Perry Rhodan Neo Paket 34 - Perry Rhodan - E-Book

Perry Rhodan Neo Paket 34 E-Book

Perry Rhodan

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Beschreibung

Perry Rhodan muss sterben – sonst kommt schreckliches Unheil über die Milchstraße. Das zumindest glaubt Primat, der bereits ein Todesurteil für Perry Rhodan gesprochen hat. Dabei sieht es zu Beginn des 22. Jahrhunderts für die Menschheit gut aus. Nach einer Zeit der Krisen hoffen die Bewohner der Erde und auf den anderen Welten auf eine friedliche Zukunft. Was niemand ahnt: Auf der Erde hat sich eine Macht eingenistet, die zuerst schwach erscheint, dann aber wächst und nach Einfluss strebt. Sie bezeichnet sich selbst als Primat und manifestiert sich in einem Jungen mit blauen Haaren. Anfangs wirkt sie harmlos, entwickelt aber bald eine mysteriöse Gabe: Mithilfe des sogenannten Zeroträumens zieht sie Energie und Materie in ihren Bann und verwandelt sie in tödliche Waffen ...

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Perry Rhodan muss sterben – sonst kommt schreckliches Unheil über die Milchstraße. Das zumindest glaubt Primat, der bereits ein Todesurteil für Perry Rhodan gesprochen hat.

Dabei sieht es zu Beginn des 22. Jahrhunderts für die Menschheit gut aus. Nach einer Zeit der Krisen hoffen die Bewohner der Erde und auf den anderen Welten auf eine friedliche Zukunft. Was niemand ahnt: Auf der Erde hat sich eine Macht eingenistet, die zuerst schwach erscheint, dann aber wächst und nach Einfluss strebt. Sie bezeichnet sich selbst als Primat und manifestiert sich in einem Jungen mit blauen Haaren.

Anfangs wirkt sie harmlos, entwickelt aber bald eine mysteriöse Gabe: Mithilfe des sogenannten Zeroträumens zieht sie Energie und Materie in ihren Bann und verwandelt sie in tödliche Waffen ...

Cover

Vorspann

Band 330 – Die neue Macht

Vorspann

1. Laumae

2. Perry Rhodan

3. Laumae

4. Reginald Bull / Thomas Rhodan da Zoltral

5. Laumae

6. Thomas Rhodan da Zoltral

7. Laumae

8. Perry Rhodan

9. Thomas Rhodan da Zoltral

10. Perry Rhodan

11. Gucky

12. Perry Rhodan

13. Laumae

Band 331 – Gestrandet auf Eoptra

Vorspann

1. Der Frachter

2. Am Rand des Schwarzen Lochs

3. Die Kommandantin und ihr Schiff

4. Merls Tagebuch

5. Der Stamm der Plophoser

6. Die Initiation

7. Der eingeschnappte Forscher

8. Merls Tagebuch

9. Expedition Rotauge

10. Die Dschungelpyramide

11. Merls Tagebuch

12. Die DOLAN in Not

13. Merls Tagebuch

14. Gefangene der Rotaugen

15. Die Energiefalle

16. Auf Laumaes Spur

17. Merls Tagebuch

18. Konfrontation

19. Durchs Feuer

20. Merls Tagebuch

21. Die havarierte Nekropole

22. Die Geiselnahme

23. Merls Tagebuch

24. Der Haluter vor der Drangwäsche

25. Gerettet!

Band 332 – Weidenburns Weg

Vorspann

1. MODUL

2. Eric Weidenburn – Mitte Juni 2116

3. Eric Weidenburn – Terra, Vergangenheit

4. Eric Weidenburn – Einige Monate später

5. Eric Weidenburn – Mitte Juni 2116

6. Perry Rhodan – Anfang Juni 2116

7. Perry Rhodan – Fünf Wochen später

8. Perry Rhodan

9. Eric Weidenburn – Zwei Wochen zuvor

10. Perry Rhodan – Mitte Juli 2116

11. Atlan da Gonozal

12. Perry Rhodan

13. Perry Rhodan

14. Perry Rhodan

15. Perry Rhodan

16. Eric Weidenburn – Drei Wochen zuvor

17. Perry Rhodan

18. Eric Weidenburn

19. Perry Rhodan

20. Atlan da Gonozal

21. Perry Rhodan

22. Eric Weidenburn

23. Icho Tolot

24. Laumae

25. Perry Rhodan

26. Perry Rhodan

27. Reginald Bull – Solsystem

Band 333 – NATHANS dunkler Zwilling

Vorspann

Prolog: JOEL

1. Galto Quohlfahrt

2. Sheela Rogard

3. Reginald Bull

4. Perry Rhodan

5. Lia Tifflor

6. Laura Bull-Legacy

7. Perry Rhodan

8. Thora Rhodan da Zoltral

9. Lia Tifflor

10. Galto Quohlfahrt

11. Perry Rhodan

12. Lia Tifflor

13. Galto Quohlfahrt

14. Perry Rhodan

15. Lia Tifflor

16. Galto Quohlfahrt

17. Reginald Bull

18. Lia Tifflor

19. Galto Quohlfahrt

20. Perry Rhodan

21. Lia Tifflor

22. Thora Rhodan da Zoltral

23. Perry Rhodan

24. Galto Quohlfahrt

25. Lia Tifflor

26. Perry Rhodan

27. Perry Rhodan

28. Galto Quohlfahrt

Epilog: JOEL

Band 334 – Die zwei Monde

Vorspann

1.

2. Sandra McKenzie

3. Abraham Hesker

4. Reginald Bull

5. Perry Rhodan

6. Douc Langur

7. Sandra McKenzie

8. Reginald Bull

9. Douc Langur

10. Perry Rhodan

11. Sandra McKenzie

12. Douc Langur

13. Reginald Bull

14. Perry Rhodan

15. Sandra McKenzie

16. Thora Rhodan da Zoltral

17. Abraham Hesker

18. Perry Rhodan

19. Reginald Bull

20. Sandra McKenzie

21. Abraham Hesker

22. Sandra McKenzie

23. Sandra McKenzie

Band 335 – Mondbeben

Vorspann

Prolog

1. Der Wal und das Feuer

2. Die Sache mit den Gefühlen

3. NATHANS eigenes Süppchen

4. Vier Frauen und ein Mausbiber

5. Mesh-Gerüchte

6. Was wirklich geschah

7. Verwirrt I

8. Eine Art Rettungsmission

9. Erd-Sonnenaufgang

10. Verschüttet

11. Man hat immer eine Wahl

12. Selene City

13. Zombie-Apokalypse

14. Die Spur verliert sich

15. Es wird kalt

16. Nicht doch!

17. Verwirrt II

18. In den Untergrund

19. Der Schrank springt auf

20. Durch die Reaktorhallen

21. Bruchlandung

22. Der Tau des Himmels

23. Nichts Besonderes

24. Träume aus Asche

25. Keine Erlösung

Epilog

Band 336 – Der Inquästor

Vorspann

1. Amtranik

2. Krailtsch

3. Reginald Bull

4. Amtranik

5. Imara Tugh

6. Perry Rhodan

7. Amtranik

8. Imara Tugh

9. Perry Rhodan

10. Amtranik

11. Perry Rhodan

12. Amtranik

13. Imara Tugh

14. Perry Rhodan

15. Amtranik

16. Krailtsch

17. Imara Tugh

18. Perry Rhodan

19. Reginald Bull

20. Krailtsch

21. Imara Tugh

22. Amtranik

23. Perry Rhodan

24. Imara Tugh

25. Krailtsch

26. Amtranik

27. Imara Tugh

28. Perry Rhodan

29. Amtranik

Band 337 – Atlans Schachzug

Vorspann

1. Schicksale: Imari Neuber

2. Kurs Andromeda

3. Die Freuden einer Flatterratte

4. Schicksale: Imari Neuber

5. Schicksale: Dara und Wanja Norowitch

6. Schicksale: Die PLUTO IX

7. Überraschung im System

8. Imarts Waffe

9. Nothilfe

10. Wie man einen Kreuzer ausweidet

11. Chaos in Nor Tun

12. Unterschlupf oder Grabstätte?

13. Kammerjäger

14. Fang den Atlan

15. Zug um Zug

16. Schach ... und matt?

17. Der Überraschungsgast

18. Rekonvaleszenzen

19. Auf die Reise

Band 338 – In tödlicher Tiefe

Vorspann

Track 1 – Stepdaughter: Shallow Deep

Track 2 – Auris: Black Water Roses

Track 3 – Acheron: Come Sail with me

Track 4 – The Beetles: Octopussys Garden

Track 5 – Samantha Fando: Wild Blue Ocean

Track 6 – Weazel: Across the Ocean

Track 7 – Bill Eiliot: Ocean Ayes

Track 8 – Michael Reginald Perry: The Deep

Track 9 – Lawless Jonas: Cake on the Beach

Track 10 – Lady B: The Deep

Track 11 – Blue Sabbath: Child of the Ocean

Track 12 – Ella Fitzgerald: Between the Devil and the Deep Blue Sea

Track 13 – Birka: Seamania

Track 14 – Toad the Wet Sprocket: Walk on the Ocean

Track 15 – Diamond Marmelade: Floods

Track 16 – Masked Wolf: Astronaut in the Ocean

Track 17 – Fume City: Underwater Passion

Track 18 – Fleet Wolves: Bigger Ocean

Track 19 – Icygame: The Seas

Track 20 – The Teeth: Deceased Ocean

Track 21 – Jim Old: You're the Sea

Track 22 – Goto Holiday: Under Water

Track 23 – The State: Ocean of Devotion

Track 24 – Kings of the Middle Age: I Slept by the Ocean

Track 25 – Red November: Out of the Sea

Track 26 – Ray Peace: Free Like the Sea

Track 27 – Hans Graubauer: Richtung See

Band 339 – Die Stille kommt

Vorspann

1.

