Perry Rhodan Neo 289: Im Land Catron - Rüdiger Schäfer - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan Neo 289: Im Land Catron E-Book und Hörbuch

Rüdiger Schäfer

3,0

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Beschreibung

Vor sieben Jahrzehnten ist Perry Rhodan auf Außerirdische getroffen. Die Menschheit ist zu den Sternen aufgebrochen und hat fremde Welten besiedelt, ist aber auch in kosmische Konflikte verwickelt worden. Seit fünf Jahren umkreisen Erde und Mond eine fremde Sonne. Außerdem haben die Überschweren zeitweilig das Solsystem und alle terranischen Kolonien besetzt. Mittlerweile sind diese Welten jedoch wieder befreit. Im Jahr 2107 wird Rhodan als körperloses Gehirn in den fernen Sternhaufen Naupaum entführt und in einen fremden Körper versetzt. Auch der Terraner Roi Danton erlebt dieses Schicksal. Gemeinsam suchen sie einen Weg zurück nach Hause – den zumindest Rhodan schließlich nutzen kann. Aber der Ferntransport seines Gehirns wird von einer unbekannten Macht manipuliert. Perry Rhodan findet sich auf einer archaischen Welt wieder, mitten in einem erbitterten Krieg zwischen vertrauten Fremden. Seine Odyssee geht weiter IM LAND CATRON ...

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Zeit:5 Std. 37 min

Sprecher:Hanno Dinger
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Band 289

Im Land Catron

Rüdiger Schäfer

Cover

Vorspann

1.

2.

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6.

7.

8.

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19.

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Impressum

Vor sieben Jahrzehnten ist Perry Rhodan auf Außerirdische getroffen. Die Menschheit ist zu den Sternen aufgebrochen und hat fremde Welten besiedelt, ist aber auch in kosmische Konflikte verwickelt worden.

Seit fünf Jahren umkreisen Erde und Mond eine fremde Sonne. Außerdem haben die Überschweren zeitweilig das Solsystem und alle terranischen Kolonien besetzt. Mittlerweile sind diese Welten jedoch wieder befreit.

Im Jahr 2107 wird Rhodan als körperloses Gehirn in den fernen Sternhaufen Naupaum entführt und in einen fremden Körper versetzt. Auch der Terraner Roi Danton erlebt dieses Schicksal. Gemeinsam suchen sie einen Weg zurück nach Hause – den zumindest Rhodan schließlich nutzen kann.

Aber der Ferntransport seines Gehirns wird von einer unbekannten Macht manipuliert. Perry Rhodan findet sich auf einer archaischen Welt wieder, mitten in einem erbitterten Krieg zwischen vertrauten Fremden. Seine Odyssee geht weiter IM LAND CATRON ...

1.

Er war nackt. Das war seine erste bewusste Empfindung.

Gleich danach folgte die Kälte. Ein eisiger Wind strich über ihn hinweg und ließ ihn zittern. Seine Füße steckten in einer klammen, breiigen Masse, die zwischen den Zehen hervorquoll und sich die Knöchel hinaufschob.

Dann brach ein Geräuschorkan über ihn herein, als habe jemand die Lautsprecher einer leistungsstarken Musikanlage eingeschaltet. Nur dass keine Musik zu hören war, sondern das Klirren von Metall auf Metall. Schreien und Stöhnen, menschlich und doch beunruhigend fremd. Dazu Brüllen und Kreischen, alles andere als menschlich und absolut furchterregend. Die akustische Untermalung eines Kampfes ... nein, einer Schlacht.

Wo bin ich?, schoss ihm die naheliegende Frage durch den Sinn. Perry Rhodan riss die Augen auf.

Der riesige Schatten kam direkt auf ihn zu. Die Wucht des Aufpralls schleuderte Rhodan zu Boden. Rücken, Arme und Beine versanken tief im zähen Untergrund. Er hob die rechte Hand. Sie war von graubraunem Schlamm besudelt.

Nun erst sprang ihn seine Umgebung an wie ein Raubtier. Die Eindrücke prasselten von allen Seiten auf ihn ein. Was ihn wie eine Naturgewalt von den Füßen gefegt hatte, war ein ... Monster! Eine ungeschlachte Gestalt, die lediglich mit einer Art Schürze bekleidet war. Ihre borkige Haut war von hässlichen, schlecht verheilten Narben bedeckt. Finger so dick wie Feuerwehrschläuche umschlossen den Stiel eines mächtigen Hammers. Rhodan war sicher, dass er die Waffe nicht mal anheben, geschweige denn hätte schwingen können.

