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Patrick Voss-de Haan, Mitarbeiter des BKA und seit vielen Jahren mit naturwissenschaftlichen Anwendungen in der Kriminaltechnik befasst, legt mit diesem Werk eine spannend geschriebene und auch für Laien verständliche Einführung in Techniken, Verfahren sowie aktuelle und zukünftige Aufgaben der Kriminalitätsprävention und -bekämpfung vor. Im Zusammenspiel der verschiedensten Disziplinen - Physik, Chemie, Werkstofftechnik oder auch Psychologie - ist die Kriminaltechnik immer dann gefragt, wenn es um solide Beweisketten geht. Wichtigstes Hilfsmittel ist das Rasterelektronen-Mikroskop (REM): War der Verdächtige am Tatort? - Aufschluss kann eine Untersuchung geben, ob sich zum Beispiel Faserspuren vom Opfer an seiner Kleidung finden oder umgekehrt. War der Blinker zum Zeitpunkt des Unfalls eingeschaltet? - Hier hilft eine Betrachtung der Glühwendel. Wurde das gefundene Projektil aus dem Lauf der sichergestellten Waffe abgefeuert? - Eine vergleichende Untersuchung mit einem Projektil aus einem "Probeschuss" beantwortet diese Frage. Voss-de Haan geht in seinem Buch auf diese und zahlreiche andere Fälle ein, bei deren Aufklärung die Naturwissenschaften eine wichtige Rolle spielen. So können entfernte und überschriebene Fahrgestellnummern gestohlener Autos durch Verfahren wie Ätzen oder die so genannte Kavitationserosion wieder sichtbar gemacht werden. Und anhand der Zusammensetzung des Tonermaterials und charakteristischer Spuren auf dem Vorlagenglas lassen sich Fotokopierer "identifizieren", auf denen Erpresserschreiben vervielfältigt wurden. Das Buch zeigt, was Kriminaltechnik heute zu leisten imstande ist. Wer gerne knifflige Fälle löst, wird überrascht sein, welche Rolle die Physik dabei spielt.
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Seitenzahl: 460
Froböse, R. Wenn Frösche vom Himmel fallenDie verrücktesten Naturphänomene2009 ISBN: 978-3-527-32619-8
Emsley, J. Fritten, Fett und FaltencremeNoch mehr Chemie im Alltag2009 ISBN: 978-3-527-32620-4
Bell, H. P., Feuerstein, T., Güntner, C. E., Hölsken, S., Lohmann, J. K. (Hrsg.) What’s Cooking in Chemistry?How Leading Chemists Succeed in the Kitchen2009 ISBN: 978-3-527-32621-1
Koolman, J., Moeller, H., Röhm, K. H. (Hrsg.) Kaffee, Käse, Karies ...Biochemie im Alltag2009 ISBN: 978-3-527-32622-8
Autor
Dr. Patrick Voss – de Haan Dr.-Rody-Straße 6a 65375 Oestrich-Winkel
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© 2009 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim
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ISBN: 978-3-527-40944-0 ePDF ISBN: 978-3-527-64134-5 ePub ISBN: 978-3-527-64133-8 mobi ISBN: 978-3-527-64135-2
Für
N.A. und S.P.
Patrick Voss – de Haan wurde 1968 in Hamburg geboren. Seine Spur führt zuerst nach Geisenheim und Chicago, wo er seine Schulzeit verbrachte. Ab 1989 studierte er Physik (und einiges andere) in Stanford, später dann Atom- und Laserphysik in Mainz mit anschließender Promotion in Festkörperphysik. Seit dem Jahr 2000 arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bundeskriminalamt. Freiberuflich ist er seit seinem Studium als Wissenschaftsjournalist für Zeitungen, wissenschaftliche Fachzeitschriften und verschiedene Buchprojekte tätig. Seine Freizeit verbringt er gerne mit Lesen, Fotografie und vor allem seinen beiden Kindern, seinen »Lieblings-Spurenlegern«.