2. Blitzlichter: Die Drift

3. Perry Rhodan: Der neue Kontinent

4. Perry Rhodan: Der Lot-Effekt

5. Blitzlichter: Poröse Welt

6. Reginald Bull: Unheil, das heraufdämmert

7. Blitzlichter: Im Reich des Jupiter

8. Perry Rhodan: Altiplano

9. Blitzlichter: Hindernisparcours

10. Reginald Bull: Die Nachtschiffe

11. Blitzlichter: Grobe Finsternis

12. Perry Rhodan: Miraculum

13. Blitzlichter: Die Nacht bricht herein

14. Perry Rhodan: Finger weg von ihm!

15. Blitzlichter: Rat Race

16. Reginald Bull: Rettungsmission

17. Blitzlichter: In der Finsternis des Turms

18. Reginald Bull: Die Nacht wird schwärzer

19. Blitzlichter: Der hellste Stern am Himmel

20. Perry Rhodan: Ich bin ...

21. Blitzlichter: Ein letzter Blick

22. Reginald Bull: Schneewehen

23. Blitzlichter: Das Ende von allem?

24. Perry Rhodan: Ausweidung

25. Reginald Bull: Nachtregen

26. Perry Rhodan: Symaios

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

Band 330

Die neue Macht

Olaf Brill

Im Jahr 2116: Nachdem die Menschen zahlreiche Schwierigkeiten überwunden haben, hoffen sie nun auf eine friedliche Zukunft. Sowohl auf der Erde als auch auf den Kolonialwelten arbeitet man vertrauensvoll an gemeinsamen Projekten, häufig mit den Partnern aus anderen Sternenreichen zusammen.

Doch schon kündigt sich die nächste Bedrohung an – sie bezeichnet sich als Primat. Sie erscheint anfangs schwach, aber ihr Einfluss wächst. Primat entwickelt eine mysteriöse Gabe. Materie und Energie verwandeln sich in tödliche Waffen mit einer klaren Zielperson: Perry Rhodan.

Denn der Terraner wird – so heißt es – in Kürze eine Katastrophe über die Milchstraße bringen. Perry Rhodan und seine Gefährten müssen den Kampf aufnehmen gegen DIE NEUE MACHT ...

1.

Laumae

Es gab einen Knall. Ein schwarzer Riss zog sich über den Himmel.

Der Junge fiel aus großer Höhe, jedenfalls glaubte er das. Sein Schrei riss ab, als er hart mit den Füßen aufprallte. Er stürzte auf die Knie, schrammte sie sich auf. Er versuchte, sich mit den Händen abzustützen, knickte aber sofort um und knallte aufs Gesicht, blieb zitternd liegen, atmete schnell ein und aus.

Er war auf einen Planeten gefallen, mit anscheinend normaler Schwerkraft. Andernfalls hätte er sich bei dem Sturz alle Knochen gebrochen.

Als sein Atem ruhiger wurde, öffnete er die Augen, blinzelte einen Schleier aus Tränen und verkrustetem Schleim fort.

Zu allen Seiten erstreckte sich eine weite Landschaft, eine nur spärlich mit Gräsern und gedrungenen Sträuchern bewachsene, rötlich-braune Steppeneinöde. Eine heiße Sonne brannte herab, in der Ferne flimmerte die Luft, ein rauer Wind täuschte Abkühlung vor.

Immerhin: Die Luft war atembar, obwohl sie heiß und trocken in die Lunge stach. Welcher Planet war das?

Der Junge rappelte sich halbwegs auf, griff in den Boden. Rostrote, grobe Sandkörner rieselten durch seine Finger. Seine Hände waren schmutzig und verschrammt. Aber, wie er zu seiner Verwunderung feststellte, weich und zart. Es waren Kinderhände oder die eines Jugendlichen.

Verwirrt fasste er sich ins Gesicht. Fuhr mit den Fingern über Stirn und Wangen. Versuchte, seine Gesichtszüge zu erspüren. Welch unsinniges Verhalten! Wenigstens schien er nicht ernsthaft verletzt zu sein.

Zitternd richtete er sich ganz auf, stand unsicher auf dünnen Beinen.

Der Junge hob den Kopf, kniff die Lider zusammen. Der schwarze Riss am Himmel schien sich in kräuselnde Schlieren aufgelöst zu haben, die schnell zerfaserten und dann ganz verschwanden, als habe es sie nie gegeben. Hatte er das Ganze nur halluziniert?

Undeutliche Bilder geisterten durch seinen Kopf.

Für einen Moment glaubte er, über sich eine wirbelnde Scheibe zu sehen. Nein, es war keine Scheibe, sondern eine nachtfinstere Leere, hinter der unvorstellbare Gewalten lauerten. Ein Kranz aus Licht umkreiste das schwarze Loch wie eine Gruppe tanzender Dämonen, die sich an den Händen hielten, nur um sich fröhlich in den Abgrund zu stürzen. Ein blauer Strahl aus wirbelnden Teilchen fuhr daraus herab und erfasste den Jungen.

Er warf die Arme hoch und schloss die Augen, erwartete demütig sein Schicksal.

Doch da war – nichts. Als er die Lider zaghaft wieder öffnete, erblickte er bloß noch blauen Tageshimmel, klar und unschuldig, ohne wirbelnde Löcher im Universum und tanzende Dämonen. Linker Hand schwebte ein blasser Dreiviertelmond. Ihm war, als habe er diesen Mond schon mal gesehen.

Der Junge streckte die Hand aus, als könne er so den wirbelnden Mahlstrom neu herbeizaubern. Er wollte ihn wieder entstehen lassen und sich dessen Sog ganz hingeben. Er spürte, dass er eine Verbindung zu diesem kosmischen Phänomen hatte. Als sei er soeben aus ihm geboren, auf den Boden dieses Planeten geschleudert und dann alleingelassen worden.

Was selbstverständlich Unsinn war. Er mochte nur ein Junge sein. Aber er war beinahe erwachsen. Dennoch hatte er keine Erklärung dafür, was mit ihm geschehen war. Er spürte, dass die Antwort irgendwo dort oben lag, am Himmel.

»Hey, wo ...?«, schrie er und drehte sich einmal um sich selbst. Seine Stimme klang krächzend, dennoch hell, fast weinerlich, was ihn beschämte. Er nahm sich zusammen und rief noch mal, fester: »Wo bin ich? Kann mir jemand helfen?«

Es gab dringendere Probleme, als die Frage zu klären, wie er an diesen Ort gekommen war. Er brauchte Wasser und einen Platz im Schatten. Die Sonne brannte heiß, und in dieser Landschaft war weit und breit niemand, der ihm zu Hilfe kommen würde.

Ungelenk stapfte der Junge los, quer durch die Wüste – dorthin, wo er in der Ferne einige schützende Felsen erspähte.

Trockener Wind blies über seine zerrissenen Lippen. Seine Stirn brannte. Die Luft über der Steppe flimmerte.

Wie lange taumelte er bereits durch diese Landschaft? Stunden, Tage? Oder waren nur ein paar Minuten vergangen, seit er in den roten Sand gestürzt war? War er in Wahrheit keinen Schritt vorangekommen?

Nein, das konnte nicht sein. Vor ihm lagen schon die Gesteinsbrocken, die gerade noch meilenweit entfernt angemutet hatten, wie riesige Eier, die ein Laufvogel in die Wüste gelegt und vergessen hatte.

Die Aussicht auf kühlenden Schatten weckte neue Kräfte in dem Jungen. Seine Beine schmerzten bei jedem Schritt. Trotzdem setzte er die Füße voreinander, hölzern und steif, aber immer schneller.

Als er die Felsen erreichte, stolperte er und stürzte. Er kroch auf allen vieren weiter, zog sich mit letzter Energie zu einem ovalen, porösen Stein, der groß genug war, dass auf der sonnenabgewandten Seite eine schattige Zuflucht entstand. Eine armlange Echse huschte davon, die wohl dieselbe Idee gehabt hatte wie der Junge. Kurz blieb das Tier noch mal im Wüstensand stehen und starrte zurück, als sei es empört, aus seinem Versteck vertrieben zu werden. Dann trollte es sich.

Der Schattenplatz gehörte nun dem Jungen. Erleichtert brach er dicht beim Eierfelsen zusammen.

Als er das Bewusstsein wiedererlangte, merkte er sofort, dass etwas verkehrt war: Die Sonne war weitergewandert, der Schattenplatz lag nun in der prallen Hitze. Sein Versteck war nichts mehr wert. Er musste auf die andere Seite des Steins kriechen. Aber hatte er dazu noch die Kraft? Und selbst, wenn: Wie sollte er jemals wieder von da wegkommen oder gefunden werden? Würden die Lebewesen, die diesen Planeten bevölkerten, eines Tages sein an den Felsen gelehntes Skelett finden? Würden sie irgendwann sein Rätsel lösen, oder würde es ein ewiges Mysterium bleiben?

Und da war noch etwas anderes, das nicht stimmte: Vor ihm im Sand, nur wenige Körperlängen entfernt, kam mit mäandernden Bewegungen ein längliches Tier auf ihn zu. Es hatte rotbraune Schuppen und zwei große, dunkle Augen, die den Jungen kalt fixierten: eine Schlange. Knapp vor ihm verharrte sie für einen Moment, hob den Kopf und ließ ihre gespaltene Zunge hervorflackern. Betörend langsam öffnete sie das Maul und zeigte zwei spitze, vorgereckte Zähne. Es bestand kein Zweifel: Gleich würde sie angreifen.