Der Kopf der Kreatur wirkte entfernt humanoid: winzige Augen, eine große, zweigeteilte Nase, fleischige Lippen, hinter denen sich schwarze Zähne versteckten. Die Ohren des Riesen sahen aus, als habe ein gelangweilter Bildhauer einfach zwei Klumpen Ton an die Schläfen geklatscht und sich nicht mehr die Mühe gemacht, sie auszuformen. Schlammige, verfilzte Haare verteilten sich wahllos über den Schädel.

Das Ding sieht wie ein Ork aus, dachte Rhodan. Wie eins jener fiktiven Wesen aus »Der Herr der Ringe«. Die berühmte Romantrilogie des britischen Schriftstellers J. R. R. Tolkien gehörte auch zu Beginn des 22. Jahrhunderts zu den zeitlosen literarischen Klassikern der terranischen Kultur. Vor allem Rhodans Tochter Nathalie war als kleines Mädchen von den Geschichten begeistert gewesen.

Der Gigant fixierte Rhodan mit seinen Schweinsäuglein. Auf der breiten Stirn des Ungeheuers bildeten sich zentimetertiefe Falten. Der Terraner glaubte, das Rattern und Quietschen des trägen Denkapparats seines Gegenübers förmlich hören zu können.

Worauf wartest du?, rügte er sich. Darauf, dass sich dein Freund entscheidet, ob er dir gleich hier den Kopf abreißt oder dich lieber mit nach Hause nimmt, um noch ein bisschen mit dir zu spielen?

Rhodan lauschte auf einen Kommentar von Hayvatschyt, doch sein Geistesbruder blieb stumm. Das erschien dem Terraner höchst ungewöhnlich. Dann erinnerte er sich an seine schlammbeschmierte Hand. Er riss den rechten Arm erneut nach oben.

Fünf Finger! Glatte, helle Haut! Er betastete seine Ohren, seine Nase.

Ich bin wieder in meinem eigenen Körper!, begriff er. Ich bin kein Yaanztroner mehr, sondern ein Mensch!

Hatte der Transfer von Naupaum in die Milchstraße funktioniert? Aber wo war er dann gelandet? Warum war er nicht in einem Medotank oder einer Kryoeinheit aufgewacht, sondern auf einem matschigen Schlachtfeld, umgeben von Gestalten aus einem Fantasybuch? Träumte er? Lag er im Koma und erlebte das alles nicht wirklich?

Mehr Zeit zum Nachdenken ließ ihm der Ork nicht. Mit einem ohrenbetäubenden Brüllen zerrte er seinen Hammer in die Luft und holte aus. An seiner Absicht bestand nicht der geringste Zweifel.

Rhodan sprang auf die Beine, wollte losrennen ... und rutschte prompt aus. Diesmal stürzte er mit dem Gesicht voran in den Schlamm. Es war purer Instinkt, der ihn veranlasste, sich sofort zur Seite zu rollen. Da bebte auch schon die Erde. Der Hammer des Orks schmetterte nur Zentimeter neben Rhodan auf den Boden, und eine Woge aus dunklem Morast ergoss sich über ihn. Da erst nahm er den abscheulichen Gestank wahr, den die feuchte Pampe ausströmte. Eine brechreizerregende Mischung aus Fäulnis, Blut, Schweiß und Exkrementen. Doch die Geruchsbelästigung war im Moment die geringste seiner Sorgen.

Die Kreatur war von ihrem Misserfolg keineswegs entmutigt. Im Gegenteil schien sie das eher anzustacheln. Mit wütendem Gebrüll setzte sie nach – und diesmal wollte sie ihr Opfer offenbar einfach niederwalzen. Die Körpermasse dafür hatte sie.

Rhodan rannte seinerseits los. Überall ringsum wurde gekämpft. Pfeile zischten durch die Luft. Er vernahm das Prasseln von Feuer, roch Rauch und heißen Teer. In dem Nebel, der über dem Schlachtfeld lag, erkannte er weitere Riesen wie den, der ihn verfolgte. Dazwischen bewegten sich merklich kleinere Gestalten. Eindeutig humanoid und auf den ersten Blick nicht von Menschen zu unterscheiden. Sie trugen Rüstungen und drangen mit Ketten, Äxten und Schwertern auf die Monster ein.

