Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Vor sieben Jahrzehnten ist Perry Rhodan auf Außerirdische getroffen. In der Folge ist die Menschheit zu den Sternen aufgebrochen und hat fremde Welten besiedelt, ist aber auch in kosmische Konflikte verwickelt worden. Seit fünf Jahren umkreisen Erde und Mond eine fremde Sonne. Außerdem haben die Überschweren zeitweise das Solsystem und alle terranischen Kolonien besetzt. Mittlerweile sind die Invasoren jedoch verdrängt worden. Im Jahr 2107 wird Perry Rhodan als körperloses Gehirn in den fernen Sternhaufen Naupaum entführt. Auch ein weiterer Terraner, der einstige französische Revolutionär Georges Danton, erlebt dieses Schicksal. Gigantische 55 Millionen Lichtjahre von zu Hause entfernt, versuchen die beiden, einen Rückweg zu finden. Mit einem Raumschiff gehen sie einem mysteriösen Hinweis nach. Aber sie werden von einer rachedurstigen Ceynach-Jägerin verfolgt – womöglich kann nur eines die Gefährten retten: DER FLUCH DER KARTANIN ...
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 221
Das Hörbuch können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Band 284
Der Fluch der Kartanin
Rüdiger Schäfer
Cover
Vorspann
Prolog: Torytrae
1. Perry Rhodan
2. Perry Rhodan
3. Perry Rhodan
4. Perry Rhodan
5. Perry Rhodan
6. Perry Rhodan
7. Dao-Lin-H'ay
8. Dao-Lin-H'ay
9. Dao-Lin-H'ay
10. Dao-Lin-H'ay
11. Dao-Lin-H'ay
12. Dao-Lin-H'ay
13. Dao-Lin-H'ay
14. Dao-Lin-H'ay
15. Perry Rhodan
16. Dao-Lin-H'ay
17. Dao-Lin-H'ay
18. Dao-Lin-H'ay
19. Dao-Lin-H'ay
20. Dao-Lin-H'ay
21. Perry Rhodan
Epilog: Torytrae
Impressum
Vor sieben Jahrzehnten ist Perry Rhodan auf Außerirdische getroffen. In der Folge ist die Menschheit zu den Sternen aufgebrochen und hat fremde Welten besiedelt, ist aber auch in kosmische Konflikte verwickelt worden.
Seit fünf Jahren umkreisen Erde und Mond eine fremde Sonne. Außerdem haben die Überschweren zeitweise das Solsystem und alle terranischen Kolonien besetzt. Mittlerweile sind die Invasoren jedoch verdrängt worden.
Im Jahr 2107 wird Perry Rhodan als körperloses Gehirn in den fernen Sternhaufen Naupaum entführt. Auch ein weiterer Terraner, der einstige französische Revolutionär Georges Danton, erlebt dieses Schicksal.
Gigantische 55 Millionen Lichtjahre von zu Hause entfernt, versuchen die beiden, einen Rückweg zu finden. Mit einem Raumschiff gehen sie einem mysteriösen Hinweis nach. Aber sie werden von einer rachedurstigen Ceynach-Jägerin verfolgt – womöglich kann nur eines die Gefährten retten: DER FLUCH DER KARTANIN ...
Prolog
Torytrae
Der Traum kommt immer wieder. Obwohl das, was er zeigt, nicht real ist, nicht real sein kann, treibt er mich jedes Mal an den Rand des Grabens.
Jenes Grabens, der meinen Verstand in zwei Hälften teilt. Die eine Hälfte ist klar und hell und geordnet. Sie folgt der Logik und produziert Gedanken, die aufeinander aufbauen und nachvollziehbar sind. Die andere Hälfte hingegen ist dunkel und wirr und beunruhigend. Dort lauern die Traumbilder mit ihren verstörenden Botschaften, den Schatten und Mustern und Farben, die sich zu Absurditäten formen, für die ich keine Worte finde.
Ich träume diesen Traum – diese Vision? –, seit ich mich erinnern kann. Zugegeben, diese Erinnerungen reichen nicht allzu weit zurück, aber sie sind alles, was ich habe. Sie erhalten mich am Leben – vor allem emotional.
Ich stand schon oft an meinem mentalen Graben. Anfangs habe ich nur hinabgeschaut, habe versucht, seinen Grund zu erspähen und zu erkennen, was sich dort unten verbirgt. Inzwischen bin ich nicht mehr sicher, ob es diesen Grund überhaupt gibt. Womöglich ist der Graben bodenlos, und wenn ich eines Tages hineinstürze, falle ich für immer. In einer reinen Gedankenwelt ist so etwas möglich.
