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Im Jahr 2114: Auf der Erde und den Welten der Terranischen Union leben die Menschen in Frieden und Freiheit. Gemeinsam arbeitet man am Aufbau einer positiven Zukunft. Doch alle wissen: In der fernen Galaxis M 87 lauert eine feindliche Macht namens Catron, die jederzeit angreifen kann. Mit dem riesigen Sternenschiff BASIS brechen Perry Rhodan und eine wagemutige Besatzung dorthin auf. Nach gefahrvollen Erkundungsflügen erreichen sie Monol. Es ist die Hauptwelt der geheimnisumwitterten Konstrukteure des Zentrums und zugleich der Stammsitz von Catron. Der Kristallplanet wird zum Brennpunkt des Kampfs gegen die kosmische Bedrohung, wobei mehrere Parteien im erbitterten Widerstreit liegen. Alles kulminiert in einer gewaltigen Raumschlacht um Monol und um die SCHERBEN DES WISSENS ...
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Seitenzahl: 214
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Band 329
Scherben des Wissens
Rüdiger Schäfer
Cover
Vorspann
1. Dao-Lin-H'ay
2. Perry Rhodan
3. Dao-Lin-H'ay
4. Perry Rhodan
5. Dao-Lin-H'ay
6. Perry Rhodan
7. Thora Rhodan da Zoltral
8. Dao-Lin-H'ay
9. Perry Rhodan
10. Dao-Lin-H'ay
11. Thora Rhodan da Zoltral
12. Perry Rhodan
13. Dao-Lin-H'ay
14. Thora Rhodan da Zoltral
15. Perry Rhodan
16. Dao-Lin-H'ay
17. Perry Rhodan
18. Dao-Lin-H'ay
19. Perry Rhodan
20. Perry Rhodan
Impressum
Im Jahr 2114: Auf der Erde und den Welten der Terranischen Union leben die Menschen in Frieden und Freiheit. Gemeinsam arbeitet man am Aufbau einer positiven Zukunft. Doch alle wissen: In der fernen Galaxis M 87 lauert eine feindliche Macht namens Catron, die jederzeit angreifen kann.
Mit dem riesigen Sternenschiff BASIS brechen Perry Rhodan und eine wagemutige Besatzung dorthin auf. Nach gefahrvollen Erkundungsflügen erreichen sie Monol. Es ist die Hauptwelt der geheimnisumwitterten Konstrukteure des Zentrums und zugleich der Stammsitz von Catron.
Der Kristallplanet wird zum Brennpunkt des Kampfs gegen die kosmische Bedrohung, wobei mehrere Parteien im erbitterten Widerstreit liegen. Alles kulminiert in einer gewaltigen Raumschlacht um Monol und um die SCHERBEN DES WISSENS ...
1.
Dao-Lin-H'ay
Die Hitze war mörderisch, verdampfte jedes Wassermolekül auf der Haut und ließ nichts als Dürre und Verzweiflung zurück.
Dao-Lin-H'ay hatte sich ihrer Kleidung weitgehend entledigt. Ihr dichtes, weiches Fell machte ihr bei dieser Temperatur schon genug zu schaffen.
»Wir müssen weiter ...« Dao-Lin war nicht sicher, ob sie die Worte laut ausgesprochen oder nur gedacht hatte. Sie klangen in ihr nach, hallten als Echo durch ihren längst ausgedörrten Verstand und verwehten schließlich irgendwo in den unergründlichen Weiten ihres Geistes.
Sie leckte sich die aufgesprungenen Lippen, doch ihre Zunge verfügte über keinerlei Feuchtigkeitsreserven mehr. Das Fell an Rücken und Brust knisterte bei jeder Bewegung, und die empfindliche Stelle am Schwanzansatz hatte sich entzündet und tat weh. Dao-Lin wusste längst nicht mehr, woher sie die Kraft nahm, nach wie vor einen Schritt vor den anderen zu setzen. Stumpf. Monoton. Wie ein Roboter.
»Keine Sorge, Ti-Nam«, flüsterte sie. Das Sprechen schmerzte in der Kehle, doch sie tat es trotzdem. »Wir schaffen das. Irgendwie ...«
Ti-Nam-S'hir schwieg. Sie war nicht so zäh und widerstandfähig wie Dao-Lin, klagte aber nicht. Das tat sie selten. Lieber litt sie still, als dass sie ihrer Freundin eine Schwäche eingestand.
