Pirouette à la Arizona - Lili B. Wilms - E-Book

Pirouette à la Arizona E-Book

Lili B. Wilms

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Beschreibung

Von der Frage zerrissen, wie es am Höhepunkt ihrer Karriere weitergehen soll, stürzt sich Ailis in einen One-Night-Stand mit einem Fremden, den sie in einer Hotelbar trifft. Doch so intensiv die Nacht mit Caden auch war, die Starallüren ihres Bettpartners am Morgen danach machen Ailis klar: Es gibt Wichtigeres als ihre Karriere - die Menschen, die ihr nahestehen. Was sie seit Wochen bereits entschieden hat, wird plötzlich ganz einfach auszusprechen: Sie wird die Leihmutter für das Kind ihres Bruders Kieran und dessen Ehemann Henry. Obwohl es nur ein One-Night-Stand war, hat Caden das Gefühl, von keiner anderen Frau jemals auf so tiefer Ebene verstanden worden zu sein. Als er Ailis sechs Monate nach ihrer gemeinsamen Nacht zufällig wiedersieht, kann Caden sein Glück zunächst kaum fassen. Bis er realisiert, dass Ailis schwanger ist – doch von wem? Egal wie die Antwort auf diese Frage lautet und welche Konsequenzen sie für ihn und seine Musikerkarriere mit sich bringen wird, ist Caden Eines schnell klar: Er will alles tun, um dieses Gefühl von Richtigkeit zu bewahren, das die Nähe zu Ailis mit sich bringt. Im Stillen ein Ally der LGBTQIA+ - Gemeinschaft zu sein, ist einfach – für seine wahren Werte einzustehen, macht Caden aber zur Zielscheibe seiner christlich konservativen Fans.

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Pirouette à la Arizona

 

 

 

 

Lili B. Wilms

 

 

 

Rainbow Romance USA

 

Inhaltsverzeichnis
Prolog
Teil I: Seattle, Washington, Heiliger Abend
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Teil II: Sechs Monate später - Lentown, Arizona
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23

 

Über die Autorin
Leseprobe
Dank
Impressum

Prolog

 

War’s das?

Ailis atmete schwer und beobachtete, wie ein Schweißtropfen das seidige Material ihres Spitzenschuhs verdunkelte. Die Lichter brannten weiter auf ihren Kopf, den sie immer noch gesenkt hatte. Eigentlich zu lang. Sie wollte dieses Finale genießen und hinauszögern, solange sie konnte. Der Geruch, ein Gemisch aus Schweiß und süßlicher Schminke, aufgeheizt unter den Scheinwerfern, war ihr so vertraut wie ihre Handflächen.

Würde sie ihn jemals wieder riechen? Verdammt, sie wollte nicht auf der Bühne heulen. Sie musste noch keine Entscheidung treffen.

Neben ihr richtete sich Antony auf und zog ihre Hand mit nach oben. Ihr Oberkörper richtete sich gegen ihren Willen auf, während sie ihr Gewicht wieder auf beide Füße verlagerte. Den alten Bruch und die Schmerzen, gegen die sie seit Wochen angetanzt hatte, bemerkte sie fast gar nicht mehr.

Das Publikum jubelte. Ausnahmslos. Es machte zumindest den Eindruck. Das perfekte Lächeln war immer noch in ihr Gesicht gemeißelt. Ihr Gefühl täuschte sie nicht. Antony ließ ihre Hand los und drehte sich zu den anderen Darstellern. Das komplette Ensemble der Company war auf der Bühne.

Die Weihnachtsvorstellung in Seattle war das Highlight der kompletten Saison. Dass sie einen Heiligen Abend auf der Bühne verbrachte, war schon fast die Norm. Sie hatte sich in ihrer gesamten Karriere schon immer besonders auf diese Vorstellungen gefreut. Der Lohn war meistens ein höchst zufriedenes, weihnachtlich gestimmtes Publikum. So war es auch dieses Jahr. Die Gastspielreise samt der Zusatzveranstaltungen waren komplett ausverkauft gewesen. Und nun war es vorbei.

Nach einer weiteren gemeinsamen Verbeugung aller Mitwirkenden schloss sich der Vorhang. Das rauschende Geräusch endete mit dem Aufeinandertreffen der Stoffbahnen. Wie Wellen auf einem See schwang das Material sanft zurück und der Blick zum Publikum war versperrt. Alle fielen sich in die Arme. Kayla sprang auf sie zu und drückte sie an sich.

»Oh, mein Gott! Wir haben es geschafft. Das war gigantisch. Du warst gigantisch.«

»Ja.« Ailis schluckte schwer. Zumindest Kayla hatte es geschafft. Ihre Freundin hatte ihre Entscheidung getroffen. Nach einem erfolgreichen Bühnenleben war es für sie an der Zeit, einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen.

Aber war auch Ailis’ Phase hier zu Ende? Konnte sie dies mit derselben Gewissheit wie Kayla sagen? Was hielt sie zurück? Angst? Was trieb sie an? Ja, was brauchte sie, um Gewissheit zu haben? Lag es wirklich an den wenigen Jahren, die Kayla älter war als sie? Doch die kurze Zeit entschied im Leben einer Ballerina über so viel mehr als nur die Zahl der Kerzen auf der Geburtstagstorte.

Der Vorhang war gefallen und sie hatte Kayla eine Antwort zugesichert. Genau wie ihrem Bruder. Die Saison war beendet und die beiden wichtigsten Menschen in ihrem Leben warteten auf ihre Entscheidung.

Keiner von beiden würde sie unter Druck setzen. Dennoch fiel es ihr beim Gedanken daran schwer, zu atmen. Eine Entscheidung wäre unumkehrbar. Egal, wie sie wählen würde. Sowohl für Kieran, dessen Ehemann und Kayla würde sie mit ihrem Entschluss absolute Weichen stellen.

Ailis war nicht bereit. Aber sie musste es sein. Es war Zeit.

Kayla drückte Ailis noch einmal. »Entspann dich! Wir gehen jetzt feiern. Und dann …«

»Ich verspreche dir, ich gebe dir morgen Bescheid.« Nur ein weiterer Tag Aufschub. Dieser musste Klarheit bringen. Sonst musste sie würfeln. Oder das Schicksal anders befragen.

Kayla sah sie mit tiefem Verständnis an. Ihr Blick sagte so viel mehr als Worte. Niemand außer Kayla konnte wirklich nachempfinden, was ihre Entscheidung für ihr Leben bedeutete.

Antony drängte sich in ihre Umarmung und im Nu steckten sie in einem Tänzerhaufen und Ailis ließ sich fallen. In Kaylas Arme und in die Gruppe, die sie in den letzten vier Jahren lieben gelernt hatte. Der Wettkampf und der Neid waren natürlich auch Teil ihrer New Yorker Blase. Dennoch hatte sie keine Sekunde lang bereut, ihr Leben in Deutschland aufgegeben zu haben, um für ihre Traum-Company zu tanzen. Und das hatte sie getan. Fast vier wunderbare Jahre lang mit nur wenigen Verletzungen. Jetzt war es Zeit, ihre Gedanken neu zu sortieren.