Die Jagd ist mein Anker. Sie gibt mir Kraft und Sicherheit. Sie ist real, deshalb prallen alle Zweifel und Bedenken an ihr ab. Wenn ich die Beute im Blick habe, ist der Rest nur noch Routine: Gewissheit, die beruhigt. Manchmal ziehe ich diese Phase bewusst in die Länge. Weil ich es kann. Weil ich es will. Weil ich es brauche.
Die Jagd läuft immer gleich ab. Sie hat ihre festen Regeln, und nur ich bestimme ihren Verlauf und ihr Ende. Das gibt mir das Gefühl von Kontrolle – nur darauf kommt es an.
Nach einer Jagd schreckt mich der Graben für eine Weile nicht mehr. Dann stehe ich an seinem Rand und versuche zu sehen, was sich auf der anderen Seite befindet. Nicht, dass es mich dorthin zöge. Ganz im Gegenteil. Aber ich genieße es, wenn die Furcht der Neugier Platz macht. Für ein paar Momente ängstigen mich die Gespenster dann nicht mehr, die die andere Hälfte meines Verstands bevölkern. Und die der Graben daran hindert, auf meine, die rationale Seite überzuwechseln.
Was bleibt, ist die bittere Erkenntnis, dass ich nicht weiß, wer ich bin, und das ist schlimmer als alles andere. Eine Zeit lang habe ich gesucht. Nach anderen, die so sind wie ich. Yulocs. Ein paar habe ich sogar gefunden, doch das hat meine Unrast nur noch verstärkt, denn sie konnten mir keine Antworten auf meine Fragen liefern. Irgendwann habe ich begriffen, dass die Vergangenheit nichts zählt, wenn es darum geht, sich eine Zukunft aufzubauen. Ich habe mich deshalb auf das konzentriert, was ich am besten kann, und wäre Noc nicht gewesen, hätte ich den Gipfel längst erreicht.
Ich verdränge die Gedanken an meinen früheren Partner schnell wieder. Sie lenken mich nur von dem ab, was im Moment wichtig ist: mein aktueller Auftrag. Der Ceynach-Verbrecher Hayvatschyt und das Ceynach, das er in sich trägt. Das Gehirn eines gewissen Perry Rhodan.
In den vergangenen Tagen habe ich Perry Rhodan hassen gelernt. Ich hasse meine Zielpersonen selten, eigentlich nie, denn sie sind nur Namen in der endlos langen Liste meiner Beute – er aber ist etwas Besonderes. Er ist mir bereits mehrfach entkommen, und eine solche Demütigung ist schwer zu ertragen. Meistens hatte er dabei bloß mehr Glück als Verstand, doch das tut nichts zur Sache. Wenn sich so etwas herumspricht, werde ich unter den Ceynach-Jägern zum Gespött. Das darf nicht geschehen. Das wird nicht geschehen.
Mein Hass ist gut, aber nur, wenn ich ihn kanalisieren kann. Andernfalls führt er zu Fehlern, und die kann ich mir nicht mehr leisten.
Ich studiere zum wiederholten Mal die Datensammlung, die meinem Auftrag zugrunde liegt. Perry Rhodans Originalkörper sieht so zerbrechlich aus. Er gehört einem Volk an, das sich Terraner oder Menschen nennt. Ich habe noch nie zuvor von dieser Spezies gehört. Ob sie in Naupaum oder einem anderen Sternhaufen rings um Caddronaar, vielleicht sogar in der Zentralgalaxis selbst ansässig ist, weiß ich nicht. Für das, was ich tun soll, ist diese Information ohnehin nicht von Belang. Sie würde mich nur ablenken.
Immer wieder fällt mein Blick auf jenen letzten Satz der Auftragsbeschreibung, der mich rasend macht. Jedes Mal, wenn ich ihn lese, wird mein Hass ein Stück größer und schmilzt meine Beherrschung ein kleines bisschen mehr zusammen. Das ist nicht gut. Das ist ganz und gar nicht gut, denn ich weiß, wozu das führt.
Der Graben wird schmaler. Und wenn er schmal genug ist, wird es einigen der Gespenster, die auf der anderen Seite leben, gelingen, ihn zu überwinden. Das ist der Moment, in dem ich die Beherrschung verliere. Ich fürchte mich vor dem, wozu ich dann fähig bin.
Also starre ich auf das Hologramm mit den Daten und versuche, den Gefühlsorkan in mir in geordnete Bahnen zu lenken.
»Wichtig!«,
1.
Perry Rhodan
»Wir werden alle sterben!«
Doynschtos schrille Stimme schmerzte in Perry Rhodans Ohren. Er hatte sich immer noch nicht völlig an sein yaanztronisches Gehör gewöhnt. Es war um einiges empfindlicher als das menschliche.