Einer der menschlichen Krieger wurde auf den Terraner aufmerksam. Er hielt in der Bewegung inne und starrte Rhodan überrascht an. Das Gesicht war unter dem klobigen Helm kaum zu erkennen; im Gegensatz zu dem langen Bart, der unter dem mit Nieten besetzten, metallenen Kopfschutz hervorwucherte. Einen splitterfasernackten Mann im Kampfgetümmel hatte der Fremde vermutlich noch nie erblickt. Sein Erstaunen war somit nicht verwunderlich.

Rhodan sah das Unheil kommen und wollte den Krieger warnen, doch es war bereits zu spät. Ein Ork hatte den kurzen Moment der Unaufmerksamkeit genutzt und sich genähert. Nun packte er den verdutzten Burschen mit seiner Pranke um die Körpermitte und schleuderte ihn davon, als habe er es mit einer leblosen Gliederpuppe zu tun.

Rhodan kümmerte sich nicht weiter um den Zwischenfall, denn in diesem Moment war sein eigener Verfolger heran. Es war ein Vabanquespiel, nackt, wie er war, durch das Getümmel der Kämpfenden zu laufen, aber ihm blieb keine Wahl. Er musste Distanz zu den Kriegsparteien gewinnen und sich orientieren. Sofern das alles kein Traum war – und danach fühlte es sich nicht an –, konnte schon ein einziger fehlgeleiteter Pfeil oder zufälliger Schwerthieb seinen Tod bedeuten.

Das Fortkommen gestaltete sich alles andere als einfach. Es kostete immense Kraft, die Füße immer wieder aus dem Morast zu ziehen und den nächsten Schritt zu machen. Außerdem setzte ihm die Kälte mehr und mehr zu. Er brauchte lange Sekunden, um zu begreifen, dass er das leise, enervierende Klappern in seinen Ohren mit den eigenen Zähnen erzeugte.

Der Ork war groß und stark, aber nicht sonderlich schnell. Mit Glück und Geschick schaffte es Rhodan, den Abstand zwischen sich und seinem Jäger zu vergrößern. Der Ork setzte seinen Hammer ziemlich wahllos ein und traf dadurch nicht nur die menschlichen Kontrahenten in seiner Nähe, sondern oft auch einen seiner Kameraden. Die fanden das nicht besonders lustig und teilten ihrerseits aus. Das verschaffte dem Terraner die Sekunden, die er brauchte.

Vor Rhodan tauchte ein Trümmerhaufen aus Holzbohlen und rostigen Eisenbeschlägen auf. Vielleicht die Überreste eines Belagerungsturms oder Katapults; das war nicht mehr genau festzustellen. Dort wurde schon allein aufgrund des Platzmangels weniger intensiv gekämpft. Rhodan legte sich flach auf den glitschigen Boden und schob sich in eine Lücke des Schuttbergs. Hinter ihm erklang das wütende Brüllen des Orks. Hatte der Koloss ihn aus den Augen verloren? Würde er sich nun womöglich anderen Gegnern zuwenden?

Ein scharfer Schmerz am linken Oberarm lenkte Rhodans Aufmerksamkeit wieder auf seine prekäre Situation. Er hatte sich an einem Nagel verletzt, der aus einem zersplitterten Kantholz ragte. Blut strömte aus dem fingerlangen Schnitt und vermischte sich mit Schlamm. Eine vergleichsweise harmlose Wunde – aber wer wusste schon, welche heimtückischen Erreger diese fremde Welt bevölkerten? Vorerst blieb ihm nichts anderes übrig, als sich auf seine relative Unsterblichkeit zu verlassen, denn die schützte ihn für gewöhnlich nicht nur vor der natürlichen Alterung, sondern auch vor Giften und gefährlichen Keimen aller Art.

Ein unförmiges Bündel blockierte seinen weiteren Weg. Erst als er es zur Seite schieben wollte, wurde ihm klar, dass es sich um einen reglosen Körper handelte. Ein Mann in einer lederbeschlagenen Rüstung. Ein Fühlen nach dem Puls erübrigte sich, denn der Helm, den er trug, war in der Mitte gespalten – ebenso wie sein Schädel.

Rhodan unterdrückte ein Würgen. Er wusste, was er zu tun hatte, auch wenn es ihn mit großem Widerwillen erfüllte. Hektisch nestelte er an den dünnen Riemen, die den Brustharnisch des Toten an Ort und Stelle hielten. Es dauerte schier endlos lange Minuten, dann hatte Rhodan es geschafft. Die von Blut und Schlamm getränkte Unterkleidung bestand aus grober Wolle und klebte unangenehm auf der Haut, als Rhodan sie anzog. Die einfachen Schuhe, die Beinschienen und der Harnisch waren aus gegerbten Lederplatten gefertigt und mit kleinen Kettengliedern verbunden, um die Beweglichkeit zu erhöhen.

