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Er hat alle Macht der Galaxis - doch er will die Unsterblichkeit Im Jahr 3580, über 120 Jahre nach dem Tage, da Terra und Luna mit unbekanntem Ziel durch den Soltransmitter gingen, gibt es längst keine vereinte Menschheit mehr. Da sind einerseits die Milliarden Terraner im Mahlstrom der Sterne. Ihr Mutterplanet umläuft seit 3460 die Sonne Medaillon, deren unheilvolle Ausstrahlung die Aphilie hervorrief, die die meisten Menschen in Geschöpfe ohne Mitleid und Nächstenliebe verwandelte. Da sind die in der Heimatgalaxis zurückgebliebenen Nachkommen der Menschen, die an der Flucht Terras nicht teilnehmen wollten oder konnten. Sie sind zu Sklaven der Laren und ihrer Handlanger, der Überschweren unter Leticron, geworden. Und da sind die Terraner beziehungsweise deren Abkömmlinge, die von Lordadmiral Atlan und Solarmarschall Julian Tifflor nach Gäa in die Dunkelwolke Provcon-Faust gebracht werden konnten. Sie haben ein Staatengebilde gegründet - das Neue Einsteinsche Imperium, kurz NEI genannt. Nun, da Gerüchte die Runde machen, wonach die Tage Leticrons gezählt sein sollen, schickt Atlan Erkunder in die von den Laren beherrschten Gebiete der Galaxis hinaus. Einer der heimlichen Beobachter der galaktischen Szene ist der berühmte USO-Spezialist und Aktivatorträger Ronald Tekener. Nachdem er jahrelang relativ sicher unter den terranischen Sklaven des Mars gelebt hat, wird er verhaftet und zusammen mit den Multi-Cyborgs, die die Bewusstseine dreier Altmutanten enthalten, zum größten Saturnmond gebracht. Hier wartet Leticron auf die Gefangenen. Der Überschwere verfolgt einen bestimmten Plan. Noch hat er alle Macht der Galaxis - noch ist er Herr der STAHLFESTUNG TITAN ...
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Nr. 709
Stahlfestung Titan
Er hat alle Macht der Galaxis – doch er will die Unsterblichkeit
von WILLIAM VOLTZ
Im Jahr 3580, über 120 Jahre nach dem Tage, da Terra und Luna mit unbekanntem Ziel durch den Soltransmitter gingen, gibt es längst keine vereinte Menschheit mehr.
Da sind einerseits die Milliarden Terraner im Mahlstrom der Sterne. Ihr Mutterplanet umläuft seit 3460 die Sonne Medaillon, deren unheilvolle Ausstrahlung die Aphilie hervorrief, die die meisten Menschen in Geschöpfe ohne Mitleid und Nächstenliebe verwandelte.
Da sind die in der Heimatgalaxis zurückgebliebenen Nachkommen der Menschen, die an der Flucht Terras nicht teilnehmen wollten oder konnten. Sie sind zu Sklaven der Laren und ihrer Handlanger, der Überschweren unter Leticron, geworden.
Und da sind die Terraner beziehungsweise deren Abkömmlinge, die von Lordadmiral Atlan und Solarmarschall Julian Tifflor nach Gäa in die Dunkelwolke Provcon-Faust gebracht werden konnten. Sie haben ein Staatengebilde gegründet – das Neue Einsteinsche Imperium, kurz NEI genannt.
Nun, da Gerüchte die Runde machen, wonach die Tage Leticrons gezählt sein sollen, schickt Atlan Erkunder in die von den Laren beherrschten Gebiete der Galaxis hinaus.
Einer der heimlichen Beobachter der galaktischen Szene ist der berühmte USO-Spezialist und Aktivatorträger Ronald Tekener. Nachdem er jahrelang relativ sicher unter den terranischen Sklaven des Mars gelebt hat, wird er verhaftet und zusammen mit den Multi-Cyborgs, die die Bewusstseine dreier Altmutanten enthalten, zum größten Saturnmond gebracht.
Die Hauptpersonen des Romans
Ronald Tekener – Gefangener der Stahlfestung.
Kertan Tigentor, Ertyn Grammlond und Vross Barratill – Die Bewusstseine dreier Mutanten in den Körpern von Multi-Cyborgs.
Leticron – Der 1. Hetran soll abtreten.
Maylpancer – Favorit der Laren für den Posten des 1. Hetrans.
Hotrenor-Taak
1.