Teil I Seattle, Washington Heiliger Abend

Kapitel 1

Ailis

 

Sie stürmten die Tanzfläche der Rooftop Bar des Hotels, in dem sie untergebracht waren, so als hätten sie nicht bereits den ganzen Abend unter höchster Konzentration getanzt. Frei von allen Sorgen, und ohne den Stress der Tournee im Nacken, konnte sie das tun, was sie liebte. Einfach tanzen. Ohne Rücksicht auf Vorgaben wurden ihre Beine wieder leichter und ihre Füße trugen sie durch die treibenden Beats der Musik.

Kayla tanzte sie mit einem Cocktailglas in der Hand an, Ailis schnappte es sich und nahm einen gierigen Schluck. Hm … heute war das erlaubt. Derart unnütze Kalorien mied Ailis eigentlich um jeden Preis. Aber vielleicht musste sie sich darüber auch bald keine Gedanken mehr machen.

Testweise drehte sie ihren Knöchel. Sie war froh, die flachen Schuhe angezogen zu haben. Ihre Fesseln schmerzten. Aber nicht mehr als sonst. Der Mittelfußbruch von vor einem halben Jahr war gut verheilt und beeinträchtigte sie kaum noch. Jedes Jahr wurden die Erholungszeiten nach Verletzungen länger. Die Phasen bis zur Ausheilung beschwerlicher. Das Training anstrengender und die neuen Tänzerinnen immer jünger. Frischer. Spritziger. Argh … sie war sechsunddreißig, nicht dreihundert. Obwohl sie sich langsam so fühlte. Wenigstens für einen Abend wollte sie unbeschwert sein und lebensverändernde Entscheidungen auf den Folgetag verschieben.

Alle umarmten Kayla, um sich zu verabschieden. Ihren Weggang von der Company hatte sie vor Wochen bekannt gegeben. Jahrelang war sie dienstälteste Erste Solistin und damit der Star des Ensembles gewesen. Die letzten Saisons hat sie mit der Entscheidung gekämpft, ob sie hinter der Bühne arbeiten oder einen ganz neuen Schritt wagen sollte. In ihren gemeinsamen Gesprächen waren Kayla und Ailis alle denkbaren Möglichkeiten durchgegangen: Eine kleinere Company, wo sie die erneute Chance auf Erste Solistin hätte? Definitiv ein Rückschritt in der Karriere. Sich als Gruppentänzerin einer großen Company einreihen? Eigentlich undenkbar.

Ailis hatte Kaylas Kampf beobachtet. Doch dann hatte ihre Freundin die Entscheidung getroffen, nach Abschluss der Wintersaison in ihren Heimatort in Arizona zurückzukehren, um ihre Ballettschule im kommenden Herbst zu eröffnen. Seitdem war sie aufgeblüht. Das Lachen, das Kayla seitdem immer zu begleiten schien, erhellte jeden Raum.

Es klang verlockend, sie zu begleiten. Aber konnte Ailis der Bühne bereits den Rücken zukehren? Sie hatte noch zwei gute Jahre. Falls sie verletzungsfrei durchkam.

Der Schritt weg von ihrem Lebenstraum würde es ermöglichen, den Wunsch ihres Bruders Wirklichkeit werden zu lassen.

Wenn sie sich bereit erklärte, in Kierans und Henrys Lebensplanung mitzuwirken, war ihr Leben als Erste Solistin definitiv beendet. Wollte sie den Mut zu einem Neuanfang überhaupt aufbringen? Ha. Sie hatte es in New York geschafft, sie würde es überall schaffen. Oder?

Antony tanzte sie von hinten an und sprach ihr ins Ohr. »Na, du Grübeltante? Hast du dich schon entschieden?«

»Muss ich nicht. Ich hab heute frei.«

Er tätschelte ihr den Hintern. »Von wegen. Du hast jetzt Getränkedienst. Hopp!« Er drückte ihr ein paar Scheine in die Hand und schob sie zur Bar. Er tippte ihr auf die Nase. »Na los. Ich halte dir den Platz frei.«

Lachend tanzte sie auf die Bar zu. Sie drängte sich an den Gästen vorbei und versuchte die Bedienung auf sich aufmerksam zu machen. Als sie einen Stoß von hinten erhielt, fielen ihre schwarzen Locken in ihr Gesicht. Mit ihren Fingern klammerte sie sich krampfhaft an der Bar fest. Verdammt, war es hier eng. Sie ging die Theke bis zum Ende entlang. Ihre zierliche und kleine Figur war ideal, um von ihren Tanzpartnern in die Luft geworfen zu werden, an einer Bar hatte sie ihr jedoch noch nie geholfen. An den äußeren Enden der Theke schien der Andrang etwas geringer zu sein. Sie stahl sich in den kleinen Raum zwischen zwei Barhockern und stellte sich auf die Zehenspitzen. Ihr Nachbar überragte sie um Längen und versperrte ihr die Sicht. So würde das noch Stunden dauern, bis sie auf sich aufmerksam machen konnte.

Sie sah unter die Theke, in der Hoffnung eine Fußleiste zu finden. Vergeblich. Hinter ihr stand ein Kerl mit einem Cap, das er tief ins Gesicht gezogen hatte, und starrte in sein Getränk. Die Füße in Cowboystiefeln – manche Sachen waren nach wie vor gewöhnungsbedürftig für sie – waren auf dem Metallring des Hockers abgestellt. Ihr Blick wanderte hoch zu seinem verdunkelten Gesicht. Sah er überhaupt etwas mit dieser Kopfbedeckung in dem schummrigen Licht? Egal. Wichtiger war, würde er ihr erlauben, seinen Hocker als Aussichtsplattform zu nutzen?

»Entschuldigung?« Der Cap-Träger drehte sich nicht zu ihr. Er legte lediglich seinen Kopf leicht schräg. So konnte sie seine Augen nicht erkennen. Nur einen sinnlichen Mund. Kuss-Kissen, war das Einzige, was ihr zu diesem Mund einfiel. Eingerahmt von dunklen Stoppeln.

»Ma’am?«

Ma’am? Was war sie? Doch dreihundert, wie sie so oft befürchtet hatte? Ihr wurde in derartigen Situationen immer wieder bewusst, dass das Ostküstenamerikanisch zwar ihre Muttersprache war, sie aber in Deutschland aufgewachsen war. Das Land dessen Pass sie trug, war weitestgehend ein unbekannter Kontinent für sie.

Aus dem einzelnen Wort konnte selbst sie den starken Südstaaten-Dialekt heraushören. Oder war das Midwestern? Jedenfalls war es vermutlich keine Beleidigung.