Auf den Helm verzichtete er. Zum einen bestand er aus Metall und war viel zu schwer, zum anderen war er stark beschädigt. Rhodan entdeckte am Gürtel der Leiche auch eine schmale Messerscheide aus Tierfell. Die darin steckende Klinge war in tadellosem Zustand und wies an ihrem Griff eine Reihe kunstvoller Ziselierungen auf. Sie sahen wie Schriftzeichen aus, ähnelten jedoch nichts, was Rhodan kannte.

Obwohl ihn seine neue Ausstattung nicht sonderlich wärmte, fühlte sich Rhodan nach dem Anlegen um einiges besser als zuvor. Vor allem würde er nun nicht mehr so sehr aus der Masse hervorstechen. Und wenngleich ihm der Dolch in einem ernsthaften Kampf kaum nutzte, war er einfacher zu handhaben als die klobigen Schwerter und Äxte, die vielerorts herumlagen.

Der Ork mit dem Hammer war tatsächlich verschwunden. Zumindest konnte Rhodan ihn nirgendwo ausmachen. Aus der halbwegs sicheren Deckung des Trümmerhaufens heraus sondierte er die Lage. Die Schlacht war in vollem Gange. Überall drangen die Kontrahenten aufeinander ein; auf der einen Seite die menschlichen Krieger mit ihren Hieb- und Stichwaffen, auf der anderen Seite die Orks und eine stattliche Anzahl anderer, nicht weniger abscheulicher Kreaturen, die Keulen, Morgensterne, Ketten und weitere massive Schlaginstrumente einsetzten. Für einen Moment glaubte Rhodan sogar ein Wesen zu erspähen, das wie eine Gottesanbeterin mit humanoidem Oberkörper aussah. Doch einen Lidschlag später war es schon wieder im Kampfgetümmel verschwunden.

Torytrae?, durchfuhr es ihn. Eine Yuloc?

Der Gedanke erinnerte ihn schmerzhaft an seine Gefährten, die er auf Payntec zurückgelassen hatte. Doynschto, den Zerebralpfleger, der ihn auf Yaanzar in den Körper des Yaanztroners Hayvatschyt transferiert hatte. Gayt-Coor, den vorlauten, aber loyalen Petraczer, ohne den Rhodan Payntec niemals erreicht hätte. Und natürlich Georges Jacques »Roi« Danton, den Mann aus der irdischen Vergangenheit, dessen Schicksal um so vieles tragischer war als alles, was Rhodan selbst erlebt hatte. Sogar Torytrae, die Ceynach-Jägerin, die ihm zunächst nach dem Leben getrachtet, sich dann aber wie er als Zeitträgerin erwiesen und ihm und seinen Begleitern angeschlossen hatte, war ihm in kurzer Zeit ans Herz gewachsen. Sie alle hatten Unglaubliches durchlitten und waren dabei ein Team, teilweise sogar Freunde geworden, die schließlich den Peregrosch, den naupaumschen Pilgerweg, überstanden und ihr Ziel erreicht hatten.

Sie haben alles riskiert, um mir den Weg nach Hause zu ebnen, dachte er. Und sind dabei selbst zurückgeblieben. Ich werde sie nie mehr wiedersehen. Ich weiß nicht mal, ob man sie womöglich verhaftet, eingesperrt oder sogar getötet hat.

2.

Im ersten Augenblick dachte Perry Rhodan an einen Vogelschwarm. Die Wolke aus flatternden, wild durcheinanderwuselnden und ungefähr faustgroßen Tieren senkte sich wie ein dunkler Vorhang über die Ebene. Die kleinen Biester stürzten sich nicht nur auf die kämpfenden Menschen, sondern auch auf den Bretterhaufen, unter dem Rhodan Zuflucht gefunden hatte. Vielleicht waren die Tiere in der Lage, die von seinem Körper abgestrahlte Wärme zu orten – oder sie nahmen den Schlag seines Herzens und das Rauschen des Bluts in seinen Adern wahr.

Plötzlich erklangen von überall her Schreie. Rhodan schlug hektisch mit beiden Händen, als ein gutes Dutzend der Kreaturen über ihn herfiel, sich durch die Lücken des Trümmerbergs quetschte und ihn mit winzigen, aber äußerst spitzen Zähnen attackierte. In dem Gewimmel erkannte er sehnige Schwingen, runde, schwarze Augen und kugelförmige, fellbedeckte Körper als schnell wechselnde Eindrücke. Fast die Hälfte des Rumpfs der entfernt an Fledermäuse erinnernden Geschöpfe bestand aus ihrem Maul. Wenn sie es aufrissen, wirkte es, als teile sich ihr Körper in der Mitte und klappe an einem unsichtbaren Scharnier auseinander.