In der Zentrale des Raumschiffs lag ein scharfer Geruch, der an Pfeffer, Paprika und Chilischoten erinnerte. Doynschto hatte panische Angst, und diesem Gefühl verlieh der Yaanztroner olfaktorisch Ausdruck. Mit dieser ungewohnten Art der emotionalen Kommunikation kam Rhodan inzwischen einigermaßen gut zurecht. Trotzdem benötigte er noch Zeit, um seinen neuen Körper endgültig und irgendwann hoffentlich hundertprozentig zu beherrschen.
»Sei still!«, zischte Gayt-Coor. Der Schädel des Petraczers erinnerte an einen irdischen Dinosaurier der Gattung Tyrannosaurus Rex – inklusive der Reihen nadelspitzer Zähne, die sichtbar wurden, sobald er sein breites Maul öffnete. »Wenn du nichts Konstruktiveres beizutragen hast, dann halt die Klappe und stör nicht meine Konzentration!«
Rhodan wollte seine Gefährten tadelnd zur Ordnung rufen, kam jedoch nicht mehr dazu. Ein Energiestrahl schlug in den Schutzschirm ihres Raumschiffs ein, was Doynschto einen weiteren Schrei und Gayt-Coor einen deftigen Fluch entlockte. Dessen sonst türkisfarben schillernde Schuppen wirkten auf einmal ein paar Nuancen blasser.
Die KASTA-FREIN schüttelte sich. Rhodan betätigte einige Schalter und zog den großen Schubregler zu sich heran. Vergeblich – sie flogen bereits seit mehreren Minuten mit Maximalbeschleunigung.
»Du musst den Kurs schneller variieren!«, rief Gayt-Coor. »Diese verdammte Jägerin ist uns viel zu nah.«
»Großartige Idee!«, gab Rhodan zurück. »Verraten Sie mir auch, woher ich die Energie dafür nehmen soll? Abgesehen davon, dass mir unser Antrieb ohnehin jeden Moment um die Ohren fliegt ...«
Aus den Tiefen der KASTA-FREIN drang ein dumpfes, rhythmisch an- und abschwellendes Brummen. Hin und wieder knackte und knirschte es im Boden, den Wänden und der Decke der Schiffszentrale. Wenigstens hatte der Petraczer den infernalischen Lärm des Alarms abgestellt, der den Raum zu Beginn des Angriffs erfüllt hatte. Allerdings bot auch die verbleibende Geräuschkulisse keinen Anlass zu Optimismus.
Im Ortungshologramm war die TEYTRECH deutlich zu erkennen. Das Raumfahrzeug der Ceynach-Jägerin Torytrae war kleiner als die KASTA-FREIN, ihr jedoch in allen Belangen überlegen. Ein schnelles, wendiges und schwer bewaffnetes Raumboot, gebaut und ausgerüstet für die Verfolgung. Die TEYTRECH war kurz nach der KASTA-FREIN von Yaanzar gestartet und hatte ihre Beute binnen kürzester Zeit eingeholt.
Die Frage ist, ob Torytrae mich lebend haben will, dachte Rhodan grimmig und zwang die KASTA-FREIN in eine enge Kurve. Zwei weitere Schüsse gingen knapp vorbei, aber der Terraner war beinahe überzeugt, dass das nicht an seinem Ausweichmanöver lag. Die Jägerin hatte absichtlich danebengeschossen. Sie genießt die Jagd. Sie spielt mit uns, weil sie es sich leisten kann. Weil sie weiß, dass wir ihr nicht entkommen können.
In wenigen Lichtstunden Entfernung leuchtete eine gelbe Sonne. Laut den Angaben der Instrumente war sie knapp doppelt so groß wie Sol. Der Gedanke an die ferne Heimat versetzte Rhodan einen Stich ins Herz. 55 Millionen Lichtjahre! Seit er wusste, dass es ihn in den Halo der Riesengalaxis M 87 verschlagen hatte – von den Bewohnern Naupaums Caddronaar genannt –, ging ihm diese Zahl nicht mehr aus dem Kopf.
55 Millionen Lichtjahre! Schon die zweieinhalb Millionen Lichtjahre nach Andromeda waren ihm einst unüberbrückbar vorgekommen. Mit der hochmodernen MAGELLAN hatten sie damals drei Monate gebraucht, um ihr Ziel zu erreichen. Nun war er um das mehr als Zwanzigfache von der Milchstraße entfernt.
Im Prinzip blieb ihm nur eine Möglichkeit: Er musste so zurückreisen, wie er hergekommen war. Doch dafür galt es erst mal herauszufinden, was ihm überhaupt widerfahren und wer dafür verantwortlich war.
