Perry Rhodan Neo 94: Schergen der Allianz - Rüdiger Schäfer - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan Neo 94: Schergen der Allianz E-Book und Hörbuch

Rüdiger Schäfer

3,8

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Beschreibung

Im Juni 2036 stößt der Astronaut Perry Rhodan auf dem Mond auf ein havariertes Raumschiff der Arkoniden. Damit verändert er die Weltgeschichte. Die Terranische Union wird gegründet, sie beendet die Spaltung in Nationen. Ferne Welten rücken in greifbare Nähe. Eine Ära des Friedens und Wohlstands scheint bevorzustehen. Doch dann bringt das Große Imperium das irdische Sonnensystem unter seine Kontrolle. Die Erde wird zu einem Protektorat Arkons. Die Terranische Union beugt sich zum Schein den neuen Herrschern, während der Widerstand wächst. Als Perry Rhodan erkennt, dass er auf der Erde nichts mehr ausrichten kann, beschließt er, Hilfe von außen zu suchen. Mit einer Handvoll Gefährten macht er sich nach Derogwanien auf. Seine Hoffnung: Nur Callibso, der Puppenspieler, kann die Menschheit retten ...

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Zeit:5 Std. 35 min

Sprecher:Axel Gottschick
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Band 94

Schergen der Allianz

von Rüdiger Schäfer

Im Juni 2036 stößt der Astronaut Perry Rhodan auf dem Mond auf ein havariertes Raumschiff der Arkoniden. Damit verändert er die Weltgeschichte. Die Terranische Union wird gegründet, sie beendet die Spaltung in Nationen. Ferne Welten rücken in greifbare Nähe. Eine Ära des Friedens und Wohlstands scheint bevorzustehen.

Doch dann bringt das Große Imperium das irdische Sonnensystem unter seine Kontrolle. Die Erde wird zu einem Protektorat Arkons. Die Terranische Union beugt sich zum Schein den neuen Herrschern, während der Widerstand wächst.

Als Perry Rhodan erkennt, dass er auf der Erde nichts mehr ausrichten kann, beschließt er, Hilfe von außen zu suchen. Mit einer Handvoll Gefährten macht er sich nach Derogwanien auf. Seine Hoffnung: Nur Callibso, der Puppenspieler, kann die Menschheit retten ...

1.

Perry Rhodan

»Du siehst aus, als würdest du auf deine eigene Hinrichtung warten!«

Reginald Bull hatte so laut gesprochen, dass Perry Rhodan unwillkürlich zusammenzuckte. Als er sich zu seinem Freund umdrehte, verzogen sich seine Lippen zu einem Lächeln. Bull hatte die enge Zentrale der INNESAY durch ein schmales Schott betreten und reichte ihm nun einen der beiden Becher, die er mit sich trug.

»Hast du wieder experimentiert?«, fragte Rhodan.

»Es ist kein Kaffee – und wird wohl auch nie welcher werden. Aber ich finde, er kommt dem Original schon ziemlich nahe ...«

Rhodan nippte an dem dampfenden, pechschwarzen Gebräu, das die Zentrale tatsächlich mit dem Aroma frisch gemahlener Kaffeebohnen erfüllte, und schnalzte anerkennend mit der Zunge. Bereits auf dem mehrmonatigen Flug mit der RANIR'TAN von Arkon zur Erde hatte Bull immer wieder versucht, den Getränkespendern der Arkoniden etwas zu entlocken, das sich zumindest mit irdischem Kaffee vergleichen ließ. Offenbar setzte er seine diesbezüglichen Anstrengungen nun an Bord der INNESAY fort.

»Nicht übel, Reg«, kommentierte Rhodan. »Etwas metallisch im Nachgeschmack, aber sonst ...«

»Da hat dieses Schiff während der ganzen Zeit, in der es im Boden Sibiriens versteckt lag, die irdischen Datennetze abgehört. Aber einen vernünftigen Kaffee kriegt es trotzdem nicht hin.« Bull seufzte. »Ich wünschte, ich hätte ein paar Bohnen von der Erde mitgenommen. Diesem störrischen Bordrechner zu erklären, wie ein guter Arabica schmecken muss, ist schwieriger, als dem alten Griesgram Lesly Pounder einen Tag Sonderurlaub abzuringen.«

Rhodan lachte und wandte sich wieder dem Holo zu, das die unmittelbare Umgebung des Essat-Aufklärers zeigte und wie ein großes Fenster in den Weltraum hinaus wirkte. Die INNESAY flog mit geringer Geschwindigkeit durch die Randbereiche des Asteroidengürtels, der sich zwischen den Planetenbahnen von Mars und Jupiter durch das Sonnensystem zog. Sie war vor knapp vier Tagen vom Asteroiden Ettves in der Nähe der Venus gestartet, und auch wenn Rhodan die Zeit zur Regenerierung dringend gebraucht hatte, vermochte er seine Ungeduld inzwischen kaum noch zu bezähmen.