Als Bosskerrigg aus der Festungsschleuse herausritt und sein Robotpferd in Richtung des Hochplateaus lenkte, herrschte auf der Ebene, die zum Stein der Nichtwiederkehr führte, eine Temperatur von 130 Grad unter Null. Das von Saturn reflektierte Sonnenlicht reichte aus, um die Ebene vor der Festung in gleißendes Licht zu tauchen. Trotz der dünnen Wasserstoff-Methan-Ammoniak-Atmosphäre waren das Licht und der Schatten so scharf voneinander getrennt, dass einzelne Landschaftsteile wie ausgestanzt aussahen.
Die Kälte stülpte sich wie eine Glocke über Bosskerrigg und ließ ihn unwillkürlich nach Atem ringen. Er trug einen Thermoanzug und eine Atemmaske; eine Ausrüstung, mit der ein normaler Terraner nicht länger als ein paar Minuten in dieser Umwelt überlebt hätte.
Bosskerrigg jedoch hatte gewisse Aussichten, das wahnsinnige Unternehmen, zu dem er aufgebrochen war, auch zu überleben.
Der Reiter war ein Überschwerer, der seit drei Jahren Standardzeit auf Titan lebte und bei den von Leticron veranstalteten Turnieren oft einen der ersten Plätze belegt hatte. Er besaß einen kräftigen, für die hiesigen Verhältnisse trainierten Körper.
Allerdings war dies sein erster Ritt zum Stein der Nichtwiederkehr – und er unternahm ihn nicht freiwillig.
Dieser Ritt war eine von Leticron auferlegte Strafe, und ob man Bosskerrigg letztlich freisprechen würde, hing ganz davon ab, wie er diesen Ritt überstand.
Bosskerrigg kniff seine Augenbrauen zusammen, als könnte er auf diese Weise etwas mehr von der kostbaren Wärme unter der Atemmaske speichern. Sein Gesicht war mit einer zentimeterdicken Schicht Fett eingerieben, das einen zusätzlichen Schutz gegen die Kälte gewähren sollte.
Die Ebene lag verlassen vor dem einsamen Reiter; links und rechts wurde sie von den hufeisenförmigen Aufbauten der Festung umschlossen, und am Ausgang dieses riesigen Hufeisens lag das Hochplateau mit der Rampe.
»Kösigh!«, sagte Bosskerrigg mit dumpfer Stimme.
Das Robotpferd, eine fast originalgetreue Nachbildung eines Falben, spitzte die Ohren.
»Vorwärts, Kösigh!«
Das Pferd setzte sich auf einen leichten Druck von Bosskerriggs Stiefelabsätzen in die Flanken in Bewegung. Bosskerrigg musste zur ersten Markierung und von dort das Pferd zur äußersten Leistung antreiben. Nur dann konnte er hoffen, die nötige Fluchtgeschwindigkeit und damit einen Orbit um Titan zu erreichen.
Man schrieb den 15. September 3580 (die Überschweren im Solsystem benutzten den terranischen Standardkalender), und bis zu diesem Zeitpunkt hatten im Verlauf des nun zu Ende gehenden Jahres ganze drei Reiter das Abenteuer bestanden, siebzehn waren abgestürzt.
Kösigh trabte bis zur Markierung, und er bewegte sich dabei nicht weniger elegant, als es ein richtiges Pferd unter normalen Umweltbedingungen getan hätte.
Bosskerrigg grinste bösartig, wenn er an Leticron dachte.
Der Erste Hetran war zweifellos verrückt geworden. Anders konnte man sich seine Marotten nicht erklären.
Als Bosskerrigg die Startmarkierung erreichte, zügelte er den Falben und starrte in die Ebene hinaus.
In diesem Augenblick trat ein Mann im Schutzanzug hinter den Felsen hervor und versperrte Pferd und Reiter den Weg.
Bosskerrigg warf einen Blick auf das Brustteil des Schutzanzugs und las den Namen des Mannes: Maylpancer!
Bosskerrigg blickte auf ihn hinab und überlegte, welche Hintergründe diese Begegnung haben sollte. Es war ein offenes Geheimnis, dass Maylpancer der neue Favorit der Laren war. Der Überschwere von Obskon sollte den exzentrisch gewordenen Leticron als Erster Hetran ablösen. Es war nur noch eine Frage der Zeit, wann Maylpancer an Leticrons Stelle treten würde, aber solange der Corun of Paricza Erster Hetran war, besaß er die Macht, Männer die Rampe hinaufzuschicken.
Vor zwei Tagen war ein larischer SVE-Raumer auf Titan gelandet, neben Hotrenor-Taak und anderen führenden Laren hatte sich Maylpancer an Bord befunden.
