Pferden Freiheit schenken - Andrea Höhse - E-Book

Pferden Freiheit schenken E-Book

Andrea Höhse

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Beschreibung

Ein einziger Augenblick verändert das eigene Leben und plötzlich ist nichts mehr so, wie es einmal war. So wird der Besuch eines Schlachthofes und die direkte Konfrontation mit dem Tod so vieler Tiere für die Autorin zu dem Beginn einer sehr bewegenden Reise. Ihre Erlebnisse in diesem Schlachthof sowie die Besichtigung industrieller Nutztierhaltungsanlagen während des Studiums verändern nicht nur ihre Einstellung zu der Nutzung von Tieren als Lebensmittel, sondern auch die Sichtweise auf ihre geliebten Pferde. Haben wir Menschen das Recht Pferde zu unserem Vergnügen zu nutzen? Sie beschreibt auf sehr ehrliche und emotionale Weise den Weg mit ihren eigenen Pferden und die Erfahrungen während ihrer Zeit als Tierärztin. Durch ihre Geschichten wird deutlich, in welchem Ausmaß die Pferde darunter leiden, in einer Umwelt leben zu müssen, die ihren ursprünglichen biologischen Anlagen nicht annähernd entspricht.

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Seitenzahl: 224

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Andrea Höhse

Pferden Freiheitschenken

Der vegane Weg einer Tierärztin

© 2021 Andrea Höhse

Verlag und Druck:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

Umschlaggestaltung: Andrea Höhse

Innenillustration: Andrea Höhse

ISBN

 

Paperback:

978-3-347-41728-1

Hardcover:

978-3-347-41729-8

e-Book:

978-3-347-41730-4

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Für die Freiheit aller Tiere

Inhalt

Vorwort

Ein Buch schreiben

Der Augenblick, der alles verändert hat

Mein Weg mit den Pferden

Schatten meiner Vergangenheit

Warum Pferde Freiheit brauchen

Der Weg in die Freiheit

Das Loslassen

Vorwort

Pferden und allen anderen Tieren Freiheit zu schenken ist auch mein innigster Herzenswunsch. Dies ist das starke, wunderschöne Band zwischen Andrea und mir, dies ist, was unsere Lebenswege zusammengeführt und scheinbar untrennbar und auf das Wunderbarste miteinander verwoben hat über die letzten Jahre.

Die Gefühle und Gedanken aus diesem Buch von Andrea sind für mich vergleichbar mit einem Baby. Dieses wundervolle Baby, ein Wesen des Lichts und der Liebe, wurde von Andrea geboren, um Licht in Pferdeställe und die Pferdehaltung zu bringen, um Tieren, Pferden wie auch Nutztieren, Rechte, Gefühle und Bedürfnisse zuzugestehen, die auch sie haben, ganz genau wie wir Menschen.

Ich fühle eine tiefe, unendliche Liebe für dieses Baby, das von Andrea geboren wurde. Und ich möchte diesem Baby bei seinem Weg in die Welt hinaus, in die Herzen der Menschen, in die Herzen der Pferdebesitzer und Pferdenutzer, den bestmöglichen Start wünschen. Meine Hoffnungen, meine Liebe, meine positiven Energien sollen dieses Kind des Lichts auf seiner Reise begleiten. Und ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass dieses Kind in unzählige Herzen reisen darf.

Ich verneige mich in tiefer Ehrfurcht und Liebe vor diesem Buch, vor allen Pferden und Tieren, vor der gesamten Schöpfung. Mögen wir Menschen erkennen, dass wir alle, Natur und Menschen wie auch Tiere, aus der gleichen Quelle stammen, mögen wir erkennen, dass wir alle EINS sind. Namaste

Silke Nordfjäll, Juni 2021

Västanvindsgården, Gästrike-Hammarby, Mittelschweden

Ein Buch schreiben

„Denke immer daran, dass es nur eine wichtige Zeit gibt: Heute. Hier. Jetzt.“

(Leo Tolstoi, russischer Schriftsteller)