»Ja, ähm. Dürfte ich kurz ihre Fußleiste da nutzen? Ich komm sonst nie zu meinen Getränken.«

»Sicher Ma’am.«

Kein Mann großer Worte. Okay. Zumindest war sie innerhalb von Sekunden gefühlt einen halben Meter größer und konnte der Bedienung am anderen Ende der Theke zuwinken, die – o Wunder – zurückwinkte.

Anscheinend war das Winken der Bedienung jedoch nur als Gruß gedacht, denn entgegen Ailis’ Hoffnung schenkte sie weiter dort aus, wo ohnehin die zweite Bedienung stand. Entrüstet streckte sie sich noch weiter. So klein war sie auch nicht, als dass man sie gänzlich ignorieren konnte. Mittlerweile stand sie auf den Zehenspitzen und balancierte das andere Bein in der Luft. Sie schnaubte empört, als der Kellner ihr ein weiteres Mal den Rücken zudrehte.

Verdammt!

Im selben Moment rutschte ihre Zehenspitze von dem Metallring ab.

Nicht der Fuß, nicht der Fuß, nicht der Fuß, betete sie vor sich hin und ruderte wie wild mit den Armen. Im nächsten Augenblick landete sie, mit einem Arm um ihre Mitte, unsanft auf einem Schoß. Auf dem Schoß des grummelnden Hinterwäldlers.

Das »Umpf« kam von ihnen beiden zugleich.

Ihr grummelnder Retter schob sich das Cap aus den Augen, das ihm Ailis bei ihrem Fall anscheinend ins Gesicht geschlagen hatte.

»Ma’am?«

Und Ailis lachte. Tiefblaue Augen musterten sie unter skeptisch zusammengezogenen Augenbrauen.

»Ist ›Ma’am‹ alles, was du heute sagen wirst?«

Als Antwort hatte der ›Ma’am‹-Sager nur ein Schulterzucken parat. Und ein Grinsen.

Holy Shit. Dieses Grinsen drang sofort bis in Ailis’ Magengrube. Die Grübchen in den Wangen des wortkargen Cowboystiefelträgers waren sicher metertief. Selbst durch die Stoppeln an den Wangen konnte sie auf der einen Seite drei Fältchen und auf der anderen zwei weitere erkennen, die die Grübchen einrahmten. Völlig entgeistert sah sie ihrem Zeigefinger zu, wie er in Richtung des Kerls wanderte und sich in diese niedliche Wangenhöhle graben wollte. Schnell zog sie ihre Hand zurück.

Das Grinsen des Grübchentyps verwandelte sich in eine fragende Mimik. Er fuhr sich mit den Fingerspitzen über die Wange. »Hab ich da was?«

Ailis’ Mund verzog sich zu einem Lächeln. Er hatte also doch einen größeren Wortschatz. Bevor sie auf eine schlagfertige Antwort kam, hörte sie eine Stimme von der Bar aus: »Hey, was wollt ihr bestellen?«

Jetzt? Jetzt, wo sie kaum von der Theke zu sehen war und in den Armen dieses Cowboys unterging, kam die Bedienung? Dieser bestellte bereits. »Zwei Bourbon.«

Panisch, dass sich der Kellner wieder verkrümeln würde, bevor sie ihre Getränke in Auftrag geben konnte, strampelte sie sich hoch – offensichtlich nicht sonderlich elegant, denn sie stieß dem Kerl das Cap fast vom Kopf. Mit einem Arm hielt er sie, mit dem anderen schob er sich hektisch die Mütze wieder vor die Augen.

Grundgütiger. Hatte heute jemand keine Zeit gehabt, sich zu stylen?

Bei dem Gedanken fielen ihre eigenen Haare wild in Ailis’ Gesicht. Argh. Sie sah wahrscheinlich aus wie ein wildgewordenes Tier, wie sie hier rumzappelte. Als sie endlich eine aufrechte Sitzposition annahm, rutschte sie von dem Schoß, in dem sie so unelegant gelandet war und drehte sich sofort zur Theke. »Und ich bekomme einen Long Island Iced Tea, eine Pink Lemonade und zwei IPA, die du empfehlen kannst.«

Der Kellner verschwand mit einem bestätigenden Finger in Ailis’ Richtung.

Zufrieden atmete sie aus.

»Alles für dich? Was hast du denn heute noch vor?« Die Frage wurde begleitet von einem Zucken der Lippen des Kerls.

»Du kannst ja doch reden.« Sie konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.

»Ich hab nie was anderes behauptet.«

Und da waren die Grübchen wieder.

»Vielen Dank, dass du mich aufgefangen hast.«

»Immer wieder gerne.«

Wie ein Wirbelwind kam der Kellner angeschossen und knallte zwei Shotgläser vor sie. Den gereichten Schein schnappte er sich und ging damit zur Kasse.

Der Cap-Träger deutete mit seinem Kinn auf die zwei Gläser vor ihnen. »Was sagst du dazu, wenn du einen mit mir trinkst?«

Ailis schüttelte den Kopf. »Ich muss zu meinen Leuten zurück.«

Das Cap auf dem Kopf vor ihr nickte. Sie konnte seine Augen so gar nicht erkennen. Hauptsächlich schauten der Mund und die Grübchen daraus hervor. »Sicher?«, formten die Lippen die Worte. Der mittlerweile offenere Gesichtsausdruck schien sie aufzufordern, sich ihre Ablehnung zu überlegen.

Eigentlich war sie sich schon sicher. Obwohl ein Getränk wirklich nicht viel Zeit in Anspruch nahm. Dennoch war sie mit ihren Freunden hier, um den Abschluss der Saison zu feiern. Und das sagte sie ihm schließlich auch.

Der Kerl winkte sie näher zu sich. »Du könntest ja mal schauen, ob sie dich wirklich brauchen und dann nochmal entscheiden.«

Erneut stieg Ailis auf den Metallring am Stuhl. Statt sich auf der Theke abzustützen, hielt sie sich diesmal an der Schulter von Grübchen fest, der ihr die Hände um die Hüften legte. Hm … Solange sie nicht wanderten, wäre das wohl in Ordnung. Ihr Blick flog über die Bar.

Kayla steckte in einer Gruppe von Leuten, deren Gesichter Ailis bekannt vorkamen. Antony war nicht zu sehen. Zumindest nicht in Gänze. Sein rotes Haar und eine helle Wange leuchteten über die ganze Tanzfläche hinweg. In seinen feurigen Strähnen hatte sich eine dunkle Hand vergraben. Anscheinend hatten sich die beiden an ihren Mündern verhakt. Sie hingen aneinander, als wären sie der Sauerstoffspender für den jeweils anderen. Oh, well. Antony brauchte sie definitiv nicht.

Ein Getränk war so gut wie kein Getränk.

Sie kletterte vom Hocker, schnappte sich ein Glas und hob es. »Also los. Ein Getränk!«

 

Eine Stunde später saß Ailis auf Lewis’ Schoß und strich ihm die Tropfen seines Getränks vom Kinn. Lewis war so ein schöner Name. Und er passte zu seinem Träger.