Die zweimalige Erweckung des Asskor Tavirr mithilfe des Enterons hatte ihn an die Grenzen seiner Kraft geführt. Reginald Bull hatte ihm sogar vorgeworfen, sein Leben leichtfertig aufs Spiel zu setzen, und obwohl er die Kritik des Freundes für übertrieben hielt, war ihm doch bewusst, dass er tatsächlich hätte sterben können. Zwar hatte er das Enteron im Moment einigermaßen unter Kontrolle, doch er war davon überzeugt, dass das geheimnisvolle Ding aus der Zukunft ein paar Überraschungen verbarg, die ihm jederzeit neuen Ärger bereiten konnten.

Hinzu kamen die unklaren Verhältnisse auf der Erde. Die Besetzung seiner Heimatwelt durch die Arkoniden erzeugte ein permanentes Unwohlsein, eine quälende Mischung aus Zorn und Tatendrang, die ein Ventil suchte und keines fand.

Da er es trotz seiner Erschöpfung nicht schaffte einzuschlafen, hatte er schließlich eingewilligt, sich von der Ara Leyle ein mildes Hypnotikum verabreichen zu lassen. Die innere Unruhe hatte ihn allerdings auch dann nicht losgelassen, und er war mehrfach schweißgebadet in seiner winzigen Kabine aufgewacht, ohne sich an die Traumbilder erinnern zu können, die ihn gequält hatten.

In den Gesprächen mit Reginald Bull und Ras Tschubai wurde ihm zwar immer wieder klar, dass er sich nur selbst verrückt machte, dass er auf der Erde viel weniger tun konnte als hier draußen zwischen den Sternen, doch seine emotionale Zerrissenheit ließ sich mit rationalen Argumenten nicht beseitigen. Jeder Tag, an dem das Protektorat Arkons über die Erde herrschte, war ein Tag zu viel! Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Spannungen zwischen Menschen und Besatzern eskalierten – und zumindest Reekha Chetzkel, der militärische Oberbefehlshaber des Protektorats, wartete nur auf eine Gelegenheit, mit aller Härte gegen die Menschen vorzugehen.

Bull kannte ihn lange und gut genug, um ihm die Besorgnis vom Gesicht abzulesen. Der ungebrochene Optimismus und die damit verbundene burschikose Art seines Freundes halfen ihm dabei, seine Gedanken zu ordnen und sich auf das zu konzentrieren, was wichtig war. Wenn er dem Sonnensystem jetzt den Rücken kehrte, dann ließ er die Menschen nicht im Stich, sondern suchte dort nach einer Lösung aller Probleme, wo er die größte Aussicht hatte, fündig zu werden: auf Derogwanien!

Die jüngsten Ereignisse hatten Rhodans Weltbild – wieder einmal – komplett über den Haufen geworfen. Jahrtausendelang hatten die Bewohner der Erde geglaubt, allein zu sein. Das Sonnensystem gehörte den Menschen, und der dritte Planet war der einzige, der intelligentes Leben – ja überhaupt Leben – hervorgebracht hatte.

Das stimmte in gewissem Sinn immer noch, denn die Orristan und die Errkarem lebten im Verborgenen. Sie versteckten sich in den Weiten des Sonnensystems, genauer: im Kuipergürtel zwischen seinen über 70.000 Objekten mit oft mehr als hundert Kilometern Durchmesser. Oder in den zahllosen Asteroiden, die näher an der Sonne ihre Bahn zogen. Die an Mumien erinnernden Wesen stammten nach eigenen Aussagen von der Warmen Welt, also der Erde, und hatten Rhodan von Beginn an fasziniert. Dank ihrer Sternenhaut waren sie in der Lage, stundenlang ohne zusätzlichen Schutz im Vakuum des Weltraums zu überleben, und er fragte sich, ob das womöglich ein Weg war, den die Evolution auch für die Menschen bereithielt. Die Ressourcen auf Planeten waren begrenzt; war es da nicht folgerichtig, dass biologisches Leben irgendwann die Fähigkeit entwickelte, in der eisigen Kälte und der Luftlosigkeit des Alls zu existieren?

»Wenn ich es nicht besser wüsste«, riss ihn Reginald Bulls Stimme in die Realität zurück, »würde ich behaupten, dass Innesay keine Ahnung hat, wo sich dieser angebliche Transmitter befindet. Den Kursdaten nach fliegen wir nämlich ziemlich wahllos in der Gegend herum.«

Rhodan nickte langsam. Er hatte erwartet, dass der allgegenwärtige Bordrechner des Aufklärers auf die Bemerkung des Freundes reagierte, doch die Akustikfelder blieben stumm.

»Vielleicht hat er nur eine ungefähre Vorstellung von unserem Ziel«, sagte er. »Dieses Schiff ...«, er machte eine unbestimmte Geste mit dem rechten Arm, »... ist alt. Es entstammt der Technik der mysteriösen Ersten. Ich vermute, dass diese Region des Sonnensystems zu der Zeit, als es gebaut wurde, ganz anders aussah als heute – und der Transmitter ist zweifellos gut getarnt.«

»Ich wünschte trotzdem, ich könnte dich begleiten ...«

»Fang nicht wieder damit an, Reg! Darüber haben wir ausführlich gesprochen. Ich brauche dich hier; ich brauche jemanden im Sonnensystem, dem ich bedingungslos vertraue und auf den ich mich verlassen kann. Du musst dafür sorgen, dass der Konflikt zwischen den Orristan und den Errkarem nicht wieder ausbricht. Und du kümmerst dich um Vulkan.«

Rhodan bezog sich dabei auf den Dunkelplaneten, den die Sternenmenschen als die Verborgene Welt bezeichneten. Dort waren ihrer Überlieferung nach unvorstellbare Machtmittel versteckt. Wie sich gezeigt hatte, enthielt zumindest dieser Teil ihrer Legenden einen großen Teil Wahrheit: Rhodan und Bull hatten Vulkan innerhalb der Merkurbahn ausfindig gemacht – doch die Steuerpositronik hatte ihnen den Zugang ins Innere der Welt verwehrt.