Neugierde ist aller Wissenschaft Anfang. »Wie funktioniert das?« ist die Frage, die Forscher genauso antreibt wie Kinder. Unzählige Armbanduhren und Wecker dürften über Generationen hinweg von Kindern auseinander gebaut worden sein, um herauszufinden, wie eine Uhr funktioniert. Inzwischen wird es aber immer schwieriger, auf diese Weise die gesuchten Antworten zu bekommen: Zum einen, wird die Technik immer komplizierter und schwieriger zu durchschauen. Eine Quarzuhr wird man kaum verstehen können, indem man sie auseinander nimmt, und dasselbe gilt für CD-Spieler, Mikrowellenherde, Plasmafernseher und vieles mehr. Zum anderen, wird gleichzeitig immer weniger erklärt. Besonders im Fernsehen gibt es zwar viel zu sehen, aber wenig zu verstehen, sogar wenn es (zumindest dem Titel nach) um Wissenschaft geht. Dabei gibt es kaum einen Menschen, der sich nicht von irgendeiner Facette der Wissenschaft faszinieren lässt, und es gibt kaum eine Facette der Wissenschaft, deren Ideen sich nicht verständlich machen lassen.
Hinter Kriminaltechnik steckt viel faszinierende und doch verständliche Wissenschaft. Trotzdem wird sie uns meist einfach nur zum Staunen präsentiert: Zeigen und ansehen ist »in«, aber erklären und verstehen ist »out«. Gerade viele Fernsehserien bieten oft eindrucksvolle Effekte aber unterschlagen selbst die einfachsten Erklärungen. Wer sich seine Neugier bisher erhalten konnte, bleibt nicht nur mit ihr allein gelassen, er bekommt sie regelrecht abgewöhnt. Es gibt nur noch den technischen Effekt aber keinen Aha-Effekt mehr. Dabei ist es oft einfach möglich, zu staunen und zu verstehen.
Warum kann man mit ultraviolettem Licht manche gefälschten Dokumente erkennen? Wie entdeckt man ein Päckchen Sprengstoff in einem Gepäckstück und unterscheidet es von einem Pfund Kaffee? Wie holt man verschwundene Zeichen zurück? Was ist das Besondere an Fingerabdrücken? Wie und warum funktioniert eigentlich eine Lupe? Warum kann man Atome nicht sehen (oder geht das vielleicht doch)? Wie kann man mit Elektronen und mit Kraft »sehen«? Auf diese und viele andere Fragen verständliche Antworten zu geben – ohne dass dabei das Staunen zu kurz kommt – ist die Absicht, die hinter diesem Buch steckt. Es soll einem neugierigen Leser einen Einblick in viele interessante Tricks und Kniffe der Kriminaltechnik und die Physik dahinter vermitteln, auch wenn er sich mit diesen Gebieten nicht näher auskennt.
Viele haben mir geholfen, diesem Ziel näher zu kommen, speziell die Vorschläge und Hinweise einiger Kollegen waren dabei unschätzbar. Auch ohne Waltraud Wüst, die dieses Buch auf Seiten des Verlags betreut hat und auf jede meiner Fragen immer eine passende Antwort gefunden hat, wäre aus dieser Idee ebenfalls kein Buch geworden. Michael Huth, Alexander Malinowski, Ulrike Ober und Kurt Bußweiler haben jeder einen sehr hilfreichen Blick auf das Manuskript geworfen und mir mit ihren Ideen und Anmerkungen geholfen, dem Text einige seiner Unvollkommenheiten zu nehmen. Der größte Dank gilt allerdings meiner Frau und meiner Familie, insbesondere meiner Mutter, die mich in meiner Neugier nie gebremst hat und von der ich meine ersten Uhren bekommen habe (die natürlich auseinander gebaut wurden).
