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Als der Astronaut Perry Rhodan im Juni 2036 zum Mond startet, ahnt er nicht, dass sein Flug die Geschicke der Menschheit in neue Bahnen lenken wird. Rhodan stößt auf ein Raumschiff der technisch weit überlegenen Arkoniden. Es gelingt ihm, die Freundschaft der Gestrandeten zu gewinnen - und schließlich die Menschheit in einem einzigen, freiheitlichen Staat zu einen: der Terranischen Union. Perry Rhodan hat das Tor zu den Sternen geöffnet. Doch die neuen Möglichkeiten bergen zusätzliche Gefahren: Als er erfährt, dass die Position der Erde im Epetran-Archiv auf Arkon gespeichert ist, bricht er unverzüglich auf. Er muss die Koordinaten löschen, bevor sie in die falschen Hände geraten und die Macht des Großen Imperiums die Erde zerschmettert. Es gelingt ihm. Doch auf der Flucht verschlägt es Rhodan auf die Elysische Welt, wo er nur mit Mühe den Kämpfen auf dem geheimnisvollen Planeten entrinnen kann. Und als Rhodan in das Arkonsystem zurückkehrt, gerät er zwischen die Fronten ...
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Seitenzahl: 222
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Band 74
Zwischen den Welten
von Rüdiger Schäfer
Als der Astronaut Perry Rhodan im Juni 2036 zum Mond startet, ahnt er nicht, dass sein Flug die Geschicke der Menschheit in neue Bahnen lenken wird.
Rhodan stößt auf ein Raumschiff der technisch weit überlegenen Arkoniden. Es gelingt ihm, die Freundschaft der Gestrandeten zu gewinnen – und schließlich die Menschheit in einem einzigen, freiheitlichen Staat zu einen: der Terranischen Union.
Perry Rhodan hat das Tor zu den Sternen geöffnet. Doch die neuen Möglichkeiten bergen zusätzliche Gefahren: Als er erfährt, dass die Position der Erde im Epetran-Archiv auf Arkon gespeichert ist, bricht er unverzüglich auf. Er muss die Koordinaten löschen, bevor sie in die falschen Hände geraten und die Macht des Großen Imperiums die Erde zerschmettert.
Es gelingt ihm. Doch auf der Flucht verschlägt es Rhodan auf die Elysische Welt, wo er nur mit Mühe den Kämpfen auf dem geheimnisvollen Planeten entrinnen kann. Und als Rhodan in das Arkonsystem zurückkehrt, gerät er zwischen die Fronten ...
Arkon III stand in Flammen.
Glühende Lanzen aus Gelb und Orange schienen direkt aus dem glutflüssigen Kern der Kriegswelt hervorzubrechen und durch die Atmosphäre hinaus in den Weltraum zu schießen. Ihr düsteres Feuer erfasste die wie ein Spiegel wirkende dünne Schicht aus Wassertröpfchen in der Lufthülle und setzte den Himmel in Brand. Das Bild, das sich den Beobachtern im Orbit bot, war atemberaubend und beängstigend zugleich. Schlichte Gemüter konnten es durchaus als böses Omen für die Zukunft deuten.
Atlan stand vor dem Panoramaholo in der Zentrale der SER'TAGON und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Sein Gesicht war ausdruckslos, sein Atem ging ruhig und gleichmäßig, doch in seinem Kopf jagten sich die Gedanken.
Während sich die Sonne langsam über den sanft gewölbten Horizont schob und sich das spektakuläre Farbenspiel über Arkon III nach und nach abschwächte und in ein gleichmäßiges Gelb überging, versuchte er sich darüber klar zu werden, was als Nächstes zu tun war.
Eines ließ sich nicht länger leugnen: Die Rebellion war an einem Wendepunkt angelangt. Seit beinahe zwei Tagen schien die Zeit stillzustehen. Seit der Regent an Bord des blauen Walzenschiffs gegangen und zur Elysischen Welt aufgebrochen war, hatte sich eine lähmende Spannung ausgebreitet, die alles und jeden im Arkonsystem erfasste. Das Universum hielt quasi den Atem an.
Allerdings quälte Atlan die unangenehme Ahnung, dass sich diese Situation sehr schnell ändern konnte. Er war noch nie ein Mann des tatenlosen Abwartens gewesen. Stillstand machte ihn nervös. Und so wuchs seine innere Unruhe mit jeder weiteren Minute, die verstrich.