»Ich weiß, ich weiß.« Bull winkte ab. »Ohne mich wärst du wie immer aufgeschmissen. Hast du dir die Ausrüstung bereits angesehen?«

»Angesehen und überprüft. Arkonidische Kampfanzüge, volle Bewaffnung, und das alles mit einer hauchdünnen Halatonschicht überzogen. Sehr beeindruckend.«

»Und vielleicht trotzdem nicht ausreichend. Du hast keinen Schimmer, was euch erwartet. Wir wissen so gut wie nichts über diesen Callibso. Er ist ...«

»Schon gut, Reg«, unterbrach Rhodan und legte seinem Freund eine Hand auf den Arm. Bull hatte das mysteriöse Zwergwesen nicht gerade in sein Herz geschlossen. Kein Wunder, denn ein Seelensplitter Callibsos hatte erst vor wenigen Wochen seinen Körper übernommen und versucht, Regs Geist zu verdrängen. »Ich werde vorsichtig sein. Aber Derogwanien ist derzeit die einzige Möglichkeit, mehr über das Ringen zu erfahren – und vor allem über die Rolle, die die Menschheit und ich darin spielen. Callibso hat einen immensen Aufwand betrieben, um unseren Flug zum Mond und die erste Begegnung mit den Arkoniden zu verhindern. Warum? Ich bin davon überzeugt, dass die damaligen Ereignisse mit der aktuellen Besetzung der Erde verknüpft sind. Wenn wir unsere Heimat befreien wollen, müssen wir mehr über die Hintergründe wissen.«

»Das ist mir alles klar«, sagte Bull. »Ich muss darüber aber nicht begeistert sein, oder?«

»Deine Sorge um mein Wohlergehen rührt mich, Reg.« Er schlug Bull so kräftig auf die Schulter, dass dieser Mühe hatte, sein Kaffee-Imitat nicht zu verschütten. »Aber wir leben nun einmal in schwierigen Zeiten, nicht wahr?«

Sein Gegenüber brummte unwillig, sagte aber nichts mehr.

Auf dem Holo tauchte eine Ansammlung kleinerer Gesteinstrümmer auf, die zusammen mit einigen größeren Brocken eine ausgedehnte Wolke bildeten. Die INNESAY bremste ab. Aus den Gesprächen mit Errkarem und Orristan wusste Rhodan inzwischen, dass der gewaltige Asteroidengürtel einst ein weiterer Planet gewesen war, eine Vermutung, die auch schon eine Reihe von irdischen Astronomen geäußert hatten, und die sich nun bestätigte. Es hatte eine Weile gedauert, bis die Sternenmenschen mit der Sprache herausrückten und zugaben, für die Zerstörung der sogenannten Zerstrittenen Welt verantwortlich zu sein. Dort, so hatte man widerstrebend und erst nach hartnäckigem Nachfragen erklärt, sei der damalige Konflikt zwischen Orristan und Errkarem eskaliert. Das Resultat sei die Vernichtung jenes Planeten gewesen, den die Forscher auf der Erde einst Phaeton getauft hatten.

»Wir sind am Ziel«, hörte Rhodan die unverwechselbare Stimme Innesays. Wie so oft musste er dabei an ein vorlautes, kleines Mädchen denken.

Ein neues Holo materialisierte und zeigte einen lediglich knapp hundert Meter durchmessenden Felsbrocken, der sich auf den ersten Blick nicht von den übrigen Trümmern unterschied. Dann war die INNESAY so nahe heran, dass einer ihrer Suchscheinwerfer ein schmuckloses Podest aus dem Zwielicht riss, das direkt aus dem Stein herausgemeißelt zu sein schien. Erst beim zweiten Hinsehen registrierte Rhodan die beiden Säulen darauf, die sich schnell als technische Struktur entpuppten. Ihr rötliches Schimmern ließ erahnen, dass sie durch einen Überzug aus Halaton vor einer Ortung geschützt wurden.

»Der Transmitter«, sagte Rhodan leise.

Verständige deine Begleiter, flüsterte es plötzlich in seinem Kopf. Wir haben schon viel zu viel Zeit verloren ...

