Poetry Slam Wetterau - das Buch -  - E-Book

Poetry Slam Wetterau - das Buch E-Book

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Beschreibung

Der "Poetry Slam zum Gedenken" am 27. Januar war großartig, bewegend. "Kann man das irgendwo nachlesen?", fragt das Publikum im Anschluss. Ja. In diesem Buch. Die Anthologie mit Texten zu Toleranz, Respekt und Anerkennung jetzt auch als eBook. 41 Texte von 26 Autoren. Texte von der Poetry-Slam-Bühne. Zum Erinnern und Neu-entdecken. Digital, damit 0 Gramm schwer. Das kann man überall bei sich haben und auch prima verschenken - als eBook ganz körperlos. Die Textfassung entspricht der Neuauflage des Buches aus 2018 - natürlich für eBook-Reader optimiert und redaktionell überarbeitet.

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Was ist drin für dich?

Vorwort

Vorwort der Herausgeber

Andreas Arnold: Kein Text

Tanasgol Sabbagh: Eine Stimme

Kim-Anh Schäfer: Heimat

Fabian Kreutz: Ist es?

Ulf Eisenkrämer: Jeder zaubert

Lea Weber: Weil ich nicht deine Sprache spreche

Dominik Rinkart: Dinge, die ich nicht verstehe

Marie Hofmann: Du bist anders?

Maja Naidhard: Gemeinsam

Andreas Arnold: Outing

Annika Hofmann: Ich mag Dich nicht

Diana Tedros: Anscheinend bin ich krank

Alina Inserra: Gedankenanfänge erfragen ein Selbst

Thorsten Zeller: Ja, das ist manchmal unbequem…

Tobias Rinker: Mein Freak

Katharina Rambeaud: Worte finden

Lukas Kreutz: Leben

Lena Noske: Sulamith

Maria Sailer: titellos tolerant

Susanne Heydecke: Besserwisserei

Tanasgol Sabbagh: Vermächtnis

Marie Hofmann: Wolken

Jade Luc: Du süß-sanftes-grausames Leben

Dominik Rinkart: Mauern im Kopf

Lea Weber: Sind wir Menschen?

Alina Inserra: Traum

Kim-Anh Schäfer: Lebensmelodien

Susanne Heydecke: Die alte Frau am Bahnhof

Tobias Rinker: Du bist arm!

Andreas Arnold: Penner

Dominik Rinkart: Ich bin Täter

Susanne Heydecke: Diagnose Autismus

Fabian Kreutz: Unverstanden

Katharina Rambeaud: Entmenschlichung leicht gemacht – Eine Anleitung in sieben Schritten

Cara von Stockert: Toll ist was anderes

Johnathan Scholl: Tol(l)er(T)anz zu Troja

Lea Klein: Worte über Worte

Thorsten Zeller: Heute sind wir klüger

Dominik Rinkart: Schweigen

Luca del Nero: Schuss im Dunklen

Artur Nevsky: Meine kleine Schwester

Über die Herausgeber

Anmerkungen

Poetry Slam WetterauDas Buch (das eBook)

Texte von Toleranz, Respekt und Anerkennung

Erweiterte und überarbeiteteNeuausgabe des Klassikers von 2015

 

Jetzt als eBook!

 

© 2020 Reimheim-Verlag Thorsten Zeller,

Heinrich-Lübke-Straße 9, 61169 Friedberg

http://www.reimheim-verlag.de

 

 

 

eBook 03/2020

ISBN: 9 783 94553283 6

Alle Rechte vorbehalten

Cover, Illustrationen: Thorsten Zeller, Friedberg

 

Das Print-Buch, aus dem dieses eBook entstand, ist 2018 erschienen im Reimheim Verlag unter der ISBN 9 783 94553213 3

Erhältlich direkt beim Reimheim Verlag

 

 

Vorwort

März 2020. Wir haben Zeit, um zu lesen, aber Bücher zum Anfassen sind irgendwie derzeit nicht jedermanns Sache.

Da kommt ein eBook gerade richtig.

Irgendwie nachhaltiger ist es auch, so ohne Materialien, Verpackung und Paketbote zur Auslieferung. Ok, der Server und das Lesegerät brauchen Strom, aber der kommt im nun anstehenden Sommer hoffentlich aus Solarzellen oder einem Windrad.

Die „Texte von Toleranz, Respekt und Anerkennung“ sind ein Klassiker des Künstlerkollektivs „Poetry Slam Wetterau“. 2015 erstmals im Karbener Morlant Verlag erschienen, kam die überarbeitete (und, zugegeben, hübschere) Neuauflage 2018 des Buches im Reimheim Verlag heraus.

