Planetenroman 55 + 56: Ins Weltall entführt / Tunnel in die Unendlichkeit - William Voltz - E-Book

Planetenroman 55 + 56: Ins Weltall entführt / Tunnel in die Unendlichkeit E-Book

William Voltz

0,0

Beschreibung

Oberstleutnant Nome Tschato, genannt der "Löwe", ist einer der Helden des frühen Solaren Imperiums. Als Kommandant des Schlachtkreuzers LION wird er häufig an den Brennpunkten des galaktischen Geschehens eingesetzt. Im Jahr 2341 werden Kinder der Erde ins Weltall verschleppt. Dort sollen sie Außerirdischen als Sklaven dienen. Tschato erhält von Perry Rhodan den Auftrag, die Spur der kosmischen Kidnapper zu verfolgen ... Ein Jahr später wird der Frachter GOVERNOR zwischen den Dimensionen festgehalten. Fremde aus dem Hyperraum haben einen Tunnel errichtet, aus dem es kein Entkommen gibt. Alle Hoffnungen ruhen auf Nome Tschato ... Es handelt sich um zwei Romane des beliebten Autors William Voltz, der die PERRY RHODAN-Serie geprägt hat wie kaum ein anderer. Nome Tschato steht für großes kosmisches Abenteuer.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 417

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Band 55/56

Ins Weltall entführt

Tunnel in die Unendlichkeit

William Voltz

Der Löwe ist wieder da

Oberstleutnant Nome Tschato, genannt der »Löwe«, ist einer der Helden des frühen Solaren Imperiums. Als Kommandant des Schlachtkreuzers LION wird er häufig an den Brennpunkten des galaktischen Geschehens eingesetzt.

Im Jahr 2341 werden Kinder der Erde ins Weltall verschleppt. Dort sollen sie Außerirdischen als Sklaven dienen. Tschato erhält von Perry Rhodan den Auftrag, die Spur der kosmischen Kidnapper zu verfolgen ...

Ein Jahr später wird der Frachter GOVERNOR zwischen den Dimensionen festgehalten. Fremde aus dem Hyperraum haben einen Tunnel errichtet, aus dem es kein Entkommen gibt. Alle Hoffnungen ruhen auf Nome Tschato ...

Inhaltsverzeichnis

Erstes Buch

Ins Weltall entführt

Zweites Buch

Ins Weltall entführt

Das Offizierskorps – das Herz des Solaren Imperiums

Wer sagt, dass der Aufbau und die Existenz des Solaren Imperiums bis zu seiner Auflösung durch die Laren im Jahre 3457 n. Chr. allein den Aktivatorträgern zu verdanken ist, macht es sich zu einfach. Sicherlich: Die Unsterblichkeit ermöglicht es diesen Menschen, langfristige Pläne zu erstellen und deren Umsetzung selbst zu überwachen. Dies verringert mögliche Fehlerquellen, denen die frühen Gegner der Menschheit ausgesetzt waren.

Aber jeder Plan ist nur so gut wie die Personen, die ihn ausführen – und die Unsterblichen stellten früh fest, dass sie nicht überall sein konnten. Dies wird besonders deutlich nach dem Ende der Zellduschen im Jahre 2326, als nur noch 25 Zellaktivatoren zur Verfügung standen (von denen lediglich 19 überhaupt gefunden wurden). Die Administration musste sich also genau überlegen, ob sie die »auslaufende« Unsterblichkeit eines hochrangigen Flottenoffiziers oder eines Sonderoffiziers des Mutantenkorps »retten« wollte.

Vornehmlich entschied man sich für die Mutanten. Der Aderlass in der Führungsebene der Flotte (an prominentester Stelle seien die Namen Deringhouse, Freyt und Nyssen genannt) führte kurzfristig zu einem erheblichen Rückgang der taktischen und strategischen Schlagkraft der Solaren Flotte.

Es dauerte nicht ganz zwei Jahre, bis die Ausbildung der Führungsoffiziere derart umgestellt worden war, dass man grundlegend auf die Expertise von Offizieren, deren Lebensspanne die eines »normalen« Menschen übertraf, verzichten konnte. An ihre Stelle traten rundum ausgebildete und qualifizierte Spitzenkönner, die allesamt auf die gleichen Prinzipien eingeschworen waren und einander jederzeit vertreten oder ablösen konnten. Dies musste allerdings mit einer Verlängerung der Ausbildungszeit für Stabsoffiziere (vom Schlachtkreuzer-Kommandanten aufwärts) um drei Jahre erkauft werden. Die mittels moderner Ara-Medizin steigende Lebensdauer tat ein Übriges.

Das Endergebnis war eine Garde »fast-zellgeduschter Eliteoffiziere«, die mit weitaus größerer Eigenständigkeit operierten, als dies zuvor der Fall gewesen war. Dieser frühen Offiziersriege entsprang eine Reihe von bekannten Namen, die sich schnell einen guten Ruf erarbeiteten und als Legenden in die imperiale Geschichtsschreibung eingegangen sind.

Einer der frühen »Prototypen« dieser Art von Offizier war Oberstleutnant Nome Tschato, über Jahrzehnte hinweg Kommandant des Schlachtkreuzers LION in seinen verschiedenen Inkarnationen. Es soll übrigens sechs verschiedene Versionen dieses Schiffes gegeben haben, die erstaunlicherweise nie durchnummeriert wurden, was in der Praxis der Solaren Flotte untypisch ist.

Tschato ist zudem ein gutes Beispiel, dass das Ausbildungssystem für Flottenoffiziere bereits deutlich vor dem Wegfall der zellgeduschten Führungsoffiziere sehr gut funktioniert hatte. Er erhielt sein Offizierspatent im Jahre 2316 und wurde 2322 zum Kommandanten der LION befördert. Die Zahl der talentierten Offiziere, die ihm folgten, ist Legion. Es kann als gesichert gelten, dass Tschato trotz all seiner Eigenmächtigkeiten als Modell für die neue Ausbildung galt.

Der Junge war mager und viel zu klein für sein Alter. Er lag zusammengekauert im Bett. Eine Hand hielt er am Mund, sodass der Daumennagel die Lippen berührte.

KOMM!, lockte die Ausstrahlung des Hypnoschiffchens. Der Junge zuckte im Schlaf zusammen. Sein Traum zerrann, ein Traum von Ritterburgen, Seeräubern, Drachen, Raumfahrern und Zwergen. Die Traumfiguren verwehten wie Nebel unter der strahlenden Morgensonne und machten den Impulsen des Schiffchens Platz.

KOMM! KOMM! KOMM! KOMM! KOMM!

Der magere Junge schlug die Augen auf.

Mondschein fiel durch das offene Fenster und verwandelte die lustigen Tapetenfiguren in Gespenster. Die Augen der Plastikpuppen auf dem Bücherregal glühten geheimnisvoll. Von draußen kam das Flirren der Blätter im Nachtwind, vermischte sich mit dem fernen Raunen der riesigen Stadt.

KOMM! KOMM! KOMM! KOMM! KOMM!

Der magere Junge schwang die Beine aus dem Bett.

Seine nackten Füße berührten den kalten Kunststoffbelag des Bodens. Er stand auf, eine kleine, nackte Gestalt, die einen langen Schatten warf, und huschte auf den warmen Teppich hinüber.

Das Hypnoschiffchen war unbemerkt durch das Netz der Ortungs- und Wachstationen geschlüpft, nicht allein, sondern innerhalb eines Schwarmes fünfundzwanzig winziger Schiffe.

Unbeweglich hing es vor dem Fenster. Sein Spürsinn hatte die Ausstrahlungen des schlafenden Jungen entdeckt. Leben!, hatte es registriert. Leben, das für die Hypnostrahlung empfänglich war.

KOMM!, flüsterte das Schiffchen. KOMM! KOMM! KOMM!

Der magere Junge schien einen seltsamen Tanz aufzuführen, als er hastig in seine Kleider schlüpfte. Er war fertig. Er trat an das offene Fenster. Er blickte hinaus. Er erschauerte vor der Kühle der Nacht.

Das Schiffchen schwebte drei Meter vor ihm, ein mattgraues, ovales Ding, das summte, flüsterte, lockte.

KOMM!, sang das Schiffchen. KOMM! KOMM! KOMM!

Träge sank es etwas tiefer, drehte sich um seine Achse und näherte sich dem Fenster.

KOMM! Lockende Verheißung unbekannter Ferne. KOMM! Schwere, unbegreifliche Süße. KOMM! Unwiderstehliche Verlockung.

Der Junge lehnte sich gegen die Fensterbank. Das Schiffchen zitterte und zog sich zurück.