Er seufzte innerlich. In den letzten Stunden hatte er das Enteron beinahe vergessen. Sein ebenso nützlicher wie eigensinniger Begleiter hatte sich wieder einmal wie eine zweite Haut als hauchdünner Film um seinen Körper gelegt. Der Symbiont drängte Rhodan seit Wochen dazu, so rasch wie möglich die Elysische Welt im Arkonsystem aufzusuchen. Dort sollte Rhodan die Schablone vernichten, die man vor einigen Monaten ohne sein Wissen von ihm angefertigt hatte. Gelang ihm das nicht, wurde das Enteron nicht müde zu warnen, würde man mit Hilfe der Schablone Duplikate von ihm herstellen. Perfekte Kopien Rhodans, die notfalls durch die Hölle gehen würden.

Immerhin: Der Weg zurück nach Arkon schien über Derogwanien zu führen, und so herrschte zwischen ihm und dem Enteron augenblicklich so etwas wie Frieden, was seinen persönlichen Quälgeist freilich nicht daran hinderte, ihn bei jeder sich bietenden Gelegenheit zur Eile anzutreiben.

Rhodan hatte sich die Entscheidung, wen er auf seine Reise mitnehmen sollte, nicht leicht gemacht. Sannasu, Callibsos Puppe im Körper von Jenny Whitman, der ehemaligen PR-Managerin von Lesly Pounder, war noch die offensichtlichste Wahl gewesen. Sie konnte bei einem Kontakt mit Callibso von erheblichem Nutzen sein. Auf Rhodan machte sie einen eher nervösen Eindruck. Ganz offensichtlich sah sie der Heimkehr nach Derogwanien mit gemischten Gefühlen entgegen, versuchte das aber vor ihm und allen anderen zu verbergen.

Ras Tschubai hatte sich ihm ohne zu zögern angeschlossen – und Rhodan war froh, mit dem Mutanten einen echten Vertrauten bei sich zu haben. Zudem würde ihm seine Gabe des Distanzlauschens wertvolle Dienste erweisen. Tschubai hatte seine Fähigkeit, die ihm anfangs so viele Probleme bereitet hatte, unter Kontrolle gebracht. Er wirkte ausgeglichen und gelassen.

Am längsten hatte er bei Leyle gezögert. Ihre medizinische Ausbildung machte im schlimmsten Fall den Unterschied aus, doch das allein reichte nicht als Qualifikation. Allerdings hatte sie sich intensiv mit dem Enteron beschäftigt und dessen enge genetische Verwandtschaft mit Callibsos Puppen entdeckt. Rhodan vertraute in dieser Sache auf sein Bauchgefühl. Die Ara und den aus pluripotenten Stammzellen bestehenden Symbionten jetzt zu trennen, erschien ihm instinktiv falsch; also hatte er Leyle gefragt, ob sie mitkommen wolle. Die Medizinerin hatte das Angebot zu seiner Überraschung angenommen. Offenbar zog es die Ara nicht zurück in das Protektorat, aus der Sannasu sie entführt hatte.

»Wir treffen uns in einer Stunde im Hangar«, gab Rhodan bekannt. »Sag den anderen bitte Bescheid, Reg. Innesay? Wie können wir den Transmitter aktivieren?«

»Das ist bereits geschehen«, antwortete der Bordrechner. »Die Transportfelder werden sich bei Annäherung aufbauen. Ihr braucht dann nur noch hindurchzufliegen und werdet direkt nach Derogwanien abgestrahlt.«

»Zwei Wochen, Perry«, sagte Reginald Bull hart. »Mehr Zeit gebe ich dir nicht. Wenn du dann nicht wieder zurück bist, werde ich dich holen kommen.«

»Reg ...«, setzte Rhodan an, doch sein Gegenüber schüttelte energisch den Kopf.

»Darüber diskutiere ich nicht«, rief er. »Wenn es meine Lebensaufgabe sein sollte, dich alle paar Monate aus irgendeinem Schlamassel zu ziehen, dann ist das eben so. Und wenn ich damit leben kann, kannst du es auch!«

Rhodan lächelte. Er trat einen Schritt auf Bull zu und zog ihn zu sich heran. Die beiden Männer umarmten sich zum Abschied.

2.

Satrak

Satrak drehte sich vor dem großen Spiegel des Ankleidezimmers und betrachtete seinen nackten Körper. Gedankenverloren strich er sich über das rotbraune Fell, das am Kopf bereits grau zu werden begann. Mit Mitte fünfzig stand ein Istrahir tief in der zweiten Hälfte seines Lebens, und auch wenn die Medizin beständige Fortschritte machte, wusste Satrak sehr genau, dass seine Stationierung auf Larsaf III wohl die letzte Gelegenheit war, sich auszuzeichnen.

Er gehörte zu den Halbarkoniden, die unter dem Regenten einen schnellen Aufstieg geschafft hatten. Die überraschende Nachricht vom Tod des Herrschers – ausgerechnet kurz nach dessen offizieller Inthronisation als Imperator – war für Satrak ein Schock gewesen. Dann hatte ihn der Befehl der neuen Imperatrice erreicht, die ihn als Fürsorger für das zu errichtende Protektorat im Larsafsystem bestimmte.

