Perry Rhodan Neo 103: Der Oxydkrieg  - Rüdiger Schäfer - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan Neo 103: Der Oxydkrieg E-Book und Hörbuch

Rüdiger Schäfer

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Beschreibung

Im Jahr 2036 entdeckt der Astronaut Perry Rhodan auf dem Erdmond ein außerirdisches Raumschiff. Damit verändert er die Weltgeschichte. Die Terranische Union wird gegründet. Eine Ära des Friedens und Wohlstands scheint anzubrechen. Unter Perry Rhodans Führung können die Menschen sogar die kurze Herrschaft der Arkoniden abschütteln. Elf Jahre sind seither vergangen. Die Menschheit hat sich zu einer raumfahrenden Zivilisation entwickelt. Überraschend tauchen beim Jupiter mehrere Walzenraumer auf und eröffnen ohne Vorwarnung das Feuer - die Terranische Flotte kann sie abwehren. Mit der CREST, dem mächtigsten Raumschiff der Menschheit, verfolgt Perry Rhodan die Angreifer. Im fernen Taktissystem wird die CREST von den Maahks, die dort leben, zunächst massiv beschossen. Aber dann machen die Fremden ein Gesprächsangebot. Kann Rhodan sie von seinen friedlichen Absichten überzeugen?

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Zeit:5 Std. 39 min

Sprecher:Axel Gottschick
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Band 103

Der Oxydkrieg

von Rüdiger Schäfer

Im Jahr 2036 entdeckt der Astronaut Perry Rhodan auf dem Erdmond ein außerirdisches Raumschiff. Damit verändert er die Weltgeschichte. Die Terranische Union wird gegründet. Eine Ära des Friedens und Wohlstands scheint anzubrechen.

Unter Perry Rhodans Führung können die Menschen sogar die kurze Herrschaft der Arkoniden abschütteln. Elf Jahre sind seither vergangen. Die Menschheit hat sich zu einer raumfahrenden Zivilisation entwickelt.

Überraschend tauchen beim Jupiter mehrere Walzenraumer auf und eröffnen ohne Vorwarnung das Feuer – die Terranische Flotte kann sie abwehren. Mit der CREST, dem mächtigsten Raumschiff der Menschheit, verfolgt Perry Rhodan die Angreifer.

Im fernen Taktissystem wird die CREST von den Maahks, die dort leben, zunächst massiv beschossen. Aber dann machen die Fremden ein Gesprächsangebot. Kann Rhodan sie von seinen friedlichen Absichten überzeugen?

1.

15. März 2049, Perry Rhodan

In der Zentrale der CREST waren alle Stationen doppelt besetzt. Conrad Deringhouse, Kommandant des ersten und bislang einzigen Ultraschlachtschiffs der Menschheit, hatte sämtliche Freischichten gestrichen und für die komplette Besatzung Bereitschaft angeordnet. Wer keinen Dienst hatte, verfolgte über die schiffsinternen Kommunikationssysteme, wie der 1000 Meter durchmessende Kugelraumer auf den Methanplaneten Scortoohk vorrückte.

Das riesige Panoramaholo, das fast die ganze vordere Hälfte des saalähnlichen Kommandoraums einnahm, zeigte eine schmutzig graue Kugel, über deren Oberfläche dünne, weiße Schlieren zogen und die stetig größer wurde. Perry Rhodan fühlte sich unwillkürlich an ein Großleinwand-Kino erinnert. Die Projektionsfläche füllte das Blickfeld des Zuschauers völlig aus und vermittelte so den Eindruck, mitten im Geschehen zu sein.

Die weiße Zwergsonne Taktis stand aus Sicht der CREST schräg links oben und zeichnete eine scharfe Trennlinie zwischen Tag- und Nachtseite auf den Planeten. Das grelle Gleißen des Gestirns wurde durch Filter abgemildert. Dadurch waren die umstehenden Sterne deutlich zu erkennen; Hunderte winziger Punkte in fremden Konstellationen und Tausende von Lichtjahren entfernt.

Die allgemeine Nervosität war beinahe mit Händen zu greifen. Auf den Ortungsholos standen die Echos von zehn Walzenschiffen der Maahks. Die vierhundert Meter langen, an stumpfe Geschützprojektile erinnernden Raumer hatten sich auf einer imaginären Kugelschale um das Ultraschlachtschiff gruppiert. Dabei hielt jede Einheit einen exakten Abstand von 0,2 Lichtsekunden ein.

Ein perfekter Formationsflug, dachte Rhodan und drehte kurz den Kopf. Sein Blick traf den des Kommandanten.