KOMM!, wisperte es drängend. KOMM! KOMM! KOMM!

Der Junge kletterte auf die Fensterbank. Zwei Meter, zwei schreckliche Meter unter ihm lag der Garten. Der Boden war weich, aber der Junge fürchtete sich. Angst griff nach ihm, überwand einen Augenblick die hypnotische Lockung.

Das Schiffchen surrte. Mikroskopisch kleine Bullaugen schienen an seinen Wandungen aufzuflammen.

Brutal stieß die Hypnosendung nach.

KOMM! Fordernd jetzt und rücksichtslos. KOMM! KOMM! KOMM!

Er sprang – der kleine Junge. Er schlug schwer auf und musste sich mit den Händen abfangen. Der Geruch feuchter Erde stieg zu ihm hoch. Sein Körper streifte Pflanzen, die sich wie glitschige Gespensterhände anfühlten.

Der Junge rannte durch den Garten. Irgendwo schwebte das Schiffchen.

Das erste Kind war unterwegs.

1.

Solarmarschall Allan D. Mercant, Chef der Galaktischen Abwehr, an Perry Rhodan:

Es steht jetzt fest, dass die Kinder nicht von Verbrechern verschleppt wurden, Sir. Es ist sinnlos, länger auf eine Forderung nach Lösegeld zu warten. Ich schlage vor, dass wir sofort mit Ermittlungen beginnen, und erwarte Ihre Anweisungen.

Großadministrator Perry Rhodan an Allan D. Mercant:

Großangelegte Ermittlungen könnten die Sicherheit der Kinder gefährden. Deshalb werde ich veranlassen, dass sich zunächst nur eine kleine Gruppe von Männern um diese Angelegenheit kümmert. Da der Sohn des Captains Walt Heintman ebenfalls zu den verschwundenen Kindern gehört, werde ich Oberstleutnant Nome Tschato und seine Mannschaft mit der Aufklärung des Falles beauftragen.

Mercant an Rhodan:

Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass außerirdische Intelligenzen in diesen Fall verwickelt sind. Halten Sie es unter diesen Umständen für richtig, Nome Tschato einzusetzen? Ich muss Sie daran erinnern, dass weder der Oberstleutnant noch seine Männer Erfahrung auf einem solchen Gebiet haben.

Rhodan an Mercant:

Die Tatsache, dass ein Offizier von Tschatos Besatzung in diese Sache verwickelt ist, wird die Männer der LION beflügeln. Wir wollen Tschato zwanzig Tage Zeit geben, bevor wir eingreifen. Sollten zuvor noch weitere Kinder verschwinden, wird die Abwehr sofort eingeschaltet.

Mercant an Rhodan:

Gut, Sir. Wir werden warten.

Teil eines Funkgesprächs zwischen Perry Rhodan und Allan D. Mercant am 3.7.2341

Dan Picot, der Erste Offizier des Schlachtkreuzers LION, betrat den hinteren Flügel des Verwaltungsgebäudes. Hier, so wusste er, würde er alle gewünschten Auskünfte erhalten. Er bewegte sich mit weit ausholenden Schritten über den Teppich. Über den einzelnen Schaltern hingen die Schilder mit den Namen der verschiedenen Raumfahrtgesellschaften. Es gab insgesamt sieben. Drei Gesellschaften beförderten ausschließlich Frachtgut, die vier übrigen unterhielten auch eine Abteilung für Passagierflüge.

Picot suchte sich einen freien Schalter aus. Wie Tschato ihm empfohlen hatte, trug er keine Uniform.

Der Angestellte der Fluggesellschaft begrüßte Picot freundlich. Der Erste Offizier der LION war ein krummbeiniger Mann von fünfundfünfzig Jahren. Sein tiefgebräuntes Gesicht war von unzähligen Falten durchzogen. Picot erinnerte an einen kleinen, hageren Jockey.

»Können Sie mir bitte die Fluglisten Ihrer Gesellschaft aushändigen?«, bat Picot.

Der Mann lächelte. »Natürlich, Sir«, sagte er bereitwillig. »Für welchen Zeitraum bitte?«

Picot hob sich auf die Zehenspitzen, sodass er sich auf den Schalter stützen konnte.

»Ich benötige die Listen der beiden vergangenen Wochen«, erklärte er.

Der Angestellte starrte ihn verwirrt an.

Picot verzog wehleidig das Gesicht. »Ich arbeite für ein Statistisches Amt«, sagte er. »Es ist eine langweilige Arbeit.«

»Das kann ich mir vorstellen«, meinte der Mann hinter dem Schalter und schob Picot zwei bedruckte Papiere zu.

Picot bedankte sich. Er ging zu allen geöffneten Schaltern und beschaffte sich die Fluglisten sämtlicher Gesellschaften. Dann verließ er ohne besondere Eile das Verwaltungsgebäude.

In der Nähe des Raumhafens von Terrania ging Picot in ein kleines Restaurant und bestellte bei der Wahlautomatik einen Kaffee. Niemand nahm Notiz von ihm. Er zog eine von Tschato angefertigte Liste aus der Tasche. In den beiden vergangenen Wochen waren fünfundzwanzig Kinder im Alter zwischen sieben und neun Jahren aus Terrania verschwunden. Tschato behauptete, dass sie sich heimlich als blinde Passagiere an Bord von Fracht- und Passagierschiffen begeben hätten. An die Schiffe der Flotte konnte niemand herankommen.

Picot überflog Tschatos Liste. Die Namen aller Kinder waren darauf vermerkt. Ebenso das Datum der Tage, an denen sie ihr Elternhaus verlassen hatten.

Picots Aufgabe war es, festzustellen, welche Schiffe an jenen Tagen von der Erde aus in den Weltraum gestartet waren. Die Zielplaneten dieser Schiffe standen in den Fluglisten der Gesellschaften abgedruckt. Ebenso die Zwischenstationen. Tschato hoffte, dass der Name irgendeines Planeten sich an jedem Fluchttag wiederholen würde. Der Oberstleutnant war überzeugt davon, dass die Kinder ein gemeinsames Ziel hatten, wenn sie auch zu verschiedenen Tagen verschwunden waren.

Picot begann damit, die Namen aller Planeten zu streichen, die nur selten in den Fluglisten auftauchten. Auf diese Weise fand er schnell heraus, dass nur eine Welt an allen Fluchttagen in den Fluglisten erschien.

Der Planet hieß Tigris. Picot wusste, dass es sich um eine winzige Welt mit dünner Sauerstoffatmosphäre handelte, die lediglich als Zwischenstation und Umschlagplatz benutzt wurde. Auf Tigris existierte eine Handelsstation, von der aus ein Teil der Kolonialplaneten innerhalb der Plejaden-Gruppe versorgt wurde.

Alle Schiffe, deren Namen Picot angekreuzt hatte, waren in den beiden letzten Wochen auf Tigris gelandet, bevor sie andere Welten angeflogen hatten. Wenn Tschatos Theorie stimmte, mussten die Kinder auf Tigris die Schiffe verlassen haben und ...

Picot zuckte mit den Schultern. Niemand konnte wissen, was sie dann unternommen hatten.

Picot packte seine Unterlagen zusammen. Er blickte auf die Uhr. Heintman und Tschato warteten bereits auf ihn. Gestern Abend hatte Heintman bei Tschato angerufen und ihm gesagt, dass er etwas im Garten seines Hauses gefunden hätte, das unter Umständen mit dem Verschwinden seines Sohnes zusammenhängen könnte.

Picot zerbrach sich nicht den Kopf darüber, was Heintman entdeckt hatte. Er war froh, dass er die Routinearbeit erledigen konnte. Solange sie noch auf der Erde weilten, fühlte Dan Picot sich vollkommen sicher. Im Allgemeinen verhielt sich Tschato auf der Erde normal. Nur im Weltraum entwickelte er jenes geradezu legendäre Talent, seine Nase in die gefährlichsten Dinge zu stecken.

Picot bezahlte seinen Kaffee und verließ das Restaurant. Er war entschlossen, die wenigen Tage zu genießen, die sie noch auf der Erde bleiben würden. Die Spur der Kinder führte allem Anschein nach in den Weltraum. Sobald Tschato dessen sicher sein konnte, würde er ihr nachgehen.

Picot betrat Heintmans Haus gegen 17 Uhr. Tschato und Heintman hatten sich auf der Veranda hinter dem Wohnzimmer niedergelassen. Captain Heintman saß zusammengekrümmt im Sessel, seine Hände hatte er ineinander verklammert. Picot sah deutliche Zeichen von Übermüdung in seinem Gesicht. Auf einem Tablett neben ihm stand ein unberührtes Glas mit Fruchtsaft.