Vor, neben und hinter ihnen türmten sich gewaltige Dünen auf. Ein böiger Wind wehte den Sand auf. Da und dort formte er sich zu schmalen Wirbeln, die dem wolkenlosen Himmel entgegenstrebten und sich in höheren Luftschichten auflösten. Die staubfeinen Körner waren überall und durchdrangen jeden Schutz, setzten sich im trockenen Fell fest und verursachten einen unerträglichen Juckreiz. Dao-Lin hatte sich bereits an mehreren Stellen ihres Körpers blutig gekratzt.
Wie lange wanderten sie schon durch diese Einöde? Und wohin gingen sie überhaupt? Fragen, die mit jedem zurückgelegten Schritt an Relevanz verloren.
Ihr Raumschiff war havariert. Es würde nie mehr zu den Sternen starten, sondern – nach und nach vom Sand begraben – Teil der endlosen, tödlichen Weite ringsum werden. Wenn die zwei Kartaninnen an der Absturzstelle geblieben wären, hätten die kargen Bordvorräte sie vielleicht noch ein oder zwei Wochen am Leben erhalten. Aber dann ...
Also hatte Dao-Lin-H'ay entschieden, dass sie sich auf den Weg machten. Eventuell fanden sie eine Oase oder erreichten die am Horizont erkennbaren Berge. Ti-Nam hatte sich gefügt. So wie immer. Ihre Freundin mochte es, wenn man ihr sagte, was sie tun oder lassen sollte. Und sie vertraute Dao-Lin bedingungslos.
Die Kartanin verachtete Unterwürfigkeit zwar; bei Ti-Nam indes akzeptierte sie das, weil Dao-Lin wusste, dass es eine Form von Liebe war. Und weil Hingabe ihre Freundin glücklich machte.
Glück konnten sie wahrhaft gebrauchen. Eine Menge Glück. Vor ein paar Stunden – oder Tagen? – hatte sich Dao-Lin auf den Kamm einer besonders hohen Düne gekämpft, um Ausschau zu halten. Sie wünschte, sie hätte es nicht getan. Denn alles, was sie hatte erspähen können, war Sand gewesen. Weißgelber, staubfeiner Sand. Keine Karawane, keine Oase, nicht der geringste Schatten, nicht die kleinste Bewegung, nicht mal eine Fata Morgana. Sie waren allein; so allein, wie man auf einem Wüstenplaneten nur sein konnte.
»Brauchst du eine Pause, Ti?«, fragte sie. Ti-Nam sagte nichts. Gut. Also keine Pause. Das war wohl auch besser so. Denn Dao-Lin wusste nicht, ob sie je wieder auf die Beine gekommen wäre, wenn sie sich erst mal hingesetzt hätte.
Es wurde dunkler. Und mit der Dämmerung kam die Kälte. Was der Tag an unerträglicher Hitze lieferte, würde die Nacht mit mörderischer Kälte ausgleichen.
Dao-Lin zerrte Ti-Nam hinter sich her, die mit jeder Sekunde schwerer zu werden schien.
»Komm schon, Ti!«, stieß sie zwischen zwei keuchenden Atemzügen hervor. »Nur noch ein bisschen. Dann ruhen wir uns aus.«
Inzwischen versanken ihre Füße bei jedem Schritt bis zu den Knöcheln im sandigen Untergrund. Ihre Muskeln verkrampften. Schließlich war sie am Ende ihrer Kräfte angelangt. Sie ließ Ti-Nam los und sackte zusammen.
Nur ein paar Stunden, dachte sie. Neue Energie sammeln. Solang wir leben, gibt es Hoffnung.
Für kurze Zeit erreichte die Lufttemperatur erträgliche, dann sogar angenehme Werte. Zwar wurde es schnell kühler, doch der Sand gab die gespeicherte Hitze des Tages ab. Die war mit zunehmender Dunkelheit allerdings alsbald erschöpft.
Als Dao-Lin zu frösteln begann, drehte sie sich zu Ti-Nam um. Sie hatten schon viele Nächte eng aneinandergedrängt verbracht und so nicht nur der Wüstenkälte getrotzt, sondern einander auch Trost gespendet.
Ihre Freundin hob sich als grauer Schatten gegen die Resthelle des Horizonts ab. Sie sah ... seltsam aus. Dao-Lin nahm alles nur noch verschwommen wahr. Vor ihr blitzten immer wieder bunte Lichtpunkte auf. Sie blinzelte ...
... und sah Ti-Nam-S'hir!