Es hieß, dass sie die Gäste Leticrons waren, aber Bosskerrigg und alle anderen Überschweren auf Titan wussten es besser: Leticrons Stunde war gekommen, er würde zurücktreten und seinen Platz Maylpancer überlassen müssen.
Aber noch schienen die Laren zu zögern, es war noch keine offizielle Verlautbarung erschienen. Die Bindungen zwischen Hotrenor-Taak und Leticron schienen doch enger zu sein als allgemein angenommen wurde.
»Leticron wird den Ritt beobachten!«, sagte Bosskerrigg anstelle einer Begrüßung. »Noch ist er Erster Hetran. Es wird ihm nicht gefallen, dass Sie sich hier mit mir treffen.«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden«, sagte Maylpancer.
»So?« Bosskerrigg richtete sich im Sattel auf. »Und warum sind Sie dann gekommen?«
»Ich wollte Ihnen diesen Ritt ersparen!«
Bosskerrigg lächelte.
»Wirklich!«, beteuerte Maylpancer. »Ich will das wirklich.«
»Und wie? Wollen Sie statt meiner die Rampe hinauf?«
»Nein!«, sagte Maylpancer. »Ich werde dafür sorgen, dass die Rampe in absehbarer Zeit abgerissen wird.«
»Es wird kalt!«, sagte Bosskerrigg verbissen. »Ich muss mich beeilen.«
»Man könnte denken, es würde Ihnen Spaß machen!«, sagte Maylpancer.
»Ja, verdammt!«, sagte Bosskerrigg trotzig. »Ich bin hier herausgeritten, um es zu schaffen.«
»Sie wollen es ihm beweisen, was?«
Bosskerrigg schwieg trotzig.
Maylpancer seufzte und trat einen Schritt zur Seite.
»Er hat euch mit seiner Verrücktheit alle angesteckt«, sagte er. »Nun denn, verschwinden Sie!«
Bosskerrigg richtete seine Blicke auf die Rampe am Ende des Hochplateaus. Er musste sich konzentrieren, wenn er überhaupt eine Chance haben wollte.
Dann gab er Kösigh die Zügel frei.
Wie von einem Katapult abgeschossen, preschte das Robotpferd über die Ebene. Bosskerrigg beugte sich tief über den Sattel. Es gab so gut wie keinen Luftwiderstand, aber bei zunehmender Geschwindigkeit würde selbst die dünne Luftschicht um Titan ein gewisses Hindernis bedeuten, dessen Wirkung es zu mildern galt.
Bosskerrigg wusste genau, welche Leistung das Pferd und er vollbringen mussten.
Die Rampe, auf die er zuritt, hatte eine Aufwärtsneigung von fast dreißig Grad. Das bedeutete, dass Bosskerrigg bis zur Rampenneigung eine Geschwindigkeit von 5880 Metern in der Sekunde entwickeln musste, wenn er einen stabilen Orbit um Titan erreichen wollte.
In der dünnen Atmosphäre des Titan lag die Schallgeschwindigkeit bei einhundert Metern in der Sekunde, so dass es nicht lange dauerte, bis der Reiter sie erreicht hatte. Es gab ein kaum hörbares, explosionsartiges Geräusch, als Bosskerrigg diese Marke erreichte und überschritt.
Die Festungsaufbauten zu beiden Seiten der Ebene wirkten jetzt wie zwei Linien, deren oberes Drittel in Sonnenlicht getaucht war und daher hell erschien.
Die Hochebene kam so schnell näher, dass der Reiter unwillkürlich den Eindruck hatte, durch ein automatisch arbeitendes Teleobjektiv zu blicken.
Kösigh streckte sich und wurde länger. Seine Hufe schienen den Boden kaum noch zu berühren.
Die Kälte fraß sich jetzt unbarmherzig in Bosskerriggs Körper, der Thermoanzug war eben nur ein unvollkommener Schutz, denn es gab Stellen, die nicht vollkommen abdichteten.
Das untere Ende der Rampe war mit einem hundert Meter breiten Lichtgürtel markiert. Einen dünneren Hinweis hätte ein Reiter bei dieser Geschwindigkeit nicht wahrgenommen.
Die Rampe wirkte jetzt wie ein riesiges, überhängendes Dach, das ins Nichts hinausragte.
Titan hatte nur eine Schwerkraft von 0,21 Gravos, aber ein Sturz von der Rampe, der in einer weit gestreckten Parabel erfolgen würde, musste trotzdem zur Zerstörung des Robotpferds führen.
Und zum Tod des Reiters.
