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Wenn Petronella groß ist, wird sie Tierforscherin. Das steht fest. Sie wird in die Antarktis reisen und Wüsten durchqueren. Mit einem Fernglas in der Hand wird sie lautlos wie eine Schlange über den staubigen Prärieboden kriechen und die unglaublichsten Tiergeschichten aufdecken, die die Welt je gehört hat. Bis sie alleine mit ihren Reisen in die Ferne beginnen kann, lebt sie in einem kleinen Dorf. Hier kennt sie jeden und jeder kennt sie. Das ist auch gar nicht so schwer, weil Petronella sich jeden Tag viel herumtreibt. Und wenn jemand Ungewöhnliches entdeckt, ist es Petronella Glückschuh!
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Seitenzahl: 54
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Wenn Petronella groß ist, wird sie Tierforscherin. Das steht fest. Sie wird in die Antarktis reisen und Wüsten durchqueren. Mit einem Fernglas in der Hand wird sie lautlos wie eine Schlange über den staubigen Prärieboden kriechen und die unglaublichsten Tiergeschichten aufdecken, die die Welt je gehört hat.
Sie wird über Meere segeln und die höchsten Berggipfel erklimmen. Sie wird im Regenwald Insekten entdecken und ihnen einen Namen schenken. Vielleicht bringt sie den Affen auch Lesen bei oder einem Tiger Pfötchen geben.
Ihre Hündin Kordel kann schon durch Reifen springen und bis drei zählen. Dank Petronella.
Die lebt vorerst, bis sie alleine mit ihren Reisen in die Ferne beginnen kann, in dem kleinen Dorf Bergluch. Hier kennt sie jeden und jeder kennt sie.
Das ist auch gar nicht so schwer, weil Petronella sich jeden Tag viel herumtreibt. Jede freie Minute ist sie unterwegs. Nicht selten muss Petronellas Vater sie am späten Abend noch suchen gehen und nach Hause holen.
Philine, Petronellas ältere Schwester, macht ihren Eltern nicht so viele Sorgen. Philine ist sogar Klassensprecherin und schreibt fast immer gute Noten.
Petronella hingegen schwänzt bereits seit der ersten Klasse an manchen Tagen die Schule. Das gibt immer wieder richtig Ärger.
Petronella liebt das Leben und die Freiheit, doch am meisten liebt sie Tiere.
Manchmal ist sie ein wenig traurig, dass sie nicht in einem Zirkuswagen geboren wurde. Aber das Leben auf dem Lande, im so vertrauten Bergluch, hat auch viel zu bieten. Denn, wenn jemand Ungewöhnliches entdeckt, ist es Petronella Glückschuh. Mit ihrer lustigen Zahnlücke, durch die sie hervorragend pfeifen kann, den wilden Haaren, den ein wenig abstehenden Ohren und ihrem getigerten Bonanza-Fahrrad ist Petronella immer dort, wo es was zu entdecken gibt.
Und wer kann ihren großen dunklen Augen schon lange böse sein?
Petronella trampelt kräftig in die Pedale und neben ihr läuft Kordel. Wenn Petronella mit richtigem Affenzahn radelt, hüpfen die langen Schlappohren von Kordel lustig hoch und runter.
Kordel ist ein Irish Setter. Sie bekam ihren Namen als Babyhund. Denn als ganz junger Welpe musste sie am Kopf von einem Tierarzt genäht werden. Ein großer Hund hatte sie verletzt. Da der Faden am Kopf noch eine Weile zu sehen war, wurde sie ab diesem Tag Kordel genannt.
Der schmale Feldweg ist holprig und der alte Eimer auf ihrem Gepäckträger rappelt. Petronella dreht sich immer wieder um und schaut, ob ihr Eimer noch fest eingeklemmt ist, denn sie braucht ihn dringend.
Zwischen den beiden Dörfern Bergluch und Bernheide fließt ein schmales Flüsschen, in dem sie schon allerlei gefunden hat. Einen alten verrosteten Schlüssel mit Verzierungen, farbige Scherben und glänzende Steine. Aber ihr schönster Fund war eine alte Porzellanmurmel.
Um alle ihre Schätze bequem nach Hause transportieren zu können, hat sie ihren roten Blecheimer mitgenommen.