Oestrich-Winkel, im April 2005
P.S.: Die Quarzuhr funktioniert ganz ähnlich wie eine mechanische Uhr. Eine Pendeluhr »zählt« die Bewegungen des Pendels, meist entspricht dabei eine Schwingung einer Sekunde. Die Unruh einer Armbanduhr schwingt oft fünfmal in der Sekunde, der Sekundenzeiger muss sich also nach jeder fünften Schwingung weiterbewegen. Der Quarzkristall in der Quarzuhr schwingt ebenfalls mit einer ganz bestimmten Frequenz – ähnlich wie eine Stimmgabel, allerdings viel schneller. Die Schwingungen lassen sich elektronisch auslösen und auch zählen. Nach 32.768 Schwingungen ist eine Sekunde vergangen. Da sich diese Frequenz des Kristalls kaum ändert, können Quarzuhren wesentlich genauer gehen als mechanische.
Alles sollte so einfach wie möglich gemacht werden, aber nicht einfacher.
Albert Einstein
Verbrechen haben die Menschen seit ewigen Zeiten gleichzeitig erschreckt und fasziniert. Das Verbrechen selber und seine Aufklärung – beides weckt unsere Neugier und dieser Kampf zwischen Gut und Böse fesselt die Aufmerksamkeit von Menschen jeden Alters und jeglicher Herkunft. Anders können wir kaum erklären, warum Detektivgeschichten und ihre Verwandten zu den am meisten gelesenen Büchern gehören. Trotz Fernseher und Computer tauchen die Geschichten von Arthur Conan Doyle, Agatha Christie, Patricia Highsmith, George Simenon und ihresgleichen bei jeder neuen Generation immer wieder auf den Nachttischen auf. Anders lässt sich kaum erklären, warum Krimis seit der Anfangszeit des Films zum Repertoire gehören und regelmäßig Millionen in die Kinos locken können. Seit Jahrzehnten jagen auch im Fernsehen viele der berühmtesten Serienhelden Kriminelle: Polizisten, Privat- und Hobbydetektive, Gerichtsmediziner und Anwälte und sogar manche Ärzte haben im Fernsehen unentwegt mit Verbrechen zu tun. Anders als mit unserer Faszination für das Verbrechen und den Kampf dagegen ist kaum zu verstehen, warum selbst in den täglichen Nachrichten Morde und Entführungen – aber auch ihre Aufklärung, der Prozess und das Urteil über den Täter – immer eine Meldung wert sind.
Es kann nicht allein darum gehen, der Menschheit zu helfen. Selbst übermenschliche Helden wie Superman, Batman und Spiderman kämpfen gegen das Verbrechen und nicht etwa gegen Hunger, Seuchen oder Armut in der Welt. Der Kampf gegen einen einzelnen Serienmörder, der eine Handvoll Menschen umgebracht hat, beschäftigt uns mehr als der Kampf gegen eine Krankheit, die jedes Jahr hunderttausende Menschen tötet. (Mal im Ernst: Wer von uns hätte jetzt ein Buch in die Hand genommen mit dem Titel »Der Grippe auf der Spur« – und doch tötet diese Krankheit jedes Jahr auf der ganzen Welt bis zu einer halben Million Menschen. Und an Lungenentzündung starben im letzten Jahr allein in Deutschland etwa zwanzigmal mehr Menschen als ermordet wurden.) Der Prozess gegen O.J. Simpson, einen ehemaligen Footballstar und Schauspieler in den USA, fesselte rund um den Globus Millionen von Menschen an den Fernseher – über Monate. Es ging damals um zwei Opfer. Wenn hingegen in Afrika zwei Millionen Menschen in einem Jahr an Aids sterben, ist das eine Meldung unter vielen in den Abendnachrichten an vielleicht einem Abend im Jahr.
Was macht Menschen so neugierig auf das Verbrechen? Es gibt wahrscheinlich so viele Antworten auf diese Frage, wie es Psychologen und Soziologen gibt. Von den vielen möglichen Gründen scheinen mir drei besonders wichtig zu sein.