Die nächsten zwei Energielanzen kamen schnell hintereinander – und saßen beide exakt im Ziel. Rhodan spürte, wie die Bordschwerkraft einen Moment lang auf mindestens das Sechs- oder Siebenfache des Standardwerts anstieg und sich danach wieder normalisierte. Das immerhin brachte Doynschto zum Schweigen. Der Yaanztroner stieß ein ersticktes Würgen aus. Dabei ruderte er mit den Armen wie ein Ertrinkender und schnappte nach Luft.
Die Belastungsanzeige des Abwehrschirms stieg auf über neunzig Prozent. Die nächste Salve würde das Energiefeld unweigerlich zum Zusammenbruch bringen.
»Na schön!«, rief Gayt-Coor wütend. »Dann eben auf die harte Tour!« Seine rechte Pranke verschwand unter der Kontrollkonsole. Noch bevor er sie wieder hervorzog, kam Bewegung in die Anordnung der wild zusammengewürfelten Sensoren und Schalter, die Rhodan am Pilotenplatz zur Verfügung standen. Die KASTA-FREIN sah nicht nur aus, als sei sie aus allen möglichen Bauteilen zusammengezimmert – sie war es auch. Die moderne holografische Bedientechnik, die Rhodan von den meisten terranischen Raumfahrzeugen kannte, gab es in dieser Zentrale nicht.
Rhodan hatte sich bereits erfolglos den Kopf darüber zerbrochen, was es mit einer kleinen Schalttafel in der oberen linken Ecke der Steuerkonsole auf sich hatte. Sie erfüllte keinen erkennbaren Zweck, und nun wurde offenbar, warum. Die quadratische Fläche mit einer Kantenlänge von etwa zwanzig Zentimetern glitt beiseite und gab den Blick auf fünf große, runde Knöpfe frei, die in grellem Giftgrün glänzten. Bevor Rhodan fragen konnte, hatte Gayt-Coor die ersten beiden schon gedrückt.
In der Mitte des Ortungsholos, in der die KASTA-FREIN als weiße Gitterstruktur prangte, entstanden jählings mehrere Dutzend rot glühende Punkte und strebten rasend schnell nach allen Seiten davon. Sekunden später war die TEYTRECH aus der Außenbeobachtungsdarstellung verschwunden – ebenso wie alle anderen Tasterechos, die von der Bordpositronik bislang auf Basis der Ortungsdaten dreidimensional vor die Pilotenkonsole projiziert worden waren.
»Sind wir ... transitiert?« Georges Jacques Danton hatte kurz gezögert, bevor er das letzte Wort seiner Frage aussprach. Mit den vielen neuen Fachbegriffen, die aus einer ihm völlig unbekannten Welt stammten, hatte er immer noch Probleme, gleichwohl er sich diesbezüglich beachtlich gut schlug. Der Mann, den es aus dem irdischen Frankreich des 18. Jahrhunderts nicht nur in die Zukunft des Jahres 2107, sondern obendrein in einen fernen Sternhaufen namens Naupaum verschlagen hatte, wirkte nicht im Geringsten beunruhigt. Er verfolgte das Geschehen mit dem nüchternen Interesse eines Zuschauers, der nichts zu befürchten hatte.
»Nein.« Rhodan schüttelte den Kopf. »Die Ortung ist ausgefallen. Ich nehme an, wegen einer Art Störstrahlung, die von den Objekten ausgeht, die Gayt-Coor gerade ausgestoßen hat.«
»Ich nenne sie Hyperrauchbomben!« Der Stimme Gayt-Coors war der Stolz anzuhören. »Nicht ganz billig, aber wie man sieht, hat sich die Anschaffung gelohnt.«
»Eher wie man nicht sieht«, versuchte Rhodan einen Scherz, auf den niemand reagierte. Er zuckte mit seinen yaanztronischen Schultern. »Denn leider sind nun auch wir völlig blind ...«
»Deshalb ist es höchste Zeit, das Weite zu suchen«, gab ihm Gayt-Coor recht – und drückte den dritten sowie vierten der fünf Knöpfe.
Ein schrilles Heulen ertönte. Gleichzeitig beschleunigte die KASTA-FREIN mit Werten, die Rhodan diesem zusammengeschusterten Gebilde aus Altmetall niemals zugetraut hätte. Offenbar hatte der Petraczer sein Raumfahrzeug mit einigen ganz besonderen Finessen ausgestattet.
Kein Wunder, flüsterte Hayvatschyt in Rhodans Kopf. Die Geschäfte, die Gayt-Coor nach eigenen Worten betreibt, sind ganz sicher nicht immer legal.
Rhodan nickte. Ja, bestätigte er mental. Da hat man gern noch ein Ass im Ärmel.
Ein was?, fragte Hayvatschyt.
