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Als der Astronaut Perry Rhodan im Juni 2036 zum Mond startet, ahnt er nicht, dass sein Flug die Geschicke der Menschheit in neue Bahnen lenken wird. Rhodan stößt auf ein Raumschiff der technisch weit überlegenen Arkoniden. Es gelingt ihm, die Freundschaft der Gestrandeten zu gewinnen - und schließlich die Menschheit in einem einzigen, freiheitlichen Staat zu einen: der Terranischen Union. Perry Rhodan hat das Tor zu den Sternen geöffnet. Doch die neuen Möglichkeiten bergen zusätzliche Gefahren: Als er erfährt, dass die Position der Erde im Epetran-Archiv auf Arkon gespeichert ist, bricht Rhodan unverzüglich auf. Er muss die Koordinaten löschen, bevor sie in die falschen Hände geraten und die Macht des Großen Imperiums die Erde zerschmettert. Er hat Erfolg, wenngleich unter großen Opfern. Im November des Jahres 2037 kehrt Perry Rhodan schließlich zurück in die Heimat. Eine Begegnung mit sich selbst erwartet ihn - und eine Erde, die er nicht mehr wiedererkennt ...
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Seitenzahl: 237
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Band 75
Eine neue Erde
von Frank Borsch
Als der Astronaut Perry Rhodan im Juni 2036 zum Mond startet, ahnt er nicht, dass sein Flug die Geschicke der Menschheit in neue Bahnen lenken wird.
Rhodan stößt auf ein Raumschiff der technisch weit überlegenen Arkoniden. Es gelingt ihm, die Freundschaft der Gestrandeten zu gewinnen – und schließlich die Menschheit in einem einzigen, freiheitlichen Staat zu einen: der Terranischen Union.
Perry Rhodan hat das Tor zu den Sternen geöffnet. Doch die neuen Möglichkeiten bergen zusätzliche Gefahren: Als er erfährt, dass die Position der Erde im Epetran-Archiv auf Arkon gespeichert ist, bricht Rhodan unverzüglich auf. Er muss die Koordinaten löschen, bevor sie in die falschen Hände geraten und die Macht des Großen Imperiums die Erde zerschmettert.
Er hat Erfolg, wenngleich unter großen Opfern. Im November des Jahres 2037 kehrt Perry Rhodan schließlich zurück in die Heimat. Eine Begegnung mit sich selbst erwartet ihn – und eine Erde, die er nicht mehr wiedererkennt ...
16. November 2037
»Ich dachte, wir fliegen nach Hause. Nicht in den Krieg!« Reginald Bull trat an Perry Rhodans Seite.
Rhodan musterte seinen besten Freund. Reg trug einen Kampfanzug arkonidischer Fertigung. Vor zwei Jahren hätten sie auch nur die Idee eines solchen Anzugs als Ausgeburt einer überspannten Phantasie abgetan, inzwischen war arkonidische Hightech für sie längst Alltag geworden. Zuweilen schäbiger Alltag.
Der Anzug war abgenutzt und mit Brandspuren übersät. Eigentlich gehörte er längst ersetzt. Doch es gab keinen Ersatz – weder für die Anzüge noch irgendwelche anderen Teile ihrer Ausrüstung, geschweige für ihr Raumschiff selbst. Die RANIR'TAN hätte längst eine Werft anlaufen müssen. Doch das war unmöglich.
Sie waren auf der Flucht.
Einer Flucht, von der sie hofften, dass sie in wenigen Minuten zu Ende sein würde.
»Shaneka ist nur vorsichtig, Reg«, entgegnete Rhodan. Er nickte zu der Kommandantin hinüber, die in der Mitte der Schiffszentrale stand. »Ich kann's verstehen.«
»Sie sieht Gespenster, wenn du mich fragst. Die Orter haben seit Wochen nicht einmal den Schatten eines Imperiumsraumers angemessen.« Reg verzog das Gesicht zu einer missmutigen Grimasse.
Shaneka ignorierte die beiden Männer. Dutzende Holos umschwärmten die Kommandantin. Virtuelle Steuerelemente, die Werte der Kraftwerke und Triebwerke, die Ergebnisse von Ortern und Tastern und unzähligen anderen Messinstrumenten folgten ihren entschlossenen Gesten, erschwerten die Sicht auf die Arkonidin, die keine war. Nicht mehr.
Shaneka stammte von Cimran, einer Welt mit erhöhter Schwerkraft, beschienen von einer Sonne, deren Spektrum stark von dem Arkons abwich. Das Ergebnis: eine kräftige Frau mit dunkler Haut und einen Kopf kleiner als Reg, die in weiten Teilen Afrikas als Einheimische durchgegangen wäre. In arkonidischen Augen war Shaneka jedoch plump und vulgär. Ihren Aufstieg zur Kommandantin eines Kriegsschiffs verdankte sie ausschließlich ihrer Zähigkeit.
Damit passte sie gut zu den beiden ehemaligen Astronauten, die vor eineinhalb Jahren auf dem Mond den Arkoniden begegnet waren. Und die jetzt ihre Rückkehr in die Heimat herbeisehnten.