*
Leticron war durch das unverhoffte Auftauchen eines Mannes am Startplatz irritiert worden, deshalb hatte er nicht richtig aufgepasst, zu welchem Zeitpunkt Bosskerrigg die Schallgeschwindigkeit erreichte.
Auch jetzt wurde er wieder gestört, als ein Überschwerer über Bildsprechfunk die Meldung an ihn weitergab, dass der Mann, mit dem Bosskerrigg dort draußen in der Ebene zusammengetroffen war, Maylpancer hieß.
Leticron befand sich in einer von insgesamt sieben Ortungszentralen der Stahlfestung Titan.
Er war allein.
Er war immer allein.
Der Kontakt mit den anderen Überschweren in der Festung oder im Solsystem erfolgte nur noch über Bildsprechfunk, wobei die Bildübertragung einseitig war, denn Leticron zeigte sich nicht mehr auf dem Bildschirm. Alles, was man von ihm zu sehen und hören bekam, war seine müde klingende Stimme, mit der er Befehle gab.
»Maylpancer«, flüsterte der Corun of Paricza. »Ein seltsames Benehmen für einen Gast.«
Er kicherte.
Natürlich kannte er die wahren Gründe für Maylpancers Anwesenheit, aber er spielte Hotrenor-Taaks Spiel mit und tat so, als wäre alles völlig in Ordnung.
Der Grund für Hotrenor-Taaks Verhalten lag auf der Hand: Leticron wusste zuviel über den Verkünder der Hetosonen und konnte ihn bei den anderen Konzilsvölkern in Misskredit bringen.
Leticron war daher überzeugt, dass er eine Chance bekommen würde. Hotrenor-Taak würde ihm Gelegenheit geben, gegen Maylpancer zu kämpfen. Maylpancer konnte das nicht wissen, er vertraute darauf, dass die Laren alles für ihn erledigen würden.
Das war Hotrenor-Taaks Spiel.
Er würde eine Konfrontation zwischen Maylpancer und Leticron provozieren, um abzuwarten, wie der Kampf endete.
Für Leticron gab es keinen Grund, sich diesem Spiel zu widersetzen; er hatte die Regeln nicht gemacht, aber er war mit ihnen zufrieden, denn er fühlte sich Maylpancer überlegen.
Maylpancer begann bereits, sich um die Ereignisse in der Stahlfestung Titan zu kümmern – ein Beweis dafür, dass er sich sicher fühlte.
Leticron stand auf und verließ seinen Beobachtungsplatz. Er trug eine schwarze, fußlange Robe mit einem weißen Spitzenkragen. Seit er begonnen hatte, die Festung auf Titan im Stil altterranischer Gebäude einzurichten, hatte er sich auch ein Sortiment entsprechender Kleider anfertigen lassen.
Ein Licht flammte auf.
Leticron sah, dass einer der Transmitter aktiviert worden war.
Wahrscheinlich kamen jetzt die vier geheimnisvollen Gefangenen an, die Leticrons Artgenossen auf Saturn in Verlegenheit gebracht hatten.
Leticron würde sich vorerst nicht um sie kümmern, denn sein wichtigstes Problem hieß Maylpancer.
Er gab einigen Überschweren den Befehl, sich um die Gefangenen zu kümmern und sie in eine ausbruchsichere Unterkunft zu bringen.
Dann wandte er sich wieder der Beobachtung der Ebene zu.
Inzwischen hatte Bosskerrigg die Rampe erreicht.
Leticron ließ den Film zurücklaufen, um den Ritt noch einmal vom Start aus zu verfolgen.
Er wollte in Erfahrung bringen, ob Bosskerrigg die Schallgeschwindigkeit rechtzeitig erreicht hatte, denn für das Gelingen eines Ritts gab es eine feststehende Grundregel.
Sie lautete: Wer die Schallgrenze nicht erreichte, bevor er ein Viertel des Weges bis zur Rampe hinter sich gebracht hatte, schaffte es nicht bis zum Orbit.
Die Stelle, an der der Knall spätestens erfolgen musste, war durch einen steil aufragenden Felsen markiert.
Leticron und die anderen Überschweren hatten für diesen Felsen einen besonderen Namen geprägt.
Sie nannten ihn Stein der Nichtwiederkehr.
*
Noch bevor er das Ende der Rampe erreicht hatte, fühlte Bosskerrigg, dass er es nicht schaffen würde. Das Gespräch mit Maylpancer hatte ihn abgelenkt, der Start war um wertvolle Sekunden verzögert worden.