Das Gefühl, es könnte auch jeden von uns selbst treffen – und natürlich die Freude, dass es uns selbst eben nicht getroffen hat. Spätestens wenn uns mal das Portemonnaie in der Umkleidekabine der Sporthalle geklaut wird, merken wir, wie leicht wir selber Opfer werden können.Der Wunsch nach Gerechtigkeit. Wer möchte das nicht? Das Gute soll siegen ... vielleicht, weil jeder von uns Tag für Tag so viel Ungerechtigkeit mitansehen und miterleben muss, sei es in der Schule, im Straßenverkehr, auf der Arbeit oder auch nur in den Nachrichten. Wenigstens einmal soll am Schluss die Welt wieder in Ordnung sein. Wie viele Kinofilme wären auch ohne Happyend erfolgreich?Das Abenteuer der Jagd. Die Hunderttausende von Jahren, die unsere Vorfahren als Jäger überlebt haben, sind nicht leicht abzuschütteln. Sie spiegeln sich in Brettspielen wie Schach und Mensch-ärgere-Dich-nicht ... oder eben in der Verbrecherjagd. Dazu kommt noch der Spaß am Lösen von Rätseln und die Freude über einen Sieg. Wenn wir uns mit dem Helden einer Kriminalgeschichte den Kopf zermartern und in spannenden Situationen zittern, dann können wir uns über den »gemeinsamen« Sieg über das Böse freuen, so wie wir uns über den Sieg der eigenen Fußballmannschaft freuen.Damit die Jagd Erfolg hat und die Verbrecher nicht ungestraft davonkommen – in den Geschichten ebenso wenig wie in der Realität – brauchen wir heute mehr denn je Wissenschaft und Technik. Genauer gesagt: Kriminaltechnik.
Bei allem, was wir (und natürlich alle Verbrecher) tun, überall, wo wir gehen und stehen, hinterlassen wir Spuren. Unsere jagenden Vorfahren suchten nach umgeknickten Ästen oder Abdrücken von Tierpfoten, wenn sie auf der Fährte ihres Abendessens waren. In unserem Alltag heute müssen wir nach ganz anderen Hinweisen suchen. Bei meiner kleinen Tochter sind es vor allem Bausteine und Stofftiere, die verraten, wie sie die letzten Stunden verbracht hat. Aber so schöne Spuren hinterlässt kein Verbrecher am Tatort. Die Hinweise, die dort zurückbleiben, sind oft genug winzig und kaum zu erkennen. Selbst wenn man einen Fingerabdruck oder eine Stofffaser entdeckt, muss man diese Spur erst mal zweifelsfrei mit einem Verdächtigen in Verbindung bringen. Um ihm seine Tat wirklich nachweisen zu können, brauchen Ermittler heute die Hilfe der modernen Wissenschaft und insbesondere der Physik. Schon die Meister der literarischen Verbrecherjagd, von Sherlock Holmes bis Hercule Poirot, schätzten die Beweise, die ihnen die Wissenschaft lieferte. Während die Kriminaltechnik in Krimis aber doch lange Zeit vor allem am Rande auftauchte, bestehen inzwischen manche modernen Krimiserien fast nur noch aus den verschiedensten Spurenuntersuchungen. Lediglich hier und da werden die Szenen in eindrucksvoll beleuchteten Laboren noch von einem Mord, einer Verfolgungsjagd oder einem Verhör unterbrochen.
Diese Serien haben es zweifellos geschafft, den Zuschauern ein wenig von der Bedeutung zu vermitteln, die die Wissenschaft beim Kampf gegen das Verbrechen heute hat. Das eigentliche Ziel der Serien ist aber, das Publikum zu unterhalten. Sie führen einige Tricks vor, ohne uns wirklich eine Chance zu geben, die Tricks auch zu verstehen. Wie bei einem Magier staunen wir, was alles möglich ist, ohne aber herauszufinden, wie und warum es möglich ist. Warum schaffen es Laser und farbige Lampen, Fingerabdrücke und Blutflecken aufleuchten zu lassen? Wie kann die abgefeilte Seriennummer einer Schusswaffe »zurückgezaubert« werden? Warum kann man mit Elektronenmikroskopen Strukturen erkennen, die kaum größer als ein paar Atome sind?