Vieles hing davon ab, ob der Regent innerhalb der nächsten knapp 28 Stunden zurückkehren würde. Wenn das geschah, war der Sturz des Herrschers gescheitert. Auch wenn Atlan lange Jahrtausende fern der Heimat auf der Erde verbracht hatte, machte er sich keine Illusionen: Als geweihter und damit unstreitig legitimierter neuer Imperator des arkonidischen Sternenreichs würde es dem Regenten ein Leichtes sein, den Großteil der bislang noch unentschlossenen Arkoniden auf seine Seite zu ziehen.
28 Stunden. Die Zeitspanne, in der sich Arkon I, die Zentralwelt des Großen Imperiums, einmal um ihre Längsachse drehte. Unter den gegebenen Umständen eine halbe Ewigkeit.
Das Erscheinen des Walzenraumers im Innenhof des Kristallpalasts war von mehreren Kameras aufgezeichnet worden. Die entsprechenden Bilder konnte man noch immer auf sämtlichen Nachrichtenkanälen sehen und aus den öffentlichen Datenbanken abrufen. Der Regent war im Innern der Walze verschwunden; kurz darauf war das Schiff gestartet und hatte Kurs auf Arkon, auf die Elysische Welt genommen. Insofern bestand für niemanden ein Zweifel daran, dass der designierte Imperator den geheimnisvollen Planeten tatsächlich erreicht hatte.
Atlans Hoffnung verband sich mit einem Ereignis, das die offiziellen Aufnahmen nicht zeigten. Pertia ter Galen, die imperiale Mascantin und Oberbefehlshaberin der arkonidischen Flotte, hatte ihnen das komplette Holomaterial zur Verfügung gestellt – inklusive jener Passagen, die der Allgemeinheit vorenthalten wurden. Darauf war deutlich zu erkennen, dass neben dem Regenten eine zweite Person die blaue Walze betreten hatte: Perry Rhodan!
Im Stillen bewunderte der Arkonide den Mann für seine Kühnheit. Rhodan hatte nicht die geringste Ahnung, was ihn auf der Elysischen Welt erwartete. Trotzdem hatte er keinen Augenblick gezögert, als sich ihm die Chance bot. Manch einer mochte darin Leichtsinn oder gar Übermut erkennen; Atlan dagegen hätte wahrscheinlich nicht anders gehandelt. Ein altes arkonidisches Sprichwort besagte, dass man die Pforte zum Kristallsaal durchschreiten musste, solange sie offen stand. Nach diesem Prinzip hatte er schon immer gelebt. Gelegenheiten bekam man nicht geschenkt; man musste sie sich nehmen.
Atlan wandte den Kopf und musterte die Doppelreihe der Kontrollpulte in der Zentrale der SER'TAGON. Die diensthabenden Naats erweckten den Anschein, als wären sie ganz auf ihre Arbeit konzentriert. Sie ignorierten ihn, doch der Arkonide wusste, dass dieser Eindruck täuschte. Ungeachtet der Tatsache, dass er ein Verbündeter war, sahen die meisten der oft schwerfällig und duldsam wirkenden Riesen in ihm nur einen Angehörigen jenes Volkes, das sie seit Jahrtausenden unterdrückt und als bessere Sklaven gehalten hatte.
Deine Rebellion stand von Beginn an auf einem äußerst morschen Fundament, flüsterte der Extrasinn in seinem Kopf. Die widrigen Umstände im Nachhinein zu bejammern, ist eines ehemaligen Admirals der arkonidischen Flotte nicht würdig.
Was weißt du schon von Würde?, dachte der Arkonide. Und was meinst du mit meiner Rebellion? Wenn der Aufstand scheitert, wird es ein Blutbad geben, wie es das Imperium seit Langem nicht mehr gesehen hat. Der Regent wird ...
Dieses Risiko war dir bewusst, unterbrach ihn der Logiksektor. Du hast es in Kauf genommen, weil es keine Alternativen gab.
Das mag sein, gab Atlan zu. Aber deshalb stehe ich den Konsequenzen meines Handelns noch lange nicht gleichgültig gegenüber. Ich trage für das, was geschieht, einen Teil der Verantwortung. Die Naats vertrauen mir.
Glaubst du das wirklich? Der Extrasinn klang nun unverhohlen spöttisch. Vertrauen zwischen Naats und Arkoniden wird es bestenfalls wieder in ein paar Hundert Jahren geben. Deine neuen Freunde sind dir nur zu gerne auf den Leim gegangen. Sie träumen von Autonomie, einem Leben frei vom Joch der Unterdrückung durch das Imperium. Und du hast ihnen den Strohhalm gereicht, an den sie sich klammern können.