Seitdem fragte er sich häufig, ob ihn Emthon V. einfach nur auf einen unwichtigen Außenposten abgeschoben hatte oder ihn tatsächlich testen wollte. Der Umstand, dass die neue Herrscherin über das Große Imperium ausgerechnet in Zeiten eines drohenden Krieges gegen die Methans wertvolle Ressourcen bereitstellte, um ein von den Sternengöttern verlassenes System am Rand des arkonidischen Machtbereichs zu besetzen, war in höchstem Maße ungewöhnlich. Zudem war offenbar Chetzkel ebenfalls davon überzeugt, dass die Heimat der Menschen ein Geheimnis barg. Die entsprechenden Aktivitäten seines militärischen Oberbefehlshabers waren Satrak nicht entgangen.

Er spannte die Gesäßmuskeln an und ließ seinen zweieinhalb Meter langen Schwanz bis zur Decke hinaufsteigen. Normalerweise verbarg er dieses deutlichste aller Zeichen für seine nicht-arkonidische Abstammung unter der Kleidung. Dass er dennoch von jedem sofort als Außenseiter erkannt wurde, lag nicht zuletzt an seinen übergroßen Händen und Füßen, vor allem aber an dem rundlichen Kopf mit der kurzen Schnauze und den riesigen Augen. Es entbehrte nicht einer gewissen Ironie, dass es auf Larsaf III ein paar Inseln gab, auf denen eine Spezies namens Koboldmakis lebte. Die Tiere waren deutlich kleiner als er, aber sahen ihm bemerkenswert ähnlich, und auch wenn seine arkonidischen Untergebenen es öffentlich nicht an Respekt ihm gegenüber fehlen ließen, wusste er doch, dass sie hinter seinem Rücken über sein Aussehen spotteten.

Die Istrahir waren das Ergebnis eines biologischen Experiments. Die Aras hatten vor über fünfhundert Jahren auf Satraks Stammwelt das Erbgut der dort heimischen Keskeren mit arkonidischen Genen gekreuzt. Der eigentliche Zweck dieses Versuchs war längst in Vergessenheit geraten, doch seitdem galten die Istrahir als verlässliche und vor allem loyale Bürger des Großen Imperiums. Was den Großteil der Arkoniden – allen voran den Adel – freilich nicht daran hinderte, sie als minderwertige Zuchtprodukte zu klassifizieren und als bessere Haustiere zu behandeln.

Sein Komplantat machte Satrak darauf aufmerksam, dass der nächste Termin auf ihn wartete. Er fletschte kurz das Gebiss mit den spitzen Schneidezähnen und wandte sich von seinem Spiegelbild ab. Schluss mit den trüben Gedanken! Es war nicht seine Aufgabe, gegen die Dummheit und die Ignoranz der selbst ernannten imperialen Elite anzugehen. Er hatte ein Protektorat zu leiten.

Es dauerte nur wenige Minuten, bis er seine Kleider angelegt hatte. Das Panoramafenster im großzügigen Wohnbereich seiner dem Wald auf Istrahir nachempfundenen Privatgemächer zeigte eine gelbe Sonne, die sich langsam über die geschundene Stadt Terrania erhob, jedoch nur wenig Wärme mitbrachte. Zu dieser Zeit des Jahres sanken die Temperaturen in der Nacht nicht selten auf unter minus dreißig Grad Celsius. Tagsüber lagen die Werte im einstelligen Plusbereich. Er vermutete, dass man mit dem eher ungünstigen Standort der Stadt, die in den ersten Tagen der Invasion fast vollständig zerstört worden war, der Überbevölkerung des Planeten Rechnung getragen hatte.

Auf einem großen Holo liefen die wichtigsten Nachrichtenstreams und Datenfeeds von Larsaf III. Eine Positronik sorgte dafür, dass die Übertragungen simultan ins Arkonidische übersetzt wurden, sodass Satrak sich zu jedem Zeitpunkt einen Überblick über die aktuellen Themen verschaffen konnte, die die Menschen beschäftigten. Zwar sprach er ein durchaus passables Englisch – das am weitesten verbreitete Idiom des Planeten – doch das Holo erfasste auch Übertragungen in zahlreichen anderen Sprachen. Im Augenblick dominierten die Berichte um den anstehenden Strafprozess gegen Asech Kelange, jenen Arkoniden, den man des Mordes an der Menschenfrau Aurora Freeman beschuldigte.

Unwillkürlich schüttelte der Fürsorger den Kopf. Er hatte Kelange erst vor wenigen Tagen kennengelernt. Einen viel zu jungen, viel zu einfältigen und viel zu unschuldigen Burschen, der seinen Dienst in der imperialen Flotte mit mehr Leidenschaft verrichtete, als gut für ihn war.

Mit glühenden Augen und brennendem Herzen, dachte Satrak. So, wie es die Werbeholos der Rekrutierungsbüros nicht müde werden, zu wiederholen ...

Die meisten Sender brachten derzeit Hintergrundberichte, da der offizielle Prozess erst in wenigen Stunden beginnen würde. In den vergangenen Tagen hatte Satrak das sogenannte Ermittlungsverfahren, eine Art Vorspiel bei jedem Strafprozess, nur mit mäßigem Interesse verfolgt. Ihn interessierten viel mehr die dadurch vermittelte Botschaft und ihre Auswirkung auf die Stimmung der emotionalisierten Menschen.