Conrad Deringhouse nickte knapp. Der groß gewachsene Mann mit der deutlich sichtbaren Narbe am Hals war in den vergangenen Jahren merklich gealtert. Er hatte beim Aufbau der neuen Terranischen Flotte eine tragende Rolle gespielt und mit seinem Stab schier Übermenschliches geleistet. Seine Berufung zum Kommandanten der CREST war eine logische Folge gewesen.

»Entweder braucht der Kerl keinen Schlaf«, hatte Reginald Bull einmal gesagt, »oder er trinkt so viel Kaffee, dass sein Blut aus purem Koffein besteht.«

Merkwürdig, dass Rhodan ausgerechnet in einer Situation wie dieser zum ersten Mal auffiel, wie sehr sich Deringhouse äußerlich verändert hatte. Der Ansatz seiner kurzen, braunen Haare war merklich nach oben gewandert, um die Augen und in den Mundwinkeln hatten sich Nester aus Fältchen gebildet, und die schon früher schlaksige Gestalt wirkte nun beinahe ausgemergelt.

Rhodan wandte sich wieder dem Holo zu und hatte für einen Moment das Gefühl, in die scheinbar endlose Schwärze des Weltalls hineinzufallen. Man konnte glauben, die CREST würde noch einmal beschleunigen, beinahe so, als wolle sie den Planeten rammen, doch das war eine optische Täuschung.

»Wir empfangen neue Koordinaten von der NEEBOHK«, meldete Major Schimon Eschkol. Die Stimme des Funk- und Ortungschefs klang ein wenig heiser, und er musste sich räuspern, ehe er weitersprach. »Unser Ziel liegt auf der Tagseite des Planeten. Angeblich in der Nähe einer größeren Ansiedlung. Einzelheiten sind noch nicht auszumachen; allerdings ist die Geländestruktur sehr unregelmäßig. Die Durchschnittstemperaturen betragen um die minus achtzig Grad Celsius. Der atmosphärische Druck liegt um das rund Zehnfache über dem der Erde und schwankt eng begrenzt um mehrere Tausend Hektopascal. Ich messe starke Luftbewegungen an. Die Energieemissionen sind auf einen Bereich von wenigen Hundert Kilometern um den Äquator herum beschränkt. Wir haben ihn auf Basis des Magnetfelds und der Längsachse von Scortoohk festgelegt. Genauere Angaben kann ich erst machen, wenn eine Aktivtastung möglich ist.«

»Der Befehl zur ausschließlichen Passivortung bleibt bestehen, Major«, sagte Conrad Deringhouse. »Wir tun nichts, was die Maahks auch nur im Entferntesten als Provokation auffassen könnten. Erfahrung macht klug.«

»Verstanden, Sir.«

Vor ihnen riss die Wolkendecke auf; ein breiter, von wirbelnden Nebelschleiern eingefasster Schlund – wie das Maul eines konturlosen Riesen, der sich anschickte, die CREST zu verschlingen und nie mehr freizugeben.

Tief unten, auf der Oberfläche der für Menschen lebensfeindlichen Welt, waren schroffe Gebirgsformationen zu erkennen. Ein heftiger Sturm fegte grauweiße Gasfetzen über die zerklüftete Landschaft. Hier und da entstanden binnen Sekunden kilometerhohe Windhosen, seltsam unregelmäßig geformte Tornados, die sich in der hohen Schwerkraft aber ebenso schnell wieder auflösten.

Die ersten Gespräche mit dem Maahk Grek-21, Eigenname Skaljaahk, waren eher zäh verlaufen und hatten in einer gewaltsamen Konfrontation geendet. Erst das Eingreifen von Tuire Sitareh konnte die Situation vorübergehend entspannen. Kurz darauf hatte sich ein gewisser Khuk'Khok gemeldet und weitere Verhandlungen in Aussicht gestellt – diesmal auf dem Planeten Scortoohk selbst.

Rhodan ging zum Sessel des Kommandanten hinüber. Unterwegs fiel ihm eine der unzähligen Holoanzeigen vor der Konsole des Ersten Offiziers Oberst Jason Melville ins Auge. In der Zentrale der CREST herrschte demnach eine Temperatur von zwanzig Grad Celsius. Ihm selbst kam es wesentlich wärmer vor.