Picots Blicke wanderten weiter und blieben an Tschato hängen. Der große Neger hatte seine Beine weit von sich gestreckt und ließ beide Arme über den Sessel hängen. Seine Augen waren halb geschlossen. Er wirkte massig, fast dick. Seine ganze Erscheinung erinnerte Picot an einen satten Löwen, der in der Sonne döste.

Tschato trank Bier. Neben seinem Sessel standen bereits einige leere Flaschen.

Picot sagte: »Sie hatten recht, Sir. Alle infrage kommenden Schiffe sind auf einem Planeten zwischengelandet. Diese Welt heißt Tigris.«

In Heintmans Augen flackerte Hoffnung auf. Picot vermied es, den Captain direkt anzuschauen.

»Tigris ist ziemlich bekannt«, sagte Heintman. »Aber wer sollte Interesse daran haben, fünfundzwanzig Kinder dorthin zu bringen?«

Tschato griff in eine Tasche seiner Uniformjacke und zog einen Gegenstand hervor, der wie eine große Zigarre aussah. Er warf ihn Picot zu. Geschickt fing Picot das Ding auf. Es war aus Metall. Picot ließ es zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her gleiten. Die Außenfläche schien poliert. An einer Stelle waren drei dunkelblaue Plättchen eingefügt. Die Farbe des übrigen Körpers war grau.

»Was ist das?«, erkundigte sich Picot.

Tschato nippte an seinem Bier.

»Ich habe es im Garten gefunden«, sagte Heintman. »Es ist aus sehr widerstandsfähigem Metall. Ich konnte es weder erhitzen noch mit einem Hammer beschädigen.«

»Wir müssen es untersuchen lassen«, schlug Picot vor.

»Ach du meine Güte«, murmelte Tschato.

»Was heißt das?«, fauchte Picot empört.

»Wenn wir es zur Untersuchung abgeben, wird die Abwehr eingeschaltet«, erwiderte Heintman an Tschatos Stelle. »Der Oberstleutnant glaubt, dass es kein Produkt einer terranischen Fabrik ist.«

Picot fühlte, wie er immer unruhiger wurde. »Ich verstehe.«

Er wandte sich an Tschato. »Es gibt jemand in Terrania, der dieses Ding untersuchen könnte.«

Tschato schlug die Augen auf. »M'Nutter!«, sagte er.

»Ja«, sagte Picot. »Ich halte ihn für ein Genie. Sein Ersatzteillager ist beispiellos. Es gibt keinen Apparat, den M'Nutter nicht reparieren könnte.«

»Wir wollen nichts reparieren lassen«, mischte sich Heintman ein. »Wir wollen herausfinden, welche Aufgabe dieses Ding hatte.«

»Wir könnten aufs Geratewohl in den Weltraum fliegen und auf Tigris landen«, sagte Tschato. »Wahrscheinlich würden wir dort erfolglos durch die Wüsten streifen, ohne auch nur eine Spur zu entdecken. Wenn wir jedoch etwas über diesen Metallkörper erfahren, haben wir einen Anhaltspunkt.«

Picot konnte leicht erkennen, dass Heintman ungeduldig war. Der Captain hatte seine Frau zu Verwandten gebracht, damit sie sich von dem Schock erholen konnte, den das Verschwinden ihres Sohnes in ihr ausgelöst hatte.

»Es wird nicht genügen, dass wir diesem M'Nutter das Ding unter die Nase halten, Sir. Er wird Zeit brauchen, um es zu untersuchen.«

»Nicht nur Zeit«, sagte Tschato. »Er wird Geld wollen. Ich halte ihn für den unverschämtesten Wucherer in ganz Terrania.«

Saari M'Nutter war kein reinrassiger Terraner, obwohl er nichts unversucht ließ, als ein solcher angesehen zu werden. Vor siebenundsechzig Jahren war er als der Sohn eines Ara-Mediziners und einer Terranerin zur Welt gekommen. M'Nutter hatte den ovalen Kahlkopf eines Aras, aber er trug eine Perücke, um dieses deutliche Kennzeichen zu verbergen.

Am Morgen des 5. Juli 2341 betraten Nome Tschato und Dan Picot die Werkstatt M'Nutters. Heintman war auf Tschatos Befehl hin zu Hause geblieben. M'Nutter mochte keine Männer, die ihn bei seiner Arbeit drängten, doch das hätte Heintman in seiner Not zweifellos übersehen.

Intensiver Ölgeruch schlug Picot entgegen, als er hinter Tschato die Tür schloss. An den Wänden der langgestreckten Halle waren Regale aufgestellt, die mit Kleinteilen gefüllt waren. Vom hinteren Teil der Werkstatt ertönte das Summen eines Motors.

Sie entdeckten M'Nutter auf einer Art Podium von der Größe eines Boxrings. Dort war ein Drehkolbengebläse auf eine Grundplatte montiert. Das Gebläse war an eine fremdartig aussehende Maschine angeschlossen. Die obere Schale des Gehäuses lag offen, sodass Picot die sich drehenden Flügel sehen konnte.

M'Nutter hantierte an der seltsamen Maschine. Er trug einen ölverschmierten Kittel, der ihm fast bis zu den Füßen reichte.

Picot folgte Tschato auf den Prüfstand hinauf. M'Nutter bemerkte sie erst, als sie unmittelbar neben ihm standen. Er blickte sie unwillig an und schaltete das Gebläse aus.

»Tschato!«, knurrte er ärgerlich. »Was wollen Sie?«

»Ich bin erleichtert, dass Sie mich noch erkennen«, sagte Tschato unberührt.

»Natürlich«, seufzte M'Nutter. »Schließlich haben Sie noch eine Rechnung offenstehen.« Er musterte Picot. »Wer ist das?«

»Mein Erster Offizier«, stellte Tschato vor. »Dan Picot.«

»Ihr kommt zu zweit«, stellte M'Nutter fest. »Also habt ihr eine wichtige Arbeit.«

»Eine interessante Sache«, entgegnete Tschato. »Interessant für Sie.«

M'Nutter wischte seine Hände am Kittel ab und zog ein unglaublich schmutziges Taschentuch aus der Tasche. Eine volle Minute beschäftigte er sich ausschließlich mit seiner Nase.

»Also«, sagte er schließlich. »Heraus damit.«

Tschato gab ihm den kleinen Metallkörper.

»Wir möchten wissen, was das ist, woher es kommt und welche Aufgabe es zu erfüllen hat«, sagte er.

»Kommt in zwei Tagen wieder«, sagte M'Nutter.

Tschato lachte. »Wir warten.«

M'Nutter dachte einen Augenblick nach, dann winkte er den beiden Männern zu. »Gehen Sie inzwischen in mein Büro«, sagte er. »Ich werde mir das Ding ansehen.«

»Können wir nicht bei ihm bleiben, wenn er es untersucht?«, wollte Picot wissen.

»Er will ungestört arbeiten«, sagte Tschato. »Kommen Sie, Dan. Wir werden warten.«

Als M'Nutter in sein Büro kam, waren sieben Stunden verstrichen. Er runzelte erstaunt die Stirn, als er sah, dass Tschato und Picot noch anwesend waren.

Picot erkannte, dass M'Nutter erregt war.

»Was haben Sie herausgefunden?«, erkundigte sich Tschato ohne Umschweife.

M'Nutter legte den Metallkörper auf den staubigen Tisch und betrachtete ihn mit einer Mischung aus Bewunderung und Misstrauen.

»Es ist ein Flugkörper«, eröffnete er. »Zweifellos kommt das Ding aus dem Weltraum. Es wurde von keinem uns bekannten Volk hergestellt.«

Picot und Tschato tauschten einen schnellen Blick. Unwillkürlich rückte Picot etwas von dem Gegenstand ab.

Mit zitternden Händen fischte M'Nutter einige beschriebene Zettel aus der Tasche seines Kittels. Er breitete sie auf dem Tisch aus.

»Es handelt sich um ein Miniaturraumschiff«, sagte er. »Es stürzte ab, weil seine Energieanlage verbraucht war.«

»Gibt es irgendwelche Hinweise, die uns die Aufgabe dieses Flugkörpers verstehen lassen könnten?«, fragte Tschato.

M'Nutter nickte langsam. »Das winzige Raumschiff sendet schwache hypnotische Impulse aus. Wir spüren sie kaum, aber mithilfe meiner Geräte konnte ich sie registrieren.«

»Besteht die Möglichkeit, dass irgendwelche Lebewesen auf diese Impulse reagieren?«, erkundigte sich Tschato.

»Ja«, bestätigte M'Nutter.

»Kinder?«, fragte Picot.

M'Nutter befeuchtete seine Lippen mit der Zungenspitze.