Die Entscheidung, Kelange an die irdischen Behörden auszuliefern, war ihm nicht leichtgefallen, ließ sie ihn doch in den Augen vieler Arkoniden als zu nachgiebig und weich erscheinen. Vor allem Chetzkel vertrat die Ansicht, dass den Bewohnern der Erde nur mit einem konsequenten und rücksichtslosen Vorgehen beizukommen war. Ihm zufolge musste jedweder Widerstand bereits im Keim erstickt werden. Wenn Satrak seinem Militärchef freie Hand gelassen hätte, hätte dieser die nach Bekanntwerden des Mordes an Aurora Freeman weltweit aufflammenden Proteste und Unruhen erbarmungslos und mit roher Gewalt niedergeschlagen.

Bis zu einem gewissen Punkt konnte er die Haltung Chetzkels sogar nachvollziehen, auch wenn er das nie offen zugegeben hätte. Der Mann war Soldat – und das praktisch schon ein Leben lang. Er machte sich keine tieferen Gedanken um die politischen und vor allem gesellschaftlichen Auswirkungen seiner Handlungen. Für ihn stand das Ergebnis im Vordergrund. Wenn eine Gefahr auftauchte, musste sie beseitigt werden. Egal wie. Wer hinterher die Scherben des dabei zerschlagenen Porzellans zusammenkehrte, war Chetzkel egal.

Satrak wusste dagegen nicht zuletzt aus seiner Arbeit als imperialer Botschafter, dass Zwang und Willkür hauptsächlich Opfer, Zeit und vor allem Vertrauen kosteten. Er durfte nie vergessen, dass die Menschen die letzten Jahrtausende in dem Irrglauben verbracht hatten, allein im Universum zu sein. Die daraus erwachsene Arroganz hatte sie geprägt. Anstatt das nicht nur technisch, sondern auch moralisch und kulturell in vielen Belangen überlegene Imperium mit offenen Armen willkommen zu heißen, betrachteten sie die Ankunft der Arkoniden als ungerechtfertigte Einmischung und lehnten sich gegen die vermeintlichen Besatzer auf.

Dabei tat sich vor allem die Terrorgruppe Free Earth hervor, die absurde Parolen von Freiheit und Selbstbestimmung verbreitete und selbst vor Mordanschlägen nicht zurückschreckte. Wohin Eigenverantwortung und Unabhängigkeit diese Welt geführt hatten, war fast überall auf Larsaf III zu beobachten. In vielen Gebieten lebten die Menschen in Armut, Krankheit und Hunger. Es herrschte allgemeiner Mangel, oft sogar an den elementarsten Dingen wie Wasser, Grundnahrungsmitteln und medizinischer Versorgung. Der Planet hatte bereits vor der Ankunft des Imperiums kurz vor dem Kollaps gestanden, und es schien, als wollten seine Bewohner die Verhältnisse mit ihrem törichten Widerstand regelrecht zementieren.

Dabei hatte er in den vergangenen Monaten feststellen dürfen, dass die Bewohner von Larsaf III viele Eigenschaften besaßen, die er bei den Arkoniden – vor allem beim Adel – vermisste. Leidenschaft, Tatkraft, Optimismus – und einen unbändigen Willen, Angefangenes zu Ende zu führen.

Satrak konzentrierte sich auf einen Nachrichtenstream, der soeben die Luftaufnahme eines gewaltigen weißen Gebäudes zeigte. Seine Fassade wurde von einem Portal beherrscht, dessen dreieckiger, mit steinernen Ornamenten verzierter Abschluss auf acht wuchtigen Säulen ruhte. Darunter waren die Worte EQUAL JUSTICE UNDER LAW eingemeißelt. Die Zeile entstammte der irdischen Sprache Englisch, und die Positronik übersetzte die Worte mit Gleichheit vor dem Gesetz.

Um den Ort des Gerichtsverfahrens gegen Asech Kelange hatte es teilweise scharf geführte Diskussionen gegeben, in die sich Satrak ganz bewusst nicht einmischte. Zu Beginn hatten maßgebliche Meinungsführer für Den Haag plädiert, eine vergleichsweise kleine Ansiedlung auf dem Kontinent Europa, die jedoch Sitz des Internationalen Strafgerichtshofs war. Dort wurden üblicherweise Streitigkeiten mit weitreichenden Folgen für mehrere oder alle Interessengruppen des Planeten verhandelt, der in seiner kurzen Geschichte oft in zahllose winzige Machtblöcke gespalten gewesen war. Völkermord, Kriegsverbrechen, sogenannte Verbrechen gegen die Menschlichkeit – Menschen und Arkoniden ähnelten sich in dieser Hinsicht mehr, als ihm lieb war.

Dann hatten sich jedoch immer mehr Stimmen zu Wort gemeldet, die Den Haag als Verhandlungsort für unpassend hielten, weil ihnen die damit verbundene Symbolik als zu mächtig erschien und die Bedeutung des Verfahrens gegen Kelange im Vergleich zu früheren Prozessen überhöht wurde. Letztlich, so argumentierten sie, ging es lediglich um eine gewöhnliche Mordanklage, auch wenn es sich bei dem Beschuldigten um den Vertreter einer außerirdischen Kultur handelte.