Was der Junge nun erlebte, geschah im Bruchteil von Sekunden. Die Schlange schnellte nach vorn. Der Junge hob die Hand und schloss die Lider. Er war abermals bereit, sich seinem Schicksal zu ergeben. Gleichzeitig wünschte er sich, etwas würde die Schlange einfach in Luft auflösen oder verbrennen.

Der Junge riss die Augen wieder auf. Eine Feuerwand loderte zwischen ihm und der Schlange empor. Der Wind blies die Flammen in Richtung des Tiers. Die Schlange zischte und schreckte zurück. Bevor der Junge wusste, wie ihm geschah, stand plötzlich ein Mann vor ihm. In der einen Hand hielt er einen Holzstock mit einer Astgabel am vorderen Ende, in der anderen einen großen Sack.

War es der Mann gewesen, der die Feuerwand erzeugt und die Schlange zurückgetrieben hatte? Ebenso schnell, wie das Lohen gekommen war, hatte es sich in einen Hauch von schwarzem Rauch verwandelt, der rasch verwehte.

Mit einer schnellen Bewegung stieß der Fremde seinen Gabelstecken auf das Tier hinab und fixierte den Kopf der Schlange. Sie schlug mit dem Schwanz aus, aber schon packte der Mann die Giftnatter. Er ließ den Stock fallen und hielt die Schlange so im Griff, dass ihre Zähne ihn nicht erreichen konnten. Dann beförderte er sie in den mitgebrachten Sack und zog ihn mit einem Band zu.

Der Junge merkte, dass er die ganze Zeit den Atem angehalten hatte. Erleichtert stieß er alle Luft aus, die in seiner Lunge war, und wurde fast wieder ohnmächtig. Schwer atmend, blieb er liegen und blickte zu seinem Retter hoch.

Es war ein alter Mann mit dunkler Haut und einer breiten Nase. Er trug eine Jeanshose und ein kakifarbenes Hemd. Haare und Bart waren weiß und struppig, seine Augen schwarz wie tiefe Brunnen. Er beugte sich zu dem Jungen herab und reichte ihm die Hand.

Der Junge ergriff sie. Es war eine raue, kräftige Hand. Der Mann zog ihn auf die Beine, bis der Junge etwas zittrig stand. Sie waren etwa gleich groß, auch wenn der Junge schmächtiger und zerbrechlicher war als der robuste Fremde.

»Ich bin Gurumarra«, sagte der Mann und zeigte auf den Sack, in dem er die Schlange gefangen hatte. »Gefährliche Nyinngi. Das ist ein Taipan! Du wirst ihn hier häufig finden, immer dort, wo du ihn nicht erwartest. Ebenso wie die Liru, die ihr King Brown nennt. Aber das Gift des Taipans ist das gefährlichste von allen. Fünfzigmal stärker als Gift einer Kobra. Der Taipan hätte dich töten können.«

Kurz wunderte sich der Junge, warum er den Mann verstehen konnte. Nicht jeden Begriff, aber die meisten Wörter. Benutzten sie die gleiche Sprache?

»D... danke«, stotterte der Junge. »Wie haben Sie das mit dem Feuer gemacht? War das ein Energiestrahler?«

Gurumarra hob den Stock auf, mit dem er den Kopf des Taipans festgehalten hatte, und stampfte den Stab spielerisch auf den Boden. »Wir Anangu benutzen keine Energiestrahler«, sagte er geheimnisvoll. »Nicht, wenn es sich vermeiden lässt.«

Bevor der Junge nachfragen konnte, ertönten in Gurumarras Rücken zwei aufgeregte Stimmen.

»Bei allen Geistern der Wüste, geht es dem Jungen gut? War das wirklich ein Taipan?«, rief eine Frau, die schon älter sein musste, aber durchaus resolut klang.

»Marge, vergiss das Wasser nicht. Bring dem Jungen das Wasser!« Das war ein älterer Mann, der es gewohnt zu sein schien, seiner Frau Dinge hinterherzutragen.

Zweifellos waren die beiden ein Paar, und zwar seit Langem. Der Junge war sich nicht sicher, ob sie ihm gefielen.

Da erst bemerkte er, dass hinter Gurumarra ein kleiner Gleiter geparkt war, ein Viersitzer, der ursprünglich rot angemalt gewesen sein musste. Aber die Farbe blätterte überall ab und gab den Blick auf zerkratzten, wettergegerbten Metallverbundstoff frei. Das Fahrzeug wies diverse Beulen auf und mochte schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel haben. Leicht schwankend schwebte es eine Ellenlänge über dem rötlichen Wüstenboden.

Der Mann, ein rüstiger älterer Herr mit einem gewaltigen Schnurrbart, winkte mit zwei Wasserflaschen. Die Frau, die eine Latzhose und ein geblümtes Hemd trug sowie feurige rote Haare hatte, wartete ungeduldig.

Als ihr Mann heran war, riss sie ihm beide Flaschen aus der Hand. Dann kam sie eilfertig heran. »Hier, nimm! Du musst ja völlig überhitzt sein!«

Dankbar ergriff der Junge beide Gefäße und leerte das erste fast in einem Zug. Er hatte nicht gewusst, dass bloßes Wasser so herrlich schmecken konnte. Er drehte den Deckel der zweiten Flasche ab, nahm nun etwas besonnener ein paar weitere Schlucke.

Die Frau, die offenbar Marge hieß, hatte eine sonnengebräunte Haut und dicke Finger. Ihr Mann mit dem Schnurrbart war beinahe so schwarz wie Gurumarra. Erwartungsvoll sahen sie dem Jungen beim Trinken zu.

Als sie ihre Neugier wohl nicht mehr zurückhalten konnte, fragte Marge: »Und wer bist du, Junge mit den blauen Haaren?«

Verblüfft fasste er an seinen Schopf. »Blaue Haare?«

»Aber ja. Weißt du denn nicht mehr, wie du aussiehst? Die Kinder aus der Großstadt färben sich heutzutage ja alle die Haare. Kommst du aus Sydney oder Adelaide?«

»Marge!«, tadelte der Mann mit dem Schnurrbart seine Frau. »Sydney und Adelaide sind mehr als tausend Kilometer voneinander entfernt, und zweitausend Kilometer von hier. Woher willst du wissen, wo er herkommt? Und längst nicht alle Kinder färben sich die Haare. Jengo hat sich niemals die Haare gefärbt. Hör ihm doch erst mal zu.« Er wandte sich wieder an den Jungen. »Woher kommst du, mein Junge? Wie heißt du?«

»Wie ich heiße?«, fragte der Junge. Schlagartig überkam ihn die Erkenntnis, die er die ganze Zeit nicht an sich herangelassen hatte: Er wusste die Antwort nicht. »Wo ich hergekommen bin?« Unwillkürlich sah er zum Himmel hoch.

Marge folgte seinem Blick und pfiff durch die Zähne. »Von da oben kommst du? Bist du vom Himmel gefallen? Bist du etwa mit einem Gleiter abgestürzt?«

Der Junge starrte in die Leere. War er das Opfer eines Unfalls, an den er sich nicht erinnern konnte? Er begriff, dass das nicht sein konnte. Es steckte mehr hinter seiner Ankunft auf diesem Planeten. Denn er konnte sich an gar nichts erinnern. Er wusste nicht, wo er hergekommen war. Er wusste nicht, wer er war. Und er wusste nicht, wohin er unterwegs gewesen war.

Da geisterten nur undeutliche Ahnungen durch seinen Kopf wie Rauchschwaden im Wind. Er wusste oder ahnte vielmehr, dass in dem wirbelnden Mahlstrom am Himmel ein Teil seines Wissens verloren gegangen war. Vielleicht konnte er es eines Tages dort wiederfinden.

»Nun hör auf mit der Fragerei!«, rügte der Mann seine Frau. »Du siehst doch, er ist erschöpft und verwirrt.« Seine Stimme wurde ganz sanft. »Keine Sorge, dir wird das alles wieder einfallen. Du bist in eine Notlage in der Wüste geraten. Kein Wunder, dass du durcheinander bist.« In seinem Blick lag etwas wie eine tiefe Traurigkeit.

Ein schmerzlicher Gedanke durchzuckte den Jungen. Welchen Namen hatten sie vorhin erwähnt – der Junge, der sich niemals die Haare gefärbt hatte? Jengo! War Jengo etwa ihr Kind gewesen, und war Jengo gestorben?

Die kleine Gruppe stand eine Weile um den zerkratzten Gleiter herum. Während sie miteinander redeten, leerte der Junge auch die zweite Wasserflasche. Der Mann mit dem Schnurrbart holte eine dritte aus dem Schweber und reichte sie ihm.

Die beiden hatten sich die Hendersons – Margarethe Henderson, genannt Marge, und Theodore, genannt Ted. Sie kamen aus einer Großstadt namens Port Augusta im Süden bei den großen Farmen, wo auch immer das sein mochte. Der Junge hatte sich nicht zu fragen getraut, auf welchem Planeten sie waren. Früher oder später würde er es sowieso herausfinden. Dass er die Sprache problemlos verstand, fand er wunderlich genug

Er merkte zudem, dass er nicht alles aus seinem bisherigen Leben vergessen hatte. Erinnerungsfetzen kamen an die Oberfläche. Meistens waren sie undeutlich. Aber manchmal bekam er sie zu fassen.

»Ich bin ...« Er zögerte. »Ich bin Primat. Und ich bin Laumae.«

Die Hendersons starrten ihn verblüfft an. Gurumarra hielt sich im Hintergrund und prüfte irgendwas an dem alten Gleiter. Aber wie der Junge bemerkte, hörte auch Gurumarra aufmerksam zu.