Im Herzen der Wissenschaft und ganz besonders der Physik liegt nicht das Wissen (dass etwas möglich ist), sondern das Verstehen (wie und warum es möglich ist). Viele Ideen der Wissenschaft sind einfach bemerkenswert und zugleich bemerkenswert einfach. Wissenschaftler sind allein von diesen Ideen oft schon fasziniert, während für die meisten anderen Menschen Wissenschaft erst dann wirklich interessant wird, wenn sie mit etwas anderem Faszinierenden zu tun hat. Das können Schwarze Löcher und Dinosaurier sein oder auch die Verbrecherjagd mit Mikroskopen und Lasern. Je mehr wir über Schwarze Löcher und Dinosaurier erfahren und von ihnen verstehen, um so faszinierender werden sie. Dasselbe gilt nach allem, was ich erlebt habe, auch für die Kriminaltechnik. Sie verbindet die Wissenschaft nicht nur mit interessanten Kriminalfällen, sondern muss dabei auch noch auf sehr einfallsreiche Art und Weise auf die gesamte Breite der Physik und aller anderen Naturwissenschaften zurückgreifen.
Die Kriminalfälle und anderen Begebenheiten in diesem Buch haben alle mit der Rolle zu tun, die die Wissenschaft vor allem bei der Aufklärung und Verhinderung von Verbrechen aber auch bei manchen Unfällen, wie dem Absturz des Spaceshuttles Columbia, spielt. Manchmal darf die Physik obendrein auch in solchen Fällen auf Spurensuche gehen, die nun gar nichts mit Verbrechen oder Unfällen zu tun haben. So beschäftigte z. B. die Frage nach der Herkunft des »Grabtuchs von Turin« jahrelang Menschen rund um den Erdball, bis die Wissenschaft sich die Spuren ansah und endlich eine Antwort geben konnte.
Das erste Kapitel zur Historie gibt dabei einen kleinen Einblick in die Geschichte der Verbrechensbekämpfung und möchte zeigen, wie die Wissenschaft überhaupt ins Spiel kam – eine Idee, die überraschend spät aufgetaucht ist, nachdem unsere naturwissenschaftlichen Wurzeln über zweitausend Jahre bis zu den alten Griechen zurückreichen. Hier begegnen uns bereits einige wichtige Köpfe und Ideen, die auch später im Buch wieder auftauchen werden. Die heute in der Öffentlichkeit wohl bekannteste Hilfe bei der Verbrecherjagd ist auch eine der ältesten Methoden: Die Fingerabdrücke werden uns im zweiten Kapitel einen ersten echten Einstieg in die Spurensuche verschaffen. Gleichzeitig werden sie uns auch schon einmal in die Physik hineinschnuppern lassen und uns einen Vorgeschmack auf die vielen naturwissenschaftlichen Methoden in der Kriminaltechnik geben. Nach dieser ersten Begegnung mit der forensischen Wissenschaft, wie die Kriminaltechnik oft auch bezeichnet wird, und bevor es richtig in die Physik hineingeht, wirft das Kapitel »Stumme Zeugen« noch einen Blick darauf, welche Bedeutung der Kriminaltechnik in der Verbrechensbekämpfung zukommt, und warum wir Physik und andere Wissenschaften dabei überhaupt brauchen. Neue und geradezu revolutionäre physikalische Ideen tauchten auf, als das zwanzigste Jahrhundert begann. Sie bereiteten den Weg für den späteren Erfolg der Physik in der Kriminaltechnik und auch für einige der modernsten Methoden, die es dort heute gibt.