Atlan verzichtete auf eine Entgegnung. Streitgespräche wie dieses hatte er schon oft geführt. Sie endeten stets damit, dass ihn der Logiksektor zum sentimentalen Narren erklärte und er das Produkt der Ark Summia einen seelenlosen Roboter schimpfte.
Das sich öffnende Hauptschott lenkte ihn vorübergehend von weiteren Grübeleien ab. Der Naat, der die Zentrale der SER'TAGON betrat, trug eine schmucklose graue Uniform ohne jede Rangabzeichen. Er drehte langsam den haarlosen Kugelschädel, entdeckte den Arkoniden und kam in jenem typisch schaukelnden Gang auf ihn zu, den alle Vertreter seiner Art an den Tag legten. Nur wenig mehr als einen Meter blieb er vor Atlan stehen.
»Sie bekommen Besuch«, sagte Iskaat. Er verzichtete bewusst auf eine Grußformel. Atlan hatte den Ersten Offizier der SER'TAGON, einen über drei Meter großen Hünen mit breiten Schultern und mächtigen Säulenbeinen, erst vor Kurzem kennengelernt. Der junge Naat war zwar ein fähiger Stratege und ausgezeichneter Soldat, pflegte allerdings auch einen beinahe schon krankhaften Hass auf alle Arkoniden. Mit seinem rüden Auftreten und dem bewussten Unterschreiten des respektvollen Abstands zu einem zumindest vorübergehend Ranghöheren brachte er das eindrucksvoll zum Ausdruck.
An Bord eines von Arkoniden kommandierten Flottenraumers wäre Iskaat für seine Respektlosigkeit auf der Stelle hingerichtet worden; auf der SER'TAGON dagegen setzte er mit seinem Verhalten ein Zeichen. Einige Mitglieder der Zentralebesatzung warfen ihm bewundernde Blicke zu.
Atlan legte den Kopf in den Nacken und setzte ein freundliches Lächeln auf. Auf imperialen Schlachtschiffen zwang man die Naats von jeher, auf allen vieren zu laufen, da es einem Arkoniden von Rang und Stand nicht zuzumuten war, zu einem Untergebenen aufzuschauen. In gewisser Weise konnte er den Zorn des jungen Mannes sogar nachvollziehen.
»Verraten Sie mir auch, wer mein Besucher ist?«, fragte er ruhig.
Iskaat wirkte für einen Moment verwirrt; womöglich hatte er einen Wutausbruch des Arkoniden erwartet. Er fing sich jedoch schnell wieder, trat einen Schritt zurück und richtete den Blick seiner drei Augen auf sein Gegenüber. »Novaal.« Er stieß den Namen hervor, als wäre er ein Schimpfwort. »Er ist mit einer Fähre direkt aus Naatral gekommen. In der Hauptstadt hat es Unruhen gegeben.«
»Unruhen? Warum weiß ich davon nichts?«
Iskaat verzog den ovalen Mund mit den ungewöhnlich dünnen Lippen zu einem verächtlichen Grinsen. »Vermutlich weil Novaal Ihnen darüber noch nicht Bericht erstattet hat«, sagte er. »Ich bin zwar nur ein unwürdiger Diener und nicht mit der grenzenlosen Weisheit Ihres Volkes gesegnet, aber ich vermute, dass er kommt, um das nachzuholen.«
»Das hätte er auch über Funk tun können.« Atlan ignorierte den beißenden Spott des Offiziers. Auf dem großen Panoramaholo leuchtete die Oberfläche der Kriegswelt inzwischen in hellen Brauntönen. Durch die Lücken in den riesigen Nebelfeldern waren die Strukturen der Fabriken und Werftanlagen zu erkennen. Die Dunstgebiete wurden durch die überall installierten Luftbefeuchter erzeugt. Eine natürliche Wolkenbildung gab es auf dem nahezu vollständig industrialisierten Planeten schon lange nicht mehr.
In der Ferne blitzte es hier und da auf, wenn die Strahlen der Sonne auf eine der zahlreichen Orbitalstationen trafen. Der Arkonide hatte angeordnet, sich nach Möglichkeit von ihnen fernzuhalten. In der aktuellen Situation konnte jede Provokation – ob echt oder eingebildet – der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen brachte.
»Novaal soll direkt hierherkommen«, wies Atlan den Ersten Offizier an. »Verständigen Sie außerdem Thoreen. Ich möchte, dass er bei dem Gespräch ebenfalls dabei ist.«
Iskaats Grinsen war verschwunden. Lange Sekunden starrte er den Arkoniden einfach nur an.
Atlan wich dem Blick nicht aus. Schließlich nickte er dem Naat zu. »Das wäre im Moment alles«, sagte er bewusst so laut, dass es jeder im Raum hörte.