Er ergriff das kleine Schiff und umschloss es mit beiden Händen.

»Es hat etwas mit den fünfundzwanzig verschwundenen Kindern zu tun, nicht wahr?«, wollte er wissen.

»Das wissen wir nicht«, entgegnete Tschato barsch. »Wir wollen von Ihnen wissen, ob die Impulse Kinder einer bestimmten Altersgruppe beeinflussen können?«

»Sicher«, bestätigte Saari M'Nutter. »Kinder bis zu einem Alter von ungefähr zehn Jahren könnten durch die Sendungen des Schiffchens durchaus zu irgendwelchen Handlungen gezwungen werden. Der Hypnosender scheint vom Antrieb unabhängig zu sein. Er arbeitet weiter, obwohl das Ding nicht mehr fliegen kann.«

Tschato nahm M'Nutter den Flugkörper aus den Händen.

»Glauben Sie, dass so ein Ding einen erwachsenen Mann beeinflussen könnte?«, fragte er.

»Nur, wenn die hypnotischen Impulse stärker werden.«

»Wären Sie in der Lage, den Sender zu einer stärkeren Ausstrahlung zu veranlassen?«

»Was haben Sie vor?«, fragte M'Nutter.

Tschatos Gesicht blieb teilnahmslos. Picot ahnte, dass hinter der dunklen Stirn ein abenteuerlicher Plan geboren wurde.

»Beantworten Sie meine Frage«, drängte Tschato.

»Ich könnte den Sender aktivieren«, sagte M'Nutter widerwillig. »Es wäre durchaus möglich, die hypnotische Kraft zu verdoppeln.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich müsste einen Verstärker bauen, der die Impulse empfängt und weiterleitet.«

»Bauen Sie ihn«, forderte Tschato. »Wir brauchen ihn übermorgen.«

Picot hielt den Zeitpunkt gekommen, sich nach Tschatos Plänen zu erkundigen.

»Was wollen Sie erreichen, Sir?«, fragte er.

Tschato lächelte geheimnisvoll. »Ohne Zweifel können wir mit M'Nutters Verstärker einen erwachsenen Mann hypnotisieren. Theoretisch wird dieser Mann den gleichen Weg einschlagen wie die Kinder vor ihm.«

Picot sagte: »Wir brauchen diesem Mann nur zu folgen, um herauszufinden, ob Tigris die richtige Welt ist. Aber wer wird dieser Mann sein?«

»

2.

Seth träumte viele Träume. Einer wiederholte sich oft. Es war ein berauschender Traum, aus dem sie jedes Mal nur schwer erwachte. Sie träumte von endlosen Wäldern, von kleinen, flinken Tieren, die man jagen konnte.

Wenn sie erwachte, wenn sie in die Wirklichkeit zurückfand, kam ihr ihre Umgebung schrecklich und grausam vor. Ihre Krallen, die sie in den Träumen als tödliche Waffe gebrauchte, waren in Wirklichkeit von wucherndem Fleisch bedeckt. Sie konnte sich noch nicht einmal bewegen, das lautlose Anschleichen an ein Opfer gab es ebenfalls nur im Traum.

Gelähmt lag sie innerhalb des Behälters. Gelähmt und hilflos.

Traysch und Kut-Ter bezogen sie selten in die telepathischen Unterhaltungen ein. Ab und zu gab ihr Traysch einige Erklärungen. Kut-Ter jedoch setzte sich nur mit ihr in Verbindung, um sie zu demütigen. Ihre größte Furcht war, dass Kut-Ter irgendwann in der Lage sein könnte, ihre Träume zu belauschen.

Kut-Ter drohte ihr immer wieder, dass er den Robotern befehlen würde, sie gegen ein intelligenteres Wesen auszutauschen. Obwohl Seth wusste, dass es auf dieser Welt keine intelligenten Eingeborenen gab, lebte sie in ständiger Angst, dass der Onete seine Drohung einmal verwirklichen könnte.

Seth bestritt nicht, dass ihr Gedächtnis bei der Zerstörung des Schiffes gelitten hatte. Sie konnte sich nicht erinnern, in welcher Sektion des Forschungsschiffes sie gearbeitet hatte. Sie wusste weder etwas über ihre Herkunft, noch über die Arbeiten, die sie an Bord ausgeführt hatte. Nur in ihren Träumen gelang es ihr, einen Blick in die Vergangenheit zu werfen. Die Ereignisse in den Träumen waren jedoch so absurd, dass sie sich hütete, Traysch oder gar Kut-Ter davon zu berichten.

Seths Erinnerung reichte bis zu jenem gewaltigen Blitz zurück, mit dem das Schiff auf der Oberfläche dieser Welt zerschellt war. Traysch und Kut-Ter hatten sie aus den Trümmern gezogen. Sekunden später war das Wrack völlig ausgebrannt.

Traysch, Kut-Ter und Seth waren die einzigen Überlebenden einer dreitausend Mitglieder starken Besatzung. Unmittelbar vor dem Aufprall des Schiffes waren Hunderte von Robotern mit allem erreichbaren Material aus den Schleusen abgesprungen und sicher auf der Oberfläche gelandet. Diese Roboter bedeuteten Sicherheit und die Möglichkeit zum Überleben.

Die ersten Tage hatte Seth in völliger Teilnahmslosigkeit zugebracht.

Ihre Wunden waren nur langsam geheilt. Traysch und Kut-Ter hatten sofort mit der Errichtung einer Station begonnen. Die Roboter fertigten drei Raumgleiter und mehrere hundert Raumspione an. Die Zeit verging, und Seth versuchte, den beiden anderen zu helfen. Es stellte sich heraus, dass sie viel zu ungeschickt war, um irgendeine Arbeit auszuführen. Kut-Ter zeigte von Anfang an eine feindselige Haltung. Obwohl sie sich nicht miteinander verständigen konnten, spürte Seth den Ärger des Oneten.

Die Aussicht auf Rettung war gering. Traysch und Kut-Ter ließen drei Behälter mit Nährflüssigkeit errichten. Die Roboter übernahmen die Bedienung der Station. Die drei Schiffbrüchigen zogen sich in die Behälter zurück, um auf diese Weise ihre Lebensspanne zu verlängern. Seth weigerte sich, in den für sie vorgesehenen Behälter zu gehen, doch auf Trayschs Befehl wurde sie von den Robotern dazu gezwungen.

Die erste Zeit war für Seth schrecklich. Dann jedoch gelang es Traysch, telepathische Kontakte zu Seth herzustellen. Zum ersten Mal konnte Seth sich mit einem der beiden anderen verständigen. Traysch stellte ihr unzählige Fragen, die alle das Schiff betrafen. Er war sehr enttäuscht, als er feststellen musste, dass Seth sich an nichts erinnern konnte.

Seth hingegen erfuhr unzählige Einzelheiten, von denen sie nichts gewusst hatte. Für Traysch und Kut-Ter wäre es einfach gewesen, einige Raumspione zu ihren Heimatplaneten zu schicken, um Hilfe zu holen. Doch die beiden Wissenschaftler hatten andere Pläne.

Seth fand heraus, dass Traysch und Kut-Ter als Gefangene an Bord des Schiffes gelebt hatten. Sie hatten irgendein Gesetz übertreten. Keiner der beiden schien gewillt, zu seiner Heimatwelt zurückzukehren, um den Rest der Strafe zu verbüßen.

Das Leben innerhalb der Behälter war eintönig, obwohl Traysch immer bessere Möglichkeiten fand, die Roboter für ihre Zwecke einzusetzen. Die Automaten mussten ihnen nicht nur Arme und Beine ersetzen, sie mussten auch als ihre Augen fungieren. Ununterbrochen arbeiteten die Roboter an der Vergrößerung der Station. Aus Trayschs telepathischen Sendungen erfuhr Seth, dass die beiden anderen planten, sich solange wie möglich am Leben zu erhalten.

Wieder verstrich eine für Seth nicht messbare Zeit, bis es auch Kut-Ter gelang, sich mit ihr zu verständigen. Seine telepathischen Sendungen unterschieden sich jedoch vollkommen von denen Trayschs. Während Traysch Seth mit einer gewissen Gleichgültigkeit behandelte, ließ Kut-Ter keinen Zweifel aufkommen, dass er Seth als überflüssig ansah.

Ich möchte wissen, in welchem Teil des Schiffes dieses zweigeschlechtliche Ungeheuer gelebt hat, sendete er. Man könnte fast glauben, dass es zu den Versuchstieren gehörte.

Seth ist intelligent, entgegnete Traysch. Das Schiff war so groß, dass wir nicht alle Besatzungsmitglieder kennen konnten.