Ihr Gesicht war eingefallen; die Augen hatten sich in zwei schwarze Höhlen verwandelt. Dünnes Fell spannte sich über einen Totenschädel. Die Lippen bestanden nur noch aus einer Schicht vertrockneter Haut. Zähne und Zahnfleisch waren zu einem schauderhaften Grinsen entblößt. Der Körper ihrer Freundin hatte sich in eine Mumie verwandelt, die ihr scheinbar höhnisch entgegenlachte.
Dao-Lin-H'ay schrie. Und schrie. Und ...
... erwachte.
Der Albtraum verblasste ungewöhnlich schnell. Als Dao-Lin-H'ay endgültig zu sich kam, fühlte sie sich so wohl wie schon lange nicht mehr. Doch dann, Stück für Stück, kehrten die Erinnerungen zurück und stürzten sie von dem Gipfel, auf dem sie gerade noch gestanden hatte, in ein tiefes Tal.
Ti-Nam ... Der Name ihrer toten Freundin öffnete alle Schleusen. Tränen rannen in das Gesichtsfell auf ihren Wangen, machten es nass und klebrig. Sie hatte dieses Gefühl schon immer gehasst; es war mit mangelnder Selbstbeherrschung, mit Versagen und der Wut auf sich selbst verbunden. Weinen hieß, sich gehen zu lassen, eine Niederlage einzugestehen und zu akzeptieren, dass man gescheitert war.
Was hatte die Frau, die sich als Nathalie bezeichnete, zu ihr gesagt? Es tut mir unendlich leid, dass wir deine Freundin nicht mehr retten konnten. Sie hat dir viel bedeutet.
Dabei hatte sie Dao-Lin angesehen mit ihren graublauen, leicht rötlich schimmernden Augen, in denen man ertrinken konnte. Und die auf eine Art und Weise Trost spendeten, die nur schwer zu beschreiben war.
Dao-Lin-H'ay setzte sich auf. Sie lag auf einem Bett mit weißem Polster. Nackt, nur von einem dünnen, ebenfalls weißen Laken bedeckt. Schmerzen hatte sie keine. Sogar die wunde Stelle an ihrem Schwanzansatz tat nicht mehr weh.
Hatte sie auch ihre Begegnung mit den drei Frauen nur geträumt? Mit Nathalie?
Noch während der Bewegung wurde es ringsum langsam heller. Der Raum, in dem sie sich befand, war nicht besonders groß. Über die Wände krochen verschnörkelte Muster in diversen Pastellfarben, die beruhigend wirkten. Dem Bett gegenüber standen ein Tisch und zwei bequem aussehende Sessel.
Ein kaum hörbares Summen ertönte. Dann erschienen auf der Tischplatte zwei Becher und eine Karaffe mit klarer Flüssigkeit. Gleichzeitig öffnete sich die Tür an der Stirnwand des Zimmers.
Die Kartanin erkannte die Fremde sofort wieder. Sie war schmächtig und schien doch jeden Winkel des Raums auszufüllen. Dao-Lins Nackenhaare stellten sich auf; eine derart intensive Präsenz hatte sie niemals zuvor gespürt.
Nathalie trug wie bei ihrer ersten Begegnung eine Art Mantel mit spitzer Kapuze, die jedoch zurückgeschlagen war. Der Anblick ihres kahlen Gesichts war eher abstoßend. Haare wuchsen nur auf der Oberseite ihres Kopfs. Aufgrund ihrer absurden Länge wirkten sie struppig und ungepflegt.
Wenn ich mein Fell derart wuchern ließe, dachte Dao-Lin, müsste ich es die Hälfte des Tages bürsten, um es vor Parasitenbefall zu bewahren.
Allerdings wusste sie, dass es in Caddronaar viele Spezies gab, die zwar kartanoid aussahen, ihre Körperbehaarung jedoch weitgehend verloren hatten.
»Wie geht es dir?«, fragte Nathalie und schloss die Tür hinter sich.
»Gut ... danke.« Dao-Lin hatte schrecklichen Durst. Dennoch zwang sie sich, nicht zur Karaffe hinüberzuschauen, sondern ihre Besucherin zu fixieren.
Nathalie ging langsam zum Tisch, füllte einen Becher und reichte ihn ihr. Konnte sie etwa Gedanken lesen? Die Kartanin zögerte. Trotz ihrer jungen Jahre hatte sie schon zu viel erlebt, um einer Fremden einfach so zu vertrauen.
Nathalie lächelte und schwieg. Dann goss sie auch das zweite Gefäß voll und trank einen großen Schluck.