Wie Pac-Man im gleichnamigen Videospiel aus den 1980er-Jahren, dachte Rhodan. Nur wesentlich gefährlicher ...

Erfreulicherweise hielt seine Lederkleidung den meisten Attacken stand. Nur da und dort gelang es einem der Tiere, durchzudringen und sich in seine nackte Haut zu verbeißen. Rhodan hatte den ersten Schreck schnell unter Kontrolle gebracht. Statt die Kreaturen einfach wegzureißen und sich damit möglicherweise noch schlimmer zu verletzen, zog er das Messer aus der Scheide und entfernte die Plagegeister mit schnellen, gezielten Schnitten.

Keuchend arbeitete er sich unter dem Schutthaufen hervor und hetzte weiter. Dabei ließ er das Messer immer wieder mit kräftigen Bewegungen und in weitem Bogen durch die Luft schwirren. Wenn es auf Widerstand traf, erklangen hohe, quiekende Laute, die in den Ohren schmerzten. Doch es kam ihm so vor, als drängten die Tiere nicht mehr ganz so vehement auf ihn ein.

Inzwischen hatten die menschlichen Krieger an mehreren Stellen Fackeln entzündet und gingen damit gegen den Schwarm vor. Die Flügel der Tiere fingen erstaunlich leicht Feuer. Wenn sie in ihrer Panik davonflatterten, setzten sie meist weitere Artgenossen in Brand, sodass sich schnell erhebliche Lücken in der riesigen Wolke bildeten.

In dem entstandenen Chaos achtete niemand auf Rhodan. Die Orks und anderen Monster waren auf einmal wie vom Erdboden verschluckt. Vielleicht hatte das Trompeten sie zum Rückzug veranlasst. Der unbekannte Feldherr, der in dieser Auseinandersetzung die Befehle aufseiten der Ungeheuer gab, war wohl zu dem Schluss gelangt, dass es neuer Strategien bedurfte, um diesen Kampf zu gewinnen.

Das führte immerhin dazu, dass Rhodan zügig vorankam und bald den Rand des Schlachtfelds erreichte. Dort war der Boden fester und mit braunen Grasbüscheln bewachsen. In einiger Entfernung gewahrte er den Saum eines größeren Waldstücks. Darauf hielt er zu.

Es hatte leicht zu regnen begonnen. Der Nebel löste sich nach und nach auf. Rhodan drehte den Kopf und spähte zurück. Wie es aussah, verlief der Angriff der Pac-Man-Fledermäuse nicht sonderlich erfolgreich. Ihre zu Beginn noch fest geschlossenen Reihen hatten sich erheblich gelichtet; die spitzen Schreie wurden weniger und immer leiser. Außerdem ergriffen mehr und mehr Tiere die Flucht, erhoben sich mit schnellen Flügelschlägen in den wolkenverhangenen Himmel und flatterten davon.

Rhodan richtete seine Aufmerksamkeit auf das vor ihm liegende Waldstück. Die Bäume muteten mit ihrer rauen Borke, den fein verästelten Kronen und den sanft gezackten Blättern an wie irdische Eichen. Der Regen zauberte Millionen winziger Perlen auf das dichte Laub und ließ sie im matten Dämmerlicht funkeln. Unter anderen Umständen hätte er dieses Schauspiel genossen.

Das alles hier sieht der Erde sehr ähnlich, aber es ist nicht die Erde, überlegte er.

Er musste an den Flug der SOL durch die Dunkelwolke Bacor-Kavi im Zentrum des Kugelsternhaufens M 3 denken. Dort hatte er es zweimal mit Umgebungen zu tun bekommen, die aus den Erinnerungen von Lebewesen entstanden und durch neutrale Quanten – sogenannte Neuter – geformt worden waren. Zum einen das Sol-II-System, für das er selbst verantwortlich gewesen war, zum anderen das fiktive Arkonsystem im Kern einer Quantenquelle, das auf den Gedanken von Atlan da Gonozal und Mirona Thetin beruht hatte.

Hielt er sich abermals in einer solchen Phantasiewelt auf? Hatte etwas oder jemand einmal mehr sein Gedächtnis angezapft und aus den erbeuteten Daten diese bizarre Bühne erschaffen? Wenn dem so war, blieb die Frage nach dem Sinn und Zweck des Ganzen.