»Du darfst mich nicht zum Lachen bringen«, beschwerte er sich. »sonst verschütte ich noch mein ganzes Glas.« Beide lachten.

Sie hatten die für Antony vorgesehenen Getränke und Shots untereinander aufgeteilt. Schnell waren sie sich einig gewesen, die Anwesenheit der Bedienungen jedes Mal nutzen zu müssen, in Sorge, dass es die letzte Gelegenheit war, etwas bestellen zu können. Nach etwa einer Stunde war klar, der Strom an alkoholischen Getränken riss nicht ab. Scheinbar war es eine Ausnahme gewesen, als Ailis ihre erste Bestellung vergeblich versucht hatte, aufzugeben.

»Ich brauch ein Wasser!« Mittlerweile konnte sie ihr Gähnen nicht mehr unterdrücken. Nicht nur ihre Beine waren schwer. Ihre Bewegungen waren verlangsamt. »Ich bin das Trinken überhaupt nicht gewohnt!«

»Nein?«, wollte Lewis wissen. »Lebst du sonst abstinent?«

»Ganz und gar nicht, aber ich muss während der Saison fit bleiben. Strenge Diät, und so ein Quatsch wie Alkohol ist es echt nicht wert, damit zu spielen.«

»Stimmt. Ich hatte es vergessen. Du bist eine Tänzerin.«

»Ja. Das hab ich doch erzählt.«

Erneut lachten beide, als wäre es das Witzigste, was sie je gehört hätten.

»Ein bisschen wird schon nicht schaden«, meinte Lewis. Sein Blick blieb einen Moment länger als sozial üblich an ihr hängen und Ailis versank in diesen blauen Augen, bis Lewis seinen Kopf abrupt senkte. Langsam schob er ein weiteres Shotglas über die Theke in ihre Richtung.

»Heute ist alles egal. Und ich muss eh nachdenken …« Während sie noch redete, ergriff sie das Glas.

»Und dabei hilft Alkohol!« Seine Worte waren bestimmt.

»Genau!«, schrie Ailis auf. »Du verstehst mich!« Sie fiel ihm um den Hals, was von ihrer Position aus nicht kompliziert war.

Lewis hob sein Glas. »Ich denke auch noch ein bisschen nach heute.«

»Was könnte denn einen Sänger« Sie zog das Wort lang auseinander. »belasten?«

»Ich bin Sänger!«, protestierte Lewis sofort.

»Ja, ja, is ja gut.« Langsam fing sie zu lallen an. Wieso war die Bedienung jetzt, da sie Wasser brauchte, wieder verschwunden?

»Ich bin Sänger mit Leib und Seele, aber manchmal …«

»Manchmal fragt man sich, ob das alles war?«, bot Ailis an.

Voller Begeisterung in Stimme und Mimik richtete sich Lewis auf. »Genau! Ich habe seit ich denken kann, immer alles getan, um auf der Bühne zu stehen. Aber nach all den Jahren …«

»… fragt man sich, ob das alles war. Der Applaus ist wie ein Lebenselixier und ich weiß, wie privilegiert ich bin, nicht nur irgendeine Arbeit zu haben, sondern: ich bin meine Arbeit«, beendete Ailis seinen Gedanken.

Lewis strich mit seinem Daumen sanft über ihr Kinn und führte ihren Kopf leicht zu sich. »Genau. Du bist der einzige Mensch, der mich versteht. Früher war die Bühne mein Leben. Es gab nichts und niemanden, der wichtiger war als die Show. Mittlerweile ist das Bühnenleben nicht mehr alles, sondern nur noch ein wichtiger Teil von mir. Und manchmal frag ich mich, ob es nicht etwas gibt, was wichtiger sein könnte. Oder sollte. Oder … ich weiß nicht.« Er wich von ihr zurück und fuhr sich über sein Gesicht. »Ich fühle mich so undankbar, wenn ich das sage. So viele Menschen wären gerne in meiner Position. Jeder würde sich die Finger nach meinen Plattenverträgen ablecken und ich jammere rum, dass es das alles nicht wert ist.« Lewis schüttelte mit zusammengepressten Lippen den Kopf, so als würde er sich selbst tadeln.

Ailis ergriff seine Hand. »Ich weiß genau, was du meinst. Als Ballerina tanzt du, bis du nicht mehr kannst. Du hörst nicht einfach zwei, drei Jahre früher auf, weil irgendetwas anderes aufkommt. Einmal beendet ist die Karriere vorbei. Es gibt kein Zurück.« Sie schloss für einen winzigen Moment die Augen. »Aber manche Dinge kann man auch nur schwer verschieben und es gibt Gelegenheiten nur einmal im Leben. Ich trau mich meinen Kollegen gar nicht zu sagen, dass ich ernsthaft überlege, aufzuhören. Mit sicher noch drei Jahren, die möglich sind. Oder zwei. Falls mein Bruch vom letzten Jahr nicht mehr aufgeht. Aber irgendwie …« Ailis strich sich rastlos durchs Haar und sah zur Zimmerdecke der Bar, so als würde sie dort die richtigen Worte finden. Als sie zurück zu Lewis blickte, beobachtete er sie intensiv. Ermutigt davon fuhr sie fort.

»Als ich die Position in meiner Company ergattert hatte und von Deutschland hierhergezogen bin, dachte ich, dass es das ist. Dass sich dieses Gefühl von Richtigkeit wieder einstellt. Aber es war nur ein kurzes Glimmen. Ein Kick, alles erreicht zu haben, was ich mir erträumt hatte und dann war ich wieder so weit wie zuvor. Schon zufrieden, aber jede Verbeugung vor dem Publikum hat mich nicht mehr so erfüllt, wie sie es zuvor getan hat. Dennoch fühlt es sich falsch an. Es gibt so viele, die gezwungen sind, die Karriere zu beenden und ich … «

»Nein, nein alles was du sagst, fühle ich hier!« Lewis nahm ihre Hand und drückte sie auf seine Brust. »Wenn ich das aber irgendjemanden sage, heißt es, ich soll meine Starallüren ablegen.«

Wow. Das Gesangsbusiness ist wohl genauso hart wie das der Ballerinas, überlegte Ailis. Lewis oder irgendjemanden so abzuwürgen war einfach unverschämt. Obwohl sie sich vermutlich dasselbe anhören könnte, wenn sie denn mit jemandem darüber sprechen würde. Aber sie brütete lieber selbst vor sich hin, bis sie sicher war, was sie wollte.