Der erste Satz eines Buches sollte so fesselnd geschrieben sein, dass man gar nicht anders kann, als weiterzulesen. Diese Aussage begleitet mich schon eine ganze Weile und seitdem lese ich immer den ersten Satz eines Buches, bevor ich es kaufe, um herauszufinden, ob es das richtige Buch für mich ist und diese ersten Worte auf irgendeine Art und Weise mit mir in Resonanz gehen. Wie also anfangen? Mit welchem bedeutenden Satz sollte mein Buch also beginnen, um möglichst viele Menschen dafür zu begeistern? Da ich bisher noch keine berühmte Autorin bin und deshalb keinerlei Erfahrung mit dem Schreiben von Büchern habe, habe ich mir einfach die nötige Inspiration und Hilfestellung von außen geholt. Ich fühlte mich schon immer wie magisch angezogen von den ganzen tollen Lebensweisheiten, Zitaten und Weisheiten berühmter Menschen, habe sie über viele Jahre in einem kleinen, roten Büchlein gesammelt und ließ mich immer wieder aufs Neue davon inspirieren. Also lag für mich der Gedanke nahe, jedes Kapitel meines Buches mit einem dieser wundervollen Zitate zu beginnen, deren Aussage eine ganz besondere Bedeutung für mich und einen bestimmten Bezug zu dem jeweiligen Inhalt des Kapitels haben würde. Dieses Buch zu schreiben war in vielerlei Hinsicht eine große Herausforderung für mich, aber ich habe gespürt, dass ich die Dinge, die ich erlebt habe und die mich verändert haben, in irgendeiner Form anderen mitteilen möchte. Mein Herz hat mir zugeflüstert, dass es an der Zeit ist, meine Botschaft hinaus in die Welt zu schicken, um etwas zu verändern. Meine Einstellung zu vielen Themen und mein Denken über die Welt haben sich ab einem bestimmten Zeitpunkt meines Lebens sehr gravierend verändert. Von dieser Wandlung, von diesem Weg, auf den ich mich da begeben habe, möchte ich hier berichten. Deshalb fange ich nun einfach damit an und lasse mich von meiner Intuition und meinem Herzen dabei leiten und vertraue darauf, dass mich die richtigen Worte zur richtigen Zeit finden werden.

Was unsere Welt in meinen Augen gerade am dringendsten braucht, ist Mitgefühl gegenüber allen Lebewesen und die Einsicht, dass wir alle ein Teil dieser wunderschönen Erde sind. Alles steht miteinander in Verbindung und beeinflusst sich gegenseitig. Unser Denken und unser Handeln hat eine Auswirkung auf alles andere, sowohl im positiven als auch im negativen Sinne. Wie diese Wahrheit in mein Leben getreten ist, auf welche Weise sie mein Leben und mein Denken völlig verändert hat und was das vor allem mit den Pferden zu tun hat, diese Geschichte möchte ich in diesem Buch erzählen. Bücher scheinen auf wundersame Weise eine faszinierende Magie in sich zu tragen. Ich habe in den letzten Jahren immer wieder die erstaunliche Erfahrung gemacht, dass jedes Buch zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt in mein Leben gekommen ist, um genau dann von mir gelesen zu werden. Nennen wir es mal Intuition. Ich verspüre häufig den Impuls ein Buch zu kaufen oder auch ein Buch erneut zu lesen, weil es für meine jeweilige Situation gerade die richtige Botschaft in sich trägt. Die Bücher beantworten mir dann wichtige Fragen, die gerade in meinem Leben präsent sind. Wie und warum das genau funktioniert, kann ich wirklich nicht erklären, aber ich habe dieses Wunder schon mehrfach erlebt und glaube aus tiefstem Herzen daran.

Deshalb hat es sicherlich auch einen bestimmten Grund, warum genau du, in diesem Moment mein Buch in deinen Händen hältst. Bitte öffne dich für meine Worte und für die hoffentlich darin verborgene Zauberkraft, spüre in dich hinein und dann folge einfach deinem Herzen.