Wortlos verließ der Erste Offizier der SER'TAGON die Zentrale.
»Die Lage als kritisch zu bezeichnen, wäre maßlos untertrieben.« Novaals Hände spielten unentwegt mit der Schnalle des breiten Gürtels, an dem rechts und links jeweils eine klobige Strahlwaffe baumelte. »Meine Männer haben mehr und mehr Mühe, eine Eskalation zu verhindern. Wir haben die Arkoniden so weit wie möglich isoliert und an halbwegs sicheren Orten zusammengezogen, aber insbesondere in Naatral treiben sich noch immer eine Menge Streuner herum. Ich habe nicht genug Soldaten, um das gesamte Stadtgebiet zu kontrollieren. Es ist bereits zu gewaltsamen Übergriffen gekommen. Früher oder später wird sich der Zorn meiner Landsleute entladen – und dann sind auch die bewachten Lager nicht mehr sicher.«
Atlan atmete tief durch die Nase ein und drückte die Schultern leicht nach hinten. Er hielt die auf diese Weise aufgebaute Körperspannung für mehrere Sekunden aufrecht und ließ die Luft schließlich langsam durch den Mund wieder ausströmen. Die uralte Dagorübung sollte die innere Ruhe und Konzentration fördern, doch der Arkonide bemerkte keinen spürbaren Erfolg.
»Würde es helfen, wenn wir Verstärkung von den Schiffen abziehen?«
»Bestenfalls vorübergehend.« Novaal machte einen übermüdeten, abgekämpften Eindruck. »Militärische Präsenz, selbst wenn es sich bei den Soldaten um Naats handelt, kann die Entwicklung nur verzögern. Und um ehrlich zu sein, würde ich nur sehr ungern auf meine eigenen Leute schießen.«
»Dazu wird es nicht kommen«, stieß Atlan entschlossen hervor.
»Ach ja?«, meldete sich Thoreen, der Kommandant der SER'TAGON, zu Wort. »Woher wollen Sie das wissen?« Der Naat war noch einmal ein gutes Stück größer als sein Erster Offizier. In seinem stark vernarbten Gesicht fehlte das mittlere Auge. An seiner Stelle gähnte lediglich eine dunkle leere Höhle.
»Ich weiß es nicht«, gab der Arkonide zu. »Allerdings baue ich auf die Klugheit und die Weitsicht der Naats. Wenn Gefangene ernsthaft zu Schaden kommen, würde das die Aussicht auf eine friedliche Beilegung des Konflikts erheblich erschweren.«
»Klugheit und Weitsicht?« Novaal lachte humorlos. »Das sind nicht unbedingt die Stärken von Sklaven, die gerade ihre Ketten gesprengt haben. Mir ist klar, dass Rache nicht die Lösung unserer Probleme ist, aber ich kann jene verstehen, die sie einfordern.«
»Dann reden Sie mit Ihren Leuten!«, verlangte Atlan. »Machen Sie ihnen klar, um was es geht. Erklären Sie ihnen, was wir erreichen können und dass sie eine historische Chance verspielen, wenn sie die Kontrolle verlieren.«
»Das ist alles andere als einfach.«
»Wenn es einfach wäre, säßen wir jetzt im Thronsaal des Kristallpalasts und würden auf unseren Sieg anstoßen. Machen Sie sich bewusst, dass wir einen übermächtigen Gegner vor uns haben. Selbst wenn wir die Lage im Arkonsystem zum Guten wenden, ist das Imperium noch lange nicht geschlagen. Der Adel wird womöglich eine Weile stillhalten, weil ihm selbst an der Absetzung des Regenten gelegen ist, aber begehen Sie nicht den Fehler, anzunehmen, dass sich die in Jahrtausenden gewachsenen Strukturen eines riesigen Sternenreichs in ein paar Tagen aufbrechen lassen. Unser Kampf hat gerade erst begonnen!«
»Das ist mir bewusst«, entgegnete Novaal. »Und genau deshalb bin ich persönlich gekommen. Ich denke, wir müssen unsere Entschlossenheit auch nach außen demonstrieren.«
»Das heißt?«, erkundigte sich Atlan ahnungsvoll.