»Wir gehen ein ziemliches Risiko ein, Perry«, sagte Deringhouse, als Rhodan ihn erreicht hatte. »Wenn uns die Walzen erneut unter Feuer nehmen ...«

»Warum sollten sie?«, ließ ihn Rhodan nicht ausreden. »Das Fundament, auf dem unser Dialog mit den Maahks ruht, mag zwar nicht sonderlich stabil sein, aber ein Anfang ist gemacht. Verständigung funktioniert nicht ohne Vertrauen – und Vertrauen erfordert stets ein gewisses Maß an Zuversicht.«

»Schon klar. Allerdings fliegen wir ohne Schutzschirme. Ich weiß, dass du damit deinen guten Willen zeigen willst. Aber es bereitet mir erhebliche Magenschmerzen, wenn ich so weit von der nächsten Latrine entfernt die Hosen runterlassen muss ...«

Den letzten Satz hatte der Admiralleutnant beinahe geflüstert. Der Erste Offizier hatte den Kommentar seines Vorgesetzten dennoch mitbekommen und grinste breit, ohne von seinen Holokontrollen aufzublicken.

»Wenn es einen Grund zur Erheiterung gibt, Oberst Melville«, sagte Deringhouse laut, »würde ich ihn gerne erfahren. Ich glaube, wir könnten alle eine kleine Aufmunterung gebrauchen, meinen Sie nicht?«

Der Angesprochene behielt sein Grinsen bei, drehte nun jedoch den Kopf und sah den Kommandanten offen an. »Zweifellos, Sir. Meine Heiterkeit ist allein meinem kindlichen Optimismus geschuldet. Im Übrigen darf ich Ihnen versichern, dass die Mannschaft alles tun wird, damit Ihre Hose dort bleibt, wo sie hingehört.«

Hier und da war verhaltenes Kichern zu hören; dann war der Moment schon wieder vorüber, und die Frauen und Männer in der Zentrale kehrten übergangslos zu ihrer professionellen Gelassenheit zurück.

Perry Rhodan lächelte. Organisation und Leitung an Bord der Schiffe der Terranischen Flotte folgten zwar aus reiner Zweckmäßigkeit militärischen Prinzipien. Das war auf der CREST im Grundsatz nicht anders, obwohl das Ultraschlachtschiff eine Ausnahmestellung innehatte und formell nicht den irdischen Raumstreitkräften zugerechnet wurde. Dennoch war auf dem Dienstschiff des Protektors der allseitige Umgang eher locker – wobei die Beteiligten es trotzdem nie an der Disziplin fehlen ließen, die angesichts der Gefahren der Raumfahrt unabdingbar blieb.

Die kurze Episode hatte die Anspannung in der Zentrale spürbar gemildert – und genau das war wohl das Ziel von Conrad Deringhouse und seinem Ersten Offizier gewesen.

Auf dem Panoramaholo nahm Scortoohk inzwischen das komplette Sichtfeld ein. Die dichte Atmosphäre bestand zur Hauptsache aus Wasserstoff und Helium sowie in geringerem Maße aus Methan, Ammoniak und einer Reihe von Edelgasen. Damit glich sie in Teilen jener Uratmosphäre, wie es sie vor mehr als viereinhalb Milliarden Jahren auch auf der Erde gegeben hatte. Nach freiem Sauerstoff suchten die Scanner vergeblich. Wenn er vorhanden war, würde er mit dem Methan sofort zu Kohlendioxid reagieren. Dem ersten Eindruck nach mutete es völlig unmöglich an, dass eine solche Welt Leben hervorgebracht haben oder auch nur beherbergen sollte.

Die CREST überflog ein weiteres Gebirge. Dahinter lag ein gewaltiger Methansee, eher schon ein Meer. Der flüssige Kohlenwasserstoff, der den Hauptbestandteil des über 200.000 Quadratkilometer großen Areals bildete, war nahezu durchsichtig. Ein Mensch, der an seinem Ufer gestanden hätte, wäre auch ohne technische Hilfsmittel in der Lage gewesen, bis auf den 170 Meter tiefen Grund zu blicken.

Die Optiken des Raumschiffs holten die spiegelglatte Seeoberfläche so nahe heran, dass Rhodan das Gefühl hatte, jeden Moment in die kaum reflektierende Fläche eintauchen zu müssen. Instinktiv hielt er nach Fischen oder anderen Lebewesen Ausschau, die man in einem See zu finden erwartete, doch da war nichts. Nur grauschwarze Felswände und Steine.

»Unser Flugvektor verläuft als orbitaler Korridor über dem stärksten anmessbaren Energieecho«, verkündete Eschkol. »Wir fliegen sozusagen entgegen der Rotation des Planeten und gehen dabei in den Sinkflug.«

»Was ist mit diesem Khuk'Khok?«, wollte Dimina Lesch wissen. Die Waffenchefin der CREST schien sich zu langweilen. Sie hockte vor ihrer Konsole und schob diverse Holoelemente von rechts nach links und wieder zurück.