Ein Flug von über 30.000 Lichtjahren lag hinter dem Schweren Kreuzer, einer zweihundert Meter durchmessenden Kugel aus Stahl. Er hatte sie aus dem Arkonsystem, dem Zentrum des Großen Imperiums, zurück in die Milchstraße gebracht, bis zu diesem Punkt, der gut vierhundert Lichtjahre von der Erde entfernt war.
Vor ihnen lag immer noch eine Distanz, die zu gewaltig war, als dass der menschliche Verstand sie auch nur ansatzweise hätte ermessen können, doch die RANIR'TAN würde sie in einer Zeitspanne kürzer als ein Herzschlag hinter sich bringen. Wenn das Transitionstriebwerk des angeschlagenen Schiffs wie vorgesehen seinen Dienst verrichtete ...
Das mächtige Arkon, das die Erde jederzeit wie ein Insekt zertreten konnte, war dann nur noch eine ferne Erinnerung. Rhodan und seine Kameraden hatten die Koordinaten der Erde gelöscht. Dem Imperium war es künftig unmöglich, die Erde in der Unendlichkeit des Alls erneut zu finden.
Die Menschheit war sicher.
Das schwere Hauptschott der Zentrale glitt langsam zur Seite.
Herein stampfte, was Reg des Öfteren »den vollgefressenen Grizzly« nannte. Und aus dem Augenwinkel konnte man ihn tatsächlich für einen Bären halten. Doch Tai'Targ war ein Roboter – und zudem einer, der auf sechs Beinen ging.
Wortlos verharrte die Maschine hinter den beiden Freunden.
»Gib es zu, Perry, du hast Schiss!« Reg flüsterte es.
»Natürlich. Du nicht?«
»Kennst mich alten Schisshasen ja.« Der Freund zwinkerte ihm zu. »Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir damals auf dem Mond auf dem Absatz kehrtgemacht, sobald wir den Arkonidenkahn zu Gesicht bekamen, und wären gerannt, was die Beine hergeben.« Er fasste unwillkürlich mit der Hand an das Halsstück des Kampfanzugs. »Und wären zwei Stunden später erstickt. Schiss ist kein guter Ratgeber, ich weiß. Aber ein halbes Jahr ist eine lange Zeit. Für dich ist es sogar fast ein ganzes Jahr, dass du aufgebrochen bist. Ich frage mich, was uns auf der Erde erwartet.«
»Das fragen wir uns alle.« Rhodan wusste genau, worauf Reg hinauswollte, aber er ließ es sich nicht anmerken. Sie spielten ihr altes Spiel. Wie immer, wenn die Ungewissheit die beiden Freunde zu erdrücken drohte. Reg übernahm die Rolle des Impulsiven, der das Herz auf der Zunge trug. Und er, Rhodan, den Abgeklärten, der in Gedanken schon drei Schritte weiter war.
»Immerhin kommen wir nicht allein«, fügte Rhodan hinzu. »Wir bringen Freunde mit.«
»Freunde, die uns näher sind als manche Menschen.« Bull nickte beifällig. Er meinte die Naats, die schwarzhäutigen Riesen, die in ihrem Raumschiff die eigentliche Besatzung bildeten.
In der Zentrale gingen vierzehn Naats ihrem Dienst nach; sie hatten die Dreiecke ihrer Augen fest auf die Steuerholos gerichtet. Ihre Pupillen schimmerten rot, erinnerten Rhodan an die Schlusslichter von irdischen Zügen. Wer als Mensch einen Naat zum ersten Mal sah, hatte unweigerlich Angst vor ihrer schieren Größe. Und doch waren die Naats an Bord treue Freunde. Insbesondere der eigenwillige Hacker Jeethar, der seine Verbundenheit zur Menschheit damit ausdrückte, dass er ein überdimensioniertes Hawaiihemd über den Kampfanzug gestülpt hatte.
»Wobei ...« Reg zog das Wort so lang, dass Rhodan ahnte, was als Nächstes kommen würde. »Du musst dich noch viel mehr fragen als der Rest von uns, was ihn erwartet.«
»Klar.«
»Und?«, drängte Reg.
»Wir werden sehen.« Seine Worte klangen abgeklärt, aber sie waren hohl. Auf der Erde wartete eine unmögliche Begegnung auf Perry Rhodan. Er würde einen Mann treffen, der er selbst war. Es sein musste. Einen Perry Rhodan, der ein alter Mann war und der eigentlich nicht existieren konnte.
Und es doch tat.
»Hast du dir schon einen flotten Spruch zur Begrüßung zurechtgelegt?« Reg durchschaute ihn natürlich.