Seth fand heraus, dass ihr Körper, der mit unzähligen Kabeln verbunden war, sich allmählich veränderte. Die Nährflüssigkeit, die sie am Leben erhielt, löste eine übermäßige Zellwucherung aus. Seth lag bewegungslos innerhalb des Behälters, sodass sie nicht die Möglichkeit hatte, die Funktion ihrer Beine zu überprüfen. Ihr Verstand wurde im Laufe der Zeit immer schärfer. Traysch, der sich ab und zu mit ihr telepathisch unterhielt, bestätigte es.

Deine Intelligenz nimmt ständig zu, sendete er. Dies ist bei Kut-Ter und mir nicht der Fall. Unsere Entwicklung ist abgeschlossen.

Obwohl Seth viele Dinge verstehen lernte, die sie früher niemals begriffen hätte, gewann sie ihre Erinnerung nicht zurück. Ihre Träume dagegen wurden immer abstrakter und unwirklicher. Sie erkannte den Grund dafür. Allmählich verlor sie jede innere Beziehung zu ihrem Körper. Selbst ihrem Unterbewusstsein fiel es immer schwerer, fiktive Erlebnisse zu produzieren, bei denen sie sich bewegte.

Je länger Seth in ihrem Behälter lag, desto verschwommener wurde ihre Vorstellung von ihrer eigenen Gestalt. Während Traysch und Kut-Ter darauf warteten, dass Seth sich irgendwann an die Zeit vor dem Absturz erinnern würde, vergaß Seth ihren Körper. Ab und zu, wenn Kut-Ter sie mit brutalen Gedankenmustern angriff, wurde sie sich ihrer früheren Stärke bewusst. Dann begannen ihre Nerven zu zucken, und der Gedanke an ihren aufgedunsenen Körper ließ sie verzweifeln.

Seth war sicher, dass auch Traysch und Kut-Ter sich veränderten. Bald würde die Zellwucherung so weit fortgeschritten sein, dass sie die Behälter nicht mehr verlassen konnten. Ihre Organe hatten sich an die warme und schützende Umgebung gewöhnt.

Seth lernte dann zu schlafen, wenn die beiden anderen sich telepathisch unterhielten. Auf diese Weise konnte sie sich besser gegen Kut-Ter abschirmen. Wenn Traysch und der Onete schliefen, dachte Seth intensiv nach. Es gab unzählige ungelöste Probleme. Sie wagte nicht, Traysch Fragen zu stellen, denn sie fürchtete, dass Kut-Ter sich einmischen würde.

Eines Tages meldete Traysch den Ausfall eines Roboters.

Wir müssen damit rechnen, dass sie nach und nach alle funktionsunfähig werden, erklärte er. Wir haben kein geeignetes Material, um neue zu bauen.

Ohne die Roboter können wir nicht leben, sendete Kut-Ter.

Richtig, stimmte Traysch zu. Wir müssen jemand finden, der die Arbeit der Roboter übernimmt.

Traysch und Kut-Ter führten endlose Beratungen, bis sie endlich einen Plan gefasst hatten. Die Raumspione wurden umprogrammiert und mit Hypnosesendern versehen.

Traysch ließ zwanzig Raumspione starten, die einen Teil der Galaxis erforschen sollten. Dann erst folgten die umprogrammierten Miniaturschiffe.

Wir müssen darauf achten, dass wir nicht die Aufmerksamkeit unbekannter Raumfahrer erwecken, mahnte Kut-Ter.

Traysch beruhigte ihn. Der Laagor schien an alles zu denken. Er traf Sicherheitsvorbereitungen, um gegen jede Eventualität gewappnet zu sein. Sie konnten die Roboter nicht durch Halbintelligenzen ersetzen, das war ihnen von Anfang an klar. Wenn sie die Raumspione jedoch zu den Planeten intelligenter Völker schickten, bestand die Gefahr, dass anstelle williger Helfer einige schwerbewaffnete Raumschiffe erschienen. Traysch fand auch für dieses Problem eine Lösung.

Vor ihrem Start wurden die Raumspione so umprogrammiert, dass ihre Ausstrahlungen gerade stark genug waren, um die Nachkommen verschiedener Sternvölker zu beeinflussen.

Kinder können wir nach unserem Willen formen, sodass sie keine Gefahr für uns bedeuten, wenn sie einmal erwachsen werden, erklärte Traysch.

Seth kümmerte sich kaum um die Vorbereitungen, die die beiden anderen trafen. Sie träumte und dachte nach.

Irgendwann teilte ihnen Traysch mit, dass die Hälfte aller Roboter ausgefallen war. Die Bauarbeiten außerhalb der Station mussten abgebrochen werden, da die verbliebenen Roboter benötigt wurden, die drei Wesen am Leben zu erhalten.

Es wird Zeit, dass die ersten Kinder eintreffen, sendete Traysch.

Seth spürte die kaum wahrnehmbaren Schwingungen der Pumpe, die die Nährflüssigkeit zirkulieren ließ. Vor wenigen Augenblicken war sie erwacht. Wie immer stand sie noch völlig unter dem Eindruck ihres Traumes. Diesmal war ihr ein eigenartiges Wesen erschienen, das mit einem spitzen Stab auf sie eingedrungen war.

Obwohl dieses Wesen äußerlich Kut-Ter geglichen hatte, war es nicht mit einem Oneten zu vergleichen.

Eine Traumfigur, dachte Seth verwirrt. Die Berührung mit dem Stab war ihr irgendwie vertraut vorgekommen.

Hör auf damit! Trayschs telepathischer Befehl war wie ein Schlag. Wir haben jetzt wichtigere Dinge zu tun.

In instinktiver Abwehr wollte sich Seth zusammenducken, doch ihr Körper gehorchte ihr nicht.

Wir werden dich austauschen, drang Kut-Ters Gedankenstrom zu ihr durch. Sobald die Kinder hier eintreffen, wirst du aus deinem Behälter entfernt.

Seth versuchte vergeblich, sich vor seinem Hass zu verschließen.

Es ist sinnlos, sie zu beunruhigen, telepathierte Traysch. Wenn sie Angst hat, bedeutet sie keine große Hilfe für uns.

Sie hat bisher noch nie etwas für unseren Fortbestand geleistet, dachte Kut-Ter verächtlich.

Seth verlor die Beherrschung.

Kratzen!, dachte sie. Kratzen! Beißen! Töten!

Monstrum!, höhnte der Onete. Widerliches, zweigeschlechtliches Monstrum!

Traysch zog seine Gedankenströme zurück. Er wusste, dass er diese Auseinandersetzungen nicht schlichten konnte.

3.

Dan Picot gab sich Mühe, seine Unruhe zu verbergen. Es gelang ihm jedoch nicht, seine Blicke von dem Hypnoschiffchen loszureißen, das Tschato in den Händen hielt.

Heintman saß mit ausdruckslosem Gesicht im Sessel. Er glaubte nicht mehr daran, dass sein Sohn noch am Leben war. Am Ende der Spur, so vermutete er, würden sie nur Tote finden.

Vergeblich hatte Picot versucht, den Captain von dieser fixen Idee abzubringen.

Tschato überreichte Picot das kleine Raumschiff.

»Stecken Sie es in Ihre Tasche, Dan«, ordnete er an. »Hoffentlich kommen Sie nicht in die Nähe anderer Menschen, solange der Verstärker eingeschaltet ist.«

Picot hielt das rätselhafte Ding mit gespreizten Fingern, als sei es aus glühendem Metall.

»Die Reichweite des Hypnosenders beträgt fast acht Meter«, erklärte Tschato. »Das ändert sich auch durch den Verstärker nicht.«

Er ging durch den Raum und ließ sich neben Heintman nieder.

»Schalten Sie den Verstärker ein, Dan!«, rief er.

Picot schluckte krampfhaft. Er wusste, dass die von M'Nutter in den Verstärker eingebaute Automatik das Gerät nach dreißig Sekunden automatisch abschalten würde, doch das Bewusstsein, dass er in wenigen Sekunden die Herrschaft über sich verlieren würde, beunruhigte ihn.

Mit zitternden Fingern griff er nach dem Verstärker und drückte die Taste nach unten.

Tschato beobachtete ihn gespannt. Heintman beugte sich etwas nach vorn. Sie saßen zwölf Meter von Picot entfernt. Picot blieb einen Augenblick regungslos stehen, dann wandte er sich um und ging auf die Tür zu. Bevor er sie erreichte, waren die dreißig Sekunden verstrichen. Der alte Raumfahrer fuhr herum.

»Was ist passiert?«, rief er Tschato zu.

»Das möchten wir von Ihnen hören, Dan«, entgegnete Tschato.