Nach einigem Hin und Her hatte man sich auf Washington geeinigt. Der Vorschlag, ein komplett neues Gerichtsgebäude an einem neutralen Ort zu errichten, war aus Zeitgründen abgelehnt worden. Und so wurde der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten von Amerika, kurz Supreme Court genannt, mit am Ende deutlicher Mehrheit zum Schauplatz eines Gerichtsverfahrens bestimmt, das sämtliche Medien im Wechsel als epochal, historisch, beispiellos oder zukunftsweisend bezeichneten.

Aurora Freeman, das angebliche Mordopfer, war Amerikanerin gewesen. Zudem existierte in Washington, das nach wie vor als Hauptstadt des Bundestaates USA der Terranischen Union galt, ein Sektorenhauptquartier des Protektorats. Nicht wenige Kommentatoren ließen sich deshalb ebenso süffisant wie ausführlich darüber aus, dass der Prozess gegen einen mutmaßlichen arkonidischen Mörder ausgerechnet in der Nähe eines wichtigen Stützpunkts der Besatzer geführt wurde.

Satrak nahm all das mit einer Art grimmigen Befriedigung zur Kenntnis. Asech Kelange war eine bedauernswerte, jedoch notwendige Opfergabe auf dem Altar des Volkszorns. Seine Verurteilung würde Milliarden Menschen das Gefühl geben, nicht wehrlos zu sein, sich gegen die angebliche arkonidische Unterdrückung behaupten zu können. Die Fremden aus dem Großen Imperium, so lautete die Botschaft, standen keineswegs außerhalb von Recht und Gesetz. Ihr Tun und Lassen zog Konsequenzen nach sich.

Natürlich hatte Satrak einige Beobachter im Einsatz, hauptsächlich Offiziere der Terra Police, die sich als besonders gewissenhaft und zuverlässig erwiesen hatten. Sie trugen Zivilkleidung und waren mit Tarnidentitäten ausgestattet worden. In diesen Rollen schickten sie ihre Berichte regelmäßig an die Koordinierungsstelle im Fürsorgerpalast, die sie auswertete, zusammenfasste und an seine Assistentin Aito weiterleitete.

Per Sprachbefehl aktivierte der Fürsorger die Künstliche Intelligenz, die sich wie üblich als dreidimensionale Projektion einer Istrahir präsentierte.

»Gib mir eine Zusammenfassung!«, forderte er. Auf einigen Nachrichtenfeeds liefen inzwischen Bilder des Gerichtssaals, der insgesamt 500 handverlesenen Personen Platz bot, darunter reichlich Prominenz aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens. Dadurch waren die Sicherheitsvorkehrungen natürlich enorm. Das bestätigte auch Aito.

»Der Luftraum über Washington ist schon seit Tagen gesperrt«, berichtete sie. »Um den Supreme Court existiert eine Bannmeile aus drei voneinander unabhängigen Kontrollringen. Dabei hat das Protektorat großzügige Amtshilfe geleistet. Zehntausend Mitglieder der lokalen Ordnungsdienste sind mit modernsten Spür- und Ortungsgeräten ausgerüstet worden und überprüfen alles, was sich innerhalb der sogenannten heißen Zone bewegt. Außerdem befinden sich fast fünfhundert Ortungsdrohnen permanent in der Luft und suchen die Umgebung nach verdächtigen Aktivitäten aller Art ab. Selbst eine troganische Winzschnuppe würde bereits bei der Annäherung an das Gerichtsgebäude bemerkt werden.«

»Gut. Es ist wichtig, dass die Verhandlung störungsfrei abläuft.«

Der Prozess wurde live in praktisch jeden Winkel der Erde und in alle öffentlichen Funknetze übertragen. Sämtliche Informationen zur bevorstehenden Verhandlung waren im sogenannten Internet abrufbar, einer Art globalem Datennetz, das in seiner Komplexität zwar nicht annähernd an die arkonidischen Positroniknetze heranreichte, aber seinen Zweck erfüllte. Wer sich über den vorsitzenden Richter, die Beisitzer, die Staatsanwälte und Verteidiger oder aber auch nur über die Farbe des Bezugs des Richterstuhls informieren wollte, dem standen buchstäblich Tausende von Quellen zur Verfügung. Manche mehr, manche weniger seriös.

Ein Nebenholo zeigte Satrak, dass sein erster Besucher für den Tag eingetroffen war. Für den Moment wandte er sich von der Berichterstattung ab.

»Ich will, dass du mich sofort unterrichtest, wenn in Washington etwas Erwähnenswertes passiert!«, sagte er.

»Selbstverständlich, Fürsorger!«, bestätigte Aito.

»Und jetzt führe meinen Gast herein!«

Die Assistentin verschwand, und kurze Zeit später betrat ein gut 1,80 Meter großer Arkonide mit kurzen weißen Haaren und von gepflegtem Äußeren den künstlichen Wald. Er neigte den Kopf und verbeugte sich leicht. Obwohl er die hundert bereits deutlich überschritten hatte, wirkte er deutlich jünger. Unter der dunkelblauen Uniform zeichnete sich ein schlanker, fast hagerer Körper ab.

