kabine auf dem Boden und meditierte. Er hatte nur ein Handtuch um die Hüften geschlungen. Die Augen waren geöffnet, aber sie blickten in unbekannte Fernen. Rorvic war ein über zwei Meter großer haarloser Albino, der sich selbst als muskulös bezeichnete, in Wirklichkeit jedoch ausgesprochen fett war.

Ich zog die Tür hinter mir zu.

»Dalaimoc!«, rief ich sanft. »Möchten Sie bitte aufstehen?« Natürlich reagierte er nicht.

Auf dem Tisch stand eine Kanne. Sie war leer. Ich ergriff sie und schlug sie Rorvic auf den Schädel.

Er schloss die Augen, was bei ihm ein gutes Zeichen war. Dann gähnte er. Als er zu blinzeln begann, hoffte ich, dass er endgültig aufwachen würde. Ich stellte die Kanne zur Seite, denn ich befürchtete, dass er eines Tages ergründen könnte, warum er immer dann Beulen am Kopf hatte, wenn ich ihn weckte.

Er öffnete die Augen. Diesmal waren seine Blicke nicht in fremde Universen gerichtet, sondern auf mich. Es war mir schon immer unangenehm gewesen, den Blick dieser roten Augen erwidern zu müssen, aber in diesem Augenblick fürchtete ich, er könnte mich damit durchbohren.

»Guten Morgen!«, rief ich freundlich.

Ich wusste, dass er meine Stimme nicht leiden konnte. Er behauptete, ich würde keifen. Da er sogar im Sitzen größer war als ich, befand ich mich ihm gegenüber stets in einer etwas ungünstigen psychologischen Situation.

»Verschwinden Sie!«, rief er.

Es ist nicht übertrieben, wenn ich behaupte, dass ich in der Zeit, die er zum Aussprechen dieser Worte brauchte, ein halbes Dutzend Sätze hervorgebracht hätte. Aber es war nicht allein die Langsamkeit seiner Sprechweise, die meinen Blutdruck jedes Mal ansteigen ließ, sondern auch der Tonfall seiner Stimme. Ich hätte schwören können, dass Rorvic im Gegensatz zu anderen Menschen mit der Brust sprach. Seine Stimme kam tief aus dem Körper, wenn er ein R sprach, rollte es wie Gewitterdonner.

Ich blickte demonstrativ auf meine Uhr.

»Es ist bereits sieben, Rorvic!«

Er ignorierte das. Ich wünschte, ich hätte ihn einmal aufregen können. Aber er regte sich nie auf. Solange ich zurückdenken konnte, hatte er sich kein einziges Mal geärgert. Er war ein Phlegmatiker, ein ungehobelter Bursche ohne jedes Taktgefühl und ohne einen Funken Ehrgeiz.

»Gib mir mein Hemd!«, befahl er.

Ich kniff meine Augen zu.

»Ich kann mich nicht erinnern, Ihnen das Du angeboten zu haben, Captain!«

Er stand auf. Bei jedem anderen Mann wäre das ein Vorgang gewesen, der keiner Beschreibung bedurft hätte.

Nicht so bei Dalaimoc Rorvic!

Der Ultrafrequenz-Ingenieur machte aus dem Aufrichten seines Körpers eine Zeremonie. Zunächst winkelte er die Arme an, dann stöhnte er mit einer Inbrunst, als müsste er tonnenschwere Gewichte bewegen. Dabei drehte er den Kopf in einer Weise, dass es schon an ein Wunder grenzte, dass er sich dabei nicht einen Halswirbel brach. Dann streckte er die Beine aus, steckte den Kopf zwischen die Arme und wälzte sich in dieser Haltung auf den Bauch.

Seltsamerweise wurden die Wände des kleinen Raumes bei diesem Vorgang nicht erschüttert.

Nach dieser Demonstration unglaublicher Gelenkigkeit hätte ein unerfahrener Zuschauer vielleicht erwartet, dass Rorvic nun auf seinem Bauch zu rotieren beginnen würde. Doch nichts dergleichen geschah. Rorvics nächste Handlung war jedoch nicht minder ungewöhnlich. Geschmeidig, als wäre sein Körper schwerelos geworden, stand Rorvic in einer fließenden Bewegung auf, schüttelte sich einmal kurz und ließ dann die Schultern hängen.