»Was haben Sie empfunden?«

»Ich kann mich an nichts erinnern«, murmelte Picot. Er stellte fest, dass er unmittelbar neben der Tür stand. »Offenbar wollte ich diesen Raum verlassen.«

»Natürlich«, stimmte Tschato zu. »Doch das müssen wir genau wissen. Es ist schade, dass Sie sich nicht an den Zeitraum erinnern können, während dem Sie hypnotisiert waren.«

Heintman bewegte sich unruhig. Sein Gesicht wirkte eingefallen.

Tschato warf ihm einen mitfühlenden Blick zu. »Immer mit der Ruhe, Walt«, sagte er sanft. »Wir werden es schon schaffen.«

»Aber wie?«, knurrte Picot.

Tschato überlegte einen Augenblick, dann sagte er. »Schalten Sie den Verstärker noch einmal ein. Diesmal werde ich versuchen, mich mit Ihnen zu unterhalten.«

Picot sagte: »Jetzt!«, und griff nach der Türklinke.

»Wohin gehen Sie, Dan?«, rief Tschato scharf.

Der Erste Offizier der LION öffnete die Tür und sagte, ohne sich umzuwenden: »Zum Raumhafen, Sir!«

Er verschwand im Korridor und kam wenige Augenblicke später zurück.

»Hat es funktioniert?«, fragte er gespannt.

»Ja.« Tschato nickte. »Ihr Ziel war der Raumhafen, wie wir es erwartet hatten. Dieses Hypnoschiffchen hat also die Kinder beeinflusst, sich zum Raumhafen zu begeben.«

»Es müssen mehrere dieser Schiffe gewesen sein«, verbesserte Picot. »Denken Sie daran, dass Walts Sohn früher verschwand als zwölf der übrigen Kinder. Dieses Schiffchen stürzte jedoch ab.«

Tschato klopfte Captain Heintman leicht auf die Schulter. Heintman versuchte zu lächeln.

»Auf dem Raumhafen werden wir das Experiment wiederholen«, erklärte der Oberstleutnant. Er blickte auf seine Uhr. »Das Frachtschiff DELLARD startet in zweieinhalb Stunden. Es wird auf Tigris zwischenlanden. Wenn unsere Theorie stimmt, müsste sich Dan heimlich an Bord der DELLARD begeben.«

»Wir werden zu spät kommen«, sagte Heintman wie betäubt.

Tschato erhob sich. Lautlos durchquerte er das Zimmer. Mit seinen hängenden Schultern sah er eher dick als muskulös aus. Seine Bewegungen wirkten eher müde als entschlossen.

»Die LION ist startbereit«, sagte er.

Picot brannte eine Frage auf der Zunge. Er ahnte, dass Tschato den Großadministrator über ihre Nachforschungen unterrichtete, aber von dem Hypnoschiffchen wusste Perry Rhodan wahrscheinlich ebenso wenig wie von M'Nutters Experimenten.

Picot glaubte den Grund zu wissen, warum Tschato die Existenz dieses kleinen Flugkörpers verheimlichte. Wahrscheinlich hätte Rhodan sofort die Abwehr eingeschaltet, wenn er davon erfahren hätte, dass Hypnosendungen unbekannter Wesen auf der Erde ausgestrahlt wurden. Tschato ging ein großes Risiko ein.

Picot vermutete, dass Tschato den Großadministrator von Tigris aus über alle Einzelheiten unterrichten würde, dann nämlich, wenn der Vorsprung der LION groß genug war, um vor den Agenten der Abwehr bei den Kindern anzukommen.

Die Abwehr würde sich in erster Linie darum bemühen, weitere Entführungen zu verhindern. Das bedeutete, dass Heintmans Sohn und alle anderen Kinder weiterhin stark gefährdet sein würden. Auch konnte die mächtige Organisation keine besondere Rücksicht auf das Leben der entführten Kinder nehmen.

Fünfundzwanzig Kinder waren eine Minderheit. Die Abwehr würde zunächst einmal alles tun, um die Mehrheit zu schützen.

Tschato hoffte offenbar, dass es nicht zu weiteren Entführungen kommen würde. Und er hoffte, die verschwundenen Kinder schnell zu finden.

Sie verließen Heintmans Wohnung und begaben sich zum Dach des Hauses. Dort bestiegen sie einen bereitstehenden Luftgleiter. Tschato gab eine kurze Funkmeldung ans Hauptquartier der Solaren Flotte ab und bat um Starterlaubnis für die LION. Als Grund gab er eine Sondermission im Auftrag des Großadministrators an.

Picot beobachtete den starken Verkehr, der während dieser Zeit in Terrania herrschte. Tschato hatte die Steuerautomatik ausgeschaltet und die Pilotenarbeit übernommen. Nur Heintman saß teilnahmslos auf seinem Platz.

Die Startgenehmigung würde direkt zur LION geleitet werden. Dort würde Leutnant Vertrigg bereits mit den Startvorbereitungen beginnen. Wenn sich Tschatos Verdacht bestätigte, würde die LION nach Tigris fliegen. Picot vermutete, dass er die Reise als blinder Passagier an Bord der DELLARD mitmachen würde. Er musste die zweite Taste des Verstärkers drücken. Diese schaltete sich erst nach vierundzwanzig Stunden selbstständig aus.

Picot fragte sich, ob man ihn entdecken würde. Er bezweifelte es, denn keines der Kinder war aufgespürt und zurückgebracht worden. Unter dem Einfluss des Hypnosenders schien ein Mensch besonders vorsichtig zu reagieren.

Tschato scherte aus der Hauptflugbahn aus und näherte sich dem Raumhafen. Sie identifizierten sich und durften ungehindert in den Militärhafen einfliegen. Mehrere Meilen huschte der Gleiter über das Landefeld, dann erreichten sie die LION. Tschato setzte den Flugkörper sanft auf den Boden. Die drei Männer stiegen aus. Tschato schaute auf seine Uhr.

»Sie werden den Gleiter nehmen und bis in die Nähe des Hauptmagazins fliegen«, befahl er Picot. »Dort befinden Sie sich in unmittelbarer Nähe der Absperrungen des Landefeldes der Fracht- und Passagierschiffe. Als Offizier der Solaren Flotte wird man Sie ungehindert passieren lassen.«

»Wann soll ich den Verstärker einschalten, Sir?«, erkundigte sich Picot.

»Versuchen Sie, möglichst nahe an die DELLARD heranzukommen, ohne das Gerät zu benutzen. Wenn Sie dicht genug heran sind, können Sie den Verstärker in Tätigkeit setzen. Achten Sie jedoch darauf, dass sich niemand in Ihrer Nähe befindet und dadurch ebenfalls von der Auswirkung des Senders erfasst wird.«

Picot sah nicht sehr glücklich aus – und er fühlte sich dementsprechend.

Er sagte: »Im gleichen Augenblick, da der Hypnosender verstärkt wird, kann ich meinen Verstand nicht mehr kontrollieren. Sie haben in Heintmans Wohnung gesehen, dass ich vollkommen automatisch reagiere.« Er drehte den kleinen Apparat unschlüssig in seinen Händen. »Wie kann ich verhindern, in die Nähe irgendwelcher Personen zu gelangen, wenn ich nicht im Vollbesitz meines freien Willens bin?«

»Ihr Unterbewusstsein wird Sie sicher an Bord der DELLARD leiten«, versicherte Tschato. »Denken Sie immer daran, dass keines der Kinder entdeckt wurde, obwohl diese ebenfalls unbewusst handelten.«

»Hm!«, machte Picot. »Ich fühle mich in meiner Rolle als blinder Passagier nicht sehr wohl, Sir.«

Heintman fragte ungeduldig: »Soll ich Ihre Aufgabe übernehmen?«

Tschato machte eine abwehrende Handbewegung. »Sie unterschätzen den alten Dan«, erklärte er.

Gewiss nicht, dachte Picot grimmig, ohne diesen Gedanken laut auszusprechen. Es war ausgemacht, dass die LION noch vor der DELLARD auf Tigris sein und jeden Schritt Picots überwachen sollte. Was aber, so fragte sich der Erste Offizier des Schlachtkreuzers unbehaglich, wenn er auf Tigris auf irgendeine mysteriöse Weise verschwand? Vielleicht würden Tschato und seine Männer vergeblich nach ihm suchen.

»Es wird Zeit«, sagte Tschato in seiner lakonischen Art.

Picot nickte langsam und ging schwerfällig zum Gleiter zurück. Tschato und Heintman warteten, bis er eingestiegen und gestartet war. Heintman sah dem davonfliegenden Gleiter nach.

Tschato berührte ihn sanft am Arm.