Rhodan musste trotz der angespannten Lage grinsen. Vergiss es, dachte er an die Adresse seines Körpermitbewohners. Ein Sprichwort aus meiner Heimat.
In das allgegenwärtige Brummen und Heulen mischten sich weitere Laute. Es zischte, als würde irgendwo Gas austreten. Das Wummern, das das Brummen zunehmend überlagerte, kam zweifellos von den Reaktoren. Die Instrumente wiesen aus, dass die Energieerzeuger mit 130 Prozent im Überlastbereich liefen. So etwas konnte eine Weile gut gehen, früher oder später aber zahlte man den Preis dafür.
»Flieg in den Ortungsschatten der Sonne«, forderte ihn Gayt-Coor auf.
»Keine gute Idee«, widersprach Rhodan. »Dafür ist unser Schutzschirm zu schwach. Wir kämen nicht in die tieferen Schichten der Korona hinunter, und ein ungefährlicherer Nahorbit würde nicht reichen, um unsere Emissionsimpulse zu überdecken. Denn im Moment leuchten wir wie ein Weihnachtsbaum.«
Der Petraczer warf ihm einen schnellen Blick zu. Wahrscheinlich überlegte er, was ein Weihnachtsbaum war.
»Und was sollen wir stattdessen machen?«, fragte Gayt-Coor aggressiv.
Rhodan betrachtete die Anzeigen der Bordpositronik. Dank Hayvatschyt bereitete ihm das Naupasch, die örtliche Verkehrssprache, sowohl in Wort als auch Schrift längst keine Probleme mehr.
»Wir fliegen zurzeit mit vierzig Prozent der Lichtgeschwindigkeit«, murmelte er. »Wie schnell müssen wir mindestens sein, um transitieren zu können?«
»Sechzig, besser siebzig Prozent«, antwortete Gayt-Coor. »Und danach braucht die KASTA-FREIN eine Generalüberholung.«
Der Terraner wollte sich am rechten Ohr kratzen, zuckte jedoch zurück, als er die feinen Haarbüschel spürte, die dort wuchsen. Yaanztroner hatten lange, spitz zulaufende Ohren, ähnlich einer irdischen Fledermaus.
Rhodan lauschte dem leisen Kichern Hayvatschyts nach, den seine erschrockene Reaktion offenbar amüsierte. Wieder mal musste er an den arkonidischen Extrasinn denken. Sowohl Thora als auch Atlan hatten ihm schon oft von ihrer inneren Stimme erzählt und zu beschreiben versucht, wie es sich anfühlte, ein zusätzliches Bewusstsein zu haben, doch wirklich verstehen konnte Rhodan es nun erst. Auf gewisse Weise war es verstörend zu wissen, dass es da jemanden gab, mit dem er sogar seine intimsten Gedanken teilte.
So ist es nicht, Perry, flüsterte Hayvatschyt. Oder kannst du alles hören, was ich denke?
Rhodan stutzte. Sein Mentalpartner hatte recht. Er hörte Hayvatschyt immer nur dann, wenn der Yaanztroner dezidiert mit ihm sprach. Sonst war da lediglich eine Art ... Hintergrundrauschen. Ein Summen wie von einem Bienenschwarm, das manchmal anschwoll und scheinbar wirre Gedankenbilder produzierte, die jedoch leicht zu unterdrücken waren.
Genau, bestätigte Hayvatschyt. Die sogenannten Tiefengedanken sind in einem Trägerkörper dem jeweils anderen Bewusstsein verschlossen, wenn man sie ihm nicht aktiv zugänglich macht.
Woher weißt du das?, wollte Rhodan wissen. Ich bin doch dein erstes Ceynach.
Wieder lachte Hayvatschyt mental, diesmal lauter. Zum einen bekommen alle, die sich als freiwillige Körperwirte zur Verfügung stellen, eine intensive Schulung. Und zum anderen kann ich im Moment wenig mehr tun als denken. Ein Zeitvertreib, von dem ich ausgiebig Gebrauch mache ...
Das Ortungshologramm flackerte und lenkte Rhodans Aufmerksamkeit wieder auf die aktuellen Probleme. »Die Wirkung Ihrer Rauchbomben lässt nach«, stellte er fest.
Der angesprochene Gayt-Coor schnaubte, sagte aber nichts.
»Wozu ist der fünfte Knopf da?« Rhodan streckte die rechte Hand aus.
»Finger weg!«, rief Gayt-Coor so laut, dass der Terraner zurückzuckte.
»Schon gut«, sagte Rhodan. »Ich hatte nicht vor, ihn zu drücken.«
In diesem Moment erschien die TEYTRECH wieder im Ortungsholo. Nur einen Lidschlag später wurde die KASTA-FREIN erneut getroffen. Doynschtos Geschrei ersetzte den abgestellten Alarm spielend. Georges Danton verzog das Gesicht und krampfte die Hände um die Armlehnen seines Sessels. Nun schien auch er Angst zu haben.