Der Augenblick,der alles verändert hat

„Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünscht für diese Welt.“(Mahatma Gandhi)

Mahatma Gandhis Leben, seine Worte und seine Taten, stehen für die erkämpften Rechte und die Freiheit eines ganzen Landes. Auf der Basis von absoluter Gewaltlosigkeit und Mitgefühl gegenüber anderen Lebewesen hat er eine Bewegung erschaffen, die für die ganze Welt nicht größer und bedeutungsvoller hätte sein können. Seine Wertvorstellungen sind im Laufe meines Lebens auch zu den meinen geworden und sein Lebenswerk zu meiner größten Inspiration. Mein Entschluss, Veterinärmedizin zu studieren, um Tierärztin zu werden, hat den Stein zu dieser Veränderung ins Rollen gebracht. Beruflich den ganzen Tag mit Pferden verbringen zu können, war für mich eine fantastische Vorstellung. Ich verspürte große Lust dazu, mich den spannenden Herausforderungen zu stellen, welche die Medizin an sich und die Behandlung von Pferden mit sich bringen würden. Pferden auf diese Weise helfen zu können, war für mich Grund genug mich fast 6 Jahre lang durch das anspruchsvolle Studium zu kämpfen, das während der gesamten Zeit fast ausschließlich aus dem Besuchen von Vorlesungen und Kursen und dem Lernen für diverse Testate und Prüfungen bestand, die sich immer wieder endlos aneinander zu reihen schienen. Kaum hatte ich den Inhalt eines vollen Din A 4 Ordners gerade auswendig gelernt, schon stand der nächste auf meinem Schreibtisch vor mir und nicht nur einmal fragte ich mich, ob es das wirklich alles wert ist? Dies waren wahrscheinlich sogar die anstrengendsten Jahre meines bisherigen Lebens, aber da ich genau wusste, wofür ich das alles tat und wo ich hinwollte, hielt ich weiter und weiter durch und verfolgte beharrlich das Erreichen meines Zieles, Tierärztin zu werden. Im Nachhinein bin ich wahrlich froh, dass ich es bis zum Ende durchgezogen habe, denn sonst hätte sich mein Leben nicht in der Form entwickelt, wie ich es heute lebe und liebe. Sonst wäre ich niemals zu dem Menschen geworden, der ich heute bin.

„Selten kommt der Augenblick im Leben, der wahrhaft wichtig ist und groß.“

(Johann Christoph Friedrich Schiller, deutscher Lyriker)

Genau wie es Friedrich Schiller in seinem berühmten Zitat ausgedrückt hat, gab es diesen einen wirklich wichtigen und großen Augenblick in meinem Leben, der so vieles verändert hat und der mein bisheriges Weltbild in Bezug auf den Fleischkonsum und die Nutzung von Tieren einmal um 180 Grad gedreht hat. Dieser Moment war alles andere als schön und angenehm, aber er hat einen sehr wichtigen Schalter in meinem Denken umgelegt. Es fühlte sich so an, als hätte mich das Leben plötzlich einmal ins eiskalte Wasser getaucht, um mir zu sagen: „Hier, sieh hin und wach endlich auf“. Obwohl die düsteren Erinnerungen und der damit verbundene tiefe Schmerz dieses Augenblickes für immer in mir präsent bleiben werden, bin ich trotzdem unendlich dankbar für jenes Erlebnis zum Ende meines Studiums. Nie werde ich diesen Tag vergessen können, aber das ist auch gut so, denn das hilft mir hoffentlich dabei, die richtigen Worte zu finden, die es braucht, um etwas Wesentliches zu verändern. Ich brauche nur meine Augen zu schließen, um mich zu erinnern, meine Gedanken kehren zurück zu jenem Tag und ich kann noch immer alles ganz glasklar und deutlich vor mir sehen.