Die Methoden der Kriminaltechnik, die in diesem Buch vorkommen, haben fast alle mit »Formen des Verbrechens« zu tun: mit der Form von Spuren. Größe, Farbe, Umriss, Oberfläche – alles kann eine Rolle spielen. Mit den Mustern der Fingerabdrücke fängt es an. Die »Unsichtbaren Zeugen« in nächsten Kapitel – weggefräste aber eben doch nicht ganz verschwundene Seriennummern auf Schusswaffen etwa – sind ein weiteres Beispiel dafür. Nach diesem Kapitel geht es dann zuerst einmal um Spuren, die zwar sichtbar sind aber einfach nicht groß genug für menschliche Augen. Die »Lupe« und das »Mikroskop« sind nur die ersten beiden Schritte und Kapitel auf diesem Weg. Danach geht es auf die Suche nach einer Möglichkeit, auch die kleinsten Formen sehen zu können, die nicht viel mehr als einige Atome groß sind. Dabei werden wir in den Kapiteln »UV-UND Röntgenstrahlen« bzw. »Infrarotlicht und Radarwellen« den verschiedensten Strahlen und Wellen begegnen und herausfinden, dass sie eigentlich gar nicht so verschieden sind. Und es wird sich zeigen, dass sie uns leider nicht jenes Mikroskop bringen, das wir suchen. Stattdessen kommen wir mit ihrer Hilfe jedoch ganz anderen Dingen auf die Spur. Im Kapitel »REM und Co.« lernen wir dann aber schließlich ein Mikroskop kennen, mit dessen Hilfe wir auch die winzigsten Spuren von Verbrechen untersuchen können, mit denen wir es zu tun bekommen ... bisher zu tun bekommen. Denn aus Sicht der Wissenschaft geht es schon weiter. Einige Arten von Mikroskopen können inzwischen schon in Atome hineinschauen. Solche Spezialmikroskope und wie sie vielleicht einmal ebenfalls ihren Weg in die Kriminaltechnik finden können, sind – zusammen mit ein paar anderen Aspekten, die in diesem Buch zu kurz kommen müssen – Thema der letzten beiden Kapitel »Sondenmikroskope« und »Ein Blick über den Tellerrand«.
Bei allen diesen Themen hat die Physik ihren Weg in die Kriminaltechnik gefunden. Manche der Methoden sind dabei alt bewährt. Manche sind relativ neu oder werden erst noch erprobt. Einige andere schließlich sind bisher kaum mehr als trickreiche Ideen und Visionen, wie man die neuesten physikalischen Forschungen einmal gegen Verbrechen einsetzen könnte. Sowohl die Themen als auch die (teils sicher ungewöhnlichen) Beispiele, die auftauchen, sind eine ganz persönliche Auswahl. Sie sollen »Nicht-Kriminaltechnikern« einen kleinen Einblick in die Verbrechensbekämpfung mit der Wissenschaft geben. Außerdem sollen sie Ausgangspunkte auch für »Nicht-Physiker« sein, um zu verstehen, wie die Natur hier funktioniert. Nur dann kann man auch verstehen, wie die Physik in der Kriminaltechnik auf Spurensuche geht. Ansonsten bleiben die Kriminaltechnik und die vielen Verbrechen und ihre oft bemerkenswerte Aufklärung nichts anderes als eine Sammlung von Zauberkunststücken. Das kann unterhaltsam sein, aber jemand der neugierig ist, wird sich damit auf Dauer nicht zufrieden geben. Wieso können verschwundene Zeichen scheinbar aus dem Nichts zurückgeholt werden? Warum können wir auch mit den besten Lichtmikroskopen nicht beliebig stark vergrößern, egal wie starke Linsen wir nehmen? Wie können wir mit Elektronen das erreichen, was uns mit Licht nicht gelingt? Wie und warum können wir mit Röntgenstrahlen Sprengstoff von Schokolade unterscheiden? Wie können wir in Atome »hineinsehen«? Die Kriminaltechnik, die so viele verschiedene Themen und Methoden zusammenbringt, ist dabei ein wunderbarer Ausgangspunkt für eine solche Reise durch die Naturwissenschaft.
Die Ideen und Antworten der Physik erscheinen vielen Menschen kompliziert und schwer zu verstehen – oft nicht ganz zu unrecht. Meist liegt das aber weder an den Menschen noch an der Physik, sondern vielmehr an der Art, wie Wissenschaft heute erklärt und präsentiert wird. In Wirklichkeit verstehen die meisten Menschen viel mehr von Physik als sie denken. Wir wenden sie täglich und ganz selbstverständlich in unserem Leben an, allerdings ohne uns dessen immer bewusst zu sein und sie zu verstehen.