Jetzt sah er wieder aus, als würde er im nächsten Augenblick im Stehen einschlafen. Er riss das riesige Handtuch von seinem Körper und warf es mir über den Kopf.

Er lächelte mich überlegen an, als ich fluchend auf dem Handtuch herumtrampelte.

Er wälzte sich durch die Kabine und fischte aus einem Wust unordentlich hingeworfener Kleidungsstücke seine Unterhose. Ich werde nie begreifen, wie ein einziger Mann eine Unterhose solchen Ausmaßes ausfüllen kann, aber Rorvic schaffte es mühelos. Danach zog er sich ein Unterhemd von der Größe eines Schiffssegels über den Kopf, schlüpfte in ein lindgrünes Hemd und stieg in eine Hose, an der unbestätigten Gerüchten zufolge zwei Robotschneider eine Woche lang gearbeitet hatten.

Es war sechs Minuten nach sieben.

»Captain!«, flehte ich ihn an. »Beeilen Sie sich etwas. Man wird uns maßregeln.«

Diese Aussicht entlockte Rorvic nur ein Brummen, und wer ihn in diesem Augenblick gesehen hätte, wäre bereit gewesen zu schwören, dass es im gesamten Universum kein Wesen geben konnte, das einen Mann wie ihn hätte maßregeln können.

Er begann mit dem Einölen seiner Glatze. Das war ebenfalls eine seiner widerlichen Angewohnheiten. Er ließ sich niemals darüber aus, ob er die Glatze einölte, um einen – wenn auch noch so spärlichen – Haarwuchs zu erzeugen, oder ob er seinen kahlen Schädel im Spiegel glänzen sehen wollte.

Endlich hatte er seine Uniformjacke angezogen.

»Tatcher a Hainu!«, sagte er gedehnt. »Worauf warten Sie noch?«

Er kam auf mich zu wie ein Gebirge, das plötzlich zu laufen begonnen hatte. Ich stürmte auf den Gang hinaus und wappnete mich gegen die Unfreundlichkeiten, die ich in wenigen Augenblicken zu hören bekommen würde.

Alaska Saedelaere, der an Bord der GOOD HOPE II als Chef der Ortung fungierte, war im allgemeinen ein verträglicher Vorgesetzter, aber er bestand auf Pünktlichkeit seiner Mitarbeiter. Aber das, was er zu sagen haben würde, bedrückte mich weniger als die Aussicht auf eine Auseinandersetzung mit jenen beiden Männern, die Rorvic und ich um sieben Uhr hätten ablösen sollen.

Vor dem Antigravschacht blieb ich wieder stehen.

»Sie werden es wieder mir anlasten!«, sagte ich ärgerlich. »Ich muss mir jedes Mal die Vorwürfe anhören.«

Er grinste breit und versetzte mir einen Tritt gegen mein verlängertes Rückgrat. Ich schrie auf und kippte in den Schacht. Rorvics Angriffe waren hinterhältig, weil seine Bewegungen im Ansatz niemals zu erkennen waren. Entweder schleppte er sich wie ein müdes Nilpferd voran, oder er explodierte in einer gezielten Aktion.

Ich brauchte ein paar Sekunden, um meinen schwerelosen Fall zu korrigieren. Rorvic sank neben mir abwärts. Er hatte die Arme über der mächtigen Brust verschränkt. Er sah sehr milde aus; harmlose Gemüter hätten sich so den Prototyp eines Wohltäters vorgestellt.

Im E-Deck traten wir aus dem Schacht.

»Sie haben mich getreten!«, fuhr ich ihn an. »Eines Tages werde ich mich für alles rächen, was Sie mir angetan haben.«

Sein Gesichtsausdruck zeigte deutlich, was er von Rachegefühlen hielt. Rorvic verstand es wie kein zweiter, allein durch Herabhängen der Mundwinkel Verachtung auszudrücken.

Während wir uns der Ortungszentrale näherten, öffnete Rorvic seine Gürteltasche, entnahm ihr ein Nahrungskonzentrat und schob es in den Mund.

»Jedes Mal müssen wir auf eine warme Mahlzeit verzichten!«, knurrte ich. »Wenn Sie einmal früher aufwachen würden, könnten wir wie die anderen in der Messe essen.«

Er sah mich strafend an.