Es war ein wunderschöner Frühlingstag. Das satte Grün der Bäume, sich seicht im Wind hin und her bewegend und das leuchtende Gelb des blühenden Rapsfeldes, einen herrlich betörenden Duft verströmend, bildeten einen unglaublichen Kontrast zum strahlenden Blau des grenzenlosen Himmels. Ich stand da, inmitten dieser wundervollen Landschaft und blickte auf ein ödes zubetoniertes Areal mit lauter grauen, kalt wirkenden Gebäuden, welche mir inmitten dieser lebendigen, wunderschönen Natur völlig surreal erschienen. Ich schaute mich um. Vor einem der Gebäude drängten sich hunderte von süßen, wolligen Schafen, eigentlich noch fast Lämmer und ihr verzweifeltes Blöken transportierte ihre Angst über diese Situation nur zu deutlich nach außen. Ein Schaf nach dem anderen wurde von dem gewaltigen Gebäude scheinbar verschluckt, keines von ihnen würde es je wieder lebend verlassen. Denn ich befand mich auf dem Gelände eines Schlachthofes, wo ich mich im Rahmen meines Studiums gemeinsam mit einigen Kommilitonen hinbegeben musste, um Fleischproben für ein paar Tests an der Uni zu nehmen. Ich trat gemeinsam mit unserer Betreuerin vom Institut für Fleischhygiene und den anderen Studenten durch die massive, stählerne Eingangstür und stand dann in der großen Schlachthalle, wo mir ein bizarres Bild von toten Schafkörpern in unterschiedlichsten Graden der Zerlegung dargeboten wurde, die an Fleischerhaken aufgespießt quer durch die riesige Halle transportiert wurden. Wir gingen nach rechts zum eigentlichen Schlachtbereich, von wo mir die Rufe der Schafe wieder entgegen hallten. Mein Blick blieb an ihren sanften, schwarzen Augen hängen und es erschien mir so, als würden mich die Schafe ängstlich fragen, was nun mit ihnen passieren würde. Vollkommen unvermittelt fühlte ich einen heftigen Schmerz tief in meiner Brust, als wäre mir das große Schlachtermesser direkt in mein eigenes Herz gestochen worden. Mir stockte der Atem und ein fürchterlich beklemmendes Gefühl breitete sich rasend schnell in meinem Inneren aus. Mir wurde nun zum ersten Mal in meinem Leben wirklich bewusst, dass Fleisch zu essen bedeutet, lebendige Tiere zu töten. Die vielen Schafe, die dort direkt vor mir standen, waren real. Ich konnte sie sehen, hören, riechen und sie sogar anfassen, ihre weiche Wolle unter meinen Händen spüren. Auch die Männer, die diese Tiere für die Konsumenten töten mussten, waren reale Menschen mit Gefühlen, die hier Tag für Tag ihren Job machen mussten. Diese Bilder brannten sich in mein Gedächtnis hinein und berührten mich auf eine alles verändernde Art und Weise. Ich wollte nicht, dass sich all diese schönen Augen, die mich weiterhin so intensiv anblickten, im nächsten Moment für immer schließen würden. Doch es passierte und ich vermochte nichts dagegen zu unternehmen, die Maschinerie der Fleischproduktion lief einfach weiter und weiter. Strom floss durch die zarten Körper, wenn die Elektrozange sich um ihre Köpfe schloss und so ihre Sinne betäubte. Sie sanken bewusstlos nieder. Mit einer Kette um den Fuß wurde der leblose Laib hochgezogen und eine scharfe Klinge durchtrennte anschließend die Kehle eines jeden Tieres von links nach rechts mit einem langen und tiefen Schnitt durch das lebende Gewebe. Es floss warmes, rotes Blut aus ihren Körpern, sehr viel Blut und mit diesem Blut rann auch ihr Leben langsam und stetig aus ihnen hinaus. Ein Schaf nach dem anderen folgte seinem Gefährten und dieser Vorgang würde sich immer weiter wiederholen. Stunde um Stunde würden die Arbeiter routiniert und monoton ihre Arbeit ausführen, bis der Vorplatz sich komplett geleert hat und auch das letzte Schaf seinem Ende entgegen gegangen ist.