Nun konnte sich Dao-Lin nicht mehr länger beherrschen. Sie stürzte den Inhalt ihres Bechers hinunter. Wasser. Kühles, klares Wasser. Niemals zuvor hatte sie etwas derart Köstliches getrunken. Sie hielt Nathalie den Becher fordernd entgegen, damit sie nachschenken konnte.
Doch die schüttelte den Kopf. »Nicht so hastig. Du warst stark dehydriert. Die Medizin vermag zwar oft Wunderdinge zu vollbringen, aber dein Körper braucht Zeit, um sich vollständig zu erholen.«
Dao-Lin ließ den Becher sinken. Kurzzeitig hatte sie tatsächlich vergessen, was passiert war. Ihre Gier nach Wasser, nach irgendwas Trinkbarem, hatte alles andere überdeckt. Sie schämte sich dafür.
»Ti-Nam ...?«, setzte sie an. Ihre Stimme hörte sich schrecklich rau und krächzend an.
»Wir haben den Körper deiner Freundin geborgen«, sagte Nathalie. »Du kannst später gemäß den Riten deines Volkes mit ihm verfahren. Es tut mir leid, dass wir sie nicht ebenfalls retten konnten.«
Dao-Lin senkte den Kopf, spürte, wie ihr wieder die Tränen kamen, und verkrampfte die Finger um den Becher in ihrer Hand.
Reiß dich zusammen!, rügte sie sich. Was soll das? Willst du für den Rest deines Lebens jedes Mal losheulen, wenn du Tis Namen hörst?
Nathalie behielt ihr Lächeln bei, während sie an Dao-Lins Bett trat. Sie nahm die Hand der Kartanin und sah sie ein paar Sekunden lang an. »Vielleicht weine ich nicht, aber es tut weh«, sagte sie dann. »Vielleicht sage ich nichts, aber ich fühle. Vielleicht zeige ich es nicht, aber ich leide.«
Da konnte Dao-Lin-H'ay nicht mehr an sich halten. Alles, was sich in den vergangenen Wochen und Monaten in ihr angestaut hatte, brach auf einmal aus ihr heraus. Schluchzend schlang sie die Arme um Nathalie und klammerte sich an sie wie eine Ertrinkende an einen Rettungsring. Nathalie drückte sie an sich und streichelte sanft ihren Nacken.
Später hätte Dao-Lin nicht mehr zu sagen vermocht, wie viel Zeit vergangen war. Nathalie wartete geduldig, bis sie sich wieder gefangen hatte. Für einen kurzen Moment war der Kartanin ihr Ausbruch peinlich. Doch erneut genügte ein Blick in die Augen der seltsamen Frau, um dieses Gefühl zu vertreiben.
»Manche behaupten, dass die Zeit alle Wunden heilt«, sagte Nathalie. »Aber das stimmt nicht. Wir gewöhnen uns nur an den Schmerz.«
Nun musste auch Dao-Lin-H'ay lächeln. »Wer bist du?«, fragte sie leise.
2.
Perry Rhodan
Ein lang gezogenes Heulen riss Perry Rhodan aus der Konzentration. Optisch nahm er als Erstes das neuneckige Becken wahr, in dem Catrons neun Stammzellen schwammen. Die etwa 45 Zentimeter großen Objekte schwebten in einem transparenten Gel und leuchteten von innen heraus. Ein bisschen erinnerten sie an riesige, frisch geschlüpfte Kaulquappen. Ein bauchiger Grundkörper mit einer Ausstülpung wie ein Flaschenhals.
Das orangefarbene Licht, dass er unmittelbar vor dem Aufwachen wahrgenommen hatte, war erloschen.
Dann entdeckte er Perik-Ruhl. Der Loower kurvte mit seinem Antigravsessel eilig in der Halle hin und her und gab seinen Artgenossen Anweisungen.
Kammer, durchfuhr es Rhodan. Die Loower nennen diesen Ort Kammer.
In seinem Schädel rumorte es. Die Erinnerungen an die phantastische Geschichte, die Zeitreise, die er gerade durch die Augen der Loowerin Santhia-Pelk erlebt hatte, ließen ihn nicht so schnell los. Als er einen Stich an der linken Hand spürte, zuckte er zusammen. Thora hatte ihn an der Stelle berührt, an der das Quellhäuschen saß.
»Tut mir leid«, sagte sie sofort. »Hast du Schmerzen?«
»Eigentlich nicht«, antwortete er. »Es fühlt sich eher an wie ... ein leichter Sonnenbrand. Was habe ich verpasst?«
»Wir werden angegriffen.« Die Arkonidin deutete auf ein großes Holo, das sich soeben aufgefaltet hatte und sich nun wie ein Zeltdach über das Gelbecken spannte.