Mit einem interessanten Thema und schönen Beispielen ist es viel einfacher, einem Leser die Chance zu geben, etwas zu verstehen. Es müssen auch nicht immer gleich Schwarze Löcher oder Dinosaurier sein. Wo, außer in der Kriminaltechnik, kann man große Wissenschaftler und Genies wie Einstein, Röntgen, Fermat, Planck und ihre Ideen in einem Buch in Verbindung bringen mit einem orthodoxen Bischof, der Mona Lisa, leuchtendem Bier, der letzten Zarenfamilie, dem Atlantik-Überquerer Charles Lindbergh, Marilyn Monroe, Hitlers (angeblichen) Tagebüchern, einem Mord in San Francisco vor achtzig Jahren, dem KZ-Arzt Josef Mengele, Flughäfen, Schiffscontainern, dem Spaceshuttle, Autorasern, einer mit Creme verschmierten Flasche, Pollen auf einem sechs Jahrhunderte alten Grabtuch und kaputten Autoscheinwerfern?
Es gibt nichts Neues mehr. Alles, was man erfinden kann, ist schon erfunden worden.
Charles H. Duell (US-Patentamt, 1899)
In der Antike, im Mittelalter und noch viele Jahrhunderte später haben Gerichte zwar immer Urteile, aber selten genug Recht gesprochen. Ob ein Angeklagter schuldig oder freigesprochen wurde, war bis in unsere moderne Zeit hinein häufig weniger eine Frage von Schuld oder Unschuld, sondern vielmehr eine Frage des Geldes, des Standes und vieler zufälliger Umstände. Trotz aller Unzulänglichkeiten, die sich in jedem rechtsstaatlichen System finden, sind wir heute viel weiter. Ein Verdacht bedeutet inzwischen keinesfalls einen automatischen Schuldspruch, wie es bei der Inquisition oft der Fall war, und auf der anderen Seite können Reichtum und Titel einem Täter heute keinen Freispruch mehr garantieren. Was ist die Ursache für diesen Wandel? Vieles spielt eine Rolle, angefangen bei den Grundsätzen unseres modernen Rechtssystems. Die Unschuldsvermutung besagt, dass jeder als unschuldig gilt, bis das Gegenteil bewiesen ist – jahrhundertelang wurde dieses Prinzip oft genug ins Gegenteil verkehrt: Konnte der Angeklagte seine Unschuld nicht beweisen, war er verloren. Auch das Recht, sich zu verteidigen, dafür einen Anwalt zu nehmen, Zeugen zu hören und Beweise vorzulegen war – anders als heute – viele Jahrhunderte lang keine Selbstverständlichkeit. Eines der wichtigsten Prinzipien ist wohl, dass der Beweis der Schuld über jeden vernünftigen Zweifel erhaben sein muss. In dubio pro reo: »Im Zweifel für den Angeklagten« ist ein Grundsatz, der schon im alten Rom formuliert worden, aber für lange Zeit in Vergessenheit geraten war. Zwei Jahrtausende lang beschränkten sich Beweise dabei vor allem auf Zeugenaussagen. Menschen sind jedoch äußerst unzuverlässig, mal absichtlich mal unabsichtlich. Neben Aussagen gab es zwar einige »Sachbeweise«, z. B. bei einem Verdächtigen gefundenes Diebesgut oder eine am Tatort zurückgelassene Waffe, die bekanntermaßen einem Verdächtigen gehörte, aber solche Indizien waren nicht nur selten, sondern häufig auch alles andere als eindeutig. Oft genug hatte der wahre Dieb einen Teil der Beute bei einem Unschuldigen platziert, um den Verdacht von sich abzulenken, und die Mordwaffe war nicht selten einem Unschuldigen gestohlen worden, bevor ein anderer die Tat beging.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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