Nach dem Tod der Tiere begann direkt anschließend die Verarbeitung des noch warmen Tierkörpers. Der Kopf und die unteren Gliedmaßen wurden abgetrennt, die Haut wurde vom Körper abgezogen, die Innereien herausgeschnitten und mit jedem weiteren Schritt der Zerlegung entfernte sich der Gedanke an ein einzigartiges und fühlendes Individuum immer mehr von dem Stück Fleisch, das später, abgepackt in Plastik oder anderweitig verarbeitet, in den Kühltheken der Supermärkte landen würde. Ich spürte ein Gefühl der Panik in mir aufkommen und musste unbedingt sofort aus dem Gebäude hinaus, ich konnte es keinen Augenblick länger dort aushalten. Die Anwesenheit von so viel Tod und so wenig Achtung vor dem Leben drohte mich zu erdrücken. Salzige Tränen flossen meine Wangen hinunter und hinterließen eine bittere Spur der Trauer. Ich informierte meine Betreuerin und verließ so schnell ich konnte diese Halle des Grauens. Erst draußen konnte ich langsam wieder einigermaßen durchatmen, aber das beklemmende Gefühl begleitete mich und ich konnte es nicht mehr abschütteln. Warum hatte ich dermaßen emotional auf diesen Ort und dieses Erlebnis reagiert? Niemals zuvor hätte ich es für möglich gehalten, dass mich der Besuch eines Schlachthofes so mitnehmen könnte. Mir wurde in diesem bedeutsamen Augenblick mit jeder Faser meines Körpers bewusst, dass mein Leben nie wieder so sein würde, wie es bisher gewesen ist und dass sich meine Einstellung zu den Nutztieren in diesem Moment grundlegend geändert hatte. Wie unglaublich groß diese Veränderung sein würde und welche weitreichenden Konsequenzen für mein Leben diese Erfahrung mit sich bringen würde, das konnte ich zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht ansatzweise erahnen.

Ich hatte mein ganzes bisheriges Leben lang, über 30 Jahre, Tiere gegessen und war dabei immer davon ausgegangen, dass dies völlig normal wäre. Fleisch war für mich ein Lebensmittel und ich habe diese Art zu Denken bis dahin auch nie angezweifelt. Ich habe das Fleischessen sogar mit den gängigen Argumenten verteidigt. „In der Natur werden Tiere auch gefressen. Das ist ganz natürlich.“

„Fleisch braucht man, um gesund zu bleiben, es gibt uns Kraft, Energie und wertvolle Nährstoffe.“ Ich habe früher sogar immer gesagt, ich könnte niemals Vegetarier werden, weil ich kaum Gemüse und Obst mochte. Zu gerne und oft habe ich Fleisch gegessen. Am liebsten schon zum Frühstück diese kleinen fettigen Würstchen, gefüllt mit Käse und in einen Speckmantel gehüllt. Ein saftiges Steak auf dem Teller mit einer leckeren Ofenkartoffel und viel Sour Creme, zum Grillen der krosse, herzhaft duftende Schweinebauch mit aromatischer Barbecue-Sauce, außerdem ein zarter Lammrücken mit Klößen und Rotkohl zu Ostern. Die Verbindung zu den Tieren, von denen dieses Fleisch stammte, habe ich vollkommen verdrängt, es war für mich nicht der Muskelbauch eines Tieres, den ich da gegessen habe, sondern ein ganz normales Nahrungsmittel. Ich kann mich nur an einen einzigen flüchtigen Moment in der Vergangenheit zurückerinnern, an dem ich diese Verbindung doch herstellen konnte. Es gab Kaninchen bei uns zu Hause. Als ich das knusprig gebratene und lecker duftende Fleisch auf dem Teller hatte, sah ich auf einmal wirklich hin, denn zu sehr sah das Fleisch noch dem kleinen, niedliche Tier mit der süßen Stupsnase ähnlich, von dem es stammte. Mir wurde plötzlich klar, was da vor mir auf dem Teller lag. Der Teil eines toten Lebewesens, das früher einmal gelebt hatte. Es bestand nicht nur aus Knochen, Sehnen, Muskeln und Haut, sondern ein Herz hatte bis zu seinem Tod in seiner Brust ununterbrochen geschlagen. Erst die Schlachtung brachte dieses kleine, fleißige Herz schließlich zum Stillstand. Ich konnte in dem Moment wahrnehmen, dass es sich nicht um ein anonymes Stück Fleisch handelte, um ein reines Lebensmittel, sondern ich konnte das Tier dahinter sehen, weil sein Bein direkt vor mir lag. Ich nahm das Tier wahr, das nur gehalten und getötet worden war, damit es irgendwann auf meinem Teller liegen würde und ich in den köstlichen Genuss seines Fleisches kommen konnte. Kaninchen habe ich seitdem nie wieder angerührt. Leider habe ich zu jener Zeit dieses Gefühl noch nicht auf all die anderen Nutztiere übertragen, von denen wir Menschen uns ernähren und die ich weiterhin ohne Gewissensbisse verspeist habe. Ich hatte mir bis dahin nie Gedanken darüber gemacht, wie viele Tiere für mich bisher sterben mussten, wie viele Tiere ich ohne schlechtes Gewissen schon gegessen hatte. Dieses eindringliche Erlebnis dort in dem Schafschlachthof im brandenburgischen Land hat mir zum Glück endlich die Augen und mein Herz geöffnet für die grausame Wahrheit, die ich so lange nicht erkennen und wahrhaben wollte. Es fügte sich in diesem Moment in meinem Kopf alles zusammen, was ich bisher im Rahmen meines Studiums in Bezug auf die Nutztierhaltung schon gesehen und erlebt hatte. Nicht nur im Schlachthof, sondern gerade auch in den riesigen, industriellen Mastanlagen, die wir Studenten im Rahmen des landwirtschaftlichen Praktikums besuchen mussten. Diese Haltungssysteme dort sind in keiner Weise mit den Bedürfnissen von empfindsamen Lebewesen zu vereinbaren. Wobei ich es schon furchtbar finde, dass man bei der Haltung von lebendigen Wesen überhaupt von Systemen spricht, als wären es keine Tiere, sondern nur reine Produktionseinheiten.