»Angriff!«, sagte der Naat und machte einen Schritt auf den Arkoniden zu. »Wir konzentrieren unsere Streitkräfte auf Arkon I und zerstören den Kristallpalast. Wir legen das wichtigste Symbol imperialer Macht in Schutt und Asche. Mit der Konverterkanone der TIA'IR und den verfügbaren Kampfschiffen sollte das ein Leichtes sein. Ein derart bedeutendes Signal kann niemand mehr ignorieren.«
Für endlose Sekunden herrschte eine geradezu geisterhafte Stille. Selbst die Naats, die an den Kontroll- und Steuerpulten arbeiteten und dem Streitgespräch aufmerksam lauschten, hatten sämtliche Tätigkeiten eingestellt. Atlan hatte die Besprechung absichtlich in die Zentrale der SER'TAGON verlegt, um zu demonstrieren, dass er keine Geheimnisse vor seinen Freunden und Verbündeten hatte. Nun bereute er diesen Entschluss.
»Sind Sie wahnsinnig?«, fuhr er Novaal ungewollt heftig an. »Abgesehen davon, dass sich im Gos'Khasurn zu jedem Zeitpunkt Zehntausende unschuldiger Zivilisten aufhalten, würde sich ein Angriff auch auf die umliegenden Gebäude des Regierungszentrums auswirken. Wollen Sie tatsächlich ein Massaker anrichten?«
»Mein Volk bezahlt seit Generationen den Preis für die Arroganz und die Machtphantasien des Imperiums«, gab Novaal zurück. Seine Stimme bebte vor unterdrückter Wut. »Die Schlachtfelder der Vergangenheit sind getränkt mit dem Blut meiner Vorfahren. Die Paläste und Adelssitze auf ungezählten Planeten wurden auf den Gebeinen meiner Ahnen erbaut. Möglicherweise ist es an der Zeit, dass die Arkoniden endlich die Rechnung für ihre Großtaten begleichen.«
Atlan musste sich nicht umsehen, um zu wissen, dass die überwiegende Mehrheit der Naats, die in der Zentrale ihren Dienst versahen, auf der Seite Novaals stand. Die allgemeine Zustimmung war beinahe körperlich zu spüren.
Für einen Moment wünschte er sich Ihin da Achran an seine Seite. Die arkonidische Rudergängerin hätte ihn fraglos unterstützt, doch sie inspizierte derzeit die Schiffe ihres Trosses, der in eine Umlaufbahn um Bhedan gegangen war, um das Kontrollzentrum Ker'Mekal gegen mögliche Überfälle zu schützen.
Wenn die Rebellen den Kristallpalast zerstören, flüsterte der Extrasinn, ist alles vorbei. Das Imperium wird die Naats restlos auslöschen, selbst wenn es dabei hohe Verluste hinnehmen müsste.
Das ist mir klar, dachte Atlan. Wenn du nichts Klügeres beizutragen hast, dann halt den Mund.
»Unrecht hebt einander niemals auf, Novaal«, sagte er laut. »Und am Ende ist der der Stärkere, der Unrecht erleidet, nicht der, der Unrecht tut.«
»Das sind schöne Worte, Arkonide«, erwiderte der Naat. »Aber sie machen meine Brüder nicht mehr lebendig, die Ihr geliebtes Imperium auf dem Gewissen hat. Gehorsam ist kein Zeichen von Stärke. Demut ist kein Attribut der Macht. Wenn der Regent zurückkehrt, ist unsere Mission gescheitert. Und zumindest ich gehe lieber kämpfend in den Tod, als mich noch einmal einem Herrscher zu unterwerfen, für den das Leben eines Sklaven nichts zählt.«
Atlan nickte bedächtig. »Sie sind wütend, Novaal«, sagte er dann. »Und die erzwungene Untätigkeit der letzten beiden Tage hat diese Wut beständig gesteigert. Sie mögen es mir vielleicht nicht glauben, aber ich kann Ihren Zorn verstehen.«
Der Naat wollte sich dazu äußern, doch Atlan hob beschwichtigend die Hand. »Bitte hören Sie mir einen Moment zu. Zorn ist der denkbar schlechteste Ratgeber. Ich spreche aus eigener Erfahrung. Ich habe in meinem Leben ein paar Fehler begangen, die ich aufrichtig bedauere – und sehr oft war es die Unfähigkeit, meine Gefühle im Zaum zu halten, die zu diesen Fehlern führte.