Rhodan tauchte in den Schutz des Walds ein und brachte sich damit endgültig aus dem Einfluss- und vor allem dem Sichtbereich des Schlachtfelds. Er schlüpfte kurz aus den Stiefeln und kippte das braune Wasser aus, das sich darin gesammelt hatte. Sie wieder anzuziehen, kostete Überwindung. Er war bis auf die Knochen durchnässt, fror erbärmlich und stank zum Himmel. Er brauchte dringend ein Bad, ein wärmendes Feuer und trockene Kleidung – danach würde er sich um das kümmern, was ihm zugestoßen war, und herausfinden, wo er sich befand und wie er seinen Weg nach Hause fortsetzen konnte.

Weil nirgendwo ein Pfad zu erkennen war, ging er einfach geradeaus weiter. Nach etwa zehn Minuten erreichte er eine Lichtung. An ihren Rändern wuchsen halbhohe Büsche, zwischen deren fleischigen Blättern Beeren hingen. Die prallen, kirschgroßen Früchte schimmerten in appetitlichem Rot und erinnerten den Terraner daran, dass er bereits längere Zeit nichts mehr gegessen hatte. Zögernd pflückte er eine der Beeren und betrachtete sie.

Früher oder später wirst du Nahrung benötigen, machte er sich klar. Und deine relative Unsterblichkeit sollte dich vor einer möglichen Vergiftung schützen.

Trotzdem beschloss er, vorsichtig zu sein, grub die Fingernägel beider Daumen in die dünne Schale der Frucht und drückte kräftig zu. Die Beere platzte auf – und Rhodan ließ sie mit einem Schrei des Entsetzens fallen. Angewidert starrte er auf das Gewimmel vor ihm auf dem feuchten Waldboden. Zwischen den Resten des Fruchtfleischs krochen mindestens zwei Dutzend weißer Maden umher. Ihres sicheren Kokons beraubt, strebten die nur wenige Millimeter langen Würmer nach allen Seiten davon, um woanders Schutz zu suchen.

Erneut musste Rhodan ein Würgen im Hals niederringen. Allein die Vorstellung, er hätte die Beere einfach in den Mund gesteckt und zugebissen, löste starken Brechreiz aus. Schnell verbannte er diese Gedanken in einen fernen Winkel seines Verstands und konzentrierte sich bewusst auf etwas anderes. Seine Übelkeit verschwand binnen weniger Sekunden. Diese Form assoziativer Mentalkontrolle war ein Kernelement der arkonidischen Dagorschule. Thora hatte sie ihm beigebracht und so lange mit ihm geübt, bis er sie beherrscht hatte.

Die Erinnerung an seine Frau schmerzte und tröstete ihn zugleich. Nach kurzer Suche entdeckte er ein paar Farnwedel, in deren gewölbter Innenfläche sich Regenwasser gesammelt hatte. Er kostete vorsichtig. Das Wasser war kühl und schmeckte frisch.

Am besten mache ich mich auf die Suche nach einer Ansiedlung, überlegte Rhodan, während er seinen Marsch durch den Wald schließlich fortsetzte. Die Menschen, die auf dem Schlachtfeld gekämpft haben, müssen ja irgendwoher gekommen sein.

Er wusste nicht, wie lange ihm noch Tageslicht zur Verfügung stand. Die Sonne war schon durch die Wolkendecke hindurch nicht zu sehen gewesen. Zwischen den Bäumen war es noch düsterer, und er verspürte wenig Lust, eine Nacht in dieser Umgebung zu verbringen. Noch dazu so nass, hungrig und unterkühlt, wie er war.

Er schätzte, dass gut zwei Stunden verstrichen waren, als er ein fernes Rascheln und Knacken vernahm. Sofort ging er hinter einem breiten Baum in Deckung und versuchte herauszufinden, von wo die Geräusche kamen. Kurz darauf vernahm er vereinzelte Worte. Es handelte sich fraglos um mindestens zwei Personen – und sie bewegten sich auf ihn zu. Sie gaben sich keine Mühe, ihre Anwesenheit zu verbergen, was darauf schließen ließ, dass sie die Gegend kannten und sich sicher fühlten. Wenige Atemzüge später konnte Rhodan die ersten Sätze verstehen. Darüber, warum die Worte klar verständliches Englisch waren, grübelte er im Moment nicht nach.