»Ja. Genau das. Diese Leere, die vor ein paar Jahren noch mit einem Engagement komplett ausgefüllt werden konnte, die bleibt jetzt. Und das sind meine Gefühle, auch wenn diese niemand nachvollziehen kann.« Ailis atmete tief durch. Diese Gedanken waren so anstrengend. Schnell drehte sie sich zur Theke und hielt sich krampfhaft an allem, was ihre Finger greifen konnten, fest. Ihr Kopf schwirrte und alles drehte sich. Oder drehte sie sich? »Wow. Das war genug. Ich brauch Wasser.«

Lachend rief Lewis nach der Bedienung und in Sekundenschnelle schien das erwünschte Wasser aufzutauchen. Auch Lewis trank eine komplette Flasche leer und bestellte sofort zwei neue. Die Plastikfläschchen rollten kurz die Theke entlang, bevor sie von den Kellnern eingesammelt wurden.

Schlagartig fühlte sich Ailis besser.

»Jetzt geht’s mir besser«, stellte Lewis gleichermaßen fest und Ailis kicherte unkontrolliert.

»Genau das Gleiche hab ich mir auch grade gedacht!«

»Wir sind seelenverwandt, deshalb!« Lewis schaute so ernst drein, dass Ailis für einen Moment überlegte, ob er das ernst meinte.

Doch es folgte ein Grinsen, das diese unwiderstehlichen Grübchen zum Vorschein brachte, und sie konnte nicht mehr widerstehen.

Mit ihren Händen in seinem Nacken zog sie ihn zu sich und drückte ihren Mund auf die Grübchen. Ihre Zunge widersetzte sich ihrem Befehl, in ihrem Mund zu bleiben und leckte durch die kleine Vertiefung, die leider verschwand. Zurück blieb ein leicht salziger Geschmack und etwas Bitteres. Vielleicht Aftershave. Als sie erneut eine Kostprobe nehmen wollte, wurde sie leicht zurückgeschoben und Lewis sah sie ernst aus verkniffenen Augen an. Scheiße. Da hätte man fragen können, ob das genehm ist. Nun, die Erkenntnis kam zu spät.

Kapitel 2

Caden

 

Sein alkoholvernebeltes Gehirn ratterte. Er hatte gedacht in dieser Bar unerkannt zu bleiben.

Ah. Vielleicht hatte er das nicht wirklich gedacht. Aber die Kleine hatte eine wirklich unschuldige Show abgezogen, dass er ihr es fast abgenommen hätte.

Er hatte vor sich hingeplappert wie nie. Aber sie verstand ihn so gut. Als könnte sie in seinen Kopf sehen. Caden konnte sich diesem Sog nicht entziehen. Diese Sehnsucht, auf dieser Ebene verstanden zu werden, gab ihm ein High. So sehr, dass er sich fast vergessen hätte.

Aber natürlich hatte sie die nächste Gelegenheit genutzt, ein Stückchen Caden Walker zu naschen. Naja. Was sollte es. Er wollte nur sichergehen, dass sie beide nüchtern genug waren, das Unausweichliche durchzuziehen. Obwohl.

Sie sah ertappt aus. Wie Wild, das im Scheinwerferlicht seines Trucks gefangen war und sich nicht davon lösen konnte.

Unter all den Groupies, die ihm in seinem Leben begegnet waren, gehörte sie in die harmlose Kategorie. Da war er sich fast sicher. Er strich ihr die wilden schwarzen Locken aus dem Gesicht und ihre Spitznase kam wieder zum Vorschein. Ihre dunklen Augen schienen ihn zu fragen, ob sie einen Schritt zu weit gegangen war.

Aber faktisch hatte er die Initiative ergriffen und sie ja davon abgehalten, zu ihren Freunden zurückzugehen. Seine Grübelei an der Bar führte zu nichts, das war ihm klar gewesen, als dieses energetische Muskelpaket in seine Arme gefallen war.

Eigentlich hatte er sich vorgenommen, Fans nicht mehr zu vögeln. Genau wie die Auftritte und die Millionendeals waren diese zwar in dem Moment nett. Am nächsten Morgen hinterließen sie aber denselben schalen Beigeschmack. Heute würde er jedoch seine Regel vergessen und eine Ausnahme machen. »Willst du noch was trinken?«

Sie nickte und drehte sich zur Theke, um zu bestellen.

Der Kellner sagte anscheinend etwas unglaublich Komisches, da Ailis lachend über der Theke hing. Ihre Art zog Caden an. Sie war erfrischend. Und sie lachte vor der Bedienung so wie vor ihm. Oder vor ihren Freunden, die sich mittlerweile verabschiedet hatten, um weiterzuziehen. Sie gönnte jedem dieses offene Strahlen. Irgendwie fühlte er sich mit dieser Erkenntnis besser. Ein bisschen besonders. So als hätte sie ihn in ihren Kreis gelassen. Nicht in den ›Ich geh mit einem Star ins Bett‹–Kreis. Nein, sie war harmlos.

Sie blieben bei Wasser und er leerte die letzte Flasche, die noch vor ihm stand.

Sie drehte sich wieder zu ihm um und fuhr mit ihrer Hand über seine Wange. Mit eingesogener Lippe zog sie ihre Finger zurück und warf ihm einen fragenden Blick zu. »Ich hoffe das war okay?«

Caden zog sie etwas näher an sich und beugte sich zu ihrem Ohr. »Völlig.« Er sog ihr Ohrläppchen zwischen seine Lippen und ließ seine Zähne darüber gleiten.

Sie schüttelte sich leicht und drückte sich an ihn. »Wenn du weiterreden willst, können wir in mein Zimmer gehen. Ich übernachte hier im Hotel.« Ihre Stimme war mittlerweile rauer. Sie jagte Caden ein Prickeln über den Rücken. Schnell fasste er sich wieder und antwortete betont locker.

»Das ist ja ein Zufall. Ich auch. Da haben wir wohl so oder so denselben Nachhauseweg.«

Sie sah ihn an, als würde sie noch einen Moment überlegen und nickte dann entschieden. Genauso energisch kippte sie die Reste ihres Drinks hinunter und knallte das Glas auf die Theke. »Ah.« Höchst zufrieden grinste sie ihn an. »Dann los.«

Sie rutschte – hoffentlich nicht zum letzten Male an diesem Abend - von seinem Schoß und landete auf wackligen Beinen. Lachend stand er auf und hielt sich überrascht an ihr fest. Seine Beine waren nicht viel stabiler. Das war es wohl, was ein Abend voller Alkohol mit einem machte. Neben ihm stand sein Bodyguard Bill auf, der sie zwar in dieser ganzen Zeit nicht aus den Augen gelassen, aber ebenso professionell ignoriert hatte.

Während sie beide zum Ausgang wackelten, folgte Bill ihnen. Auch wenn Caden ihn nicht sah, wusste er, dass er immer da war – in einer Stadt wie Seattle, die nach seinem Konzert voller Fans war. Er war seines Lebensstils überdrüssig, aber er war nicht lebensmüde. Vor allem war er hier nicht zu Hause, also war sein Bodyguard an seiner Seite.

Ailis ging durch die tanzende Menge voran. Um sie nicht zu verlieren, griff er nach ihrer Hand und hielt sich an ihr fest. Sie drehte sich kurz um, warf ihm einen fragenden Blick zu und ging dann unbeirrt weiter.