»Wir haben den Schutzschirm verloren«, stellte Gayt-Coor fest.
Das Raumschiff bockte wie ein unwilliges Pferd, als Rhodan es in eine neue Flugbahn zwang. Der dritte Planet des Systems, eine grün-blaue Kugel mit einem Durchmesser von gut elftausend Kilometern, rückte ins Zentrum der Bilderfassung. Auf einem Nebenbildschirm erschienen automatisch ein paar Informationen aus den Datenbanken.
Die gelbe Sonne trug den Eigennamen Gala, ihr dritter Planet hieß Galaditas. Es handelte sich um eine schwülheiße Dschungelwelt mit atembarer Sauerstoffatmosphäre.
Warum ist diese Welt nicht besiedelt?, fragte sich Rhodan. Bei der in Naupaum herrschenden Übervölkerung müsste Galaditas doch fast schon als Paradies gelten ... Er wartete auf eine Antwort von Hayvatschyt, doch der schwieg.
»Was machst du?« Nun klang sogar Gayt-Coors Stimme panisch. Die KASTA-FREIN hielt frontal auf die Dschungelwelt zu. Die TEYTRECH folgte in zwei Lichtsekunden Abstand.
»Ich versuche unsere Ärsche zu retten«, stieß Perry Rhodan launig hervor.
Gayt-Coors gespaltene Echsenzunge huschte über seine schuppigen Lippen. Er ließ seine beeindruckenden Zahnreihen aufblitzen. »Wenn kein Wunder geschieht«, sagte er, »sind unsere Ärsche alles, was von uns übrig bleibt.«
2.
Perry Rhodan
Der Eintauchwinkel der KASTA-FREIN war viel zu steil. Als das Raumschiff auf die äußeren Schichten der Atmosphäre traf, fühlte es sich an, als flöge es gegen eine massive Wand. Die vier Insassen wurden in ihren Sicherheitsgurten kräftig durchgeschüttelt. Schützende Prallfelder gab es an ihren Sesseln nicht, aber die wären vermutlich ohnehin längst ausgefallen – so wie mittlerweile die meisten anderen Schiffssysteme.
Die TEYTRECH war zurückgeblieben und hatte keinen weiteren Schuss mehr abgefeuert. Möglicherweise wollte Torytrae erst mal abwarten, ob ihre Opfer die sich abzeichnende Havarie überlebten.
Von der Oberfläche des Planeten aus musste die KASTA-FREIN einen beeindruckenden Anblick bieten. Die Temperatur ihrer Außenhülle war auf mehr als dreitausend Grad Celsius angewachsen und stieg rasant weiter. Das Schiff zog einen Schweif aus ionisierten Luftmolekülen, durch die Reibungshitze erzeugtem Plasma und Trümmerteilen hinter sich her, die sich vom Rumpf gelöst hatten. Einem Beobachter im Dschungel wäre sie als weiß glühende Kometenkugel am Himmel erschienen.
Perry Rhodan war in Schweiß gebadet, und das nicht nur, weil die Klimaregulierung versagte und es unerträglich heiß geworden war. Er fungierte inzwischen als Pilot. Er hatte Gayt-Coor nach dem Start von Yaanzar abgelöst, weil dieser angeblich ein paar Anpassungen vornehmen wollte. Dann hatte Gayt-Coor bemerkt, dass sein Gast über eine enorme Erfahrung und natürliches Geschick auf diesem Gebiet verfügte, und ihm diese Aufgabe gern überlassen. Rhodan kam mit der KASTA-FREIN tatsächlich sehr gut zurecht. Das Raumfahrzeug mochte nicht dem neuesten Stand der Technik entsprechen, aber seine Maschinen waren gepflegt und es verfügte über eine leistungsstarke Positronik. Das Schiff reagierte auf jeden Lenkimpuls prompt und effizient.
Die erste Transition hatten sie im Zoornomsystem unmittelbar nach Erreichen der dafür nötigen Mindestgeschwindigkeit eingeleitet. Zu Rhodans Überraschung war ihnen Torytrae nach der Rematerialisation noch immer auf den Fersen gewesen. Wie sie das bewerkstelligt hatte, blieb vorerst ein Rätsel.
Rhodan zog den Bug, in dem die Zentrale untergebracht war, ein Stück nach oben. Die Temperatur stieg dennoch weiter, also erhöhte er den Schub der Bremsdüsen. Aus den Tiefen des Rumpfs – wahrscheinlich aus der zweiten Halbkugel, die das Heck mit den Reaktoren und dem Haupttriebwerk bildete – drangen einige dumpfe Schläge. Ohne Zweifel Explosionen im Bereich der Energieversorgung.