»Geht das ein bisschen schneller, Fartim?«, rief eine eindeutig männliche Stimme. »Wenn wir zu spät zum Appell kommen, zieht uns der Alte die Haut in Streifen vom Leib.«

»Geh mir nicht auf die Nerven, Ustrak!«, erwiderte ein anderer Mann. »Wir sind gut in der Zeit. Außerdem glaube ich, dass du viel eher Angst hast, dein Stelldichein mit der drallen Tagrete zu versäumen.« Fartim lachte anzüglich. »Hat sie dich schon so fest an der Kandare?«

»Halt dein schmutziges Schandmaul!«, gab Ustrak zurück. »Sonst verpasse ich dir den nächsten Haarschnitt mit meinem Schwert.«

Fartim lachte erneut, sagte aber nichts mehr.

Zwischenzeitlich hatte sich Rhodan ein paar Meter durch das Unterholz geschoben und die Deckung einer hohen Grasinsel erreicht. Vorsichtig hob er den Kopf und spähte in die Richtung, von wo der kurze Dialog seiner Meinung nach gekommen war.

Verdammt!, fluchte er stumm. Nichts zu sehen. Hatte er sich geirrt? Hatte ihn die Akustik des Walds genarrt?

Angestrengt verharrte er auf der Stelle, hielt sogar den Atem an. Nichts! Nicht mal mehr das Rascheln von Blättern und das Knacken von brechenden Zweigen. Es schien fast, als habe er sich den kurzen Dialog nur eingebildet. Der Zustand seines Nervenkostüms ließ diese Möglichkeit durchaus zu.

»Na, wen haben wir denn da?«

Rhodan fuhr erschrocken herum. Die Stimme war unmittelbar hinter ihm erklungen.

Wie ihn die beiden Männer bemerkt und sich heimlich an ihn herangeschlichen hatten, konnte er sich nicht erklären. Aber es waren ohne Zweifel Soldaten jener Art, wie er sie einige Stunden zuvor auf dem Schlachtfeld gesehen hatte. Ihre ledernen Uniformen wiesen Risse auf und waren an zahlreichen Stellen geflickt. Die schweren Helme baumelten an Gürtelhaken. Die breiten Schwerter hingegen hatten sie gezogen und hielten ihre Spitzen auf Rhodan gerichtet. Die stählernen Klingen waren zwar ebenfalls von Scharten und Einbuchtungen übersät, ansonsten aber tadellos gepflegt und fraglos gut geschärft.

Rhodan hob beide Arme in die Luft und trat einen Schritt zurück. Die Männer trugen die ungepflegten Haare schulterlang; ihre verfilzten Bärte waren garantiert schon viele Monate nicht mehr gewaschen oder gar gestutzt worden. Für einen Moment glaubte der Terraner sogar, einen kleinen Käfer zu sehen, der unter dem Schultergurt des Brustharnischs eines der beiden Soldaten hervorlugte und sofort wieder verschwand.

»Bist du taub?«, rief Ustrak, den Rhodan an seiner Stimme erkannte, und entblößte dabei eine Reihe schadhafter Zähne. Der Krieger machte einen Schritt nach vorn und hob drohend das Schwert. »Wer bist du? Was machst du hier? Und wo ist der Rest deiner Ausrüstung?«

Natürlich, dachte Rhodan. Ich besitze weder Helm noch Schwert. Der erste Schreck war überwunden. Nun galt es zu improvisieren, was er durchaus beherrschte.

»Entschuldigt bitte«, antwortete er. »Mein Name ist Perry. Ich ... Nun, ich muss zugeben, dass es mir ein wenig peinlich ist. Aber ich habe Kopfschutz und Waffe im Kampf verloren.«

»Ist das so?« Ustrak klang misstrauisch. »Und warum läufst du dann wie ein verirrtes Gullak im Wald umher, Bursche? Wer ist dein Kommandant?«

Nun wurde es heikel. Rhodan blinzelte heftig, warf mehrmals den Kopf in den Nacken und schlug sich mit der flachen Hand an die Schläfe.

»Ich ... äh ... Ich ...«, stammelte er. »Tut mir leid ... Hab einiges abgekriegt da draußen ...« Er machte eine vage Geste in die Richtung, in der er das Schlachtfeld vermutete. »Dieses Summen im Kopf ... das Pfeifen in den Ohren ... Ihr versteht?«

Ustrak legte die Stirn in Falten und musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen. »Du erinnerst dich nicht mehr an den Namen deines Kommandanten?«, fragte er skeptisch. »War es Kestral? Oder Tinogus?«

Vorsicht!, meldete sich Rhodans innere Stimme sofort. Das kann eine Falle sein!