Sie wollen losschlagen. Das würde ich auch gern. Wenn Pertia ter Galen weiterhin Wort hält – und daran zweifle ich nicht –, gehört Arkon III uns. Wir kontrollieren Naat und Bhedan inklusive aller Monde und Orbitalanlagen. Damit sind die militärischen Zentren und vor allem das Kontrollzentrum Ker'Mekal praktisch komplett in unserer Hand. Ein Schlag gegen die Kristallwelt und den Palast würde fraglos gelingen. Und ich stimme Ihnen zu, wenn Sie sagen, dass wir damit ein Zeichen setzen würden. Allerdings ein fatales!«
»Sie wollen, dass ich Ihnen zuhöre«, sagte Novaal, als der Arkonide nicht weitersprach. »Das tue ich. Bisher haben Sie jedoch nichts vorgebracht, was mich überzeugt hätte.«
»Dann werde ich ganz offen zu Ihnen sein.« Atlan ließ sich nicht beeindrucken. Der ruhige Ton seiner Stimme veränderte sich nicht, als er weiterredete. »Wenn Sie Ihre momentane Position der Stärke dazu nutzen, das wichtigste Symbol des Großen Imperiums zu zerstören, wird Ihr Volk untergehen! Arkon wird die Naats auslöschen! Kompromisslos und bis zum letzten Individuum!«
»Sind Sie sich da so sicher?«, wollte Thoreen wissen. Die Narben auf seiner Haut schienen in der gedimmten Beleuchtung der Zentrale ein geisterhaftes Eigenleben zu entwickeln. Es sah aus, als würde ein Dutzend langer roter Würmer über sein Gesicht kriechen.
»Ja, das bin ich. Sie wissen so gut wie ich, dass es in der langen Geschichte des Imperiums mehr als einen Aufstand gegeben hat. Jeder einzelne wurde niedergeschlagen – oft genug mithilfe der Naats. Wir stehen vor einer gigantischen Festung und haben ein winziges Loch in ihre Außenmauer geschlagen. Es ist eine Festung, die sich nicht erstürmen lässt; zumindest nicht mit den bescheidenen Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen. Wenn wir es jedoch geschickt anstellen, wird man uns den Schlüssel zum Haupttor freiwillig überlassen.«
»Wenn der Regent zurückkehrt ...«, setzte Novaal an, wurde jedoch von Atlan unterbrochen.
»Lassen Sie uns nicht nur an das Schlimmste denken, mein Freund. Der kluge Feldherr erkennt alle Pfade, die zwischen Sieg und Tod verlaufen.«
»Sie verstehen es, mit Worten umzugehen«, stieß Novaal mit widerwilliger Anerkennung hervor.
»Mit Worten lässt sich viel erreichen. Manchmal öffnen sie uns die Augen, manchmal sogar die Herzen. Wir haben diese Rebellion gemeinsam begonnen, Novaal. Lassen Sie sie uns nun auch gemeinsam zu Ende bringen! Ich ...«
Während die Leka den Energieschirm der Elysischen Welt passierte, wurde sie gehörig durchgeschüttelt. Der unangenehm laute Pfeifton erfüllte die winzige Kuppel bis in den letzten Winkel. Perry Rhodan verzog das Gesicht und berührte eines der Sensorfelder auf seiner Steuerkonsole. Sofort ebbte der Alarm zu einem leisen, aber dennoch weiterhin unüberhörbaren Zirpen ab.
Die Instrumente und Anzeigen des diskusförmigen Kleinraumschiffs präsentierten sich klar und übersichtlich. Auch wenn die Technik der Leka-Disk mehr als 6000 Jahre alt war, so hatte sich während dieser Zeit an den Prinzipien des Raumflugs nichts geändert. Die Funktionen der holografischen Steuerelemente hatten sich ihm intuitiv erschlossen. Außerdem war er schon während der Astronautenausbildung dafür berüchtigt gewesen, jedes beliebige Fluggerät in die Luft und in den meisten Fällen auch wieder heil auf den Boden zu bringen.
Das zentrale Holo füllte sich rasend schnell mit immer mehr farbigen Echos. Zwischen den Welten des Arkonsystems bewegte sich offenbar eine Vielzahl von Objekten, und im ersten Moment befürchtete Rhodan das Schlimmste. War die Situation in den zwei Tagen seiner Abwesenheit eskaliert? War es zwischen den Rebellen und den regententreuen Truppen zum Gefecht gekommen? Waren das da draußen die Trümmer und Überreste einer gewaltigen Schlacht?
Dann trafen die aufbereiteten Daten der Ortungsanalyse ein. Bei den Signalen handelte es sich ausnahmslos um intakte Raumschiffe, und auch wenn deren schiere Anzahl ungewöhnlich hoch war, gab es keinerlei Anzeichen für Kampfhandlungen.
Rhodan nahm eine Reihe von Einstellungen vor und konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf die unmittelbare Umgebung. Er zog die Disk in eine weite Parabel und hielt auf einen imaginären Punkt im interplanetaren Raum zu. Die Positronik projizierte ein zusätzliches Holo direkt über die Konsole. Als darauf die gewünschten Bilder erschienen, atmete Rhodan geräuschvoll aus.