Rhodan erkannte eine Projektion des Weltraums rund um den Planeten Monol. Die Kristallwelt hatte keine Sonne. Ihre düstere, wolkenverhangene Atmosphäre wurde von glitzernden Strukturen in Gold, Silber und Weiß durchzogen. Dazwischen zuckten immer wieder Blitze. Wodurch sie ausgelöst wurden, wusste der Terraner nicht.
Im Hintergrund war vergrößert Powehi zu sehen. So hatten irdische Astronomen das riesige Schwarze Loch im Zentrum der Galaxis M 87 getauft. Die Positronik der Loowerfestung hatte die Sensorendaten der Ortungssysteme zu einem prominenten Falschfarbenbild zusammengefügt. Der rot-orangefarbene Ring mit den ausgefransten Rändern war die sichtbar gemachte Strahlung des kosmischen Phänomens. Sie ging zum größten Teil vom Ereignishorizont aus. Ein Schwarzes Loch, das war jedem klar, der sich auch nur entfernt in der Astronomie auskannte, war eigentlich unsichtbar, weil es alles verschluckte, was ihm zu nahe kam. Sogar Licht. Weil es jedoch mit seiner Umgebung wechselwirkte, konnte man es mit ein paar Tricks dennoch sichtbar machen.
Aus dem ungefähren Mittelpunkt von Powehi stach ein gewaltiger Teilchenstrahl in den Raum hinaus, ein Plasmastrom, der mehrere Tausend Lichtjahre weit reichte. Inzwischen wusste man, dass das supermassive Schwarze Loch sehr schnell rotierte und das Plasma im Jet magnetisch auflud. Das führte zu einer Beschleunigung, die so stark war, dass die Materiemassen sogar der mörderischen Schwerkraft von Powehi entkommen konnten, von der Raum-Zeit-Singularität wegkatapultiert wurden und den Partikelstrahl formten.
Die phantastische Kulisse wurde von langen Schleiern aus Gas und Staub vervollständigt, die sich träge auf das Gebilde zubewegten. Irgendwann würde die Gravitation dieses kosmischen Staubsaugers sie einfangen und verschlingen. Dann würden die Partikel entweder in der Akkretionsscheibe verschwinden oder Teil des Jetstrahls werden.
Rhodan hätte dieses Schauspiel stundenlang beobachten können. Doch es war nur die Bühne für ein weit beunruhigenderes Drama, dass sich in diesen Minuten vor seinen Augen entwickelte.
Die Flotte war groß. Sehr groß. Sie war scheinbar übergangslos aufgetaucht und bewegte sich auf Monol zu.
»Das sind Raumschiffe der Skoars«, erkannte Rhodan.
»Richtig«, bejahte Thora Rhodan da Zoltral. »Mindestens fünfzigtausend. Eher mehr. Wie sind sie in die Schutzblase gelangt, deren Existenz die BASIS schon bei ihrem damaligen Vorstoß hierher vermutet hat?«
»Die Skoars unterstehen den Konstrukteuren des Zentrums, also den Loowern. Sie werden ihre Soldaten entsprechend ausgerüstet haben und ...«
»Diese Skoars gehören nicht zur Streitmacht der Loower«, unterbrach ihn seine Frau. »Andernfalls würden sich Perik-Ruhl und seine Leute nicht benehmen wie ein aufgeschreckter Haufen Arkonhühner.«
Sie hat recht, dachte der Terraner. Die in der Kammer anwesenden Loower gebärdeten sich zunehmend hektischer. Sie hantierten an Konsolen, aktivierten Hologramme und ließen sie wieder verschwinden.
Rhodan blickte zu seinen übrigen Gefährten hinüber. Sie hatten sich um Icho Tolot geschart; vielleicht, weil sie sich von dem dreieinhalb Meter großen Haluter noch am ehesten Schutz erhofften, wenn die Dinge weiter aus dem Ruder liefen. Gucky hockte auf Watsons Rücken. Der Okrill wirkte nervös und tänzelte auf seinen acht Beinen hin und her. Ab und zu schlug ihm sein Besitzer Omar Hawk mit der Faust auf die Schnauze. Dann nieste das Tier und wurde etwas ruhiger.
Nathalie Rhodan da Zoltral stand zwei Schritte abseits der Gruppe und starrte ins Leere. Bisher hatte sich Thora um ihre Tochter gekümmert, doch die schaute nun gebannt auf die anrückende Streitmacht der Skoars. Ebenso wie Pankha-Skrin. Die Flügelstümpfe des Quellmeisters zuckten, als wolle er jeden Moment abheben und sich in die Lüfte schwingen.