»Na siehst du!«, sagte Marge schließlich und tippte sich mit dem Finger an die Stirn. »Das da oben kommt alles schon wieder zusammen. Ich würde sagen, wir nennen dich fürs Erste Laumae. Primat ist doch kein Name. Wie kommst du denn auf so was?«

Laumae zuckte mit den Achseln, und ihm wurde bewusst, dass das eine Geste war, die Marge und Ted verstanden. Ihm wurde immer klarer, dass er schon mal auf diesem Planeten gewesen war. Oder hatte er tatsächlich einfach einen Gleiterunfall gehabt und war in Wahrheit nie aus dem Dorf um die Ecke herausgekommen? War sein Verstand durcheinandergeraten, und er bildete sich alles nur ein?

»Hier kannst du jedenfalls nicht bleiben«, bestimmte Marge. »Wir nehmen dich mit nach Port Augusta. Dort kontaktieren wir die Behörden und finden heraus, ob du vermisst wirst.«

»Und wenn er ein Spion aus dem Weltraum ist?«, fragte Ted. Laumae wusste nicht recht, ob Ted das ernst meinte.

»Dann wird mein furchtloser Ehemann ihn zweifellos entlarven und der Solaren Abwehr übergeben«, antwortete Marge, ohne mit der Wimper zu zucken.

Die Hendersons gingen zum Gleiter, um den vierten Sitzplatz freizuräumen. Sie hatten dort mehrere Koffer wild übereinandergestapelt, waren wohl auf einer längeren Reise gewesen und gerade auf dem Rückflug. Laumae nahm an, dass sie mit Gurumarra als Führer einen Ausflug durch dieses Gebiet gemacht hatten, das sie die zentralaustralische Wüste oder das Northern Territory nannten.

Während die Hendersons beschäftigt waren, trat Gurumarra an Laumae heran. »In dir steckt mehr, als du denkst, Laumae. Wenn du dich erholt hast, komm irgendwann mal zu mir am Uluru. Dann erzähle ich dir von Tjukurpa, der Traumzeit. Es wird dich interessieren.«

Laumae nickte benommen. Er hatte das Gefühl, dass der Eingeborene dieses Planeten mehr über ihn wusste als er selbst. Aber Laumae war noch nicht bereit, sich von einem anderen Menschen erklären zu lassen, wer er war – sofern er überhaupt ein Mensch war.

Als der Gleiter schließlich mit seinen vier Passagieren abhob und über die rötlich-braune australische Zentralwüste flog, tauchte eine weitere Erinnerung in Laumaes Bewusstsein auf.

Der Gedanke traf ihn mit voller Wucht.

Plötzlich wusste er, warum er auf diesen Planeten gekommen war. Es gab eine Gefahr, die allem drohte. Nicht nur ihm oder dieser Welt, sondern allem. Eine so große Gefahr, dass sie alles vernichten würde, die Materie, die Gedanken, die Vergangenheit und die Zukunft, selbst die Löcher im Himmel. Auf diesem Planeten und allen anderen, in dieser Galaxis und allen anderen.

2.

Perry Rhodan

Januar 2116

Über Luna, dem Mond der Erde, ging Terra auf, der Heimatplanet der Menschheit.

Perry Rhodan blickte für einen Moment von seinem Rednerpult hoch. Er stand in einem Vortragssaal der Armstrong University am Rand von Cape Armstrong, der lunaren Hauptstadt. Durch die große Glassitkuppel des Gebäudeteils hatte er freie Sicht auf den blau-weißen Planeten am Firmament. Er erkannte den Atlantik, Europa und die Umrisse des Kontinents Afrika mit der begrünten Sahara.

Sterne indes waren im umgebenden Weltraum keine zu sehen, und zwar nicht, weil die im Widerschein der Sonne leuchtende Erde sie überstrahlt hätte. Seit zwei Jahren wurde ihr Licht im ganzen Solsystem vielmehr von einem gigantischen Energiefeld verdeckt, wurde die Schwärze des Weltalls durch ein sanftes, blaues Leuchten ersetzt. Der Blaue Schirm schützte das Heimatsystem der Menschheit vor Gefahren von außerhalb. Auch weiter draußen war alles ruhig. Es herrschte Frieden in der Lokalen Blase, dem Bereich von etwa fünfhundert Lichtjahren Durchmesser, in dem die Terraner sich ausgebreitet hatten.

Statt fernen Sonnen blitzten immer wieder kleine, helle Punkte auf, wenn sie das Licht des solaren Zentralgestirns reflektierten. Zwischen Erde und Mond bestand ein reger Raumflugverkehr. Wer wollte, konnte in kürzester Zeit in einer Passagierfähre etwa von der Sahara zur Mondmetropole gelangen, in der sich Rhodan gerade aufhielt.

Rhodan drehte den Kopf wieder zu seinen Zuhörern. Er näherte sich dem Ende des Vortrags, den er im Auftrag der Unionsregierung hielt.

»Dir hören die Menschen zu«, hatte Reginald Bull gesagt. »Du kannst sie rausreißen aus der weit verbreiteten Depression, die auch nach dem Ende der Aphilie noch immer über der Menschheit liegt wie ein nasses Tuch.«

Im bis zum letzten Platz gefüllten, ovalen Auditorium saßen die Zuschauer und hingen an den Lippen des großen Terraners, sogar die als eher ruppig bekannten Menschen von Kolonialplaneten wie Epsal und Imart oder die lunare Studentengruppe, die sich rebellisch »Buzz Aldrins zornige Schwestern« nannte. Rebellen hin oder her, wenn der legendäre Perry Rhodan redete, hörte man zu.

Seit Rhodan auf dem Erdmond als erster Mensch Kontakt zu den Arkoniden aufgenommen hatte, war er aus dem Projekt Weltrettung nicht mehr rausgekommen. Es war bitter nötig gewesen. Die Menschen hätten sich damals beinahe selbst zerfleischt und ihren Planeten gleich mit zerstört. Aus dem All hatten zahlreiche weitere Gefahren die Erde und das ganze Solsystem bedroht.

Nach der Begegnung mit den Arkoniden hatte Rhodan Terrania gegründet, mittlerweile die Hauptstadt der Terranischen Union, der TU. Er war zu den Sternen aufgebrochen und oftmals der erste irdische Raumfahrer gewesen, der fremde Planeten betreten und Kontakt mit deren Bewohnern aufgenommen hatte. Dort draußen hatte er Freunde gefunden – und leider auch Feinde. Dennoch wusste er, dass er bald wieder hinausziehen würde in den Weltraum. Es begeisterte ihn nach wie vor, unbekannte neue Welten zu entdecken und den großen Geheimnissen des Universums auf die Spur zu kommen. Aber er hoffte, dass er nie wieder in den Krieg ziehen musste.

Seine derzeitigen Zuhörer waren größtenteils Studenten, die sich der Erforschung der Mondoberfläche, des Weltraums und dem Vorantreiben der lunaren Terraforming-Projekte widmeten. In manchen Gegenden des Monds konnten sich Menschen bereits ohne Atemmasken oder persönliche Schutzfelder aufhalten. In einigen der tiefen Krater hatten Wissenschaftler des Weidenburn-Instituts Ökosysteme geschaffen, in denen sogar Landwirtschaft möglich war.

Hinter den Zuschauerreihen erkannte Rhodan die Dekanin der Universität, Sylvana Rappmann, eine kräftige, dunkelhäutige Terranerin, die mit verschränkten Armen darauf aufzupassen schien, dass ihre Studenten keine Papierflieger durch den Raum warfen. Ein Mann vom Ordnungsdienst eilte gerade zu ihr und raunte ihr etwas ins Ohr, das von äußerster Dringlichkeit zu sein schien. Aber sie wehrte ihn mit einer Handgeste ungehalten ab, und er verzog sich wieder. Worum war es da gegangen?

»Ich habe einen guten Freund«, setzte Rhodan seine Ansprache fort. »Sein Name ist Reginald Bull. Vielleicht hat der eine oder andere von Ihnen schon mal von ihm gehört.«

Aus dem Publikum ertönten vereinzelte Lacher. Bull war nicht nur relativ unsterblich und aktueller Protektor der Terranischen Union, sondern auch eine der bedeutendsten historischen Persönlichkeiten in der Lokalen Blase.

»Reg hat mal gesagt: Die Menschen meinen es ja nicht besonders böse. Aber sie sehen doch gern auf ihren Vorteil. Ich glaube, damit hat er den Nagel auf den Kopf getroffen. Es wird immer Menschen geben, die die ganze Welt für sich allein haben oder anderen vorschreiben wollen, wie sie leben sollen. Deshalb müssen wir uns stets darauf besinnen, wer wir eigentlich sind und was uns zusammenhält. Wir sind alle Menschen. Nein, das ist noch nicht ganz richtig ausgedrückt.«

Viele der im Saal Anwesenden gehörten tatsächlich der Spezies Mensch an oder stammten von ihr ab, egal auf welchem Planeten sie geboren worden waren. Vor sich sah er Marsianer mit bronzefarbener Haut, grünhäutige, kleinwüchsige Siganesen, gedrungene Epsaler, die genetisch für eine Schwerkraft von 2,15 Gravos optimiert waren, und Umweltangepasste von weiteren terranischen Kolonialwelten. Aber unter den Studenten waren auch Arkoniden und Akonen, Topsider und Ferronen und viele Extraterrestrier, die der Evolution ganz anderer Planeten entstammten.

»Wir sind Bewohner der Galaxis«, fuhr Rhodan fort. »Fühlende und sich ihrer selbst bewusste Lebewesen, die den gleichen Lebensraum bewohnen und alle auf ihre Weise glücklich sein wollen. Die Zeit der Gefühllosigkeit ist vorbei. Alle, die guten Willens sind und miteinander leben wollen, sollen das Recht haben, ihr persönliches Glück zu suchen, was auch immer sie darunter verstehen.«

Zum ersten Mal in diesem Vortrag machte er eine große Bewegung. Er streckte den Arm aus und zeigte auf die Erde am Mondhimmel. Die Geste verfehlte ihre Wirkung nicht. Das Publikum hielt kollektiv den Atem an.