»Äh ... nein ... Oder doch? Ich kriege es einfach nicht mehr zusammen.« Er ließ ein weiteres Blinzeln und ein Kopfzucken als Zugabe folgen.

Fartim war ebenfalls näher getreten. Nun packte er Rhodans rechtes Handgelenk und zog es zu sich heran. »Schau dir seine zarten Hände an«, forderte er Ustrak auf. »Wahrscheinlich ein Adelsbalg. Oder ein Dichterling. Auf jeden Fall jemand, der sein Brot noch nie mit ehrlicher Arbeit verdient hat. Sag an, Bursche: Kannst du singen und tanzen?«

Rhodan schwieg, während ihm der Schweiß ausbrach. Die beiden Männer mochten einfache Soldaten sein, aber dumm waren sie nicht. Ustrak warf seinem Partner einen schnellen Blick zu. Der nickte.

»Weißt du wenigstens, wer wir sind?«, wollte Ustrak wissen. Er schlug sich auf den Brustharnisch, auf dem ein großer, roter Kreis prangte, den Rhodan nun erst bewusst wahrnahm.

»Nun ...«, setzte Rhodan an.

Er wurde von seinem Gegenüber jedoch sofort unterbrochen. »Gib dir keine Mühe, Bursche. Wir treffen jeden Tag ein halbes Dutzend Taugenichtse wie dich. Ehrlose Parias und Deserteure, die eine feige Flucht dem ruhmreichen Tod im Kampf vorziehen. Es ist unsere Aufgabe, sie einzusammeln und ins Feldlager am Steinbruch zu bringen. Erspar uns also weitere Lügen. Du kommst mit uns!«

Noch während Ustrak sprach, hatte Fartim einen groben Strick aus einer Tasche gezogen. Er packte Rhodans Arme, zwang sie nach hinten und fesselte seinen Gefangenen mit oft geübten Bewegungen die Hände auf den Rücken.

3.

Perry Rhodan hatte nur kurz überlegt, ob er sich wehren sollte. Schwerter hin oder her – mit einigen schnell gesetzten Dagorgriffen hätte er die beiden Kerle sicher überrumpeln können. Aber was hätte ihm das gebracht? Man hätte vermutlich zur Jagd auf ihn geblasen, und seine Lage war auch so schon unangenehm genug. Wenn es ein Feldlager gab, würde er dort auf Menschen treffen, die mehr zu sagen hatten als diese beiden Soldaten, die anscheinend durch den Wald streiften, um Fahnenflüchtige einzufangen. Um Informationen zu sammeln, musste er unter Leute, die in der örtlichen Hierarchie höher angesiedelt waren.

Also fügte er sich, ließ Fartims gelegentliche Tritte und Schläge über sich ergehen und trottete vor den Männern her. Dabei musste er höllisch aufpassen, nicht zu stolpern. Zum einen war der Waldboden von Laub, Steinen und Totholz bedeckt, zum anderen waren seine gefesselten Hände nicht unbedingt hilfreich, wenn es darum ging, das Gleichgewicht zu halten.

Hinter ihm unterhielten sich Ustrak und Fartim lebhaft. Dabei erfuhr Rhodan, dass er sich in einer Gegend aufhielt, die als das Land Catron bezeichnet wurde. Der Begriff Catron war bereits während seiner Odyssee durch Naupaum einige Male gefallen. Auf Payntec bezeichnete man die wenigen Pilger, die den Peregrosch überstanden hatten, als Catrons Kinder. Und im Innern der PGT-Anlage hatte Zeno einige der fremdartigen Schriftzeichen übersetzt und dabei den Begriff Catron-Ader erwähnt. Rhodan war inzwischen davon überzeugt, dass es sich bei Catron um ein Objekt oder Wesen handelte, das in M 87 zu finden war – und etwas mit der Entführung seines Gehirns zu tun hatte.

Fartim tönte lautstark, dass der Krieg gegen die Gonmek bald zu Ende sein würde. Wenn es nach ihm ginge, so der hörbar von sich überzeugte Prahlhans, würde er höchstselbst zur Feste Tral ziehen und Lord Gu in den Hintern treten. Als wolle er seinem Kumpan die entsprechende Qualifikation gleich vor Ort demonstrieren, versetzte er Rhodan einen besonders kräftigen Fußtritt. Der Terraner taumelte nach vorn und konnte einen Sturz nur mit Mühe verhindern. Fartims nachfolgendes Lachen ging ihm langsam, aber sicher gehörig auf die Nerven.