Sie weiß ganz genau, an welcher Stelle sie diesmal suchen will. An einem ihrer Lieblingsplätze. Dort hängen die Äste der Birken bis übers Wasser und das Sonnenlicht bricht sich in den Zweigen.
Petronella steigt vom Fahrrad und krault Kordel liebevoll zwischen den Ohren. Sie lässt ihr Fahrrad im Gras am Feldrand liegen, zieht Schuhe und Socken aus und läuft barfuß ins Wasser.
Manche Steine sind gefährlich rutschig. Selten gibt es auch Blutegel im Bach, die man sich vom Leib halten muss. Kordel wühlt währenddessen auf der Wiese nach Mäusen. Das ist oft ihre Beschäftigung, wenn sich Petronella im Wasser herumtreibt, denn Kordel ist wasserscheu.
Vorsichtig fühlt Petronella Schritt für Schritt mit den Zehen den Boden ab, um auf nichts Kantiges zu treten. Sie hebt Steine hoch und manchmal sind kleine Wassertiere darunter. Dann wirft sie die Steine wieder zurück und lässt es dabei ordentlich spritzen.
Mit gesenktem Blick ist sie ganz und gar damit beschäftigt, durch die Wellenbewegungen des fließenden Wassers hindurch auf den Grund zu blicken.
Deshalb bemerkt sie es zuerst nicht. Doch Kordel spitzt ihre Ohren und beginnt laut bellend hin und her zu springen. Petronella ruft ihre Hündin. „Ruhig, was ist denn los?“ Und dann sieht sie es auch. Mitten in der Wiese ist etwas und bewegt sich. „Ein Hase!“, denkt Petronella. Sie pfeift laut. „Kordel, hier her, Fuß!“ Aber Kordel denkt nicht daran zu gehorchen.
Petronella kommt näher. Es ist kein Hase. Mitten im Feld kauert ein junges Rehkitz, mit braunem kurzen Fell und weißen Punkten.
Petronella weiß von ihrem Vater, dass man Kitze nicht anfassen darf, weil sonst die Rehmutter den Menschen riecht und womöglich ihr Junges nicht mehr annimmt. So setzt sie sich ein wenig entfernt ins Feld und beruhigt erst einmal ihre Hündin.
„Ist ja gut, das ist nur ein kleines Reh“, flüstert Petronella Kordel ins Ohr.
Petronella hat noch nie ein junges Reh so nah gesehen. Das Kitz wirkt sehr schwach und lässt müde den Kopf auf den Vorderläufen ruhen. „Vielleicht hat es lange nichts gefressen?“, denkt Petronella und wird traurig. „Was soll nur mit dem kleinen, weißgefleckten Kitz passieren?“, grübelt sie. „Hoffentlich hat es keine Tollwut!“
Petronella hatte mal gehört, dass tollwütige Tiere Schaum vor dem Maul haben. Doch dieses schwarze Schnäuzchen sieht ganz hübsch aus.
Petronella hat eine Idee. Sie nimmt Kordel an die Leine und versteckt sich hinter einem Haselnussstrauch.
„Pssst, Kordel! Von hier aus beobachten wir! Vielleicht passiert ja etwas.“
Kordel legt sich brav neben Petronella ins Gras und hechelt. Das kleine Reh schaut in Petronellas Richtung und stößt einen seltsamen Laut aus. Kordel spitzt die Ohren. Petronella hört diesen Laut zum ersten Mal in ihrem Leben.
„Es ruft bestimmt nach seiner Mutter“, sagt Petronella zu Kordel, die sich gerade hinterm Ohr kratzt. „Aber wo ist sie?“
Geduldig wartet Petronella. Aber es kommt kein Reh. Und das Kitz läuft auch nicht weg. Im Gegenteil, es schaut immer zum Haselnussstrauch und blökt und blökt. „Das arme Tier fühlt sich bestimmt ganz verlassen“, denkt Petronella.
Es wird spät, und Petronella muss bald nach Hause. Was soll sie nur tun? „Ich kann es doch nicht einfach hier alleine lassen“, denkt sie. Petronella weiß, dass Tiere, die wild im Wald leben, ihre Jungen manchmal einfach zurücklassen, wenn sie zu schwach sind. Und so fasst sie den Entschluss, das Kitz mitzunehmen und selbst zu pflegen.