»Sehen Sie auf diesen wunderschönen Planeten! Er und seine Bewohner haben in den vergangenen Jahrtausenden viel durchgemacht. Immer wieder haben wir Krieg gegeneinander geführt. Wir hätten uns beinahe selbst zerstört und die Erde gleich mit. Dann wären wir beinahe von anderen zerstört worden. Aber immer wieder haben wir für das Richtige gekämpft, auch wenn es große Opfer gekostet hat. Am Ende haben wir unsere Feinde besiegt, die Missgünstigen, die Böswilligen, Diktatoren und Verbrecher. Wir sind gemeinsam gegen sie aufgestanden, und das werden wir wieder tun. Heute stehen wir vor einer Phase des Friedens, und das Solsystem und die Galaxis bieten noch so viel, das wir entdecken können. Lassen Sie uns die Zukunft gemeinsam gestalten!«

Es folgte donnernder Applaus, je nach Art der Heimatplaneten der Versammelten. Die Siganesen pfiffen durch die Zähne, die Epsaler trommelten mit den Füßen, die Arkoniden legten anerkennend eine Faust auf die Brust.

Rhodan lächelte in die Runde und winkte freundlich zum Zeichen, dass sein Vortrag nun beendet war, woraufhin die Studenten noch intensiver klatschten, pfiffen, trommelten und Fäuste auf die Brust legten. Ein Ritual, an das er gewöhnt war. Rhodan sah dorthin hinüber, wo er die Dekanin zuletzt gesehen hatte, aber die war nun verschwunden.

Dafür stand eine andere Frau an einer der Zugangstüren zum großen Versammlungssaal. Sie lehnte lässig an der Wand und warf Rhodan aus goldroten Augen einen ironischen Blick zu – Thora Rhodan da Zoltral.

Es gab nicht viel auf der Welt und im Weltraum, das Perry Rhodans Herz schneller schlagen ließ. Thoras Anblick war eins dieser Dinge. Seine Frau sah wie immer hinreißend aus. Sie trug einen körperbetonten, schlichten Einteiler mit breitem Gürtel, und ihre streng geschnittenen, schulterlangen Haare, die wie bei einem Großteil der Arkoniden weiß waren, saßen perfekt.

Rhodan bahnte sich einen Weg durch die Menge, schüttelte einige Hände, gab Autogramme auf Schreibfolien, die ihm hingehalten wurden, und ließ sich mit Studenten fotografieren. Dann bedeutete er den Leuten mit einem Winken, dass er nun zum Privatmenschen zu werden gedachte. Respektvoll verteilten sich die Studenten, und bald war der Saal geleert. Rhodan stand vor Thora, die amüsiert die Augenbrauen hochzog.

»Der Herr Terraner ist immer noch sehr beliebt«, empfing sie ihn. »Hast du wieder deine Erfolgsrede gehalten? ›Sie kennen vielleicht meinen Freund Reginald Bull.‹ ›Wir sind alle Bewohner der Galaxis.‹ ›Gemeinsam können wir alles schaffen.‹«

»Die ist wirklich sehr erfolgreich«, bejahte Rhodan. »Und das, obwohl ich sie selbst geschrieben habe.«

Gemeinsam schlenderten sie aus dem Versammlungssaal in den Flur dahinter, eine transparente Röhre, die zwei Kuppelbauten des Universitätskomplexes miteinander verband.

Thora lachte – nicht ironisch, sondern herzlich. Wenn sie ihren Ehemann necken konnte, war sie in ihrem Element. Als er sie kennengelernt hatte, war ihm ihre Art als unerträglicher Standesdünkel einer überlegenen Kultur erschienen. Bei ihrer ersten Begegnung hatte die Arkonidin ihn und Reginald Bull sogar als Tiere bezeichnet. In Wahrheit, das hatte er sich damals nur nicht eingestanden, hatte er Thora vom ersten Moment an geliebt.

Rhodan hielt Thora fest und küsste sie zärtlich und lange. Sie ließ es geschehen und erwiderte den Kuss.

»Wie war dein Treffen mit dem Unionsrat?«, fragte Rhodan, während er Thora weiterhin im Arm hielt. Sie war erst vor einigen Stunden von ihrer fernen Heimatwelt Arkon auf direktem Weg nach Terra geflogen, ohne zuvor auf dem Erdmond Zwischenstation zu machen. »Eure Konsultation war offenbar immerhin so wichtig, dass du dafür den Anfang meiner großartigen Rede verpasst hast.« Rhodan legte ein schiefes Grinsen auf, um anzuzeigen, dass er es nicht ganz ernst meinte. »Darf man dich wieder Botschafterin nennen?«

»Botschafterin von Arkon?« Thora setzte eine gespielt gleichgültige Miene auf. »Glaubst du nicht, du würdest es als Erster erfahren, wenn an den Gerüchten was dran wäre?«

»Das Mesh ist voll davon!«, erwiderte Rhodan. Das Mesh war ein Informations- und Kommunikationsnetzwerk, das sämtliche Welten und Stationen der Terranischen Union jeweils lokal, global und zudem auch interstellar miteinander verband. Im Mesh fand man jede akkurate Information ebenso wie jede Falschmeldung, jeden klugen Gedanken, jede Blödheit, jede glaubwürdige Prognose und jede plumpe Spekulation.

Wieder lachte Thora. »Wenn es im Mesh steht, muss es ja stimmen. Tatsächlich ist die Meldung von meiner erneuten Ernennung zur Botschafterin auf Terra ein wenig voreilig. Im Sternenreich von Thantur-Lok kämpft man noch immer mit den Geburtswehen der neuen Republik. Immerhin wurde es eine halbe Ewigkeit lang von Adelsfamilien regiert. Das ehemalige Große Imperium steckt weiterhin mitten im Transformationsprozess. Ich habe die Terranische Union ausführlich über meine Gespräche auf Arkon unterrichtet. Du wirst die Protokolle noch lesen. Reginald lässt schön grüßen. Er flucht über die Papierarbeit, wie er es nennt, und sagt, er wäre gern mitgekommen zum Mond. Er wollte sich deine Rede aufzeichnen lassen und später ansehen.«

Diesmal war es Rhodan, der lachte. Das war typisch Bull: immer bereit zu einer mürrischen Bemerkung, die er genauso wenig ernst meinte wie Thora ihre Spitzen gegen die vermeintlich unterentwickelten Terraner.

Rhodan tippte mit der Fingerspitze zärtlich auf Thoras Oberlippe und legte dann seine Stirn gegen ihre. »Du weißt ja, ich gebe nichts auf Gerüchte und halte ebenso wenig von Papierarbeit wie Reg. Ich beziehe meine Informationen lieber aus der Primärquelle.«

Thora legte ihre Arme auf seine Schulter und sah ihn einen Moment lang so an, als sei er wahrhaftig das wilde Tier, für das sie ihn einst gehalten hatte. Er, der Raumfahrer von einem rückständigen, kriegerischen Planeten, und sie, die stolze Arkonidin, Vertreterin eines seit Jahrzehntausenden bestehenden Sternenimperiums. Viel war seitdem geschehen.

Rhodan und Thora hüllten sich in ein akustik- und optikverschleierndes Privatsphärefeld und brachten einander auf die Schnelle auf den neuesten Stand. Sie würden noch Gelegenheit zu einem längeren amtlichen Gespräch unter besser abgeschirmten Bedingungen haben. In zwei Stunden würden sie gemeinsam in einer Raumfähre zur Erde zurückkehren.

Sie wollten sich rein privat mit Reginald Bull in seiner Villa am Goshunsee treffen. Er hatte davon gesprochen, eine Flasche Whisky anzubrechen, die ihm Homer G. Adams mal geschenkt hatte. Irgendwie hatten sie in den Jahrzehnten, die seit dem Tod des alten Weggefährten vergangen waren, nie die Gelegenheit dazu gefunden.

Da endlich eine ruhigere Epoche angebrochen war, wurde es verdammt noch mal Zeit, wie Bull es ausgedrückt hatte. Seine neuen Partnerin Sheela Rogard tat ihm sichtlich gut. Seit die beiden ihre Beziehung öffentlich gemacht hatten, war Bull geradezu aufgeblüht. Er hatte wohl endlich den Tod seiner zweiten Frau Stella Michelsen überwunden. Und Rogard war 2114 mit überraschend großer Mehrheit als Erste Terranerin für fünf Jahre wiedergewählt worden.

Nach der Zusammenkunft mit Bull standen für Rhodan und Thora weitere Termine im Solsystem und der Lokalen Blase an. Zuerst wollten sie die BASIS besuchen, die inzwischen in der Nähe des Zwergplaneten Ceres im Asteroidengürtel stationiert und zu einem Ausbildungszentrum der Terranischen Flotte geworden war. Nach einigen interstellaren Kurzreisen würden sie zu den Titanwerften beim Saturn fliegen, wo die SOL seit zwei Jahren einer Generalüberholung unterzogen wurde. Sheela Rogard hatte sie gebeten, die Stimmung unter den Solanern zu erkunden.

»Sie brennen darauf, wieder auf große Reise zu gehen«, sagte Rhodan. »Die Solaner verstehen sich als eigenes Volk und die SOL als ihren angestammten Lebensraum, als ihre Heimat. Nun befürchten viele von ihnen, dass die Union die SOL stattdessen für sich vereinnahmen will. Denn einige Politiker betrachten die SOL als rechtmäßigen Besitz der TU.«

Thora verschränkte die Arme. »Die Solaner hatten schon immer ihren eigenen Kopf. Bereits Deccon hat sich oft genug unseren Wünschen widersetzt, und sein Nachfolger Hayes hat einen ähnlich eisernen Willen. Daher bezweifle ich, dass die Terranische Union einen Anspruch auf die SOL geltend machen kann. Laut der hübschen Rede, die du im Auftrag der TU überall hältst, haben die Solaner sogar das Recht, ihr Leben eigenständig zu gestalten. Und sie fühlen sich eben nur wohl, wenn sie auf ihrem Raumschiff unterwegs sind auf einer Expedition in die Unendlichkeit. – Da kommt die Dekanin.« Thora nickte zum anderen Ende der transparenten Röhre zurück.