Auf Anweisung Perry Rhodans durfte sie das beeindruckende Arsenal des Ultraschlachtschiffs nicht mal in Bereitschaft versetzen. Denn trotz der technischen Unterlegenheit der hiesigen Maahks wusste niemand genau, wie gut deren Ortungsgeräte waren. Womöglich würden sie ein Hochfahren der Energieerzeuger als aggressive Handlung werten. Dass die Scortoohks in dieser Hinsicht äußerst empfindlich waren, hatten die ersten Zusammenstöße mit ihnen gezeigt.

»Hat sich nicht mehr gemeldet«, antwortete Major Eschkol. »Überhaupt herrscht verdächtige Ruhe im Äther. Unsere neuen Freunde sind alles andere als gesprächig.«

Rhodan rieb sich die juckende Nase. Seit die Maahks sie zu weiteren Gesprächen auf ihrer Heimatwelt eingeladen hatten, waren knapp drei Stunden vergangen. Wobei: Einladung war eigentlich das falsche Wort. Ein gewisser Khuk'Khok hatte sich knapp als »Kommandant« vorgestellt und in mehr oder weniger bestimmendem Ton angeordnet, die CREST solle an einem bestimmten Ort auf Scortoohk landen und dort auf weitere Anweisungen warten. Nach dem eher zähen Verlauf der bis dahin geführten Verhandlungen hatte das Angebot der Maahks alle überrascht.

Perry schaute zu Tuire Sitareh, der nahezu reglos auf seinem Platz neben dem sichelförmigen Kontrollpult des Protektors saß und das Geschehen scheinbar gleichgültig verfolgte. Für den geheimnisvollen Auloren war direkt bei Rhodans Sessel ein zweites Sitzmöbel installiert worden, und die Zentralebesatzung hatte sich erstaunlich schnell an die Anwesenheit des Fremden gewöhnt.

Als Sitareh den Blick des Menschen auf sich ruhen fühlte, erhob er sich und überbrückte die kurze Distanz zwischen ihnen mit wenigen, geradezu majestätisch anmutenden Schritten. Wie immer folgte ihm sein ebenso unverkennbarer wie exotischer Duft; ein Aroma von Sandelholz, vermischt mit einem kaum wahrnehmbaren Hauch von Leder.

Nicht zum ersten Mal starrte Rhodan sekundenlang auf die nur wenige Zentimeter große Tätowierung, die Sitareh auf der Stirn trug und die einen irdischen Raben mit ausgebreiteten Flügeln zeigte. Obwohl der Aulore erst seit wenigen Tagen an Bord war, rankte sich um seine Person bereits ein ganzes Sammelsurium an Gerüchten. Die zahlreichen Fragen nach seiner Herkunft, seiner Vergangenheit und den seltsamen Umständen seines Auftauchens blieben vorerst unbeantwortet. Offenbar hatte der ungewöhnliche Fremde seine Erinnerungen verloren.

Der Rabe lässt vermuten, dass es eine Verbindung zwischen ihm und uns Menschen gibt, dachte Rhodan.

Zudem war Sitareh zunächst auf der Erde, genauer gesagt in Terrania, der Hauptstadt der Union, aufgetaucht, bevor er wenige Stunden später durch ein ebenfalls noch ungeklärtes Phänomen an Bord einer schwer beschädigten Maahkwalze gelangt war. Dort hatte Perry Rhodan ihn schließlich gefunden.

»Seien Sie unbesorgt«, sagte Sitareh in seiner tiefen, angenehmen Stimme. Das Englische hatte er innerhalb kürzester Zeit erlernt und sprach es längst akzentfrei. »Wir sind nicht in Gefahr.«

»Woher wissen Sie das?«, fragte Deringhouse. Der Kommandant machte keinen Hehl daraus, dass er dem ungewöhnlichen Gast an Bord seines Schiffs nach wie vor ein gewisses Misstrauen entgegenbrachte. Dennoch konnte auch er sich dem intuitiven Charme und der gewinnenden Aura des Mannes nicht gänzlich entziehen. Tuire Sitareh gehörte zu jenen seltenen Personen, die man auf Anhieb sympathisch fand, ohne genau erklären zu können, warum.