»Wozu? Er liegt im Koma, hast du gesagt.«
»Wahrscheinlich. Aber du kennst ja Eric. Unser guter Dr. Manoli gibt niemals auf! Er ...«
»Sprungpositionen einnehmen!«, schnitt ihm Shaneka das Wort ab. Ihre Durchsage ertönte überall im Schiff gleichzeitig. »Transition in sechzig Sekunden!«
Rhodan und Reg nickten einander zu. Die Kapuze, die auf Rhodans Nacken und Schultern lag, entfaltete sich zu einem durchsichtigen Helm, der seinen Kopf einschloss. Rhodan gab Reg einen Schlag auf die Schulter und ließ sich in die Konturliege sinken. Gurte fuhren aus, schnallten ihn fest, während die Liege nach hinten kippte.
Rhodan blickte jetzt auf. Ein Holo nahm die gesamte Fläche der Decke ein. Es zeigte die nächste Umgebung der RANIR'TAN. In der Schwärze funkelten unzählige stecknadelkopfgroße Lichtpunkte.
»Sprung in dreißig Sekunden!«
Er musste an seinen Onkel Karl denken. Einmal hatte er ihn als Kind in das Planetarium von Glastonbury mitgenommen, nicht weit von Manchester, Connecticut, wo er aufgewachsen war. Karl hatte von jedem der unscheinbaren Lichtpunkte über ihnen eine Geschichte zu erzählen gehabt. Er hatte sie dem Zehnjährigen zugeflüstert, bis ein Ordner gedroht hatte, sie hinauszuwerfen, wenn sie nicht endlich damit aufhörten, die Vorstellung zu stören. Damals hatte Rhodan geglaubt, sein Onkel hätte die Geschichten erfunden. Doch inzwischen war ihm klar, dass er sich geirrt haben musste.
Jeder der Punkte an der Decke der Zentrale stand für eine Sonne. Und einer dieser Punkte, nicht zu unterscheiden von den übrigen und doch einzigartig, war die irdische Sonne. Ihre Heimat. Die Liege begann unter Rhodan zu vibrieren, als die Generatoren der RANIR'TAN auf Volllast fuhren und ihre Energien die Strukturfeldkonverter des Transitionsantriebs fluteten. Es war ein gutes Zeichen. Das Triebwerk schien einwandfrei zu arbeiten.
»Zehn Sekunden!«
Rhodan schloss die Augen, zwang sich, tief durchzuatmen. Er presste die Zähne fest aufeinander. Vierhundert Lichtjahre trennten sie noch von der Erde. Der Entzerrungsschmerz bei Sprüngen über Distanzen an der Grenze der Triebwerkskapazitäten war mörderisch.
»Sprung!«
Mit einem Schlag entluden sich die Energien in den Strukturfeldkonvertern, rissen das Schiff aus dem Normalraum.
Das Letzte, was Rhodan hörte, war der Schrei seines Freundes neben ihm, in dem sich Qual und unbändige Freude mischten.
»Wir nähern uns dem Ziel!«
Die Ansage des Piloten war überflüssig. Die transparente Kanzel der Leka-Disk gewährte Satrak eine ungehinderte Sicht auf die narbige Oberfläche des Mondes, die rasch näher kam.
Doch der Pilot war nervös in seiner Gegenwart. Wie nahezu alle der einhunderttausend Soldaten, Techniker, Wissenschaftler, Arbeiter und Verwalter, die die neue Imperatrice an diesen von allen Sternengöttern verlassenen Ort jenseits der äußeren Vorposten des Imperiums geschickt hatte.
Satrak war sein Meister, der Fürsorger des neu geschaffenen arkonidischen Protektorats Larsaf.
Er lauschte dem Atem des Mannes. Flach und hastig hechelte er seinem aufgeregten Puls hinterher. Der Pilot sah ihn nicht an, hatte es nicht getan, seit Satrak auf Larsaf III die Leka-Disk betreten hatte. Satrak war für ihn anders, fremd. Kein Arkonide. Zumindest keiner, wie der Pilot sich einen Arkoniden ausmalte.
Der Pilot leitete den Landeanflug ein, als die Disk die unsichtbare Linie überschritt, welche die erdzugewandte Seite des toten Felsbrockens von der erdabgewandten trennte. Die »Erde«, wie seine knapp zehn Milliarden Eingeborenen den Planeten nannten, deren Schicksal nun in der Hand des Fürsorgers ruhte, versank am Heck der Disk hinter dem Horizont.
Satrak mutete es an, als hebe sich eine unsichtbare Last von seiner Schulter, doch die Erleichterung währte nur einen Augenblick, als er sich erinnerte, was – oder präziser ausgedrückt – wer ihn hier erwartete.
Die Disk tauchte in die Mondnacht. Der Fürsorger hob eine Hand, befahl damit der Positronik des kleinen Diskusraumschiffs die Lichter in der Zentrale des Schiffs zu löschen.
Satrak hörte den Atem des Piloten stocken, dann wieder einsetzen, rascher noch als zuvor.
Satrak genoss die Dunkelheit, die für ihn keine Dunkelheit war. Die Augen eines gewöhnlichen Arkoniden oder eines Menschen wären heillos überfordert gewesen. Doch die Sinnesorgane Satraks nahmen selbst die schwächsten Reste von Licht auf, leiteten sie an sein Gehirn weiter, das dem ewigen Dämmerlicht des Großen Waldes von Istrahir angepasst war.