Von hinter ihnen näherte sich in schnellem Gang die Vorsteherin der Armstrong University. Gleichzeitig entschuldigend und energisch sagte Sylvana Rappmann, als sie noch zehn Schritte entfernt war: »Ich bitte um Verzeihung. Ich wurde durch eine Lappalie aufgehalten. Herzlich willkommen auf Luna, Kommandantin.«

Noch ehe Thora etwas entgegnen konnte, wies die Dekanin auf ein paar Folien, die sie in der Hand hielt und plapperte drauflos. »Ich werde Sie persönlich in den Seminarraum bringen. Es ist die erste Sitzung des Komitees zur Organisation der – gemäß der tradierten Zeitrechnung – Hundertfünfzig-Jahr-Festivitäten der ersten Mondlandung, und Sie beide sind unsere Ehrengäste. Wenn ich es richtig verstanden habe, bereiten Sie sich ja noch auf eine andere Geburtstagsfeier vor?«

Verblüfft sahen Rhodan und Thora einander an. Dann verstand der Terraner. »Sie meinen Toms Geburtstag im Februar?«

»Am Valentinstag!« Die Dekanin zog bedeutungsschwer beide Augenbrauen hoch.

Hoffte sie auf Klatsch aus der Familie Rhodan da Zoltral oder gar eine Einladung? In der Tat wollte Rhodans und Thoras gemeinsamer Sohn Thomas im nächsten Monat im Schloss Versailles eine Feier zu seinem fünfundsiebzigsten Geburtstag ausrichten. Er hatte es vorgezogen, die Jahre der Aphilie nicht mitzuzählen, so wie viele Terraner es, wenn möglich, ebenfalls hielten.

»Professorin Rappmann.« Rhodan wechselte diplomatisch das Thema. »Was war das für eine Lappalie, von der Sie eben sprachen?«

»Überhaupt nicht der Rede wert«, behauptete die Dekanin. Als sie merkte, dass Rhodan mit der Antwort nicht zufrieden war, erläuterte sie: »Die Leute vom Ordnungsdienst sind aufgrund Ihrer Anwesenheit so pingelig, dass sie jede kleine Störung auf die große Waagschale legen.«

»Störung?«, fragte Rhodan scharf. »Verzeihen Sie mir, aber ich möchte gern mehr darüber erfahren. Die große Jubiläumsfeier der ersten Mondlandung findet erst in drei Jahren statt. Ich bin sicher, das Komitee kann ein paar Minuten auf uns warten.«

Sylvana Rappmann verharrte für eine Sekunde. Dann machte sie auf dem Absatz kehrt und führte den Terraner und die Arkonidin zielstrebig in den großen Versammlungssaal zurück, aus dem sie soeben gekommen waren. Sie hatte wohl erkannt, dass sie die Lappalie auf diese Weise am schnellsten aus der Welt schaffen konnte.

»Die Glassitkuppeln und ihre als Stützkonstruktionen fungierenden Stahlträgergerüste dienen selbstverständlich dem Zweck, die Atemluft der Habitatareale nicht ins Vakuum der Mondumgebung entweichen zu lassen«, dozierte sie, während sie die Halle durchquerte. »Noch ist es ja nicht so weit mit einem kompletten Terraforming des Monds. Die Kuppeln schützen uns auch vor Meteoriten, Strahlen und anderen Gefahren aus dem Weltraum.«

Sie blieb an der gebogenen Wandung stehen und klopfte auf die Glassitscheibe des Vortragssaals. »Dieses Material ist so gut wie unzerstörbar«, versicherte sie. »Aber selbst wenn es auch nur den feinsten Riss bekommen sollte, würde das von den integrierten Nanosensornetzen sofort erkannt. Dann versiegelt ein automatisch zugeführtes, selbstdichtendes Gel die Schadstelle, davon würden wir im Saal nicht mal etwas mitbekommen. Darüber hinaus gibt es die Schutzschirme.«

Thora trat an die Glassitwandung und klopfte ebenfalls darauf. »Und die Sensoren haben so einen feinen Riss registriert?«, vermutete sie.

»So etwas Ähnliches«, bekannte die Dekanin. »Das Verblüffende ist: Der Schaden ist offenbar nicht an der Außenseite entstanden, sondern innen, und ausgerechnet an einem der Stahlträger. Die Ursache ist also keinesfalls der Einschlag eines Mikrometeoriten. Es bestand aber zu keinem Zeitpunkt irgendeine Gefahr für Sie oder das Auditorium.«

»Wo war das genau?«, fragte Rhodan.

Sylvana Rappmann sah auf ihr Multifunktionsarmband, ging ein paar Schritte weiter und kam an einer der Stahlstreben zu stehen, die das dezente Traggerüst der Kuppel bildeten. »Hier ist es.« Sie deutete auf eine Stelle, die leicht deformiert wirkte. »Als ob jemand mit einem Desintegratorstrahler auf den Träger geschossen hätte. Aber das ist strukturstabilisierter Liduuristahl. Da wäre er überhaupt nicht durchgekommen. Und es ist niemand mit einem Desintegrator in die Kuppel gelangt; das hätte einen sofortigen Alarm ausgelöst.«

Rhodan trat ebenfalls an die betroffene Stelle und fuhr mit der Hand darüber. »Was ist das?«

Kaum merklich kräuselte sich zwischen seinen Fingern ein schwarzer Nebel, wie der Rauch einer ausgeblasenen Kerze. Schon war er verflogen.

Im selben Moment überfiel den Terraner eine unheimliche Vision.

Von der Stelle, wo Rhodans Hand war, breitete sich auf dem Stahlträger blitzschnell ein Netz von Rissen aus. Es erfasste die ganze Kuppel, das Glassit zerbarst, und tausend Splitter schossen in den Weltraum hinaus. Er, Thora und die Dekanin wurden ungeschützt weit in die lebensfeindliche Mondlandschaft geschleudert. Sie rollten über eiskalten Fels. Die Körper der beiden Frauen blieben regungslos liegen.

Rhodan sah, wie ihre Gesichter grau wurden, als seien sie zu Stein erstarrt. Dann zog sich auch über sie ein Netz feinster Risse, schließlich zerfielen ihre Steinkörper zu Staub, der aufgrund des fehlenden Luftwiderstands auf dem Mond schnell zu Boden rieselte.

Rhodan kämpfte sich auf die Beine, griff sich panisch an den Hals und rang nach Atem. Als er auf seine Hände sah, wurden diese ebenfalls grau. Dünne Sprünge entstanden darin, die Finger bröckelten ab. In einem letzten Aufbäumen hob er den Blick zur runden Kugel der Erde am Himmel. Auch dort taten sich tausend Spalten auf, bis sie die gesamte Oberfläche überzogen. Dann zerbarst die Erde in einer ungeheuren Explosion.

Rhodan ruckte zurück. Schwer atmend lehnte er an dem Stahlträger im Innern der Mondbasis. Er spürte, dass seine Stirn von Schweißperlen bedeckt war. »Alles in Ordnung«, flüsterte er. »Es war nichts.« Seine Vision war jedoch von einer beängstigenden Echtheit gewesen, eine Vorausschau auf das Ende von allem.

3.

Laumae

Einen Monat zuvor

Laumae träumte.

Er stieg auf einen Berg und blickte in ein weites Tal hinunter, das sauber in eine große Zahl rechteckiger Grünflächen geteilt war. Auf den Feldern zogen vollautomatische Ernteroboter ihre Bahnen. Die einzigen Lebewesen, die Laumae sehen konnte, waren schwarz und weiß gefiederte Krähen, die Magpies, die es überall in Australien gab. In eleganten Schleifen segelten sie über die abgegrenzten Areale, immer auf der Suche nach Beute am Boden.

Ein leichter Wind kam auf. Laumaes Hemd flatterte.

Wenn er die Arme ausbreitete, würde er dann frei sein und fliegen können wie die Magpies? Würde er von der Erde abheben wie Perry Rhodans Raumschiff STARDUST? Und ganz allein zu den Sternen vorstoßen?

Er wusste, dass Menschen in ihren Träumen alles machen konnten, was sie wollten. Dazu mussten sie nur erkennen, dass sie träumten. Und sie mussten Menschen sein. War er einer?

Laumae hob die Arme und versuchte ungelenk, sie wie Schwingen zu bewegen.

Das war lächerlich. Es funktionierte nicht. Er atmete stockend ein und aus. Enttäuscht senkte er die Arme wieder.

Er wusste, dass er im Traum fliegen konnte. Aber er traute sich nicht. Oder er träumte nicht.

Auf einmal stießen die Vögel helle Warnrufe aus, ein heiseres Krächzen, das übers Tal hallte. Flatternd stoben sie auseinander, schon waren sie auf und davon.

Binnen Sekunden wurde der Himmel dunkel wie die Nacht, in der Ferne zuckten Blitze, es folgte grimmiges Donnergrollen. Einige dicke Regentropfen fielen auf Laumaes Nase, bloße Vorboten des kommenden Unwetters.

In seinem Kopf ertönte eine Stimme, die ihn immer wieder heimsuchte. Die Stimme des Anderen. »Du willst davonfliegen wie die Krähen? Abheben wie Rhodans Raumschiff? Warum tust du es nicht endlich? Du weißt, du hast eine Aufgabe. Die Welt erwartet Großes von dir. Wie willst du etwas erreichen, wenn du nicht den ersten Schritt machst?«

Erneut hob er zaghaft die Arme. Diesmal machte er nicht mal den Versuch, es den Magpies oder dem Raumschiff gleichzutun.