»Sie legen zuviel Wert auf fleischliche Genüsse!«

»Sie Heuchler!«, schrie ich auf. »Dabei sind Sie einer der verfressensten Männer an Bord.«

»Das stimmt nicht«, widersprach er ruhig. »Toronar Kasom übertrifft mich.«

Ich schwieg, weil ihm sowieso nicht beizukommen war.

Wir standen jetzt vor dem Eingang der Ortungszentrale. Ich schwöre, dass ich alles versuchte, um Rorvic vor mir eintreten zu lassen, doch er packte mich am Nacken, hob mich vor die Tür und schob mich mit seinem Bauch vor sich her in den Ortungsraum.

»Guten Morgen!«, begrüßte uns Alaska in seiner holprigen Sprechweise.

Ich senkte den Blick. Ich kannte diesen Tonfall.

»Nun, Captain a Hainu?« Saedelaere stand neben einem Bildschirm, auf dem der Schwarm zu sehen war.

Als ginge ihn das alles nichts an, wälzte Rorvic sich an mir vorbei und näherte sich seinem angestammten Platz, wo ein wütender Techniker bereits auf ihn wartete.

»Sie sind zwanzig Minuten zu spät!«, warf der Techniker Rorvic vor.

Der Riese tätschelte ihn beruhigend auf die Schulter, wobei der Mann ein Stück in die Knie ging und sich ohne weiteren Protest zurückzog.

Nun folgte eines jener phänomenalen Ereignisse, das in Rorvics Umgebung immer wieder großes Erstaunen hervorrief.

Der Ultrafrequenz-Ingenieur ließ sich in einem Sessel nieder, der für einen normal gebauten Menschen konstruiert war.

Zunächst saß Rorvic nur auf den Lehnen, dann rutschte er Millimeter für Millimeter tiefer, bis er schließlich in den Sessel eingekeilt war und nur noch den Oberkörper bewegen konnte. Ein Raumfahrer hatte einmal erzählt, dass Rorvic beim Aufstehen einen Sessel aus der Verankerung gerissen und mitgeschleppt hatte. Ich hielt das für übertrieben, aber wer den Albino so sitzen sah, konnte ähnliche Befürchtungen bekommen.

»Ich warte!« Das war wieder Saedelaere.

Ich blickte ihn an. Durch die Mund- und Augenschlitze fiel das Licht des Cappinfragments. Saedelaere war mir unheimlich, obwohl er nichts getan hatte, was in irgendeiner Weise beängstigend gewesen wäre. Ich konnte mich einfach nicht über mein Unbehagen hinwegsetzen, wenn ich in der Nähe des Transmittergeschädigten war. Wahrscheinlich erging das vielen von uns so.

»Ich entschuldige mich«, sagte ich. Ich blickte in Rorvics Richtung. »Wir ... ich ... ich habe ihn nicht rechtzeitig geweckt.«

»Captain Rorvic braucht keinen Wecker«, versetzte Saedelaere. »Er ist für sich selbst verantwortlich.«

Ich war mir darüber im klaren, dass nur die Tatsache, dass ich zu den wenigen Immunen gehörte, mir ein Disziplinarverfahren ersparte. Seit der Veränderung der Gravitationskonstante, die die Verdummungswelle hervorgerufen hatte, galten neue Maßstäbe. Sie galten auch für Dalaimoc Rorvic, doch Saedelaere hatte wohl bereits eingesehen, dass es sinnlos war, sich mit dem Albino anzulegen.

Vor der Katastrophe hatte Rorvic für eine Bodenstation auf Tahun gearbeitet. Wahrscheinlich wäre kein Mensch auf den Gedanken gekommen, ihn an Bord eines Raumschiffes abzukommandieren, wenn man nicht jeden Mentalstabilisierten gebraucht hätte. Ich dagegen konnte voller Stolz von mir behaupten, bereits zur Besatzung der MARCO POLO gehört und den Flug nach Gruelfin mitgemacht zu haben.

Zweifellos war Rorvic ein ausgezeichneter Ultrafrequenz-Ingenieur und gehörte zu den fähigsten Männern in der Ortungszentrale. Ich als Galaktogeologe war nach der Katastrophe umgeschult worden, denn es wurden Ortungstechniker gebraucht. Für einen Galaktogeologen interessierte sich damals niemand.