Ein bleiches Meer aus Kratern und Gebirgen erstreckte sich vor ihm. Ruhig, nahezu unberührt. Es erinnerte Satrak an die Tiefnacht seiner fernen Heimat. Von den höchsten Zweigen der höchsten Baumriesen betrachtet wirkte der Wald wie eine See. Er hatte gelesen, dass die Menschen den Ort, an dem vor Jahrzehnten zum ersten Mal einer der ihren den Mond betreten hatte, »Meer der Stille« nannten. Sie waren primitiv, diese Menschen, aber der Fürsorger hatte in den wenigen Wochen, seit er die Herrschaft über die Erde übernommen hatte, bereits erkannt, dass sie zuweilen einen überraschend wachen Sinn für die Schönheiten des Universums bewiesen.
Positionslichter flammten auf, beendeten abrupt den Moment der Erhabenheit. Ihr grelles Licht brannte sich in die Netzhaut Satraks.
Der Fürsorger presste rasch die Lider zusammen. Er zischte einen unwillkürlich scharfen Befehl, und Positronik und Pilot der Disk wetteiferten darum, wer schneller die Tönung der Kuppel aktivierte. Weder der Arkonide noch die Maschine hatten die Notwendigkeit dazu erkannt. Sie dachten in gewöhnlichen Kategorien. Dass die Sehorgane eines Istrahir um ein Vielfaches leistungsfähiger, aber damit auch empfindlicher waren, war ihnen nicht gewahr gewesen.
»Entschuldigen Sie, Fürsorger!«, stammelte der Pilot. »Ich wollte ... ich meinte, ich ...«
Satrak schnitt ihm das Wort ab. »Schon gut. Es ist nichts geschehen.« Er war Beteuerungen dieser Art längst müde. Seit er Istrahir verlassen hatte, wurde er unentwegt von Arkoniden, die sich für »normal« hielten, angestarrt. Doch trotz des fortgesetzten Glotzens schien ihn niemand zu verstehen.
Die Positionslichter zeichneten die Umrisse einer gewaltigen Kugel aus Arkonstahl nach. Ihr Durchmesser betrug achthundert irdische Meter. Die AGEDEN, der Stolz der 312. vorgeschobenen Grenzpatrouille, die Angehörige der arkonidischen Besatzung hartnäckig und wider besseres Wissen als »Flotte« bezeichneten. Ihr Kommandant Chetzkel war vernarrt in dieses Schiff. Beinahe mehr noch als darin, Satrak mit kleinen Spitzen wie den unnötig aktivierten Positionslichtern zu traktieren.
Der Krater, der einige Kilometer neben dem Landeplatz des Schlachtschiffs lag, wirkte dagegen winzig, bedeutungslos.
»Soll ich einschleusen?«, fragte der Pilot. »Die AGEDEN sendet uns einen Leitstrahl.«
»Nein.« Satrak dachte nicht im Traum daran, ohne Not das Reich seines widerspenstigen Reekha zu betreten. Es gab Tage, an denen Chetzkel ihm ärger auf die Nerven ging als die zehn Milliarden Menschen der Erde zusammen. »Setzen Sie mich am Kraterrand ab. Das genügt.«
Der Pilot landete die Disk, sanft getragen von den Antigravtriebwerken. Lediglich an den Stellen, an denen sich die Landeteller in den Boden bohrten, flog etwas Gesteinsstaub auf. In der niedrigen Schwerkraft dauerte es ungewohnt lange, bis er sich wieder gelegt hatte.
»Ich danke Ihnen«, wandte sich Satrak an den Piloten. »Warten Sie bitte. Es wird nicht lange dauern.«
Der Fürsorger glitt mit einer raschen Drehung in den zentralen Schacht der Disk. Als er den Boden des Raumschiffs erreichte, schloss sich ein Schott über ihm. Satrak tippte sich an die Schulter. Die Gestensteuerung seines Raumanzugs verstand seinen Wink. Der transparente Helm, der wie eine Kapuze auf seinem Nacken und seinen Schultern ruhte, entfaltete sich. Das Material war elastisch, passte sich automatisch seinem ungewöhnlich großen Kopf an. Es war ein leichter Raumanzug, der leichteste, den Satrak hatte finden können. Der Anzog bot nur das Notwendigste: Atemluft, Schutz vor Hitze oder Kälte, Kommunikationsmöglichkeiten und eine kleine Positronik. Mehr glaubte der Fürsorger nicht zu brauchen.
Satrak betätigte die Notfallentriegelung. Ein Loch öffnete sich unter ihm im Boden. Die Luft entwich schlagartig in das Quasi-Vakuum der Mondoberfläche. Eine Verschwendung, die Chetzkel verabscheuen würde und die den Instrumenten der AGEDEN und damit dem Reekha nicht verborgen bleiben konnte.