»Bist du es, Primat?«, schrie er in den Himmel, wo sich die schwarzen Wolken zu einem wallenden Meer zusammenbrauten. »Du bist nicht ich. Was willst du von mir?«

»Was willst du von mir?«, äffte der Andere ihn nach. »Das musst du doch wissen. Glaubst du wirklich, dass ich nicht du bin?«

Plötzlich prasselten die Stimmen in seinem Kopf von überallher wie Regentropfen auf ihn ein, bald war er vollkommen durchnässt. Die Stimmen lachten und gackerten.

Laumae schreckte hoch.

Es war helllichter Tag. Die australische Morgensonne schien schräg in sein Zimmer. Für einen Moment hing er noch in seinem wirren Traum fest. Dann besann er sich, dass ihn nichts davon noch interessieren musste, und hängte die Beine aus dem Bett. Dennoch blieb ein schales Gefühl.

»Servo!«, sagte er matt. »Azurmix.«

Ein bislang verborgener Dienstroboter löste sich aus der makellos weißen Wand und schwebte lautlos an Laumaes Bett heran. Die Maschine war nicht größer als eine Kaffeekanne. »Gudday«, zirpte der Roboter in der eigenartigen australischen Redeweise und Variante des Englischen, die Laumae inzwischen vertraut war. »Bitte sehr, dein Azurmix. Ich wünsche einen angenehmen Tag. Es ist sieben Uhr dreißig morgens, die Außentemperatur beträgt ...«

Laumae machte eine Schnabel-zu-Geste, und die Maschine verstummte. Der Junge griff nach dem großen Glas Blaubeer-Zitrone-Saft, das der Roboter ihm darbot. Den Ausdruck Azurmix verdankte das Getränk dem Blauen Schutzschirm, im Volksmund auch Azurschirm genannt. Seit das Energiefeld das Solsystem umspannte, war über den australischen Feldern kein Stern mehr zu sehen. Der klarste Nachthimmel präsentierte nur noch ein blasses, blaues Wabern. Seltsamerweise mochte Laumae das. Es erschien ihm als Zeichen aus den Tiefen des Weltalls, das ihn mehr als Gestirne daran erinnerte, dass der Kosmos unendlich war.

»Laumae, bist du wach?«, rief eine Stimme von unten. Sie gehörte Ted Henderson, dem alten Mann, der Laumae vor zwei Jahren gemeinsam mit seiner Frau Marge in der zentralaustralischen Wüste aufgelesen hatte.

Laumae streckte sich. »Gerade aufgestanden!«, rief er zurück. »Hab einen blöden Traum gehabt.«

»Du und deine blöden Träume! Denk nicht mehr dran, mein Sohn, und zieh dich an. Du wolltest doch heute mit Roxy zu den Feldern rausfliegen.«

»Au Mann, ja!« Hektisch griff Laumae nach seiner Hose und stolperte fast, als er mit Schwung hineinstieg. Fahrig warf er sich ein Hemd über, ließ vom Servoroboter einen Holospiegel projizieren und zupfte rasch eine halbwegs akzeptable Frisur zurecht. Seine Haare waren tatsächlich blau, wie die Hendersons bei ihrer ersten Begegnung bemerkt hatten. Aber Laumae färbte sie nicht wie die Jugendlichen in der Großstadt. Sie waren und blieben auf natürliche Weise blau wie der Azurschirm.

Die Hendersons hatten Laumae bei sich aufgenommen, nachdem ihre Nachfragen bei den Behörden ergeben hatten, dass nirgendwo ein Junge wie er verschwunden war oder vermisst wurde. Ein Abgleich mit den genetischen Datenbanken hatte zudem gezeigt, dass er nirgendwo auf dem Planeten registriert war.

Das rief aber nicht gleich die Polizei und die Solare Abwehr auf den Plan. Trotz der Absperrung des Solsystems durch den Blauen Schirm gab es nach wie vor zahlreiche Besucher, Gäste und Touristen von außerhalb, die das Heimatsystem der Menschheit bereisten. So weit ging das Misstrauen der staatlichen Sicherheitsorgane nicht, dass jeder unregistrierte Fremde sofort als Gefährder verdächtigt wurde. Nach dem Ende der aphilischen Überwachungsdiktatur galt die individuelle Freiheit in der Terranischen Union vielmehr wieder als hohes Gut.

Laumae wusste inzwischen, dass der Planet, auf dem er nun lebte, Terra war. Er hatte allerdings immer noch nicht herausgefunden, wer er selbst war, woher er kam und wieso er ausgerechnet auf diesen Planeten gestürzt war.

Wenn er seinen Geist erforschte, stellte er fest, dass er sich als Terraner fühlte. Tief in ihm drin gab es verschüttetes Wissen, und viel davon handelte vom Planeten der Menschen. Er kannte diesen Planeten und seine Geschichte. Ihm waren die Kultur und einige Sprachen der Terraner vertraut. Schon bei seiner ersten Begegnung mit Terranern hatte er instinktiv ihre Körpersprache und Gesten verstanden und selbst benutzt. In der Obhut der Hendersons war deshalb alles gut. Sie behandelten ihn wie ihren eigenen Sohn.

Das Leben, das die zwei Farmer führten, war jedoch vollkommen anders, als Laumae es sich vorgestellt hatte. Sie verließen Port Augusta fast nie, die traditionsreiche Küstenstadt am Spencer-Golf, die im 22. Jahrhundert eine Millionenstadt war mit himmelhohen Wohntürmen und zwei großen Raumhäfen im Norden der Metropole. Noch weiter nördlich erstreckten sich auf einer Fläche von fünfzig Millionen Hektar die Felder der Hendersons, neben denen vieler anderer australischer Farmer.

Ein Großteil des Kontinents war in der Zeit der Aphilie begrünt und in ein riesiges Agrargebiet umgewandelt worden, auf dem Roboter die Äcker pflügten, Saat ausbrachten und Ernten einfuhren. All das hatte dem Zweck gedient, möglichst effektiv die zwanzig Milliarden Menschen zu ernähren, die auf Terra lebten und in jener Epoche durch den Schwarzen Sperrschirm von jeglicher Versorgung aus dem Rest des Universums abgeschottet gewesen waren. Das Outback im Northern Territory allerdings war auf Betreiben der indigenen Australier im Urstand der Steppen und Wüsten verblieben, die den Kontinent jahrtausendelang dominiert hatten. Dort war es, wo die Hendersons Laumae vor zwei Jahren gefunden hatten.

Marge und Ted Henderson gehörten zu den Bürgern, die damals Teile des neu entstandenen Farmlands erworben hatten. Dort hielten sie sich jedoch so gut wie nie auf. Stattdessen bewohnten sie eine vierstöckige Villa am Rand der Stadt, deren oberste Etage eine große Kommandozentrale war, wo sie die Farm aus der Ferne überwachten und steuerten. Ihre Tätigkeit war im Wesentlichen die von Managern, die den Einsatz der Maschinen, den Transport von Saat, Dünger und Ernte, die Bewässerung, Pflege der Anpflanzungen, den Warenein- und -ausgang sowie die Wartung der Roboter koordinierten. Ständig hoben von einem der beiden großen Raumhäfen von den Hendersons gecharterte Frachtschiffe ab, die Weizen und Gerste in die verschiedenen Regionen der Erde oder bis zu den Monden der äußeren solaren Planeten transportierten.

Roxys raue Stimme empfing Laumae, als der Junge im unteren Wohnbereich eintraf. »Bist du endlich fertig, mate?« Der Marsianer bemühte sich redlich, die typisch australische Sprechweise und das lokale Vokabular zu treffen.

Er war einer von zwei Brüdern, die all jene Arbeiten erledigten, die die Hendersons nicht komplett Robotern überlassen oder denen sie einen persönlichen Anstrich geben wollten. Zum Beispiel holten die Brüder oft interstellare Geschäftspartner der Hendersons aus den Kalmenzonen ab, jenen systemperipheren Arealen, in denen der Azurschirm kurzzeitig durchlässig geschaltet wurde, um Raumschiffe ins Solsystem rein- oder wieder rauszulassen.

Roxy und sein Bruder Prax sahen einander zum Verwechseln ähnlich. Ihre Haut war dunkel und bronzefarben, sie hatten große, schwarze Augen, kurze, graue Haare und waren auffällig hager. Ein wenig erinnerten sie Laumae an den Anangu Gurumarra, deshalb hatte er sie von Anfang an gemocht. Die Brüder arbeiteten bereits seit Jahrzehnten auf der Henderson-Farm und empfanden sich daher als halbe Australier. Sie aßen sogar Meat Pies zum Frühstück.

Dafür hatte Laumae an diesem Tag keine Zeit. Roxy stand bereits am Ausgang der Henderson-Villa und trommelte mit den Fingern einer großen, schaufelartigen Hand ungeduldig an die Wand.

Im Erdgeschoss bestand das Gebäude aus einem einzigen großen Raum, der von Pflanzen bewuchert war und die Anmutung eines Urwalds vermittelte. Es fehlte nur das Zischen, Brüllen und Keckern der Dschungeltiere. Mittendrin standen breite Sofas und große, ovale Tische, die das Areal als Wohnbereich für Menschen auswiesen. Ted Henderson war nirgends zu sehen. Er arbeitete wahrscheinlich droben in der Zentrale. Seine Frau Marge saß mit Prax an einem der Tische und betrachtete ein Hologramm mit Aktienkursen.