Ist Doynschtos Frage berechtigt?, flüsterte Hayvatschyt bang. Werden wir sterben?
Nicht wenn ich es verhindern kann, beschied Rhodan.
»Fünftausend Meter bis Bodenkontakt«, meldete Gayt-Coor. Rhodan konnte die in Naupaum üblichen fremden Maßeinheiten längst in irdische Angaben umsetzen, ohne noch bewusst darüber nachdenken zu müssen. »Wir sind noch immer zu schnell und zu steil.« Gegen das infernalische Heulen, Brummen und Pfeifen war er kaum zu verstehen.
Die KASTA-FREIN stieß durch ein grauweißes Wolkenfeld. Die Oberfläche des Planeten schälte sich aus dem Dunst und füllte die Außensichtbildschirme. Rhodan sah ein lückenloses Dach aus Grün. In der Ferne beherrschte ein Gebirgszug mit schneebedeckten Gipfeln den Horizont.
Verdammt!, fluchte er stumm. Wo zum Teufel soll ich hier landen?
Ein kurzer Blick über die Schulter zeigte ihm, dass Doynschto in seinem Sessel zusammengesunken war. Der Zerebralpfleger hatte die Arme vor dem Gesicht gekreuzt und drückte die spitzen Ohren fest an die Seite seines Kopfs. Dabei produzierte er ein Jammern, das an das klägliche Miauen von Katzenbabys erinnerte.
Georges Danton beugte sich zu ihm hinüber, soweit es seine Gurte zuließen, und redete leise auf Doynschto ein. Einmal mehr bewunderte Rhodan die Ruhe, die der Franzose an den Tag legte. Er hatte nicht nur die für ihn komplett exotische Umgebung schnell verarbeitet, sondern auch seinen yaanztronischen Körper nach erstaunlich kurzer Eingewöhnungszeit in den Griff bekommen.
Andererseits ..., dachte Rhodan. Was weiß ich schon über das, was in seinem Verstand vor sich geht?
Seskatsch hilft ihm ebenso, wie ich dir helfe, äußerte Hayvatschyt. Auch das bringt man Yaanztronern bei, die sich als Trägerkörper zur Verfügung stellen.
Rhodan konzentrierte sich wieder auf seine momentane Aufgabe. Die Geschwindigkeit der KASTA-FREIN verringerte sich nur langsam. Immerhin war die Temperatur der Außenhülle nun bei knapp viertausend Grad Celsius zum Stillstand gekommen. Dennoch musste er das Tempo unbedingt weiter reduzieren. Andernfalls würde der Aufprall das ohnehin geschundene Sternenschiff in Stücke reißen.
Dreitausend Meter ... zweitausend Meter ... tausend Meter ... Gayt-Coor wirkte auf einmal wie erstarrt. Sein Züngeln und die gelegentlichen ruckartigen Kopfbewegungen waren zum Stillstand gekommen. Sogar der muskulöse Schwanz stand vollkommen still. Seine Schuppenhaut glänzte, als habe sich ein dünner Film aus Feuchtigkeit darübergelegt. Irgendwie sah er aus als würde er ... beten?
Als die Unterseite des Schiffskörpers, die ersten Vegetationsspitzen berührte, zog Rhodan das Raumfahrzeug noch mal ruckartig nach oben. Es roch in der Zentrale plötzlich nicht mehr bloß nach scharfen Gewürzen, sondern vor allem nach verschmorter Isolierung und glühendem Metall.
Die KASTA-FREIN senkte sich als lodernder Feuerball in die höchsten Baumkronen des Dschungels. Das Knirschen und Knacken des Schiffskörpers verstärkte sich erneut. Das Material war höchsten Belastungen ausgesetzt, die Bordstatussensoren meldeten Dutzende Mikrofrakturen der Tragstruktur und mehrere gefährliche Rumpflecks. Hätten sie sich noch im Weltraum befunden, wäre es bereits das Aus gewesen. Rhodan ließ den mit fast fünfhundert Stundenkilometern dahinrasenden Raumer noch tiefer sinken.
Wenn uns die schwächer ausgeprägte Vegetation der oberen Baumschicht nicht ausreichend abbremst, bevor wir auf die dicken Stämme darunter treffen, können wir einpacken ...