Der Fürsorger ließ sich fallen, packte im letzten Moment vor dem Aufprall auf dem Boden eine Sprosse, zog sich hoch, überschlug sich und kam elegant auf. Sein langer Schwanz zuckte, doch er war in dem Raumanzug gefangen, der für die Anatomie eines gewöhnlichen Arkoniden ausgelegt war. Die niedrige Schwerkraft irritierte den Istrahir nur einen Augenblick lang. Die launischen Böen der Tiefenwinde auf seiner Heimatwelt waren weit schwieriger auszugleichen. Die Gravitation dieses Himmelskörpers war konstant.
Die Positronik legte automatisch ein Koordinatennetz auf die Innenseite des Helms. Satrak folgte ihren Angaben in weiten Sätzen. Die Positronik führte ihn zu Spuren im Mondstaub, die zu regelmäßig waren, um natürlichen Ursprungs zu sein. Sie stammten von einem Kettenfahrzeug.
Hier, war sich Satrak sicher, war der Ort, an dem alles begonnen hatte.
Nur: Was hier begonnen hatte, stand offen.
Satrak war entschlossen, es herauszufinden.
Eine einzelne Gestalt löste sich vom Stahlgebirge des Schlachtschiffs, raste wie eine Sternschnuppe auf dem Strahl eines Pulsatortriebwerks über den Himmel.
Satrak beachtete sie nicht.
Er folgte der Spur des Kettenfahrzeugs. Sie reichte zum Kraterrand, der vielleicht fünfzig oder sechzig Meter über die Ebene aufragte. Nicht weit von dem felsigen Grat hatten sich die Abdrücke der Kettenglieder tiefer eingegraben und setzten sich anschließend in einer Richtung schräg zum Kraterrand fort. An dieser Stelle hatte das Fahrzeug angehalten und seine Fahrtrichtung geändert. Und dann ...
Satraks suchender Blick fiel auf die Abdrücke von Stiefeln, die in beinahe gerader Linie zum Kraterrand führten. Es waren zwei Spuren, die nebeneinander verliefen. Wie durch ein Wunder waren sie unberührt von den Gewalten geblieben, die in unmittelbarer Nähe getobt hatten.
Der Fürsorger achtete darauf, die Stiefelspuren nicht zu verwischen. Diese beiden Menschen mussten Angst gehabt haben, unvorstellbare Angst. Sie waren mit ihrer mitleiderregend primitiven Technik zu diesem toten Felsbrocken vorgestoßen. Ihr Schiff – nein, ihre Rakete, das war der passende Begriff – war bei einer Bruchlandung irreparabel beschädigt worden. Durch Glück – oder hatte auch Geschick eine Rolle gespielt? – hatten sie diesen Ort ausfindig gemacht. Sie hatten alles auf eine Karte gesetzt, waren mit einem Kettenfahrzeug zu einer Mission aufgebrochen, von der es keine Wiederkehr hatte geben können. Ihre Luftvorräte hätten nicht für eine Rückkehr zur Rakete ausgereicht.
Doch Perry Rhodan und Reginald Bull hatten keinen Herzschlag lang gezögert – zumindest behaupteten das die Menschen in ihren Aufzeichnungen.
Nur wenige Meter trennten Satrak vom Kraterrand. Die Stiefelabdrücke gingen in Kriechspuren über. Die Menschen mussten die Strecke auf ihren Bäuchen zurückgelegt haben, fest gegen den Mondstaub und den Fels gedrückt.
Hatten sie gewusst, was sie erwartete? Es war eigentlich unmöglich. Die AETRON war auf der erdabgewandten Seite des Mondes niedergegangen. Thora da Zoltral, die Kommandantin des Expeditionsschiffs, würde eventuell vorhandene Satelliten oder Sonden der Menschen ausgeschaltet haben. Satrak hatte alle Informationen über diese Frau gelesen, derer er hatte habhaft werden können. Thora da Zoltral war eine Frau von hoher Intelligenz und Tatkraft gewesen. Ein Schande, dass sie in die Opposition gegen den Regenten gegangen war. Thora da Zoltral, hochgewachsen und schlank, die fleischgewordene Verkörperung der Ideale Arkons, hätte es weit bringen können.
Die Menschen hatten nicht von der AETRON wissen können.
Dennoch waren Perry Rhodan und Reginald Bull zielstrebig an diesen Punkt vorgestoßen. Angetrieben von der Furcht vor dem sicheren Erstickungstod. Sie mussten zumindest eine Ahnung von dem besessen haben, was sie erwartete.
Satrak legte die letzten Schritte geduckt zurück. Am Kraterrand drückte er sich gegen den Fels, schob den Kopf vorsichtig über die Kante. Er spähte wie Rhodan und Bull in den Krater hinab ...
»Wir werden diese Mörder zur Rechenschaft ziehen!«
Chetzkels Stimme war ein unangenehmes, durchdringendes Zischen. Satraks Pelz stellte sich auf.