Fast gleichzeitig mit seiner Leka hatte ein weiteres Fahrzeug den Schutzschirm durchstoßen. Rhodan erkannte die blaue Walze, deren Start er kurz zuvor beobachtet hatte. Damit stand fest, dass es auch dem Regenten gelungen war, die Elysische Welt zu verlassen.
Ich muss Atlan informieren, schoss es ihm durch den Kopf. Wenn der Regent sich zum Imperator ausruft, werden sich die Kräfteverhältnisse massiv verschieben. Dann könnte der Aufstand beendet sein, bevor er richtig begonnen hat.
Mit dem erneuten Pfeifen des Ortungsalarms erlosch das Holo vor ihm. Drei Raumer in geringer Entfernung hatten ihre bislang stationäre Position aufgegeben und näherten sich der Disk. Dabei bewegten sich die beiden äußeren Einheiten gleichzeitig seitwärts und vergrößerten so beständig den Abstand zueinander.
Das klassische Schleppnetz-Manöver, dachte Rhodan. Wahrscheinlich werden sie mich jeden Moment anfunken und zum Beidrehen auffordern.
Er hatte den Gedanken kaum zu Ende gedacht, da drang auch schon eine herrisch klingende Stimme aus den Akustikfeldern. »Hier spricht Selim da Hostrak, Zweiter Tharg'athor des Wachgeschwaders Systemsicherheit Innenring. Identifizieren Sie sich unverzüglich! Sie befinden sich in militärischem Sperrgebiet. Sie haben zehn Sekunden, bevor wir das Feuer eröffnen!«
Rhodan benötigte nicht einmal die Hälfte der Zeit, um seine Chancen abzuschätzen. Eine Kapitulation kam nicht infrage. Atlan und die Rebellen mussten sofort erfahren, dass der Regent zurückgekehrt war. Mit hoher Wahrscheinlichkeit würde dessen Weg nach Arkon I führen. Dort standen ihm alle Mittel zur Verfügung, um gegen die Aufständischen vorzugehen. Ohne Zögern aktivierte Rhodan die Sprechverbindung.
»Was glauben Sie wohl, wer ich bin?«, sagte er und bemühte sich darum, möglichst herablassend zu klingen. »Als Kommandeur des Wachgeschwaders ist Ihnen fraglos nicht entgangen, dass ich soeben die Elysische Welt verlassen habe. Selbst einem Zweiten Tharg'athor sollte die Bedeutung dieses Vorgangs klar sein.«
»Wollen Sie behaupten, dass Sie der Regent sind? Oder vielleicht sogar der neue Imperator?« Selim da Hostrak ließ nicht im Mindesten erkennen, dass ihn Rhodans Worte beeindruckt hatten. Im Gegenteil. Er klang eher belustigt.
»Und wenn es so wäre?«
»Dann würde ich Ihnen verraten, dass der Regent vor wenigen Minuten den nur ihm bekannten Impulskode gesendet hat, der ihn gegenüber allen Flotteneinheiten als Überrang-Bevollmächtigten ausweist. Im Übrigen sind Ihre zehn Sekunden abgelaufen.«
Die Leka-Disk wurde von einem harten Schlag getroffen. Augenblicklich war die Kuppel von einer Kakophonie aus Warntönen erfüllt.
Einen Versuch war es wert, dachte Rhodan und beschleunigte. Der erste Schuss eines der Wachschiffe hatte bereits genügt, um den schwachen Schutzschirm des Diskusraumers zum Zusammenbruch zu bringen. Zudem verfügte das gerade einmal zwanzig Meter breite und fünf Meter hohe Fahrzeug über keinerlei Bewaffnung. Es war für den interplanetaren Verbindungs- und Fährverkehr ausgelegt. Von Atlan wusste er, dass es Ausführungen gab, die unter anderem zur Luftunterstützung bei Planeteneinsätzen verwendet wurden und mit modernster Arkonidentechnik vollgestopft waren, doch davon konnte bei seinem sechs Jahrtausende alten Modell keine Rede sein.
Das Tosen der Impulstriebwerke übertrug sich auf den Rumpf der Disk und brachte ihn zum Schwingen. Natürlich war Rhodan bewusst, dass er gegen die schnellen und wendigen Einheiten da Hostraks keine Chance hatte, doch er hoffte auf zwei Dinge: darauf, dass ihn seine Verfolger nicht umbringen, sondern lediglich einfangen wollten, und darauf, dass Atlan und seine Leute früher oder später auf ihn aufmerksam wurden und eingriffen. Was den zweiten Punkt anging, würde er es seinen potenziellen Helfern etwas einfacher machen. Mit einem Tastendruck aktivierte er den Hyperfunk.