»Haben wir es mit einer Meuterei zu tun?«, fragte Rhodan wenig überzeugt. »Dann haben sich die Skoars aber einen denkbar unpassenden Moment ausgesucht.«
»Bei allen Göttern Arkons!«, stieß Thora in diesem Augenblick hervor und deutete auf die Holodarstellung.
Am vorderen Teil des Heerwurms öffnete sich die Formation. Ein Teil der raketenförmigen Raumschiffe schwenkte nach links, der andere nach rechts. Es sah aus, als öffne eine Schlange ihr Maul, um Monol in einem Stück zu verschlucken.
Doch das war es nicht, was die Arkonidin in Aufregung versetzte. Durch die Kursänderungen der Flottenvorhut wurde im Innern des Pulks vielmehr ein Objekt sichtbar, das man zuvor nicht hatte ausmachen können.
»Das ist ... die NARGA PUUR!«, sprach Rhodan es als Erster aus.
Tatsächlich. Wie die BASIS mutete der Gigant eher an wie ein Asteroid als wie ein technisches Konstrukt. Allerdings war das Sternenschiff weitaus größer als der sechzehn Kilometer lange und an seiner dicksten Stelle acht Kilometer breite Dimetrans-Flottenträger, mit dem die Menschen nach M 87 gereist waren. Die NARGA PUUR, von den Kartanin auch als KLOTZ bezeichnet, hatte viele Millionen Jahre in einer Art Dimensionsfalte verbracht und war erst vor Kurzem gemeinsam mit der SOL daraus befreit worden. Was um alles in der Welt tat sie hier?
Rhodan ging auf Perik-Ruhl zu, der ihn jedoch ignorierte. Entschlossen stellte sich der Terraner dem Antigravsessel in den Weg. Da nicht genug Platz zum Ausweichen war, musste der Loower anhalten. Aufgrund der exotischen Physiognomie seines Gegenübers konnte Rhodan nicht sicher sein, aber Perik-Ruhl wirkte aufgebracht. Die aus seinem Sinneshügel wachsenden Stielaugen zuckten hektisch hin und her, und seine beiden Tentakel, die in feingliedrigen Greiflappen endeten, streckten sich dem Terraner entgegen, als wollten sie ihn zur Seite schieben.
»Reden Sie mit mir!«, verlangte Rhodan. Sein Translatorimplantat übernahm wie immer die Übersetzung in die und aus der Sprache der Loower. »Was ist los?«
»Wir werden angegriffen«, sagte der Loower nur, was längst klar war.
»Das ist schwer zu übersehen. Aber von wem? Das sind doch Schiffe der Skoars, oder nicht? Ich dachte, das seien Ihre Leute ...«
Perik-Ruhl zögerte und flatterte noch hektischer mit den Flügelstummeln. Bevor er eine Antwort geben konnte, entstand ein weiteres Holo.
Die Gestalt, die es zeigte, erkannte Rhodan sofort. Dao-Lin-H'ay! Natürlich! Die Kartanin hatte in diesem kosmischen Chaos noch gefehlt. Ihr Mund bewegte sich, doch zu hören war nichts. Einen Atemzug später erlosch die Projektion bereits wieder und wurde durch eine neue ersetzt. An Dao-Lin-H'ays Stelle trat ein Loower, den Rhodan nie zuvor gesehen hatte – zumindest soweit der Terraner das beurteilen konnte, denn für die meisten Menschen waren Loower so gut wie nicht voneinander zu unterscheiden.
»Quellmeisterin ...«, hauchte Perik-Ruhl und sank auf seinem Schwebestuhl wie ein Häufchen Elend zusammen.
Offenkundig handelte es sich bei dem Neuankömmling um eine weibliche Vertreterin der Spezies, zudem eine sehr ranghohe.
Die verkümmerten Flügelstummel der Quellmeisterin schimmerten in mattem Gold. Ihre bei Loowern normalerweise graue Haut war deutlich heller. Der Sinneshügel wirkte flacher als bei Perik-Ruhl oder Pankha-Skrin. Überhaupt machte der gesamte Körper einen runderen und ebenmäßigeren Eindruck.
Die Loowerin trug ein Schleiergewand, das aus mehreren hauchdünnen Stoffbahnen bestand, die in kunstvollen Knoten um den gedrungenen Leib geschlungen waren. Ihre Stielaugen richteten sich auf den Terraner, der sich auf einmal wie seziert fühlte.