Der Fürsorger zwang sich, langsam und beherrscht aufzustehen und sich umzuwenden. Und dazu, dem Reekha, der neben ihm gelandet war, in die Augen zu sehen. Chetzkel trug den Anzug mit dunklen Brandflecken, als handele sich bei ihm um eine Auszeichnung. Aber immerhin ersparte er Satrak den Anblick des widerlichen schlangengleichen Leibs.
Die gehörnten Schuppen in Chetzkels Gesicht glänzten in dem Licht, das sein Anzugscheinwerfer spendete. Der Reekha hatte den Mund geöffnet, zeigte sein Gebiss. Es war nicht mehr als ein arkonidisches zu erkennen, ebenso wenig wie die Zunge. Sie war gespalten. Die zwei Handvoll Zähne waren nach hinten gerichtet. Nicht zum Kauen geeignet, sondern zum Festhalten von Beute. Chetzkel war stolz darauf. Wie auf die gesamte Augmentation seines Körpers, der einst normaltypisch für einen Arkoniden gewesen war.
»Der Krater sieht nicht so schlimm aus, wie ich erwartet habe«, sagte Satrak, ohne auf die Bemerkung des Reekha einzugehen oder sich an dem fehlenden Gruß zu stören.
Der Kratergrund lag etwa siebenhundert Meter tiefer. Auf seiner gesamten Fläche erstreckte sich ein Trümmerfeld. Teile des Rumpfs der AETRON, geschwärzt, von der Gewalt der Explosion in unmöglich anmutende Formen gepresst, lagen zerstreut. Glühend heiße Aggregate des Schiffs hatten das Gestein verflüssigt, waren eingesunken und mit dem Mondboden verschmolzen.
»Ich habe Sie gebeten, in einem Kampfanzug zu erscheinen«, ignorierte Chetzkel seinerseits die Bemerkung des Fürsorgers.
»Ich habe nicht die Absicht zu kämpfen.«
»Das sollen Sie auch nicht. Der Kampf ist meine Aufgabe.« Chetzkel zeigte auf das Trümmerfeld zu ihren Füßen. »Die Strahlung im Krater sollte man nicht unterschätzen. Dieses dünne Ding von Anzug wird Sie dort unten nicht schützen.«
»Ich habe nicht die Absicht, dieses Trümmerfeld zu betreten.«
»Sie haben ...« Chetzkel brach ab. Seine gespaltene Zunge zuckte vor und verschwand wieder im Mund. Ihm wurde wohl klar, dass der Fürsorger, den er für einen Schwächling hielt, ihn für einen Moment aus der Fassung gebracht hatte. »Aber wozu ...?«
»Wozu ich hier bin?«, schnitt Satrak ihm das Wort ab. »Um mir einen Überblick zu verschaffen. Und den habe ich von hier oben. Das ist meine Aufgabe als Fürsorger, als Gouverneur der Erde. Nicht, im Dreck zu wühlen und mir die Finger schmutzig zu machen.«
Chetzkels Hände fuhren ruckartig über seinen Anzug. Der Reekha hatte die Anspielung verstanden. Der Veteran Chetzkel gab sich als geradlinig und zupackend. Als ein Mann, der Feinheiten ablehnte, die er lauthals als Symptome der Dekadenz beschimpfte. In Wahrheit, hatte Satrak in den Wochen der Okkupation erkannt, verbarg der Reekha unter dieser Maske ein gewisses Einfühlungsvermögen.
»Haben Sie eine Erklärung für diese Tragödie gefunden?«, ging Satrak zur Sache über. Der einleitende Wink genügte als Demütigung.
Der Fürsorger war tatsächlich nicht gekommen, um zu kämpfen. Er suchte Antworten. Eine davon auf die Frage, was die AETRON an diesen Ort geführt hatte. Offiziell hatte sich das Schiff auf einer Forschungsexpedition befunden, geleitet von Crest da Zoltral, dem Ziehvater Thoras, die als Kommandantin der AETRON fungiert hatte. Crest war ein prominenter Gelehrter gewesen. Ein alter – vielleicht sogar sterbender – Mann, der trotz seines Wissens die Zeichen der Zeit nicht erkannt und sich mit dem Regenten überworfen hatte.
Vieles deutete darauf hin, dass der Flug eine bessere Flucht gewesen war und Crest lediglich seiner Verhaftung hatte zuvorkommen wollen. Doch vielleicht war der Gelehrte in den letzten Monaten, die ihm blieben, seiner Berufung nachgegangen. Angeblich hatte er eine verschollene Kolonie ausfindig machen wollen. Traf das zu, war die Expedition ein Erfolg gewesen. Auf der Erde hatte vor etwa zehntausend Jahren eine, wenn auch kleine arkonidische Kolonie existiert. Die Methans hatten sie ausgelöscht.
Nur: Wieso hatten sich Crest und Thora da Zoltral ausgerechnet an diesem trostlosen Ort verkrochen?