»Vorwärts!«, schrie er Kösigh zu, obwohl er genau wusste, dass das Pferd jetzt auf nichts anderes reagieren konnte als auf den Druck der Fersen.
Das Ende der Rampe kam mit atemberaubender Geschwindigkeit näher, es schien Bosskerrigg förmlich ins Gesicht zu springen.
Der Reiter hielt die Zügel locker, für den Augenblick hatte er vergessen, dass er auf einer positronisch gesteuerten komplizierten Maschinerie hockte.
Dann erfolgte der Absprung.
Die Wirklichkeit übertraf alle Schilderungen, die Bosskerrigg bisher gehört hatte.
Er riss die Augen auf und vergaß zu atmen. Der Kosmos schien sich vor ihm auszubreiten, und er sprang mitten hinein. Es war überwältigend, und Bosskerriggs spontaner Gedanke, dass dieses Erlebnis den vollen Einsatz des eigenen Lebens durchaus wert war, entsprang gewiss nicht einem angesichts der hoffnungslosen Lage aufkeimenden Fatalismus.
Titan drehte sich »unter« ihm weg, die zerrissene Oberfläche war ein wirres Muster von Farben und Formen.
Bosskerrigg drehte sich im Sattel um, die Rampe war nur mehr ein dünner bedeutungsloser Streifen über dem größten Saturnmond.
Plötzlich glaubte der Überschwere, dass er es schaffen würde. Sein Optimismus war durch nichts begründet als durch das durch die Ereignisse ausgelöste Hochgefühl.
Und dieser Optimismus erwies sich als trügerisch.
Denn nach einem Flug durch die mit Sternen durchsetzte Schwärze des Alls tauchte plötzlich wieder die Mondoberfläche vor Bosskerriggs Augen auf.
Und sie kam näher.
Der Fall war langsam, er besaß etwas Erhebendes.
Aber er war unaufhaltsam.
Das Robotpferd besaß kein Flugaggregat und keinen Antigravprojektor, das hätte den Regeln des Abenteuers widersprochen. Auch der Reiter besaß keine zusätzliche Ausrüstung.
Bosskerrigg hing jetzt mehr im Sattel als er saß, Kälte und Atemnot betäubten ihn in zunehmendem Maße. Wirre Gedanken gingen ihm durch den Kopf, vor allem darüber, wie er sich aus dieser Lage befreien konnte.
Ein Absprung vor dem Aufprall war sinnlos, denn er konnte Bosskerriggs eigene Aufprallgeschwindigkeit nicht mindern. Das Pferd würde zwischen den Felsen weit hinter dem Zentrum der Festung aufschlagen, in einem mit spitzen Felszacken durchsetzten Gebiet.
Auch das war kein Zufall, die Absturzstelle war fast immer die gleiche, sie umfasste eine Stelle, die nicht größer war als fünfzehnhundert Quadratmeter.
Je tiefer Bosskerrigg sank, desto eindeutiger veränderte sich sein Eindruck, den er optisch von der Oberfläche Titans hatte.
Er hatte jetzt das Gefühl, in eine Schale zu stürzen.
Kösigh breitete die Beine aus, nicht etwa, weil er einen Instinkt besaß, der dem des Selbsterhaltungstriebs eines lebenden Wesens verwandt gewesen wäre, sondern weil Bosskerrigg den Robotfalben wild und unkontrolliert mit den Beinen bearbeitete.
Dann erfolgte der Aufprall.
Es gab einen leisen, kaum hörbaren Knall.
Der auf den Felsen lagernde Staub wirbelte auf und verhüllte einen Augenblick das Geschehen innerhalb eines dunkelgrünen Schleiers.
Die geringe Schwerkraft verhinderte, dass der Staub sich schnell wieder niedersenkte.
Aus der dunkelgrünen Wolke wurden Bruchstücke des zerschmetterten Pferdes herausgeschleudert.
Dann erschien der Körper des Überschweren. Er ähnelte einer flachen, aufgeplatzten Matte. Der Thermoanzug hing in Fetzen herunter, die Atemmaske war abgerissen und baumelte am Atemschlauch. So hing er einen Augenblick über den Felsen, um dann endgültig zwischen ihnen zu verschwinden.
Bosskerrigg hatte den Orbit nicht erreicht.
Bosskerrigg war schuldig.
2.
Leticron sah sich die Aufzeichnung bis zum Ende an, so dass er Bosskerriggs Tod mit einer Zeitversetzung von einer halben Minute erlebte. Nachdem alles vorüber war, rief der Erste Hetran einen Robotdiener herein.