Ich stand völlig perplex über den Ausbruch meiner Gefühle vor jenem Schlachthof in der warmen Sonne, aber in meinem Inneren sah es ganz und gar nicht sonnig aus. Düstere Bilder schossen mir ins Gedächtnis zurück, verdrängte Erinnerungen kamen in mir hoch und ich befand mich, gedanklich zurückversetzt, wieder an diesen fürchterlichen und deprimierenden Orten der Nutztierhaltung. Ich weiß noch genau, dass mir damals beim Betreten der Ferkelproduktionsanlage der entsetzlich beißende, bestialische Gestank nach Ammoniak und Fäkalien die Tränen in die Augen trieb und ich es kaum wagte, tief durchzuatmen. Wir waren alle eingekleidet in weiße Schutzanzüge und hatten blaue Plastiküberzieher über unseren Schuhen, damit wir bloß keine Keime in den Stall hereinschleppen konnten. Während wir diese Anlage durchliefen, sah ich überall Schweine, die eingepfercht waren auf kleinstem Raum. Ihr ganzes Leben lang nicht nach hinten blicken, nicht laufen, nicht spielen können, isoliert von der Außenwelt, von der Natur, von Sonne, Regen, Wind und frischer Luft. Einige Ferkel, kaum geboren und das Licht der Welt erblickt, schon zum langsamen Sterben allein auf die kalte Stallgasse gelegt, weil sie zu schwach oder krank waren. Es ist zu teuer sie zu behandeln, sie aufzupäppeln, die Kosten dafür übersteigen den Profit bei weitem, das ist einkalkulierte Grausamkeit. Für mich ist es vollkommen unverständlich, wie ein Mensch es fertigbringen kann, dieses neugeborene, unschuldige Ferkel diesem einsamen Todeskampf auszusetzen. Wie kann es sein, dass diese kleinen Geschöpfe nicht als fühlende Lebewesen wahrgenommen werden und ihr Leben, wenn es nicht in Form von Fleisch verkauft werden kann, keinen wirklichen Wert hat? In der Ferkelproduktion ist es oft sogar üblich, die lebensschwachen Ferkel durch einen harten Schlag zu töten, denn Medikamente für eine Euthanasie auszugeben, würde sich einfach nicht rentieren. Die kleinen Ferkel werden einfach mit ganzer Kraft gegen die Stallwand geschlagen und wenn sie Glück haben, sind sie sofort tot. Ansonsten steht auch ihnen noch ein langsames, quälendes Ende bevor und nicht selten landen sie noch lebend in der großen Kadavertonne. Die riesigen Zuchtsauen stehen während der Zeit der Abferkelung über drei Wochen lang in viel zu engen, stählernen Abferkelständern, in denen sie sich nicht umdrehen und kaum hinlegen können und das mehrmals im Jahr. Ihrem Instinkt, für ihre Ferkel ein Nest zu bauen, können sie auch nicht nachkommen. Sie können sich nach der Geburt nicht um ihre Ferkel kümmern. Sie stehen oder liegen den ganzen Tag nur da in ihrem stählernen Gefängnis, ausgenutzt als Ferkelproduktionsmaschine. Aber diese überaus intelligenten Tiere sind keine Maschinen, sie haben Gefühle und Bedürfnisse, die sie ausleben möchten. Schweine sind zudem sehr reinliche Tiere, die unter normalen Umständen niemals an demselben Fleck koten würden, wo sie liegen und fressen. Sie wollen mit ihrer Rüsselscheibe im weichen Boden nach Würmern wühlen und sich genüsslich in einem schlammigen Wasserloch suhlen, um sich abzukühlen. Ein Schwein in einer Mastanlage kann nichts davon je tun. Unter diesen unwürdigen Bedingungen vegetieren gerade die Zuchtsauen elendiglich vor sich hin. Die beschriebenen Abferkelkäfige sind vom Menschen zum Schutz der Ferkel erfunden worden, damit die Sauen ihre Ferkel beim Hinlegen nicht erdrücken. Würde man ihnen ausreichend Platz zur Verfügung stellen, dann wäre diese Form der Folter nicht nötig, aber das würde natürlich wieder den Profit schmälern bzw. den Preis für das Schweinefleisch in die Höhe treiben. Schon nach drei Wochen werden die kleinen Ferkel dann viel zu früh von ihren Müttern getrennt und in andere Buchten umgesetzt. Überall in diesen sich endlos aneinanderreihenden Ferkelbuchten erblickte ich geschwollene Gelenke und aufgebissene, blutige Schwanzspitzen, die von den Artgenossen wegen der absolut eintönigen Langeweile, die dort herrscht, angefressen wurden, obwohl der größte Teil des Schwanzes ihnen bereits am ersten Lebenstag