»Sie sind also Perry Rhodan«, äußerte die Quellmeisterin. »Der Zeitträger, dessen Unverstand und Eigensinn alles gefährdet. Die Komplikation!«
Rhodan legte die Stirn in Falten. Die unverhohlene Arroganz der Loowerin machte sie ihm sofort unsympathisch und schürte seinen Zorn. »Es tut mir leid, dass ich Ihren hohen Ansprüchen offenbar nicht genüge ...«
Doch die Quellmeisterin schnitt ihm mit einer herrischen Geste den Satz ab. »Innere und äußere Schweigsamkeit ist die Tugend des Mannes, der seinen Platz kennt«, sagte sie.
Rhodan musste nicht zu Thora hinüberzuschauen, um zu wissen, dass die Arkonidin trotz der prekären Situation lächelte. Ihm selbst war weit weniger zum Lachen zumute. Diese aufgeblasene Dame ging ihm heftig auf die Nerven.
»Ich bin Kuima-Thar«, fuhr sie fort. »Hat mein Akami Doi Sie über alles informiert?«
Erneut kam Rhodan nicht dazu, zu antworten. Denn diesmal war es Pankha-Skrin, der einen Schritt nach vorn trat und so die Aufmerksamkeit auf sich lenkte.
»Es hat sich noch keine Gelegenheit ergeben, Doi Mira«, sagte er. »Der Stai Drinui hat eben erst die Einweisung abgeschlossen. Ich hatte noch keine Zeit ...«
Auch ihren Quellmeisterkollegen ließ Kuima-Thar nicht ausreden. Bei ihm genügte dafür ein scharfer Blick mit den Stielaugen.
Rhodan verschränkte die Arme vor der Brust. Bleib ruhig, ermahnte er sich. Hier ist einiges im Gange, das du trotz der von Santhia-Pelk vermittelten Hintergründe noch nicht überblickst. Lass die anderen reden und hör zu.
»Der Angriff kommt zu früh«, beschied die Quellmeisterin. »Für lange Erklärungen ist es somit zu spät. Wir werden mit dem arbeiten müssen, was wir haben. Die acht Korpora sind an Bord der MANDERVAAL. Wir beginnen sofort mit der Synchronisation.«
»Einen Moment!« Rhodan hob die rechte Hand. Eindruck machte er damit nicht.
Kuima-Thar deutete mit einem ihrer Greiflappen auf ihn. Dann wurde es um den Terraner kurz dunkel. Für einen Moment stieg ihm der Geruch nach verbrannten Mandeln in die Nase. Als er wieder sehen konnte, waren die Kammer, Perik-Ruhl und die anderen Loower, vor allem aber Rhodans Gefährten verschwunden. Stattdessen stand er in einem neuneckigen Saal, dessen Wandungen sich kegelförmig nach oben verjüngten.
Eine größere Version der Zentrale der KARGERSOND, dachte Perry Rhodan. Ein Seitenblick verriet ihm, dass auch Pankha-Skrin die Ortsversetzung mitgemacht hatte. Doch um den Quellmeister konnte er sich im Moment nicht kümmern.
Unmittelbar vor ihm stand Kuima-Thar. Und sie streckte ihre Tentakel nach ihm aus.
3.
Dao-Lin-H'ay
»Runter, verdammt!«
Dao-Lin-H'ay ließ sich instinktiv fallen. Der Felsbrocken, hinter dem sie Deckung gefunden hatte, explodierte. Die meisten scharfkantigen Splitter prasselten wirkungslos gegen das Gewebe ihres Schutzanzugs. Einige bohrten sich jedoch auch in das Fell auf der Oberseite ihrer Hände. Das Stechen auf der Haut ließ sie fauchen.
Sie rollte sich einige Male über den steinigen Untergrund. Als sie etwas Festes in ihrem Rücken spürte, riss sie die Strahlwaffe hoch und zielte in Richtung der Angreifer. Wütend gab sie in schneller Folge vier kurze Feuerstöße ab und presste sich danach sofort wieder flach auf den Boden.
Das Zischen weiterer Schüsse drang an ihre empfindlichen Ohren. Schreie ertönten. So hoch und spitz, dass es wehtat. Nathalie hatte ebenfalls geschossen. Nathalie, die jede Form von Gewalt hasste, die Waffen nicht ausstehen konnte und deren Warnung Dao-Lin vermutlich das Leben gerettet hatte.