Als sie Laumae sah, eilte sie zu ihm, zupfte sein Hemd zurecht und versuchte erfolglos, seine wirr in alle Richtungen stehenden Haare glatt zu streichen. »Du hast wieder nichts gegessen, oder? Meldet euch von unterwegs. Ich will sichergehen, dass euch nichts passiert.«

»Aber Marge«, maulte Laumae. »Eine Reise zu den Erntefeldern ist doch keine Expedition zum Planet der Bestien.«

Marge rümpfte die Nase. Sie wollte wohl etwas Kummervolles entgegnen, aber dann hellte sich ihr Gesicht auf. Hatte sie eben noch besorgt und traurig gewirkt, zwickte sie Laumae nun zärtlich in die Wange. »Roxy passt ja auf dich auf. Ein Tag voller Landluft wird dir guttun. Und heute Abend wollt ihr doch gemeinsam das Spiel besuchen!« Sie nahm seinen Kopf in die Hände und küsste ihn auf die Stirn.

Ergeben ließ Laumae die Liebkosung geschehen. »Na klar, Marge. Das will ich mir auf keinen Fall entgehen lassen! Und wir werden auf uns aufpassen, versprochen! See ya!«

Er mochte Marge Henderson. Die energische Frau hatte ihn stets wie einen Sohn behandelt. Sie hätte es wohl gern gehabt, wenn er sie Ma genannt hätte und nicht bloß Marge. Aber dafür war er nicht bereit. Streng genommen wusste er ja nicht mal mit Sicherheit, ob sie derselben Spezies angehörten.

Beim Rausgehen winkte er noch mal zum Abschied. Dabei steckte ihm kurz ein Kloß im Hals. Er dachte daran, was er bei der ersten Begegnung mit Marge in der Wüste erfahren hatte: Die Hendersons hatten einst einen Sohn namens Jengo gehabt. In den vergangenen zwei Jahren hatten sie niemals wieder über ihn gesprochen.

Der Gleiter mit Roxy am Steuer sauste über den Lake Dempsey in das flache Land dahinter, wo die Agrargebiete lagen, die weite Teile der australischen Binnenregionen bedeckten. Normalerweise liebte der Junge es, aufs Land rauszufahren, auch wenn die Natur, so weit das Auge reichte, in fest abgegrenzte, einheitlich große Ackerflächen strukturiert war. Aber Laumae gefiel trotz der zwar einerseits unverkennbar strengen Künstlichkeit der Umstand, dass es sich andererseits nicht um Metallverbundstoff und Maschinen handelte, sondern um im Wind wehende Gräser. Einige schwarz und weiß gefiederte Magpies folgten dem Gleiter ein Stück und stießen Flötentöne aus. Laumae musste an seinen Traum vom Morgen denken.

Eine dunkle Stimmung erfasste ihn, und er war so sehr in Gedanken versunken, dass es sogar Roxy auffiel, der sonst auch eher schweigsam war.

»Willst du 'ne Quandong, mate?«, fragte der Marsianer. »Wird dich bestimmt aufmuntern!« Er fasste in einen Beutel auf der Rückbank und fischte eine Handvoll kleiner, roter Früchte heraus.

Lustlos nahm Laumae ihm eine davon ab und knabberte vorsichtig an dem saftigen Obst, bis er mit den Zähnen auf den großen Kern im Innern stieß. »Marge macht sich immer so viele Sorgen, oder?«, fragte er unverbindlich.

Roxy grunzte nur. »Du hast sie wieder fröhlich gemacht. Good on you, mate!«

»Ja.« Versonnen nagte Laumae am Kern der Quandong. Dann kräuselte er die Stirn. »Wie meinst du das?«

Das war genau die Art Frage, die Roxy normalerweise zu umgehen versuchte. Dennoch antwortete er: »Marge Henderson war besorgt, und du hast sie fröhlich gemacht. Das ist es doch, was du kannst.«

Laumae kniff die Augen zusammen. Er hatte das Gefühl, dass dies nicht nur belangloser Small Talk war, sondern mehr dahintersteckte. »Was kann ich?«, hakte er nach.

Der Marsianer sah starr in Fahrtrichtung. »Du hast besondere Fähigkeiten«, murmelte er unbehaglich. »Wir alle haben es bemerkt. Irgendwie schaffst du es, unsere Emotionen dahin zu lenken, wo du sie haben willst, mate. Wusstest du das nicht?«

»Nö«, sagte Laumae verblüfft. »Du meinst, ich hab so was wie eine Paragabe, wie Gucky oder John Marshall?«

»Na ja, vielleicht nicht so wie Gucky oder John Marshall, aber irgendwie schon. Kannst du meine Gedanken lesen?«

»Du denkst daran, dass du noch eine Quandong willst?«

»Nein, ich denke daran, dass wir gleich den defekten Silo erreichen.«

»Dann kann ich deine Gedanken nicht lesen.«

Roxy senkte den Gleiter im Schatten eines schmutzigen Gebildes aus Stahlblech auf den Boden, das wie ein Fremdkörper aus der Landschaft emporstach. Das Bauwerk bestand aus einem halben Dutzend breiter Türme, die dicht aneinandergedrängt in der prallen Sonne standen. Solche Getreidesilos gab es überall am Rand der Ackerareale. Dieses wirkte alt und knorrig, als stamme es aus einer anderen Zeit.

Neugierig ließen sich einige Magpies auf dem parkenden Gleiter nieder und suchten nach Insekten, die an der Karosserie oder den Scheiben kleben geblieben waren.

Roxy wischte sich über die Stirn und zeigte zu den runden Türmen der Silogruppe hoch. »Das Ding hat ja schon richtige Löcher. Bei den Geistern des Mars, und die Roboter haben die ganze Zeit nichts gesagt! Wir müssen die Wartungsprogramme modifizieren.«

Laumae kratzte sich am Hinterkopf und versuchte, die Schäden zu entdecken, die der Marsianer beschrieben hatte. »Die Silos sind in der Zeit der Aphilie errichtet worden, oder? Ich dachte, da ist alles so effizient abgelaufen?«

Roxy schüttelte den Kopf. »Solang alles leidlich funktionierte, brauchte man sich um teure, sorgsame Wartung nicht zu kümmern. Das war ein Problem, das man gern künftigen Generationen überlassen hat. Hinzu kommt das vielfach minderwertige Baumaterial. Da haben die Korrosion und der Zahn der Zeit ihr Werk getan. Am liebsten würde ich das Ding ja sofort abreißen.« Noch nie hatte der Marsianer so viel geredet.

Gemeinsam gingen sie durch ein Wartungstor ins Innere des Gerätehauses, das den Hauptsilo ringförmig umschloss. Mit einem Schlag waren sie in einer Welt des Stahls und der mechanisch zirpenden Maschinen. Die Steueranlagen, die entlang der Außenwand des eigentlichen Getreidebehälters angebracht waren, wirkten wie Schaltelemente aus der Frühzeit der terranischen Raumfahrt. Die Apparaturen dienten der Kontrolle des Drucks und der Gärgasentwicklung in dem riesigen Zylinder. Von ihnen wurden auch die anfliegenden Frachter eingewiesen und deren Beladung gesteuert.

Ein klappriger, tonnenförmiger Roboter schwebte ihnen entgegen. Er sah aus wie der kleine Bruder eines der Getreidesilos. Vermutlich war er schon seit achtzig Jahren im Dienst. Und vermutlich prüfte er gerade die Biosignatur der zwei Besucher und verglich sie mit seiner Datenbank. »Ihre Autorität ist anerkannt«, verkündete er schnarrend geschäftsmäßig. »Wie lauten Ihre Anweisungen?« Höfliche Kommunikation mit biologischen Lebewesen gehörte offenbar nicht zu den Prioritäten seiner Programmierung.

Roxy sah durch eine transparente Sektion des Gerätehausdachs an der Wandung des Mittelturms empor. »Das Ding ist nicht gefüllt, oder? Und was ist mit den Nebensilos?«

»Es besteht eine nur fünfprozentige Füllung der Speicheranlage. Es gibt einen Defekt an der oberen Hauptsiloluke, den wir gemeldet haben. Wir haben die Erntemaschinen deshalb zu einem anderen Silokomplex umgeleitet.« Obwohl der Roboter nach wie vor monoton emotionslos sprach, klang es für Laumae, als sei die Maschine stolz auf ihre organisatorische Leistung.

Roxy knurrte unleidig und kratzte sich am Kopf. »Du redest viel«, behauptete er.

»Nein«, antwortete der Roboter schlicht.

Laumae lachte. Da hatten sich zwei gefunden!

Der Marsianer drehte sich zu dem Jungen um. »Am liebsten würde ich das archaische Ding noch heute abreißen lassen. Dann können wir morgen an dieser Stelle einen neuen, modernen Silo errichten lassen.« Zu dem Roboter gewandt, ergänzte er: »Von Montagerobotern aus der Stadt.«

Der Roboter gab mit keiner Handlung zu erkennen, ob er wegen dieser Bemerkung gekränkt war. »Wir verfügen im Geräteschuppen D über ein paar Thermostrahler.«

»Und damit willst du hier alles abfackeln, hm?« Roxy machte ein paar Schritte und nahm mithilfe seines Multifunktionsarmbands Verbindung zu Ted oder Marge in Port Augusta auf.

Laumae nutzte die Gelegenheit, den Speicherturm zu Fuß zumindest außen einmal komplett entlangzugehen. Er war noch nie im Innern eines der Silos gewesen und hatte sich keine Vorstellung von deren Größe gemacht. Aber klar, wenn Raumschiffe oben an den Silos andockten, um Weizen für den Saturnmond Titan aufzunehmen, handelte es sich nicht bloß um ein paar Säcke, die man mal eben auf der Schulter tragen konnte.

Der Roboter entschied sich, Laumae bei seiner Inspektion hinterherzuschweben. Wie ein Hund!,