Nicht weit von der Erde, in siebenundzwanzig Lichtjahren Entfernung, hatten Chetzkels Patrouillen ein weiteres von intelligenten Lebewesen bewohntes Sonnensystem ausfindig gemacht. Die Ferronen, arkonidenähnliche Intelligenzen, siedelten auf mehreren Welten ihres Systems. Der Stand ihrer Technik war primitiv im Vergleich zu dem Arkons, aber weit über dem der irdischen.
Wieso hatte das Flottenkommando ihnen verboten, das System der Ferronen zu besetzen?
Es musste auf Anweisung der Imperatrice erfolgt sein. Doch weshalb? Die neue Herrscherin, davon war Satrak überzeugt, war eine kluge Frau. Wieso verschwendete sie in einer Zeit, in der das Imperium von innerer Unruhe gebeutelt wurde, in der ein neuer Sturm der Methans bevorstand, wertvolle Ressourcen auf die Besetzung einer unwichtigen Welt wie dieser merkwürdigen Erde?
Die Imperatrice musste einen triftigen Grund haben – und Satrak war entschlossen, ihn herauszufinden.
»Die Vernichtung der AETRON war kein Unfall«, sagte Chetzkel.
»Was Sie nicht sagen.« Satrak beschloss sich dumm zu stellen, um sein Gegenüber aus der Reserve zu locken. »Ich bin kein Spezialist für diese Dinge, aber es ist offensichtlich, dass die Menschen nicht das technische Niveau besitzen, um ein arkonidisches Schiff zu zerstören. Und wenn Sie mich fragen, belegen der Zustand und die Verteilung der Trümmer bereits auf den ersten Blick, dass die AETRON durch eine Explosion in ihrem Innern ihr Ende fand.«
»So ist es«, bestätigte Chetzkel. »Ein unzureichend gesicherter atomarer Sprengkopf ist die Ursache.«
»Das ist tragisch, aber nicht verwunderlich. Die Besatzung war von minderer Güte. Die Zoltrals haben es nicht vermocht, erstklassige Raumfahrer für ihre Expedition anzuwerben.«
»Das ist nicht von der Hand zu weisen. Genauso wenig wie die Spuren jenseits der nördlichen Kraterwand, die meine Soldaten gefunden haben.«
Die Anzugpositronik Satraks reagierte, noch bevor Chetzkel den Satz zu Ende gesprochen hatte, und blendete einen Punkt im Helmdisplay ein, der die Himmelsrichtung markierte. Er war halb rechts von den beiden Männern.
»Was für Spuren?«
»Es war nicht einfach«, ließ Chetzkel den Fürsorger zappeln. »Der Explosionsdruck hat durch eine geborstene Stelle im Rumpf in dieser Richtung eine große Masse geschmolzener Trümmer ausgeblasen. Ähnlich der Lava bei der Eruption eines Vulkans. Die Masse hat sich wie ein Teppich über die Landschaft gelegt. Doch meine Soldaten gaben nicht auf. Sie haben die Spuren von Kettenfahrzeugen ausfindig gemacht.«
»Rhodan hat den Krater umrundet? Das ...«
»Fahrzeugen, nicht Fahrzeug. Es kann nicht nur das von Rhodan gewesen sein.«
»Die offiziellen Aufzeichnungen der Menschen sagen nichts über weitere Astronauten auf dem Mond.«
Chetzkel zischte verächtlich. »Die offiziellen Aufzeichnungen der Menschen sind lückenhaft und manipuliert. Diese Wilden führen uns an der Nase herum! Einem oder mehreren Menschen muss es gelungen sein, in die AETRON einzudringen und die Explosion auszulösen.«
»Das ist ein gewagter Schluss«, entgegnete Satrak. In Gedanken stimmte er Chetzkel zu. Die Aufzeichnungen der Menschen waren manipuliert. Seit Wochen versuchten seine Spezialisten die Datenbank SCENTIA, die angeblich das gesamte Wissen der Menschheit enthalten hatte, zu rekonstruieren. Vergeblich. Die Menschen hatten sie gründlich vernichtet.
»Es ist der einzig folgerichtige!«
»Und wie, Reekha Chetzkel, sollen diese Wilden das angestellt haben?«
»Das werden wir nie erfahren. Die Besatzung der AETRON war von minderer Güte, wie Sie bereits richtig gesagt haben. Sie muss einen oder mehrere Menschen in das Schiff eingelassen haben. Und dieser oder diese haben die Explosion ausgelöst.«
»Diese Menschen hätten sich selbst getötet«, wandte der Fürsorger ein.