Der Lärm steigerte sich zum Inferno. Die KASTA-FREIN neigte sich zur Seite und war kaum noch zu kontrollieren. Die wenigen weiterhin funktionierenden Außenkameras übertrugen ein Durcheinander aus Grün und Braun. Blätter, Äste, Blüten – alles vermischte sich zu einem schlierigen Bild, das in den Augen schmerzte, wenn man zu lange hinsah. Das Schiff pflügte eine breite Schneise in den Dschungel, zerfetzte meterdicke Baumriesen und setzte die umgebende Pflanzenwelt in Brand. Vogelschwärme erhoben sich kreischend in die Luft, dichter, grauer Qualm legte sich wie ein Leichentuch über die Spur der Zerstörung, die hinter dem Raumfahrzeug zurückblieb.
In der Zentrale kam sich Rhodan vor, als habe man ihn in die Trommel einer primitiven Waschmaschine gesteckt und den Schleudergang eingeschaltet. Die Welt drehte sich so schnell um ihn, dass er die aufkommende Übelkeit mit einem kurzen Schließen der Augen bekämpfen musste.
Halt endlich an!, dachte Rhodan intensiv. Warum hältst du nicht endlich an, verdammt? Doch die KASTA-FREIN schob sich unaufhaltsam weiter durch den Urwald und verringerte ihre Geschwindigkeit dabei nur widerstrebend.
Als es eine gefühlte Ewigkeit später schließlich vorbei war, als die Bewegung doch zum Stillstand kam und der Lärm auf ein erträgliches Maß abebbte, sahen sich der Terraner und Gayt-Coor eine Sekunde lang ungläubig an. Dann stieß der Petraczer ein kehliges Knurren aus – und drückte den letzten noch verbliebenen, giftgrünen Knopf.
Schlagartig wurde es pechschwarz ringsum, und Doynschto bekam einen hysterischen Schreianfall. Der dauerte jedoch nur ein paar Atemzüge. Dann erklang ein lautes Klatschen, und der Yaanztroner verstummte ansatzlos. Dem schuldbewussten Gesicht von Georges Danton entnahm Rhodan kurz darauf, dass es der Franzose gewesen war, der den Zerebralpfleger mit einer kräftigen Ohrfeige zum Schweigen gebracht hatte.
Gayt-Coor schaltete einige kleine, portable Notlampen ein und drückte sie seinen Passagieren in die Hände. Vermutlich hatte der letzte Knopf sämtliche energetischen Aktivitäten an Bord des Wracks beendet; der Petraczer hatte seinem Schiff buchstäblich die Lichter ausgeknipst.
Damit erschwert er Torytrae die Ortung, dachte Rhodan. Allerdings braucht die Yuloc nur der Schneise zu folgen, die die KASTA-FREIN im Dschungel hinterlassen hat ...
Das Echsenwesen führte sie zu einer runden Luke, die dem Terraner bislang nicht aufgefallen war. Sie quietschte in den Scharnieren, als Gayt-Coor sie öffnete und ihnen bedeutete, hindurchzusteigen. Danton half Doynschto, der sich den Kopf am Rand des Notausgangs anschlug, jedoch keinen Laut von sich gab.
Dahinter führte eine schmale Röhre schräg in die Tiefe und endete in einem kugelförmigen Verteiler. Zum Glück war die KASTA-FREIN in der richtigen Lage zur Ruhe gekommen und der ungewöhnliche Fluchtweg nirgendwo beschädigt worden.
»Manchmal hat man es eben eilig«, kommentierte der Petraczer lakonisch, »und vielleicht gerade den Schlüssel zum Hauptschott verlegt.«
Der Verteiler brachte sie in einen Hangar, der diesen Namen eigentlich nicht mehr verdiente. Immerhin blieb ihnen erspart, sich mit defekten Schleusen herumzuschlagen, denn die gab es nicht mehr. Die gesamte Externseite der Halle war wie mit einem Messer abgeschnitten, und durch die leicht gerundete Decke zog sich ein meterhoher Riss. Schwülwarme Luft schlug ihnen entgegen.
Rhodan lief erneut der Schweiß aus allen Poren. Danton trat an seine Seite, und gemeinsam starrten sie auf den dampfenden Dschungel, der außerhalb des Wracks zu sehen war. Teilweise hatte sich die üppige Vegetation sogar ein Stück in den Hangar hineingeschoben. Einige Ranken, an denen dicke, fleischige Blätter wuchsen, brannten immer noch. Wo die Hitze hingegen bereits abgeklungen war, hatte sich entlang der Pflanzenhaut ein schwarzer Schorf gebildet, aus dem eine weißliche Flüssigkeit sickerte. Schwärme von Fluginsekten umschwirrten die Männer. Begleitet wurde das alles von einer Kakofonie aus Brüllen, Kreischen, Pfeifen und Keckern.
»Kommt schon!«, riss sie Gayt-Coors Stimme aus dem Staunen. »Wir haben nicht viel Zeit. Torytrae wird garantiert gleich hier sein.«