Und heute, im März 2020, erscheint es als eBook. Weil wir unverändert Geschichten zu erzählen haben. Weil wir in schweren Zeiten das Buch leicht zugänglich machen möchten. Weil wir Kreative sind und kreativ sind, wenn unser Slam-Publikum bei uns sein möchte. Cool, dass ihr da seid. Schön, bei euch zu sein.

Ich wünsche euch viele schöne und bewegende Augenblicke beim Lesen.

 

Thorsten Zeller, Friedberg, März 2020

 

Vorwort der Herausgeber

Drei Jahre sind vergangen, seit wir die erste Auflage unseres Buches im Karbener Morlant-Verlag in den Handel bringen durften. Seitdem ist viel passiert:

Menschen grenzen offen aus. Wer öffentlich diskriminiert, wird allenthalben getadelt, wenn überhaupt. Und die Inflation des Satzes „Ich bin ja nicht rechts, aber…“ hat ihn zur bedeutungslosen Floskel degradiert. Eine laute Minderheit will unsere Welt in schwarz und weiß neu zeichnen.

Wir haben dagegen unsere Buntstifte gezückt: unsere erweiterte Neuauflage von: „Poetry Slam Wetterau Das Buch –Texte von Toleranz, Respekt und Anerkennung“ soll zeigen, welcher Couleur die Mehrheiten sind.

Deutschland ist ein Land von Vielfalt und unsere Heimat. Das ist gut so. Wir wollen keine Wetterau, in der nur Zuckerrüben wachsen. Die Schmetterlinge, die der Chaos-Theorie zur Folge die dringend nötigen Stürme für den Umschwung im Sinne unseres Buchuntertitels auslösen können, brauchen bunte Blumenwiesen.

Wir wünschen viel Freude bei der Lektüre.

 

Friedberg im März 2018

Andreas Arnold, Dominik Rinkart, Lea Weber

 

Andreas Arnold: Kein Text

Ich habe lange überlegt, welchen Text ich für die erweiterte Ausgabe unseres Buches schreibe. Erst dachte, ich: Schreib was über die AfD. So ein mit spitzer Feder geschriebener satirischer Ausflug ins Gauland. Zur Poggenburg, wo ich mich still hinhöcke und die Sturzflüge von Storch und Bundesadler beobachten kann. Viel weiter kam ich leider nicht, denn du findest im Internet zwar ganze Armadas von Auflistungen, wie „die zehn größten Ängste der Deutschen“, „die zehn größten Lügen von Politikern“ oder „die zehn größten Irrtümer der deutschen Politik“, aber wenn du die Liste mit den AfD-Politikern mit den zehn schönsten Tiernamen suchst, lässt dich das Internet im Stich.

Also vielleicht Pegida als Thema? Doch hat das noch Brisanz? Deren führende Volksverhetzer hetzen doch gar nicht mehr so wirklich viel Volk durch die Dresdner Gassen. Die Teilnehmerzahlen kommen nur noch auf ein Zehntel von einst, was auch daran liegen mag, dass die Presse Pegida nicht mehr thematisiert, doch was machen denn die fehlenden 20.000 Teilnehmer jetzt? Sind sie auf der Suche nach den ganzen Flüchtlingen, die den Osten islamisieren? Auf der Flucht zu den Arbeitsplätzen im Westen? Immerhin ist der Stacheldraht jetzt auf der anderen Seite – in Ungarn! Alles in allem: Pegida ist kein Thema mehr für die Presse und dann wohl auch kein Thema mehr für einen Slam-Text.

Und besorgte Bürger? Etwas schreiben über all die Menschen, die den Mantel der Besorgnis fest um ihren satten Leib geschlungen haben, um darunter versteckt darüber zu jammern, dass die Merkel-Diktatur die Ausländer mit ihren Smartphones einreisen lässt und ihnen selbst die verdammten Samsung-Akkus einfach in Flammen aufgehen? Aber muss ich darüber eine Satire schreiben? Ist es nicht schon Realsatire, wenn Menschen Angst vor Ausländern haben, die es dort, wo die Angst am größten ist, kaum gibt? Wenn Menschen zu tausenden auf die Straßen gehen und beklagen, dass die Bundesregierung 20 Milliarden Euro für Flüchtlinge ausgibt, aber nicht einer von denen auf der Straße war, als der Bund 450 Milliarden für die Bankenrettung ausgab? Wenn Menschen sich beschweren, dass hier deutsche Obdachlose frieren, aber für syrische Flüchtlingsfamilien leerstehender Wohnraum teuer auf Staatskosten angemietet wird? Als wäre ein Menschenleben mehr wert als ein anderes. Die Ärmsten gegen die Armen aufzuwiegen, ist niederträchtig und erbärmlich, insbesondere dann, wenn der Klagende selbst ein Dach über dem Kopf, einen vollen Kühlschrank und es warm hat und schon immer hatte. Und zwar sowohl jetzt, als auch während der Bankenrettung. Und warum das? Weil eben 20 Milliarden pro Bundesbürger und Tag auch nur je 60 Cent bedeuten. Nein, darüber will ich nicht schreiben! Da reicht es schon in den Kommentarfeldern der Onlinezeitungen zu lesen, um das Kotzen über all diese rassistische, lügnerische Scheiße zu bekommen.