Satrak machte zwei Schritte nach vorn und lächelte verbindlich.

»Jemmico«, sagte er laut. »Treten Sie ein! Ich war überrascht, als Sie mich um ein persönliches Gespräch baten. Gibt es etwas, das ich für Sie tun kann?«

Der hochgewachsene Arkonide ging wortlos einige Schritte tiefer in den Raum hinein. Sekundenlang musterte er die riesige Holowand. Seine Stirn legte sich in Falten.

»Mit der Auslieferung dieses jungen Burschen gehen Sie ein hohes Risiko ein, Fürsorger«, sagte er dann, vermied es dabei jedoch wie so häufig, sein Gegenüber direkt anzusehen.

»Finden Sie?« Satrak verschränkte die Arme vor der Brust. »Lassen Sie mich ein geflügeltes Wort der Menschen zitieren: Wir sitzen auf einem Pulverfass – und der Tod von Aurora Freeman hätte der Funken sein können, der es zur Explosion bringt.«

»Was werden Sie tun, wenn Asech Kelange schuldig gesprochen wird?«

»Damit rechne ich sogar.« Der Fürsorger lächelte. »Als sich Kelange mit einer Menschenfrau einließ, hat er dem Imperium einen denkbar schlechten Dienst erwiesen. Ich gebe ihm die Gelegenheit, seinen Fehler wieder gutzumachen.«

»Es besteht die Möglichkeit, dass er zum Tode verurteilt wird.«

Satrak lachte leise. »Ich bitte Sie, Jemmico. Sie sollten besser als ich wissen, was Arkon von seinen Kindern erwartet. Jeder von uns muss bereit sein, im Ernstfall mit seinem Leben für das Imperium einzustehen.«

»Da widerspreche ich Ihnen nicht. Allerdings könnte die Hinrichtung eines Arkoniden durch die Menschen unsere Autorität empfindlich schwächen. Wir könnten ...«

Satrak unterbrach den Redefluss Jemmicos mit einer energischen Geste. »Falls Sie gekommen sind, um sich mir als politischer Berater anzudienen, muss ich Sie enttäuschen. Ich besetze derzeit keine Stellen.«

»Verzeihen Sie, Fürsorger«, erwiderte Jemmico und trat einen Schritt zurück. »Es lag nicht in meiner Absicht, Ihre Entscheidungen infrage zu stellen.«

»Gut. Was also führt Sie zu mir?«

Der Celista, der innerhalb der Regierung der Terranischen Union als Koordinator für Sicherheit fungierte und damit garantierte, dass die Interessen des Imperiums gewahrt blieben, fuhr sich mit der Rechten über die kurzen Haare, schien nach den richtigen Worten zu suchen. In den Nachrichtenholos dominierten derweil Berichte zum vermuteten Tathergang, wobei die Spekulationen von einem simplen Missverständnis über einen Streit unter Verliebten bis hin zum Mord aus Eifersucht reichten. Ein als besonders reißerisch bekannter Sender strahlte sogar einen als Dokumentation getarnten Sensationsbericht unter dem geschmacklosen Titel »Starb Aurora Freeman beim wilden Alien-Sex?« aus.

»Ich habe die sogenannte Venuszuflucht inspiziert«, riss Jemmicos Stimme ihn wieder in die Realität zurück.

»Das ist mir bekannt«, sagte Satrak. Bei der Venuszuflucht handelte es sich um eine Station, die von den arkonidischen Kolonisten vor zehntausend Jahren errichtet worden war, um sich vor einem Angriff der Methans retten zu können. Doch der Angriff war zu überraschend gekommen. Die Kolonie samt ihrer Bewohner war ausgelöscht worden, die Zuflucht unentdeckt geblieben – nur um kurz vor der Errichtung des Protektorats ihr Versteck in der Kruste des zweiten Planeten zu verlassen und zur Orbitalstation des Weltraumlifts zu werden, der in Terrania seinen Ausgang nahm. Wie das geschehen war und weshalb, blieb ungeklärt. Eines der vielen Rätsel dieses Systems ...

»Was Ihnen nicht bekannt ist, ist der wahre Grund, aus dem ich die Station aufgesucht habe. Es geschah auf direkten Befehl unserer Imperatrice Emthon V.«

Jemmico wirkte auf einmal nervös, was allerdings nicht verwunderlich war. Schließlich hatte er soeben gestanden, seinen höchsten Vorgesetzten hintergangen zu haben.

Satrak nickte langsam. »Und was veranlasst Sie, mich so plötzlich ins Vertrauen zu ziehen?«

»Würden Sie mir glauben, wenn ich sage: mein Pflichtgefühl?«

»Warum nicht? Ich halte Sie für einen loyalen Diener des Imperiums – und wer bin ich, dass ich die Worte eines Mannes anzweifle, der von der Imperatrice persönlich instruiert wurde?«

»Ich erhielt meine Anweisungen auf KE-MATLON per Hyperfunk.«

»Während Ihres Inspektionsflugs zur Untersuchung der ausgefallenen Hyperfunkrelaiskette, richtig?«

»Richtig.«

»Und Sie haben direkt mit der Herrscherin gesprochen?«

»Ja.«