ganz ohne Betäubung einfach abgeschnitten wurde. Nur ein paar Stahlketten hängen in den sonst trostlosen Buchten und sollen das gegenseitige Anfressen verhindern, aber die natürlichen Instinkte dieser klugen Tiere können dadurch nicht im Geringsten befriedigt werden. Ihr Drang bleibt bestehen und so kommt es immer wieder zum Kannibalismus. Keiner der Schweinezüchter, der die Tiere dort unter diesen Umständen hält, kann sich vorstellen, was es bedeutet, wenn Artgenossen einen bei lebendigem Leibe anfressen, ohne dass man ihnen entkommen kann, und die blutenden, stark entzündeten Wunden bieten den Schweinen noch mehr Anreiz, sich auf kannibalistische Weise weiter ins Fleisch der anderen Tiere hineinzufressen. Man könnte nun meinen, dass solche Zustände doch sicherlich die Ausnahme darstellen, aber weit gefehlt, ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Und wenn diese Dinge schon in Ställen auftreten, durch die Studenten geführt werden, dann möchte ich mir nicht vorstellen, was noch alles hinter so vielen anderen Türen im Verborgenen liegt. So bleibt diesen armen Kreaturen am Ende ihres kurzen Lebens, wenn man das denn überhaupt ein Leben nennen kann, nur noch der Gang beziehungsweise eine Fahrt in den Schlachthof, der mir angesichts der unwürdigen Haltungsbedingungen, wie eine Erlösung aus ihrem täglichen Martyrium erscheint. Ich habe während meines Praktikums im Schlachthof tausende Schweine dabei beobachten müssen, wie sie interessiert vom LKW in die Wartehalle gelaufen sind. Unglaublich froh, endlich einmal etwas anderes sehen zu können, eine Abwechslung von der Monotonie ihres bisherigen Daseins. Mit einem Funken an Hoffnung in ihren Blicken, dass es vielleicht doch noch etwas Schönes im Leben geben könnte. Sie haben mir im Vorbeigehen direkt in die Augen und in meine Seele hineingeschaut. Mit ihren süßen, freundlichen und neugierigen Knopfaugen standen sie erwartungsvoll vor mir und haben mich leise angegrunzt, nur um etwas später getötet, ausgeblutet und zerlegt zu werden, um dann als Wiener Schnitzel mit Pommes Frites auf einem Teller zu enden. Ich erinnere mich noch sehr genau an eines der Schweine dort, welches irgendwie an der Betäubungsmaschine vorbei gerutscht war und nun unter dem Förderband stand, an dem es eigentlich kopfüber aufgehängt werden sollte. Überall war Blut und das verängstigte Schwein wusste nicht wohin mit sich. Wie war es bloß an so einen Ort geraten? Womit hatte es das verdient? Es roch an diesem Ort nach Angst und Tod der Artgenossen. Ich konnte die Panik in seinen Augen nur zu deutlich sehen. Mir wurde in diesem Moment nochmal viel bewusster, dass es sich hier um ein fühlendes Lebewesen handelt, das dort verzweifelt um sein Leben kämpft und verzweifelt nach einem Ausweg aus diesem Grauen suchte. Ein Arbeiter kam und dirigierte das Schwein wieder zu den anderen, noch lebenden Schweinen, damit es sich erneut in die Schlange der Tiere einreihen konnte, die auf dem Weg zur Schlachtbank waren. Sein unbeabsichtigter Fluchtversuch war leider gescheitert. Mein Verstand wollte nicht begreifen, warum all diese wunderbaren Wesen hier sterben müssen. Die Schweine wurden betäubt, abgestochen, ausgeblutet und abgebrüht. Wenn die Schweine Glück haben, dann finden sie beim Schlachtvorgang einen schnellen Tod. Leider ist es so, dass jährlich bei ca. 3 Prozent der geschlachteten Schweine in Deutschland Fehlbetäubungen auftreten und somit sind die Tiere während des Durchschneidens der Schlagader und der Ausblutung bei Bewusstsein. Diese Tatsache wird systembedingt einfach toleriert. Bei ca. 55 Millionen geschlachteten Schweinen pro Jahr allein nur in Deutschland sprechen wir hier von über 1,5 Millionen Schweinen, die nicht „tierschutzgerecht“ geschlachtet werden und einen qualvollen Tod erleiden müssen. Diese Fehlbetäubungen treten nicht nur bei Schweinen auf, sondern es betrifft auch alle anderen Nutztiere. Diese Tatsache klingt für mich nach einem schaurigen Horrorszenario und nicht nach der Produktion von gesunden Lebensmitteln.