»Es hätte ihnen nichts ausgemacht. Selbstmordattentate haben in ihrer Kultur eine lange Tradition. Ihre geschichtlichen Aufzeichnungen sprechen eine eindeutige Sprache.«
Satrak dachte nach. »Selbst wenn Ihre Vermutung zutreffen sollte, genügt es nicht als Erklärung. Wie sollte ein Mensch einen atomaren Sprengkopf auslösen, selbst wenn dieser unzureichend gesichert sein sollte?«
»Mit einer eigenen Bombe«, antwortete Chetzkel. »Die Menschen waren bis vor Kurzem in Hunderte von Gruppen und Staaten zersplittert, die einander in blindem Hass bekämpft haben. Jahrzehntelang haben irdische Staaten Atombomben hergestellt und einsatzbereit gehalten. An den Spitzen von ballistischen Raketen, auf U-Booten – und sogar in sogenannten Kofferbomben. Kleine, tragbare Atombomben. Auf Basis primitiver Kernspaltung und mit vergleichsweise geringer Sprengkraft. Aber ausreichend, wenn innerhalb eines Schiffs wie der AETRON gezündet, um eine fatale Kettenreaktion auszulösen.«
»Das Szenario, das Sie beschreiben, ist zumindest denkbar«, räumte Satrak ein. »Aber auch weit hergeholt. Sie haben keine Beweise ...«
»Doch, die habe ich!«, schnitt ihm der Reekha das Wort ab. »Meine Soldaten haben die Strahlung dort unten im Krater gemessen. Sie stammt vor allem von einer Mischung von Isotopen der Elemente Cerium, Zirconium, Niob und Strontium. Zufällig ist einer meiner Einsatztrupps vor einigen Wochen in einem Bunker im Gebiet der früheren Vereinigten Staaten auf tragbare Atombomben gestoßen. Übrigens Waffen, deren Besitz dieser Staat in einem Vertrag mit anderen irdischen Staaten geächtet hat. Wir haben drei dieser Bomben zur Explosion gebracht, den Fallout analysiert und seine voraussichtliche Zusammensetzung sechzehn Monate nach der Explosion errechnet. Die Ergebnisse entsprechen exakt dem, was wir in den Trümmern der AETRON gemessen haben.«
»Das ist eine kluge Vorgehensweise, aber kein Beweis.« Satrak verzichtete darauf, sein Gegenüber dafür zu tadeln, dass er ihn unterbrochen hatte.
»Es ist ein Beweis, so zuverlässig und eindeutig wie die Messung der Individualsignatur!«
»Und wenn es so wäre – was wollen Sie von mir, Reekha Chetzkel?«
»Geben Sie mir freie Hand! Die Menschen haben alle Dokumente vernichtet, die ihren hundertfachen Mord belegen. Aber in den Kreisen der ehemaligen Regierung der Vereinigten Staaten muss es Leute geben, die die Hintergründe kennen. Ich werde sie aufspüren und zum Sprechen bringen!«
Satrak betrachtete das Trümmerfeld, das Grabmal für Hunderte von Arkoniden, die weit entfernt von der Heimat einen sinnlosen Tod gestorben waren. Er atmete tief durch, dann wandte er sich wieder an Chetzkel. »Nein.«
»Nein? Zweifeln Sie an meiner Kompetenz?« In seiner Erregung zischte Chetzkel die Worte. Mit jeder Silbe zuckte seine gespaltene Zunge.
»Nicht im Geringsten, aber an Ihrer politischen Vorstellungskraft. Überlegen Sie, was Ihr Vorschlag praktisch bedeutet. Ein Prozess. Menschen, die öffentlich von uns Arkoniden abgeurteilt und hingerichtet werden.«
»Ich bin nur ein einfacher Soldat, Fürsorger, aber ich glaube, diesen Vorgang nennt man ›Gerechtigkeit‹. Was ist daran auszusetzen?«
»Die Folgen«, antwortete Satrak. »Ein solches Vorgehen würde überall auf der Erde zu Aufruhr führen. Die Menschen würden sich mit ihresgleichen solidarisieren. Es würde weitere Tote geben. Nicht zuletzt unter Ihren Soldaten.«
»Wir werden auch ihre Mörder der Gerechtigkeit zuführen!«
»Eben. Und eine Woche später haben wir einen planetenweiten Aufstand am Hals. Das ist es nicht wert. Die Besatzung der AETRON ist tot. Wir können sie nicht wieder zum Leben erwecken.«
Chetzkels gespaltene Zunge zuckte hektisch auf und ab. »Das ist Feigheit, Fürsorger! Die Menschen tanzen Ihnen auf der Nase herum und Sie lassen sie gewähren! Zum letzten Mal: Geben Sie mir freie Hand! Diese Menschen verstehen nur eine Sprache!«
»Sie irren sich, Reekha.« Satrak musste seinen ganzen Mut aufbringen, nicht vor Chetzkel zurückzuweichen. »Sie sind es, der nur eine Sprache kennt.«
Er ging zurück zur wartenden Leka-Disk. Der Fürsorger hoffte inständig, dass dem Reekha das Zittern seiner Knie entging.
»Ihr Vater hat etwas gesagt heute Nacht!«, sagte eine Stimme vor Eric Manoli.
Der ehemalige Bordarzt der STARDUST legte den Schwamm zur Seite, mit dem er den Bewusstlosen vor sich gewaschen hatte. Er sah auf. Die Sonne, die über dem Kamm der Yinshan-Berge im Osten aufgegangen war, blendete ihn durch die transparenten Plastikbahnen des improvisierten Zeltes, ließ ihn nur den pechschwarzen Umriss eines Menschen erkennen.