Als sie die Bar verließen, wurde es schlagartig leise. Anscheinend verwendete das Hotel hervorragende Dämmmaterialien. Flure, in denen der Hall ihrer Schritte von den Teppichen verschluckt wurde und der Geruch gefilterter Luft hüllten sie in typische Hotelatmosphäre. Schnell, aber sehr still gingen sie zu den Aufzügen. Ailis wollte dort stehenbleiben, doch Caden führte sie daran vorbei zum Privataufzug, der in seine Suite führte.

»Den hab ich noch gar nicht gesehen. Komisch«, bemerkte sie.

Bill stieg mit ihnen in den Aufzug und Ailis musterte ihn skeptisch. Caden drehte sie zu sich und ihr angespannter Gesichtsausdruck löste sich auf.

Als die Türen aufgingen, verließ Bill mit einem kurzen Kopfnicken, das nur Caden sehen konnte, den Aufzug und bog zu seinem Appartement auf demselben Stockwerk ab.

»Das war ja gruslig. Ist der uns von der Bar hierher gefolgt?«

Sie war wirklich ein naives Ding. Dass er mit seinem Bodyguard unterwegs war, schien sie gar nicht in Erwägung zu ziehen. Caden zuckte nur mit den Schultern. Er würde sich der Fantasie noch hingeben, solange Ailis mitspielte. Für eine Nacht waren sie nur eine Frau und ein Mann, die sich zueinander hingezogen fühlten. Ohne Hintergedanken, ohne Probleme, einfach nur sie beide. Es schadete nichts und niemanden.

Sobald sich die Tür hinter ihnen schloss, war sie auf ihm. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ihre Münder trafen sich. Sie klammerte ihre Beine um seine Hüften und hielt sich an seinem Nacken fest. Caden griff locker zu ihrem Po, während er sie in den größten Raum der Suite brachte. In der Mitte thronte das Bett mit all den Kissen, die wohl stilvoll wirken sollten. Das schummrige Licht an den Wänden sorgte genau für die richtige Stimmung – alles andere war Caden in dem Moment egal.

Bedacht, sie nicht unter sich zu begraben, ließ er sich mit ihr auf das Bett fallen und stützte sich mit den Unterarmen neben ihrem Kopf ab.

Sofort begann Ailis sich in den Laken zu räkeln. Er schien vergessen.

»Wow. Das fühlt sich fantastisch an. Ich dachte schon mein Bett ist himmlisch. Aber das hier … hm …«

»Willst du die Nacht hier verbringen? Wegen der Laken und so …«

Ailis öffnete die Augen und sah ihn schmunzelnd an. »Hier kriegst du mich nie wieder raus.«

Das würde sich am kommenden Morgen zeigen. Aber Caden verdrängte die alte Bitterkeit. Stattdessen würde er heute Nacht nehmen, was ihm angeboten wurde. Er war auch kaum mehr betrunken. Oder so.

Mit der vollen Breite seiner Zunge leckte er über Ailis’ Hals und sie begann sich wieder mit geschlossenen Augen zu räkeln. Erneut schlang sie ihre Beine um ihn, so dass er sich kaum bewegen konnte. So blieb ihm nichts anderes übrig, als seine offensichtliche Erektion in ihrem Schritt zu reiben.

Unter ihm stöhnte Ailis laut auf, als er seine Hüften ein weiteres Mal rollte. Er rieb sich erneut zwischen ihren Beinen, doch das half ihm nur kurz. Ailis nahm seinen Kopf in ihre Hände und Caden schmeckte sie endlich richtig. Der gierige Kuss von vorhin war mehr Zähne und Lippen gewesen als alles andere. Die Süße ihrer Cocktails fand sich immer noch auf ihrer Zunge. Caden fragte sich, wie sie sonst schmeckte. Ungeduldig unterbrach er den Kuss und zog sein Shirt über seinen Kopf. Dabei riss er sein Cap mit. Schwer atmend sah er auf sie hinab. Mit verhangenen Augen begegnete sie seinem Blick.

»Sollen wir weitergehen?«

Das Nicken war für Cadens Geschmack wenig überzeugend. Langsam schob er seine Hände unter den hauchdünnen, durchsichtigen Stoff ihres hautengen Shirts. »Ist das okay?«

Das gehauchte »Ja« war besser, aber noch nicht das, was er sich erhoffte. Zentimeter um Zentimeter schob er das Oberteil ihren flachen Bauch hoch.

Vorsichtig setzte er Küsse um ihren Nabel und das Shirt verschwand aus seinem Sichtfeld. Ihre Hände kamen zurück und fuhren in ihre ebenfalls hauteng anliegende Stoffhose. Caden ging in ihrer Bewegung mit, als sie ihre Hüften hob, um die Leggings auszuziehen. Er betrachtete das schimmernde Höschen, das zurückblieb. Seine Augen wanderten ihren Körper entlang über den BH in Ailis’ Gesicht. Ihre Zähne vergruben sich in ihre von den Küssen roten und geschwollenen Lippen.

Caden schluckte. Wenn es doch nur echt wäre. Er wusste, dass er sich selbst etwas vormachte, aber er wollte sich heute Nacht der Illusion hingeben, dass diese Frau, die ihn so gut verstand, dieses verführerische Wesen, nur für ihn da war. Nicht für sein Geld, seine Bekanntheit, nicht für Caden L. Walker, sondern nur für Caden Lewis Walker aus Lentown, Arizona.

Und dann glitten ihre Finger hinter die Stoffbarriere zwischen ihren Beine.

»Moment.« Er rutschte weiter zum Rand des Bettes und Ailis setzte sich mit von Unsicherheit gezeichneten Augen auf.

So sehr er sie liebte. Diese verdammten Cowboystiefel waren gerade nur ein Hindernis. Schnell zog er die Stiefel aus und streifte die Jeans ab. Als er zu Ailis zurücksah, begrüßte ihn ein schelmisches Grinsen.

»Aber wenn ich doch schon mal die Gelegenheit habe, einen Cowboy zu reiten, sollte ich das doch richtig machen, oder?« Sie schenkte seinen Stiefeln einen kurzen Blick und legte den Kopf schief.

»Das heißt?«, gab er grinsend zurück.

»Die Stiefel, so was sehe ich nicht jeden Tag, die solltest du anbehalten.«

Er hob eine Augenbraue und kroch ohne seine Schuhe auf sie zu. »Aber wenn du mich reiten willst, solltest du sie dann nicht anziehen?«

Ailis schürzte die Lippen und reckte den Hals, so als würde sie an ihm vorbei auf seine auf dem Boden liegende Kleidung blicken. »Ah, danke. Ich denke, ich verzichte.«

Als er wieder zwischen ihre Beine krabbelte, ließ sie diese noch weiter auseinanderfallen. Sie verhakte ihre Finger im Bund seiner Boxershorts und zog sie über seinen Hintern.