»Ich kann es spüren.«

»Tatsächlich?« Deringhouse lächelte spöttisch. »Verzeihen Sie meine Direktheit, Mister Sitareh, aber ich ...«

»Lass es gut sein, Conrad.« Rhodan legte ihm eine Hand auf den Arm. »Wir sind alle nervös, aber im Augenblick müssen wir tun, was uns die Situation gebietet. Dass wir dabei wachsam bleiben, versteht sich von selbst.«

Der Kommandant der CREST schüttelte den Kopf, und für einen Moment sah es so aus, als wolle er noch etwas hinzufügen. Dann zuckte er mit den Schultern und widmete sich demonstrativ den Holos seiner Konsole.

Rhodan ging zu seinem Sessel zurück und winkte dem Auloren, ihm zu folgen. Gemeinsam nahmen sie Platz. »Conrad meint es nicht böse. Er macht sich lediglich Sorgen.«

»Und das ist gut so.« Sitareh strich sich eine Strähne seines langen, kupferfarbenen Haars aus der Stirn. »Ich durfte in den vergangenen Tagen feststellen, dass Sie von einer Reihe bemerkenswerter Menschen umgeben sind, Perry. Mister Deringhouse ist nur einer davon. Er nimmt seine Aufgabe ernst und tut das, was er tut, mit Überzeugung und Hingabe.«

Rhodan nickte und musterte sein Gegenüber nachdenklich. Der Aulore war bei den ersten Gesprächen mit den Maahks überaus hilfreich gewesen. Er besaß nicht nur eine geradezu charismatische Ausstrahlung, sondern auch die natürliche Gabe, sich in andere einzufühlen – selbst wenn diese anderen so exotische Wesen wie die Wasserstoffatmer von Scortoohk waren.

»Sie müssen Ihre Zweifel nicht verbergen, Perry«, fuhr Sitareh nach einer kurzen Pause fort. »Ihr Argwohn beleidigt mich nicht.«

»Zweifel?«, wiederholte Rhodan fragend. »Argwohn?«

»Mir gegenüber. Sie fragen sich, ob Sie mir trauen können. Ob ich Ihnen etwas vorspiele. Ob ich Informationen bewusst zurückhalte, weil ich Sie täuschen will und eigene Ziele verfolge.«

»Und? Sind meine Bedenken berechtigt?«

Der Aulore lächelte, und wie immer konnte Rhodan nicht die geringste Arglist an ihm entdecken. Jede Bewegung, die er machte, jedes Wort, das er sagte, wirkten ehrlich und aufrichtig.

»Ich wünschte, ich könnte Ihre Frage beantworten. Aber das kann ich nicht. Ich kann nur hoffen, dass ich meine Erinnerungen eines Tages vollständig zurückerlange. Bis es so weit ist, bin ich auf Ihre Gastfreundschaft und Ihre Geduld angewiesen.«

Rhodan nickte. Die Hektik der vergangenen Tage hatte verhindert, dass er sich Tuire Sitareh in der gebotenen Ausführlichkeit widmen konnte. Instinktiv spürte er, dass er und der Fremde sich nicht aus reinem Zufall begegnet waren. Das Auftauchen der Maahks in der Nähe des Planeten Jupiter war nur die Randerscheinung einer Ereigniskette, deren Anfang in ferner Vergangenheit lag. Perry ahnte, dass deren Fortsetzung folgenschwere Konsequenzen für die Erde und ihre Bewohner haben mochte.

Nicht zuletzt deshalb hatte Perry Rhodan keine Sekunde gezögert und war mit der CREST aufgebrochen, um den wenigen Hinweisen zu folgen, die man von Marlackskor, dem sterbenden Kommandanten der ASQUOR erhalten hatte. Nun galt es herauszufinden, was im Taktissystem vor sich ging und in welchem Zusammenhang die hiesigen Verhältnisse mit dem Vorstoß der Maahks ins Solsystem standen.

»Atmosphäreneintritt in fünf ... vier ... drei ... zwei ... eins ... jetzt!«, zählte Jason Melville die Sekunden herunter.

Das Panoramaholo zeigte für einen Moment nur schmutzig weiße Schwaden. Erst als die Positronik eingriff, die Ortungsdaten extrapolierte und in optische Entsprechungen übersetzte, lichtete sich das diffuse Grau, und die dreidimensionale Darstellung produzierte weitere Bilder der Planetenoberfläche. An dem grundsätzlichen Anblick änderte sich jedoch nichts.

Scortoohk war eine hässliche Welt – zumindest für menschliche Augen. Überall auf der von Felsnadeln und schrundigen Ebenen geprägten Oberfläche wüteten Orkane. In grünlich schimmernden Wirbeln rissen sie freies Methan in die Höhe, das in den oberen Schichten der Atmosphäre zu faustgroßen Klumpen erstarrte und als Hagel wieder zu Boden fiel.