»Kommen Sie, Walt«, sagte er.

Nebeneinander gingen sie den Landesteg hinauf. Tschato sah, wie der Gleiter zwischen den größeren Schiffen verschwand. Es war kurz vor Sonnenuntergang. Die LION konnte innerhalb weniger Minuten starten. Tschato wollte jedoch den Start der DELLARD abwarten, um sicher zu sein, dass sich Picot an Bord befand. Auf jeden Fall würde das Kriegsschiff schneller auf Tigris sein als der Frachter.

Auf der DELLARD gab es unzählige Plätze, wo sich Picot sicher verbergen konnte. Sobald das Schiff jedoch landete, musste Picot es verlassen. Tschato war gespannt, wohin sich der Raumfahrer dann wenden würde.

Tigris war ein Wüstenplanet. Außer der Handelsstation gab es keine Niederlassung des Imperiums auf dieser Welt. Tschato war überzeugt davon, dass keines der Kinder unbemerkt in die Handelsstation hatte eindringen können. Auch für Picot würde das unmöglich sein. Das Ziel der Hypnotisierten musste also außerhalb der Station liegen. Irgendwo in den ausgedehnten Wüsten.

Für einen Menschen gab es in dieser Wüste keine Überlebenschance. Wenn er keine Atemmaske besaß, würde er in der dünnen Atmosphäre innerhalb kurzer Zeit ersticken. Tschato wusste, dass die Handelsstation nur von wenigen Männern besetzt war. Drei von ihnen waren Umweltangepasste, die sich in der Atmosphäre von Tigris wohlfühlten, die sieben anderen mussten eine Atemmaske benutzen, wenn sie die Gebäude verließen.

Tschato hatte erfahren, dass ein normaler Terraner etwa drei Stunden ohne Schutz außerhalb der Station am Leben bleiben konnte.

Das bedeutete, dass Dan Picot innerhalb von drei Stunden sein Ziel erreichen musste, wenn er nicht an Atemnot sterben wollte. Für die verschwundenen Kinder galt das gleiche. Tschato hielt es für ausgeschlossen, dass irgendjemand fünfundzwanzig Kinder nach Tigris lockte, nur, um sie dort in der Wüste umkommen zu lassen. Mit Sicherheit hatte man die Hypnotisierten in der Nähe der Niederlassung erwartet.

4.

Traysch wusste, dass er die technische Macht besaß, die beiden anderen jederzeit zu töten. Dagegen war er völlig unangreifbar. Für Kut-Ter gab es keine Möglichkeit, an Trayschs Behälter heranzukommen, und Seth war sowieso hilflos. Traysch beherrschte die Roboter. Von seinem Behälter aus steuerte er das gesamte Kontrollsystem der Station. Er konnte jeden einzelnen Roboter erreichen und für seine Zwecke einsetzen.

Traysch beabsichtigte nicht, Kut-Ter oder Seth zu töten, aber er plante jeden denkbaren Angriff der beiden anderen ein. Dabei fiel ein Höchstmaß seiner Aufmerksamkeit auf Kut-Ter, den er als sehr intelligent einschätzte. Kut-Ter hatte nie irgendwelche aggressive Absichten erkennen lassen, doch das besagte überhaupt nichts. Der Onete wusste, dass Traysch die Roboter beherrschte. Er war viel zu klug, sich gegen einen solchen Machtfaktor aufzulehnen.

Traysch war sich von Anfang an darüber im Klaren gewesen, dass sein kompliziertes Sicherungssystem sinnlos sein würde, sobald die Roboter endgültig ausfielen und organische Wesen an ihre Stelle traten.

Zu diesem Zeitpunkt konnte unter Umständen ein kritischer Punkt in den Beziehungen zwischen Traysch und Kut-Ter eintreten. Seth war zu dumm, um die zu erwartende Entwicklung für sich zu nutzen.

Vielleicht, überlegte Traysch, seine Gedanken vorsichtig abschirmend, wartete Kut-Ter schon lange auf eine solche Gelegenheit.

Leider gab es keine andere Möglichkeit zum Überleben, als fremde Intelligenzen in die Station zu bringen. Den beiden anderen hatte Traysch die Gefahr eines solchen Unternehmens mit Absicht übertrieben geschildert. Kut-Ter und Seth wussten nichts von den Sicherheitsmaßnahmen, die Traysch für die Station getroffen hatte. Traysch hatte diese allgemeinen Sicherheitsvorkehrungen vor den beiden anderen geheim gehalten, um Kut-Ters Misstrauen nicht zu wecken. Der schlaue Onete hätte aus Trayschs Maßnahmen sofort gefolgert, dass der Laagor alles, was er für die Sicherheit der Station herstellte, auch für seinen eigenen Schutz verwenden konnte.

Die Roboter hatten unzählige Befehle ausgeführt, von denen weder Kut-Ter noch Seth etwas wussten. So gab es rund um die Station einen Energieschirm, der jeden unerwünschten Ankömmling zurückhalten konnte. Außerdem hatte Traysch eine Anzahl von Waffen anfertigen lassen, die ausschließlich von ihm bedient werden konnten – auch dann noch, wenn es keinen einzigen Roboter mehr geben sollte. Traysch hatte nie überstürzt gehandelt. Die Zeit, die ihnen zur Verfügung stand, hatte er jedoch genutzt.

Trotzdem gab es auch für Traysch eine Reihe ungelöster Fragen. Eine davon lautete:

Warum war das Forschungsschiff über dieser Welt abgestürzt?

Trayschs logisch arbeitender Verstand sagte ihm, dass es sich um Sabotage gehandelt haben musste. Die Forschungsschiffe galten als vollkommen sicher. Sie bestanden aus mehreren Sektionen. Wenn der als unwahrscheinlich geltende Katastrophenfall einmal innerhalb eines Forschungsschiffes eintrat, wurde die gefährdete Sektion einfach abgetrennt, ohne dass das gesamte Schiff beschädigt wurde.

Das Schiff, auf dem Traysch sich befunden hatte, war mit allen Sektionen abgestürzt und explodiert, ohne dass jemand Zeit zum Reagieren bekommen hatte. Nicht eine einzige Warn- oder Alarmanlage hatte das Unheil angekündigt.

Es konnte sich bei diesem Absturz nur um Sabotage handeln – um völlig sinnlose Sabotage allerdings, denn wer immer sie verübt hatte, lag seit dem Ende des Schiffes unter den Trümmern begraben.

Der Gedanke, dass jemand eine Bombe an Bord geschmuggelt haben könnte, bevor das Schiff gestartet war, erschien Traysch absurd. Jeder noch so winzige Fremdkörper wäre entdeckt worden, außerdem hätten die einzelnen Sicherheitsanlagen eine Explosion verhindert.

Die einzige, halbwegs vernünftige Erklärung, die es für den Absturz des Schiffes gab, war die Selbstmordtheorie. Irgendwer an Bord hatte aus unerfindlichen Gründen beschlossen, seinem Leben ein Ende zu bereiten und dabei dreitausend andere Wesen mit in den Tod zu nehmen. Dass das Schiff dabei ausgerechnet über dieser Sauerstoffwelt explodiert war, mochte Zufall gewesen sein. Traysch wusste jedoch nicht, wie der hypothetische Selbstmörder den Absturz veranlasst hatte. Dafür gab es überhaupt keine Erklärung.

Eine andere Frage, die Traysch intensiv beschäftigte, war:

Wer war Seth?

Seth – das war ein Problem. Niemals zuvor hatte Traysch ein derart plumpes Intelligenzwesen gesehen. Seth war noch nicht einmal aufrecht gegangen, ihre Tatzen waren selbst für einfache Arbeiten unbrauchbar gewesen. In seiner Laufbahn als Wissenschaftler hatte Traysch die Angehörigen vieler Sternvölker gesehen, doch ein Wesen wie Seth war ihm niemals begegnet. Er hatte nie zuvor von einem Volk mit einem derartigen Aussehen gehört.

Traysch bezweifelte nicht, dass Seth die Erinnerung verloren hatte. Der ungeheure Schock, den der Absturz in ihr ausgelöst hatte, musste dies verursacht haben. Vielleicht hätte Traysch Kut-Ters Drängen schon nachgegeben und Seth aus ihrem Behälter entfernen lassen, wenn er sich nicht für ihre Vergangenheit interessiert hätte. Manchmal waren Seths Gedanken von animalischer Wildheit, sodass Traysch glaubte, in dem Nachbarbehälter befände sich ein Raubtier, dann jedoch gab sich Seth vernünftig und zurückhaltend.