Caden konnte bereits freier atmen. Mit seiner nächsten Bewegung schob er seine Unterwäsche komplett herunter.

Als er sich auf sie hinabsenkte, klammerte sie sich an ihn und drehte sie beide, sodass sie nun oben war. »Aber geritten wird heute noch.«

Sie streckte ihren Oberkörper und kniete sich zwischen seine Beine. Caden genoss die Show. Mit einer Hand am Rücken öffnete sie ihren BH und strich die Träger von ihren Schultern. Caden ließ seine Augen fest auf ihr Gesicht gerichtet. Erst als sie ihren Busen in die Hand nahm, konnte er nicht mehr standhalten und senkte seinen Blick auf zwei kleine, feste Brüste. Die kieselsteinartig zusammengezogenen Brustwarzen rieb sie zwischen ihren Fingerspitzen. Cadens Schwanz zuckte merklich und Ailis beobachtete ihn mit einem amüsierten Funkeln in den Augen. Mit seinen Händen an ihren Hüften zog Caden sie näher zu sich. Wie von selbst wanderten seine Finger weiter nach unten zu ihrer Vulva. Sachte strich Caden über den Minifetzen Stoff. Als er die Feuchtigkeit an seinen Fingern spürte, sog er scharf die Luft ein und schloss für einen Moment seine Augen. Unter seinen Fingerspitzen ertastete er einen winzigen Hauch von fein getrimmten Schamhaar. Zwischen ihren Schamlippen Wärme und noch mehr Nässe. Mit geschlossenen Augen prasselten die unterschiedlichen Eindrücke noch stärker auf ihn ein.

Ailis’ Stöhnen holte ihn zurück und er blickte in ihre Augen. Ihre Hände lagen mittlerweile auf ihren Oberschenkeln, so als wäre sie nicht sicher, was sie damit tun sollte. Caden hob sie erneut an ihren Hüften hoch und hastig zog sie den letzten Rest Stoff von sich. Schnell war sie wieder bei ihm und Caden biss sich auf die Lippe, um nicht laut aufzustöhnen, als sich ihre Hände um seinen Ständer schlossen. Zart und fast neckend strich sie über ihn. Seine Eier zogen sich zusammen. Shit.

So als hätte sie sein Dilemma erahnt, verschwanden Ailis’ Hände und mit ihr die ganze Frau. Splitterfasernackt stieg sie aus dem Bett und ging zu dem Täschchen, das sie an der Tür hatte fallen lassen. Völlig ungehemmt kam sie mit einem Lächeln auf den Lippen zu ihm zurück. Aus dem Minibeutel zog sie ein Kondom, das sie zwischen ihren Fingern hin- und herdrehte, während ihre Zunge ihre Unterlippe entlangfuhr. Nahezu lautlos landete der Beutel wieder auf dem Boden und Ailis kam zu ihm zurück. Ihr war anzusehen, dass sie tanzte. Das harte Training zeigte sich in jeder Faser. Mit jeder Bewegung arbeiteten die Muskeln unter ihrer zarten Haut. Cadens Finger zuckten. Er wollte diese Weichheit und Power wieder unter seinen Händen spüren. Sie an sich ziehen. Obwohl sie weder groß noch mächtig wirkte, war sie nicht zerbrechlich. Ganz im Gegenteil. Sie strahlte mit jedem Wort, jedem Schritt eine Kraft aus, die fast hypnotisch war. Eine Stärke, die er sich wünschte, nicht nur heute bei sich im Bett, sondern … Schwachsinn.

Elegant stieg sie auf die Matratze und sah mit einem intensiven Blick zu ihm hinab. Ihre dunklen Locken hingen ihr ins Gesicht. Caden nahm ihr das Päckchen aus der Hand und fühlte es zwischen seinen Fingern. Keine Einstiche. Es fühlte sich völlig unversehrt an. Es war sicher in Ordnung. Caden wollte nicht weiter darüber nachdenken. Er wollte in diesem Moment bleiben. Er hatte das Recht, auch mal abzuschalten. Er öffnete die Packung und Ailis zog das Kondom aus der Folie.

Sie ließ sich zwischen seine Beine sinken und nahm seine Erektion fest in ihre Hand.

Caden zuckte leicht zusammen. Die weiche Hand und die feste Berührung. Butterweich und doch so sicher. Es sollte sich widersprüchlich anfühlen, doch es war perfekt. Unbeholfen stieß er in diese Wohltat hinein. Und Ailis zog ihre Hand zurück. Fast hätte er aufgejammert. Doch sie ließ keinen Zweifel daran, was sie weiter vorhatte. So als würden ihre Finger einen Tanz auf ihm vollführen, streifte sie ihm das Kondom über und schlang ein Bein um seine Hüften.

Mit einem amüsierten Augenaufschlag sah sie ihn an. »Also Cowboy. Jetzt zeig diesem Citygirl mal, wie man das bei dir daheim macht.«

Ein Lachen drang aus Caden. »Komm her, du freches Stadtmädchen.«

Der fröhliche Klang ihres Lachens mischte sich mit seinem eigenen. Als sie anfing, Cadens verpackten Schwanz mit einer leichten Auf- und Abbewegung ihres Beckens mit ihrer Mitte zu streichen, verstummten die amüsierten Laute. Ersetzt wurden sie mit einer konzentrierten Spannung und als sein Penis durch Ailis´ äußere Schamlippen glitt, ließ Caden seine Hände auf das Bett neben sich sinken, um sich darin festzuhalten. Der Anblick allein reichte ihm, alles um sich herum zu vergessen. Die sanfte Berührung machte ihn schier wahnsinnig. Er wollte sie nie enden lassen und gleichzeitig mehr. Mehr.

Vorsichtig streckte er die Hände nach ihren Oberschenkeln aus. Unter seinen Fingern spürte er wie die Muskeln arbeiteten.

»Komm her!«

So als hätte sie nur auf die Aufforderung gewartet, rutschte Ailis näher an ihn heran und hob ihr Becken über seiner Erektion. Ihre Hände berührten sich, als sie beide seinen Penis hielten, während Ailis sich langsam auf ihn sinken ließ.

Caden schloss die Augen und gab sich dem Gefühl dieser warmen Enge hin. Erst nahm sie seine Spitze auf und als sie beide seinen Schaft endlich losließen, hüllte ihn nur noch samtige Leidenschaft ein.

Einen Moment schien Ailis innezuhalten, so als gäbe sie ihnen beiden Zeit, in dieser neuen Situation anzukommen. Einfach das Hier und Jetzt zu genießen.