Auf einem der Nebenholos erblickte Rhodan ein Bergmassiv, dass sich unter den variablen Druckverhältnissen innerhalb weniger Minuten verflüssigte. Methaneis schmolz, bildete Strudel und Strömungen, brachte riesige Felswände zum Einsturz, um kurz darauf wieder stalagmitenartig in die Höhe zu wachsen und gänzlich neue Formationen zu bilden. An anderer Stelle erstreckten sich ausgedehnte Wüsten, über die dicke Flocken aus grauweißem Ammoniakschnee wirbelten und bizarre Muster in den staubfeinem Sand zeichneten.

Nach tierischem oder pflanzlichem Leben suchte das Auge vergeblich. Alles war permanent in Bewegung, wogte und vibrierte, erschien und löste sich wieder auf. Irgendwann mochte der Beobachter zu dem Schluss gelangen, dass Scortoohk eine Welt repräsentierte, die noch im Entstehen begriffen war, die sich einfach nicht entscheiden konnte, welche endgültige Form sie annehmen wollte.

Schließlich tauchten die ersten Gebäude auf. Es waren wuchtige, fensterlose Klötze, die nur deshalb aus dem Chaos hervorstachen, weil sie zu regelmäßig waren, um natürlich entstanden zu sein. Hier und da waren Lichter zu sehen, einsame gelbe und rote Punkte, die sich mühten, eine Orientierung im allgegenwärtigen Nebel zu bieten. Zwischen den Quadern ragten breite Türme auf, keiner höher als hundert Meter. Antennen stachen wie Dornen aus ihren verwitterten Wänden. Im Zentrum eines von flachen Hallen umstandenen Platzes trotzte eine mächtige Kuppel dem tosenden Sturm.

»Ich gebe hiermit offiziell zu Protokoll, dass ich auf Landurlaub verzichte«, rief Jason Melville in das allgemeine Schweigen hinein.

Diesmal kicherte niemand. Zu imposant waren die gestochen scharfen Holobilder, die offenbar selbst Tuire Sitareh in ihren Bann zogen. Der Aulore hatte seine Augen mit ihren violett glänzenden Pupillen starr auf die Darstellungen gerichtet; sein Gesichtsausdruck wirkte abwesend.

»Ich empfange einen Leitstrahl«, sagte Mirin Trelkot, der normalerweise eher wortkarge Pilot der CREST. Auf seiner hohen Stirn glitzerte eine dünne Schweißschicht.

Auf dem Panoramaholo neigte sich das Kugelschiff zur Seite. Die Gebäudeansammlungen verschwanden aus dem Bild und machten einer von Geröll übersäten Ebene Platz. Die Orteranzeigen verrieten, dass die Ansiedlung, die das Ultraschlachtschiff gerade überflogen hatte, in einem riesigen Krater errichtet worden war, der eine Tiefe von bis zu zwei Kilometern aufwies. Auch die Ebene, auf die der terranische Raumer sich nun langsam hinabsenkte, lag innerhalb dieses gewaltigen Areals. Die Walzenschiffe, die sie bis hierhin eskortiert hatten, blieben über der CREST zurück.

Kaum hatten die Landestützen den Boden berührt, geschahen zwei Dinge nahezu gleichzeitig: Auf sämtlichen Holos der Außenbeobachtung erschien urplötzlich ein grünlicher Schimmer – und der Rotalarm heulte durch das Schiff!

Schimon Eschkols Meldung kam nur einen Atemzug später. »Die CREST wurde soeben von einer Art Energieschirm eingehüllt. Die Messwerte weisen ein gänzlich unbekanntes Emissionsspektrum aus. Das ...« Er stockte kurz und justierte seine Holokontrollen. »So etwas ist mir noch nicht untergekommen. Dieses grüne Ding ist ... Verdammt, ich weiß nicht, was es ist!«

»Dann finden Sie es heraus, Major«, gab Conrad Deringhouse hart zurück. »Das gilt auch für alle anderen Stationen. Behalten Sie die Nerven! Wir müssen ...«

Der Kommandant kam nicht mehr dazu, seinen Satz zu beenden. Die Funkanlage aktivierte sich. Akustikfelder übertrugen die empfangene und simultan übersetzte Nachricht direkt in die Zentrale, sodass alle mithören konnten.