Während meines dreiwöchigen Schlachthofpraktikums stand ich zudem auch viele Stunden lang am Förderband und musste die Organe der getöteten und zerschnittenen Schweine begutachten. Fast jede Lunge eines jeden geschlachteten Schweines die an mir vorbeikam, wies deutliche Spuren von mehr oder weniger hochgradigen Lungenentzündungen auf. Ich konnte ihr vorausgehendes Leid nur erahnen, welches sie in ihrem kurzen Dasein unter den unwürdigen Bedingungen in der industriellen Massentierhaltung erdulden mussten. Es gab für sie keine saubere, frische Luft zum Atmen und auch sonst keine Bedingungen für ein einigermaßen angemessenes Leben. Als ich damals das Gebäude der Schweinemastanlage wieder verlassen habe, ließ ich die entstandenen Bilder in meinem Kopf dort zurück, ich wollte sie nicht an mich heranlassen, denn das hätte bedeutet, dass ich etwas verändern müsste, das etwas an meiner Einstellung zur Nutzung von Tieren falsch wäre. Aber das konnte doch nun wirklich nicht sein, denn schließlich denken doch auch alle anderen Menschen genauso wie ich darüber. Tiere werden gegessen und dafür züchtet und hält man sie, schenkt ihnen ja auf diese Weise sogar quasi heldenhaft das Leben. Das aber so ein Leben nicht lebenswert ist, das wollte ich einfach nicht wahrhaben und hätte mich das Leben nicht in eine andere Richtung dirigiert, dann würde ich wahrscheinlich noch heute dieses System mit meinem Konsumverhalten weiterhin am Leben erhalten und unterstützen. Doch das Studium hat mir zum Glück diverse Erlebnisse beschert, die mich in meiner Wahrnehmung beeinflusst haben und in der Summe dann dazu geführt haben, dass sich eben in diesem einen Augenblick in meinem Leben eine so gravierende Änderung in meinem Denken vollziehen konnte.