»Hier spricht Sirran Taleh«, sagte er und benutzte ganz bewusst seinen alten Tarnnamen als Schatzjäger. Selim da Hostrak konnte damit nichts anfangen, aber Atlan würde sofort verstehen. »Ich befinde mich an Bord einer Leka-Disk auf Kurs ...«, er las die Werte auf dem entsprechenden Holo ab, »... und werde von arkonidischen Wacheinheiten verfolgt. Erbitte dringend Unterstützung.«
Ihm war klar, dass er damit ein immenses Risiko einging – und vor allem Atlan in Bedrängnis bringen konnte. Rhodan wusste nicht, wie sich die Lage in den letzten zwei Tagen entwickelt hatte. Womöglich war das Arkonsystem zu einem Pulverfass geworden und er schickte sich gerade an, den Funken zu liefern, der es zur Explosion brachte.
Andererseits mussten sich mit der Rückkehr des Regenten die Fronten ohnehin klären. Der neue Imperator, davon war Rhodan fest überzeugt, würde mit allen Mitteln und größtmöglicher Härte gegen die Rebellen vorgehen. Die schnelle Niederschlagung des Aufstands würde auch die letzten Zweifler davon überzeugen, dass der Führungsanspruch des Regenten legitim war.
»Das ist Ihre letzte Chance«, drang erneut Selim da Hostraks Stimme an sein Ohr. »Bremsen Sie sofort ab und folgen Sie uns. Wir bringen Sie zum Verhör nach Arkon I. Ich garantiere Ihnen körperliche Unversehrtheit und eine faire Behandlung.«
Als ob du das könntest, dachte Rhodan. Wenn der Regent die Zügel endgültig in der Hand hält, wird er die letzten Rücksichten fallen lassen.
Die Leka-Disk beschleunigte nach wie vor, doch die Werte, die sie dabei erreichte, waren geradezu lächerlich gering. Rhodan musste trotz der angespannten Lage lächeln, als er daran dachte, wie schnell sich Maßstäbe verschieben konnten. Vor kaum mehr als zwei Jahren hatte er die Schubkraft einer irdischen NOVA-Trägerrakete noch für das Nonplusultra der Technik gehalten. Nun hockte er in einem uralten arkonidischen Raumschiff, das jeder irdischen Konstruktion um Lichtjahre überlegen war, und haderte mit Leistungsdaten, die weit über allem lagen, was Menschen jemals zustande gebracht hatten.
»Wenn Sie nicht auf der Stelle kooperieren, werde ich sie wrack schießen lassen!« Selim da Hostrak schien die Geduld zu verlieren. »Sind Sie wirklich so dumm und glauben, dass Sie mir entkommen können? Nehmen Sie endlich Vernunft an!«
Rhodan packte die Kontrollhebel, die rechts und links aus zwei Aussparungen innerhalb der Konsole herausglitten, und übernahm so die Disk in Direktsteuerung. Die Oberfläche der Hebel war kühl und glatt, dennoch rutschten seine Hände nicht ab. Ein wenig fühlte er sich an die Sidesticks von Strahlflugzeugen auf der Erde erinnert.
Das eigentlich Schwierige war der Instrumentenflug. Die Disk vermittelte ihm keinerlei Feedback über die Auswirkungen seiner Aktionen. Die Andruckabsorber sorgten dafür, dass sämtliche Gravitationskräfte, die während der Flugmanöver auftraten, neutralisiert wurden. Er musste sich also auf die Anzeigen und Darstellungen der Holos verlassen.
Rhodan zwang die Leka-Disk in eine enge Schleife. Die Meiler im Bauch des kleinen Schiffes rumorten lautstark. Der Raumer war für Manöver und Belastungen dieser Art nicht vorgesehen.
Kurz bevor Rhodan den Scheitelpunkt der Kurve erreichte, gab er Gegenschub und zog den Diskus relativ zu seiner bisherigen Flugebene nach oben. Das schien die Andruckabsorber für eine Sekunde zu überfordern. Ein Teil der G-Kräfte kam durch, und der mörderische Druck auf der Brust presste ihm sämtliche Luft aus den Lungen.
Auf dem Zentraleholo tauchte einer der Verfolger auf. Rhodan korrigierte geringfügig den Kurs und hielt direkt auf das Wachschiff zu. Es war deutlich größer als die Leka-Disk.