»Hier spricht Kommandant Khuk'Khok«, hörten sie die grollende Stimme des ihnen namentlich bereits bekannten Maahks. »Dies ist eine Botschaft für Perry Rhodan. Der über dem Landefeld errichtete Schutzschirm dient Ihrer eigenen Sicherheit. Sie und maximal fünf weitere Oxyds werden hiermit aufgefordert, sich binnen vier Tontas im zentralen Taahk-Dom von Z'Tuuhnk einzufinden. Es wird Ihnen gestattet, ein eigenes Issaav zu benutzen. Halten Sie sich exakt an die im Anschluss übermittelten Kursanweisungen. Abweichungen von der genehmigten Route werden nicht toleriert. Der Gremaahk Futool erwartet Sie. Khuk'Khok, Ende.«

Sekundenlang sagte niemand etwas. Im Hintergrund begann die kurze Ansprache des Maahkkommandanten erneut, allerdings von der Positronik in der Lautstärke deutlich reduziert.

»Und jetzt?«, fragte Jason Melville.

»Wir haben vier Tontas«, antwortete Perry Rhodan. »Eine arkonidische Zeitangabe, die ungefähr sechs irdischen Stunden entspricht. Sämtliche Führungsoffiziere treffen sich in einer halben Stunde im Konferenzraum eins. Bis dahin erwarte ich die ersten Situationsanalysen.«

»Verstanden, Protektor«, bestätigte der Erste Offizier.

»Tuire – Sie kommen mit mir!«

2.

17. März 2049, Eric Leyden

Der Frühstücksraum war weitgehend verlassen – bis auf zwei der ringsum gut dreißig Tische. Am ersten saß ein junges Pärchen, das die Köpfe zusammengesteckt hatte, sich gegenseitig kleine Häppchen in die Münder schob und ab und an albern kicherte.

Am anderen Ende des schlauchartigen Raums hockte ein mürrisch dreinblickender Mann, dessen Uniform ihn als Angehörigen der »Mars Ferries« auswies, einem Privatunternehmen, das den Großteil des zivilen Personen- und Gütertransports zwischen Erde und Mars organisierte. Der Uniformierte nippte lustlos an einer Tasse Kaffee und schien auf jemanden zu warten.

Auf mehreren Holoschirmen liefen Nachrichtenbilder ohne Ton. Im Moment ging es um die ungewöhnlich starken und kürzlich ausgebrochenen Sonnenstürme, die schon seit Tagen Gesprächsthema waren und deren Auswirkungen auch auf dem Mars zu spüren sein würden.

Eric Leyden schob die letzten Reste seines leicht gesalzenen Rühreis auf die Gabel und spießte ein Stück gebratenen Speck und das Viertel einer Tomatenscheibe dazu. In einem gewagten Balanceakt führte er sich den kräftigen Bissen in den Mund und kaute dann langsam und mit geschlossenen Augen.

Die Eier stammten – wie der Rest des Frühstücks – dem Hotelprospekt zufolge aus marseigener Produktion. Nicht nur die Hühner, die sie gelegt hatten, waren auf dem roten Planeten geboren; man hatte sie zudem ausschließlich mit Getreide gefüttert, das auf den Feldern der bereits erschlossenen Terraforming-Gebiete angebaut wurde. Angeblich verlieh ihnen das ein eigenes »Marsaroma«, eine Behauptung, die Eric allerdings nicht bestätigen konnte. Die Eier schmeckten, wie Eier nun einmal zu schmecken hatten.

Wie üblich zelebrierte Leyden sein Frühstück als einstündiges Ritual, bei dem ihn nichts und niemanden stören durfte. Sogar der atemberaubende Anblick, den die aufgehende Sonne hinter der Skyline von Bradbury Central bot, ließ ihn kalt. Zwar war die Szene lediglich eine dreidimensionale Projektion in einem Holofenster, doch die von einer Kamera auf dem Dach des Hotels aufgenommenen Bilder zeigten die tatsächliche Umgebung und waren nicht künstlich bearbeitet.

Das Holographic Man lag am Rand der stetig wachsenden Marsmetropole. Es beherbergte hauptsächlich Geschäftsreisende von der Erde, die Zweigstellen ihrer Firmen im Industriegebiet von »BC« besuchten, wie Bradbury Central gemeinhin genannt wurde. Seit der Terraforming-Prozess stetig voranschritt, siedelten sich immer mehr Unternehmen auf dem roten Planeten an. Noch erinnerte vieles an ein Provisorium, doch es war abzusehen, dass der Mars sein Gesicht in weiteren zehn oder zwanzig Jahren grundlegend verändert haben würde.

Manchmal empfand Leyden das Tempo, mit dem die Menschen ihr Sonnensystem eroberten, als geradezu empörend schnell. Als Wissenschaftler war er ein streng methodisches und vor allem gründliches Arbeiten gewöhnt. Für ein valides Forschungsergebnis musste man alle Eventualitäten in Erwägung ziehen, durfte nichts dem Zufall überlassen. Jede Versuchsanordnung war bis ins Detail zu planen, denn wenn man auch nur eine Kleinigkeit übersah, war im schlimmsten Fall die ganze Arbeit umsonst gewesen.