Ich ließ mich auf meinem Platz nieder. Im Gegensatz zu Rorvic hatte ich keine Schwierigkeiten mit dem Sessel, denn ich bin nur eineinhalb Meter groß und hager. Wie alle Marsgeborenen besitze ich eine tonnenförmig gewölbte Brust. Mein Gesicht wird von tausend Falten und Runzeln durchzogen.

Ich beobachtete die Geräte, die zu meinem Arbeitsbereich gehörten. Innerhalb kurzer Zeit hatte ich gelernt, Amplituden auf den Oszillographen richtig zu deuten und Impulszeichen auf den Bildschirmen auszuwerten.

Diese Arbeit machte mir nicht viel Spaß, aber ich hatte eingesehen, dass die Nachwirkungen der Katastrophe nur überwunden werden konnten, wenn jeder sein Bestes tat.

Mein Blick fiel auf den automatischen Kalender.

Es war der 5. November 3441 – Erdzeit!

Vor sechs Tagen war ich dreiundfünfzig Jahre alt geworden.

Ich hatte meinen Geburtstag völlig vergessen.

Ich blickte zu Dalaimoc Rorvic hinüber. Ich erinnerte mich noch genau an unser erstes Zusammentreffen. Das heißt, ich traf mit ihm zusammen, denn er ignorierte mich damals völlig.

Ich stand unter der Dusche hinter den Mannschaftsräumen, als Rorvic hereinkam, um ebenfalls ein Bad zu nehmen. Ich erschrak, als er durch den Dampf auf mich zukam. Seine weiße Haut glänzte vor Schweiß. Er schob mich achtlos zur Seite.

»Das ist meine Dusche!«, machte ich ihn aufmerksam.

Er begann sich unter dem Massagestrahl zu drehen und zu winden und fühlte sich offensichtlich sehr wohl.

Beherrschung war noch nie meine große Stärke gewesen.

Ich sprang ihn an. Ich prallte zurück, als wäre ich gegen eine Gummiwand gestoßen.

»Oh!«, machte Rorvic. »Bin ich etwa auf Sie getreten?«

Von diesem Augenblick an war ich entschlossen, eines Tages über ihn zu triumphieren. Aber mit jeder Woche, die verstrich, wurden meine Hoffnungen auf die Erfüllung dieses Wunsches geringer, denn ein Mann wie Rorvic war unbesiegbar – allein schon deshalb, weil es ihm gleichgültig war, ob er unterlag oder siegte.

*

Wir flogen mit unserem Kreuzer, der GOOD HOPE II, entlang des Schwarmes. Noch niemals zuvor hatten wir uns so dicht an das fremdartige Gebilde herangewagt. Perry Rhodan wollte unter allen Umständen bessere Ortungsergebnisse bekommen. Natürlich waren HÜ-Schirm und Paratronschirm unseres Schiffes eingeschaltet, aber die meisten von uns betrachteten das als einen sehr zweifelhaften Schutz.

Trotz allem hatten wir Glück. Wir wurden uns über den Charakter des Energieschirms klar, der den Schwarm umgab. Was aus der Ferne wie eine kristallartig schimmernde Ansammlung von Seifenblasen aussah, war in Wirklichkeit ein total zerklüftetes Gebilde. Wir fanden heraus, dass fast alle Einheiten, die sich innerhalb des Schwarmes befanden, auch Energieerzeuger zur Aufrechterhaltung des Schutzschirms waren. Dabei wusste niemand, was alles unter den Begriff »Einheiten« fiel. Es konnte sich um Sonnen, Planeten, Monde, Raumschiffe, Stationen und alle möglichen anderen Dinge handeln. Da alle diese verschiedenartigen Himmels- und Flugkörper innerhalb des Schwarmes offenbar willkürlich eingenommene Positionen innehatten, kam es bei dem Schirm rund um den Schwarm zu eigenartigen Ausbuchtungen und Unregelmäßigkeiten.

Die Struktur des Schutzschirms resultierte aus den Positionen der einzelnen Energieerzeuger. An manchen Stellen hatten sich zehn bis fünfzig energieerzeugende Einheiten zusammengeballt. So waren seltsame Gebilde entstanden, die, ineinander verschmolzen, wie Kugelteile oder wie in den Raum ragende Felszacken aussahen.