Manchmal ist Gewalt die einzige Lösung, dachte die Kartanin grimmig. Vor allem, wenn es um eine Horde Pracklams geht, die die Regenzeit aus ihren Sandlöchern getrieben hat ...
Mehr Zeit zum Philosophieren ließen ihr die bis zu sieben Meter langen und mehr als eine halbe Tonne schweren Biester nicht. Sie nahm die Bewegung nur aus den Augenwinkeln wahr, reagierte indes sofort. Das harte Training, durch das ihre Freundin sie in den vergangenen Jahren geschickt hatte, zahlte sich aus.
Die lange Schnauze des Pracklams schlug nur wenige Fingerbreit neben ihr gegen die Felswand, die sie gestoppt hatte. Dao-Lin federte auf die Beine, doch bevor sie sich orientieren und ihren Strahler herumschwenken konnte, traf sie der Schwanz des Tiers. Etwas knackte, und die Kartanin flehte zu den Sternengöttern, dass das nicht einer ihrer Knochen gewesen war. Immerhin verspürte sie keine Schmerzen – ein gutes Zeichen.
Nathalie hatte ihr von den echsenartigen Pracklams erzählt. Sie ähnelten einer Spezies, die es auf Nathalies Heimatwelt gab, einem Planeten namens Terra, und die man dort Krokodile nannte. Die Terranerin hatte allerdings auch behauptet, dass die Biester um diese Zeit des Jahres nicht in freier Wildbahn unterwegs seien, sondern ihren Regenschlaf hielten und somit keine Gefahr darstellten.
Das Tier, das Dao-Lin attackiert hatte, bewegte sich unglaublich schnell. Die Kartanin sah den mächtigen Rachen mit der Doppelreihe spitzer Zähne vor sich auftauchen. Mit einem Aufschrei stieß sie sich nach hinten ab und brachte sich vorübergehend aus der Reichweite des Angreifers.
Wieder erklang das kurz zuvor gehörte Knacken. Der Pracklam hatte nach ihr geschnappt und sein riesiges Maul geschlossen. Das Geräusch der aufeinanderkrachenden Kiefer ließ Dao-Lin einen kalten Schauer über den Rücken laufen.
Instinktiv tastete sie mit der Hand den Gürtel des leichten Einsatzanzugs entlang. Wie Nathalie hatte auch sie auf den Rückentornister und damit den Schutzschirmprojektor verzichtet. Sie waren mit ihrem Gleiter direkt vor der Höhle gelandet, die ihr Ziel gewesen war. Wozu sich also mit schwerer Ausrüstung abschleppen? Diese Nachlässigkeit rächte sich nun.
Dao-Lin rannte los, kam jedoch nur ein paar Schritte weit. Erneut erwischte sie der Schwanz des Pracklams, und diesmal war der Schmerz scharf und grell. Ihre linke Seite schien jäh in Flammen zu stehen. Sie stürzte zu Boden und rutschte einige Meter über den felsigen Untergrund.
Fluchend krabbelte sie weiter, versuchte einen möglichst großen Abstand zwischen sich und die Echse zu bringen. Als sie den Kopf wandte, erstarrte sie. Aus einem Pracklam waren drei geworden, und die Tiere stürmten mit erschreckender Geschwindigkeit auf Dao-Lin zu. Die Aussicht auf eine leckere Mahlzeit trieb sie wohl zu Höchstleistungen an.
»Augen zu!«, hörte sie Nathalies Stimme hinter sich und gehorchte.
Die Detonation zerriss ihr das Trommelfell. Zumindest glaubte sie das, denn danach war da nur noch ein hohes Pfeifen in ihren Ohren. Gleichzeitig wurde sie von mehreren großen Objekten getroffen, die wie nasse Pulasäcke gegen sie klatschten. Schwer. Warm. Feucht.
Als sie die Augen wieder öffnete, kostete es sie einige Mühe, sich nicht zu übergeben. Sie hockte inmitten dessen, was eine von Nathalie geworfene Granate von den Pracklams übrig gelassen hatte. Das sah alles andere als appetitlich aus und roch entsprechend.
»Tut mir leid«, sagte ihre Freundin. »Aber für den Strahler war keine Zeit mehr.«
Dao-Lin sah sich nervös um. Waren sie nicht von einer größeren Gruppe der Tiere angegriffen worden? Wo war der Rest abgeblieben?
»Keine Sorge.« Nathalie las ihr die Besorgnis anscheinend vom Gesicht ab. »Die anderen sind nach der Explosion geflohen. Wir sind in Sicherheit.«