Vielleicht lag das daran, dass Seth nicht zu sich selbst fand, dass sie nichts von ihrer Vergangenheit wusste. Für sie hatte das Leben praktisch erst mit der Explosion begonnen. Bevor sie sich in die Behälter zurückgezogen hatten, war Seth dem Oneten und Traysch körperlich überlegen gewesen. Mit ihrem massigen und doch geschmeidigen Körper hätte sie Traysch und Kut-Ter erdrücken können. Nur ungern erinnerte sich Traysch an die glühenden Augen, aus denen Seth ihn oft angestarrt hatte, an die großen Reißzähne, die immer dann sichtbar geworden waren, wenn Seth ihren Rachen geöffnet hatte.

Seths körperliche Überlegenheit (die allerdings nur kräftemäßig existiert hatte) war hinfällig geworden, als sie sich alle drei in die Behälter zurückgezogen hatten. Von diesem Zeitpunkt an war Seth den beiden anderen hoffnungslos unterlegen.

Traysch war über Seths mangelnde Intelligenz erleichtert, sie ersparte ihm die Mühe, ihr gegenüber die gleichen Maßnahmen wie bei Kut-Ter zu treffen. Manchmal wünschte er jedoch, sie wäre etwas vernünftiger gewesen, sodass er sich mit ihr über verschiedene Probleme unterhalten hätte können.

Traysch war viel zu abgeklärt, um irgendwelche Gefühle für Seth zu empfinden. Sie erweckte in ihm weder Mitleid noch Verachtung – nur jenes Verlangen, ihre Herkunft zu enträtseln.

In gewissem Sinn – darin musste der Laagor Kut-Ter recht geben – war Seths Leben völlig sinnlos. Das zweigeschlechtliche Wesen war einsam und besaß nicht die geistigen Fähigkeiten, irgendetwas zum weiteren Ausbau der Station beizutragen.

Traysch beabsichtigte nicht, für alle Zeiten auf dieser Welt zu bleiben. Eines Tages wollte er in seine Heimat zurückkehren, auch wenn dies nur innerhalb des Behälters geschehen konnte. Er wusste, dass man ihn dort erneut verurteilen und zur Abbüßung seiner Strafe veranlassen würde, doch Traysch würde mächtig genug sein, alle seine Widersacher auszuschalten.

Traysch wusste, dass noch eine halbe Ewigkeit verstreichen würde, bevor er stark genug war, um eine Rückkehr zu wagen, aber irgendwann würde dieser Zeitpunkt kommen. Während Kut-Ter ausschließlich darauf bedacht schien, sein Leben weiter zu verlängern, plante Traysch bereits für die Zukunft. Um seine Ideen zu verwirklichen, benötigte er ein Raumschiff. Die Wesen, die die Plätze der Roboter übernehmen sollten, konnten Traysch irgendwann einmal dazu verhelfen.

Traysch fühlte sich glücklich, weil er ein Ziel vor sich hatte.

Der Impuls kam überraschend, aber er vermochte Traysch nicht zu erschrecken. Sein Verstand begann mit der Präzision einer Maschine zu arbeiten. Der Impuls kam von außerhalb der Station. Sofort schaltete Traysch alle Übertragungsmöglichkeiten innerhalb der Station aus. Es gelang ihm, den Impuls zu lokalisieren. Seine aufgequollenen Finger hasteten über die einzelnen Anschlüsse.

Da war es!

Einer der drei Raumgleiter hatte den verabredeten Impuls ausgestrahlt.

Was ist geschehen?, drang Kut-Ters Gedankenstrom in Trayschs Bewusstsein.

Der Laagor erlitt einen Schock.

Wie war das möglich? Wie konnte Kut-Ter wissen, dass irgendetwas im Gang war? Trayschs Finger rasten an den Anschlüssen entlang. Alle Impulsgeber für das Stationsinnere waren ausgeschaltet. Es gab nur eine Erklärung: Er musste unbewusst einen Gedankenstrom ausgesendet haben.

Das war ein Beweis für die Wachsamkeit des Oneten.

Es ist nichts, erwiderte Traysch hastig.

Kut-Ter schwieg, aber Traysch ahnte, dass er sich nicht zufriedengeben würde.

Einer der Gleiter hatte eine Anzahl von Kindern aufgenommen und war in den Weltraum gestartet. In absehbarer Zeit würde er mit seinen unfreiwilligen Passagieren auf diesem Planeten landen.

Es konnte nicht mehr lange dauern, bis auch die beiden anderen Raumgleiter zurückkehrten.

Traysch hatte lange überlegt, bis er einen kleinen Wüstenplaneten als Operationsbasis für die drei Gleiter ausgewählt hatte. Auf dieser Welt gab es nur eine Handelsstation eines raumfahrenden Volkes, das einen Teil der Galaxis beherrschte. Da dort häufig Schiffe landeten, hatte Traysch mit einem schnellen Erfolg gerechnet.

Er schien recht zu behalten.

Der Laagor erteilte einigen Robotern den Befehl, alles für die bevorstehende Landung vorzubereiten. Als er dies getan hatte, vergewisserte er sich, dass die Abwehranlagen seines Behälters eingeschaltet waren. Zwar glaubte er nicht, dass sich Kut-Ter zu einem Angriff hinreißen ließ, aber er wollte kein Risiko eingehen. Kut-Ter war, ebenso wie Traysch, in der Lage, einfache Bewegungen auszuführen. Lediglich Seth lag bewegungsunfähig in ihrem Behälter. Traysch, der befürchtet hatte, dass Seth mit ihren plumpen Tatzen Schaden anrichten würde, hatte dafür gesorgt, dass sie gelähmt in der Nährflüssigkeit lag.

Natürlich wurde es auch für Kut-Ter und den Laagor immer schwieriger, die einzelnen Anschlüsse zu betätigen, denn ihre Glieder verloren allmählich ihre ursprüngliche Form. Traysch war längst dazu übergegangen, die Anschlüsse seines Behälters ständig umändern zu lassen, sodass er sie leicht bedienen konnte. Auch davon wusste Kut-Ter nichts, der nach wie vor mit den ursprünglich eingebauten Schaltungen zurechtkommen musste.

Einer der Gleiter hat den Rückflug angetreten. Traysch gab sich Mühe, diesen Gedanken ruhig auszustrahlen.

Befinden sich Lebewesen an Bord?, fragte Kut-Ter sofort.

Traysch war davon überzeugt, doch er erwiderte vorsichtig: Das werden wir feststellen, sobald das Schiff landet.

Kut-Ter strahlte einige unverständliche Gedanken aus.

Dann telepathierte er: Wir müssen darauf achten, dass die Neuankömmlinge unsere Behälter nicht beschädigen können.

Sie stehen unter Hypnose, erinnerte Traysch. Sobald der Einfluss der Raumspione nachlässt, werden wir die beiden großen Hypnosender innerhalb der Station einschalten. Auf diese Weise werden wir die Wesen nach unserem Willen beeinflussen. Außerdem besitzen wir noch genügend Roboter, die jeden Angriff abwehren können.

Traysch spürte, wie sich Seths Gedankenströme behutsam in sein Bewusstsein vorarbeiteten. Seth war viel zu ängstlich, um sich in eine Unterhaltung zwischen ihm und Kut-Ter einzumischen.

Was willst du?, erkundigte sich Traysch.

Werden die Ankömmlinge überhaupt innerhalb der Station leben können?, fragte Seth ängstlich.

Wir haben die Raumspione ausschließlich zu Sauerstoffplaneten geschickt, gab Traysch ungeduldig zurück.

Wovon sollen sich die Kinder ernähren?, wollte Seth wissen.

Die Nährflüssigkeit wird für sie ausreichen, antwortete Traysch.

Seth zog sich zurück, doch Traysch spürte, dass sich das Wesen über irgendetwas Sorgen machte.

Traysch musste sich jetzt auf den Oneten konzentrieren. Seths Gedanken konnte er vorerst ignorieren.

Ich glaube, die Ankunft der Kinder wird ein entscheidender Moment für uns sein, sendete Kut-Ter.

Trayschs Finger zuckten in verhaltener Nervosität. Die Gedanken Kut-Ters erschienen ihm zweideutig.

Was wusste der Onete von Trayschs heimlichen Vorbereitungen?

Du hast recht, erwiderte Traysch. Er gab sich Mühe, seine Gedanken völlig zu kontrollieren. Kut-Ter durfte nicht den geringsten Verdacht schöpfen.

Sobald genügend fremde Intelligenzen innerhalb der Station sind, können wir uns anderen Plänen zuwenden, fuhr Kut-Ter fort.

Zum ersten Mal sprach er von eigenen Plänen. Traysch hörte aufmerksam zu. Doch Kut-Ter stellte seine telepathische Sendung ein.

5.