Und Caden war dankbar. Dankbar, dass sie die Führung übernahm, dass er genießen konnte. Dankbar, dass er sie beobachten konnte, wie sie sich mit jeder Bewegung, mit jedem Heben und Senken und jedem Reiben, in den Mittelpunkt stellte. Ihre Lust und Passion umgab sie wie ein Schleier und riss ihn mit. Wie eine Frau gewordene Welle wogte sie über ihm — auf ihm. Mit jedem Rollen ihrer Hüften zog sie Caden näher zu sich, bis er schließlich ganz bei ihr war. Nicht nur mit ihr verbunden, auch sein Bewusstsein war ganz auf sie gerichtet. Und jedes Mal, wenn sich ihr Körper wieder nach hinten bog, wie eine Feder, wollte Caden sie zu sich holen und kam ihr entgegen. Er griff nach ihr, stieß in sie, versuchte sie an sich zu ziehen, doch die eigene Ekstase, die sich mit jedem Schub ihres Beckens auflud, wurde übermächtig.

Er wollte diese Einheit aufrechterhalten, doch das Bedürfnis, sich mit ihr gemeinsam über die Klippe zu treiben, war größer. Seine Finger gruben sich in ihre Muskeln.

Laut stöhnend gab sie nach und presste sich an ihn, während Caden unter größter Anspannung in sie stieß, sich in sie drängte, sich mit jedem Schub vehementer in ihr versenkte. Immer mehr kam sie ihm entgegen, um sich schließlich mit beiden Händen auf seinem Oberkörper aufzustützen. Die Finger fest verankert ritt sie ihn immer schneller. Ihr Atem strich über seine Brust, wie ein Windhauch, der ihm den Rest gab. Gleichzeitig warf sie laut stöhnend schließlich ihren Kopf in den Nacken. Das Letzte was Caden sah, war Ailis’ Hals, der sich ihm entgegenreckte. Sein Orgasmus brach über ihn herein. Die Augen geschlossen, nahm er alle Eindrücke von Ailis dorthin mit, wo sich das Prickeln in seinem Körper in einem Feuerwerk entlud und jedes Eckchen von ihm ausfüllte und erreichte.

Über ihn entspannte sich der samtige und sehnige Körper von Ailis und ihre Strähnen kitzelten ihn im Gesicht.

Amüsiert strich er sie sich von der Nase.

»Mhm, und das alles ohne die Stiefel.«

Beide lachten und die Vibration ihrer Körper drangen bis zu der Stelle, an der sie noch verbunden waren. Vorsichtig zog er sein noch hartes Glied aus ihr. Ailis erhob sich leicht und rutschte von ihm.

Seufzend kuschelte sie sich an Cadens Hals. Als dieser die Hände wieder frei hatte, das Kondom mittlerweile neben dem Bett, strich er über ihren Rücken.

»Einfach mal etwas für mich tun. Ohne dafür bewertet zu werden. Ist auch schön.« Seufzend entspannte sich Ailis unter seinen Fingern.

»Oh, wenn du willst, kann ich dir Noten geben. Fünf von Fünf.« Caden konnte sich den Kommentar nicht verkneifen.

Lachend schlug sie ihn locker gegen seine Brust. »Gute Antwort.«

Caden wusste nicht, wie lange sie schon so dort lagen, als Ailis sich schließlich regte. »Du, es tut mir echt leid.«

Okay? »Was?«

»Ich hab schrecklichen Hunger.«

Erleichtert atmete Caden schwer aus. Ihr kleines Abenteuer musste noch nicht vorbei sein. »Dafür ist der Zimmerservice da.«

Zwanzig Minuten später saßen sie mit Sandwiches im Bett und redeten. Über die Bühne, das Hinter der Bühne, das Davor und das, was fehlte. Über Wünsche und Sehnsüchte, die sie schon immer hatten, die sich in den letzten Jahren plötzlich gezeigt hatten. Ailis fütterte ihn mit ihren Resten und Caden holte ihr mehr Wasser aus der Minibar.

Es wurde später und später. Und gerade, als er dachte, ihr Gespräch versiegte, erzählte Ailis von ihrer Familie, die sie so selten sah. Und er redete über seine eigene. Etwas, das er nie tat. Aber hier, in seiner Blase mit dieser unglaublichen Frau, fühlte er sich sicher. Geborgen. In dem Moment war er nur Lewis, so wie er als Kind von seiner Großmutter, die längst tot war, genannt worden war. Ein Name, der so lange vergessen war, wie das, was ihm mal wichtig gewesen war.

Caden erinnerte sich nicht daran, je ein angenehmeres Gespräch geführt zu haben. Er fühlte so etwas wie Verbundenheit. Ein perfekter Abschluss eines Abends, der so frustrierend begonnen hatte.

Ailis lehnte sich mit einem sehr nüchternen Gesichtsausdruck zurück und verschränkte ihre Finger. »Also, Lewis.«

Leicht irritiert sah er sie an. Was war jetzt los?

Scheinbar zufrieden, dass sie seine volle Aufmerksamkeit hatte, fuhr sie fort. »Ich habe da ein ganz seltsames Ziehen zwischen den Beinen.«

Sie sah ihn intensiv sah und hob leicht die Augenbrauen. Im ersten Moment verstand er nicht, was sie meinte. Als sie mit einem frechen Grinsen den Kopf leicht schräg legte, lachte Caden auf. Dieses Lachen verging ihm und verwandelte sich in ein Stöhnen. Der Sex, der folgte, war so sinnlich und intensiv, dass er alles um sich herum vergaß. Und Ailis war mehr als nur eine einmalige Gelegenheit. Zusammen waren sie richtig.

Kapitel 3

Ailis

 

Das Erste, was Ailis wahrnahm, war dieses kuschlige Bett. Die Kissen waren weicher als alles, worauf sie je gelegen hatte. Mit geschlossenen Augen ließ sie ihre Finger über die Laken fahren. Himmlisch. Die Decke raschelte leise. Noch bevor sie ihn fühlte, roch sie ihn. Die Alkoholwolke, die sie beide umgab, konnte Ailis nicht nur Lewis zuschreiben, dafür war sie in gleichem Maße verantwortlich. Durch diese vorabendlichen Gerüche drang noch etwas anderes. Etwas, das sie unter dem Aftershave, unter dem Duft, den er nutzte, schmecken, riechen konnte. Ein Parfüm, etwas Holziges, Feines. Etwas Neues und doch so seltsam Vertrautes. Die so sanften Hände mit den rauen Fingerspitzen strichen über ihren Rücken und wie jedes Mal, wenn er sie in der vergangenen Nacht angefasst hatte, wand sie sich wie eine Katze unter der Berührung. Sie wurde mit Küssen in ihren Nacken belohnt und kam sich vor, als würde sie sich im Glanze dieser Liebkosung wälzen. Ein Weihnachtsmorgen, wie sie ihn sich wünschte.

»Guten Morgen.« Seine vom Schlaf kratzige Stimme krabbelte über ihre Schulter. Gleichzeitig presste sich seine Morgenlatte zwischen ihre Pobacken.

Ailis schlängelte sich näher an ihn und die kleinen Krümel ihres mitternächtlichen Snacks piksten in ihre Seite. Dieses Gefühl erinnerte sie sofort wieder an die vergangene Nacht.

---ENDE DER LESEPROBE---