Aber schon kurz nach dem Ende der arkonidischen Besatzung hatte auf der Erde eine wahre Weltraum-Euphorie eingesetzt. Hunderttausende waren plötzlich von der Idee besessen gewesen, zu den Sternen zu fliegen. Die frisch gegründete Raumakademie in Baikonur hatte sich anfangs vor Bewerbungen kaum retten können.

Die Ernüchterung war freilich auf dem Fuß gefolgt. Den wenigsten war bewusst, dass das Leben und Arbeiten auf einem Raumschiff allem technischen Fortschritt zum Trotz mit erheblichen Gefahren und Entbehrungen verbunden war. Unzählige scheiterten an den immensen Anforderungen der jahrelangen Ausbildung.

Sowohl bei der Terranischen Flotte als auch in der zivilen Raumfahrt herrschte daher ein eklatanter Personalmangel. Und wenn es gar um gänzlich neue Berufe wie Positronikexperten, Hyperphysiker oder Exobiologen ging, waren geeignete Kandidaten seltener als eine Perle in einer Tiefkühlpackung Zuchtaustern.

Man konnte es drehen und wenden, wie man wollte: Die Menschheit war längst nicht bereit für das, was die Medien oft verklärend als »Aufbruch zu den Sternen« bezeichneten. So etwas mochte sich vielleicht gut in einem Science-Fiction-Roman machen; mit der Realität hatte es nichts zu tun.

Eric Leyden trank den letzten Schluck seines Orangensafts, nahm die Serviette vom rechten Oberschenkel und tupfte sich die Mundwinkel trocken. Dann schob er den Stuhl zurück und stand auf.

Die Tatsache, dass es unter den mehr als acht Milliarden Menschen auf der Erde nicht genügend qualifizierte Fachkräfte für die Eroberung des Universums gab, war nicht sein Problem. Er musste sich mit gewichtigeren Fragen beschäftigen. Fragen, von deren Beantwortung – seiner Meinung nach – nicht weniger als die Zukunft der Menschheit abhing!

Das Rätsel der Jupiterimpulse brachte ihn seit Tagen um den Schlaf. Auch in der ersten Nacht seit seiner Rückkehr aus der Pyramidenstation, die sie in der Cydonia-Region entdeckt hatten, war er nicht zur Ruhe gekommen. Wieder und wieder hatte er sich in die Unmengen der dort gewonnenen Bilder und Messdaten vergraben. Doch die Hoffnung, dadurch ihren Geheimnissen auf die Spur zu kommen, hatte sich nicht erfüllt.

Allein, dass man auf dem Mars ein von Außerirdischen errichtetes Bauwerk gefunden hatte, war eine wissenschaftliche Sensation, die Leyden und seine Begleiter bei Bekanntwerden schlagartig zu Berühmtheiten machen würde. Dass man im Innern der sogenannten D&M-Pyramide, die Belle McGraw sofort in Leydens Pyramide umgetauft hatte, auf Symbole und Schriftzeichen gestoßen war, die ägyptischen Hieroglyphen fast aufs Haar glichen, setzte dem Ganzen jedoch die Krone auf.

Wann – und vor allem wie – waren diese Symbole, bei denen es sich fraglos um die Schrift der Außerirdischen handelte, auf die Erde gelangt? Was hatten die Fremden – die nach Erics Überzeugung nur die sogenannten »Ersten« sein konnten – im Sonnensystem gewollt? Wozu hatten sie die Pyramide errichtet? In welchem Zusammenhang stand sie mit jenem ebenfalls pyramidenförmigen Objekt, das er im Vortex von Jupiters Großem Roten Fleck gesehen hatte? Und was hatte es mit dem seltsamen »Marsgesicht« auf sich, jener drei Kilometer langen und eineinhalb Kilometer breiten Felsformation, die an ein menschliches Antlitz erinnerte?

Fest stand vorerst lediglich, dass die Marspyramide und die Pyramide in der Atmosphäre des Riesenplaneten über Funk miteinander kommunizierten. Als bislang stimmigste Theorie galt, dass die Jupiterpyramide Teil eines woher auch immer stammenden Transmitters war und dass dieser gut eine Woche zuvor erst eine havarierte Maahkwalze und kurz darauf fünf weitere Schiffe der Wasserstoffatmer ausgespuckt hatte.