Texte gegen Rechts sind bei Slams zwar ein dankbares Thema, denn wer gäbe schon einem Text gegen Rechts keine guten Punkte? Ja wohl nur, wer selbst so ein besorgter Bürger ist, so ein Mensch, der zuhause NS-Devotionalien sammelt, in der muffigen Originalbettwäsche von Josef Göbbels’ Haushälterin nächtigt und zur fünften Jahreszeit beim Aufmalen des Bartes zum Cowboykostüm den Schwarzstift erst mal nur in der Mitte über der Oberlippe kreisen lässt und dann vor dem Spiegel steht und Dinge sagt wie: „Die Indianer, die gehören ausgerottet. Ausgerottet!“ Also so ähnlich wie der Lutz Bachmann damals in Facebook. Nur halt mit Cowboy-Kostüm. Und zur Fastnacht. Und allein zuhause vor dem Spiegel. Und nicht wie Bachmann in aller Öffentlichkeit.

Vielleicht, dachte ich mir dann, schreibe ich etwas zum Welthunger. Beim Hunger machen viel mehr Menschen mit als bei Pegida. Dennoch berichtete die Presse lieber monatelang über zwei- bis 20.000 Pegida-Anhänger in Dresden als über 800 Millionen Hungernde in den Entwicklungsländern. Auch in Deutschland sind gut eine halbe Million Kinder nicht ausreichend ernährt. Die drohen zwar nicht zu verhungern, aber selbst die wären doch 480.000 bessere Gründe gewesen, die Zeitungen zu füllen, anstatt täglich über Bachmann und Oertel zu schreiben, die mit der Wurstbemme in der Hand die Kanzlerin diffamieren, selbst wenn sie dabei in der Kälte stehen und die Mäntel der Besorgnis vielleicht doch nicht so gut wärmen. Doch darüber einen Text schreiben, wenn schon die Zeitungen nicht darüber berichten?

Das liest sich doch dann, als würde ich für „Brot für die Welt“ Spenden sammeln. Und wie ich kürzlich in einem Kommentar las: „Brot für die Welt und die Wurst für mich!“ Genau das ist doch das Problem: Die Wurst. Um die geht es. Mit weniger Wurst hätten wir mehr Brot, und dann müssten vielleicht auch weniger Menschen hungern. In Deutschland gibt es mehr als doppelt so viele Veganer als Menschen, die in Summe je bei Pegida-Demonstrationen mitmarschiert waren. Warum marschieren keine zweitausend Veganer jeden Montag in Dresden? Sie könnten mit all den Irrtümern aufräumen, die verhindern, dass wir endlich den Welthunger in den Griff bekommen. Veganer gegen die Irrtümer der Allesfresser - Vegida. Das würde etwas wirklich Bedrohliches thematisieren, das hätte Gewicht. Klar würden die Tageszeitungen besorgt titeln: „Sie marschieren stundenlang – wann wird der Proteinmangel die Bewegung stoppen?“ Aber würden die Zeitungen überhaupt darüber schreiben? Und will ich tatsächlich darüber schreiben?

Klar würde das gute Punkte bei einem Poetry Slam bringen. Wer will schon einen Text, bei dem es um verhungernde Kinder geht, schlecht bewerten? Allenthalben völlig gefühlskalte Soziopathen, Menschen, die ihre Klamotten bei Primark kaufen und dann die eingenähten Hilferufe aus den Sweatshops mit Rotstift auf Rechtschreibfehler prüfen, so kackige Einzelkinder, denen die Eltern einen Fleischwurstring um den Hals hängen mussten, damit wenigstens der Metzgersbub mit ihnen spielt. Doch Veganismus im Kontext? Dadurch würde ich die Omnivoren und die überzeugten Fleischesser im Publikum gegen mich aufbringen, und die Veganer sind bekanntlich ohnehin zu schwach, um zehn Punkte für einen Text auf einmal hochzuheben. Vielleicht zu zweit, aber wer möchte sein Publikum schon so unter Druck setzen.

Also vielleicht doch eher ein Text über Umweltverschmutzung? Über Plastikmüllstrudel in den Weltmeeren, über den Verpackungswahn, darüber, dass wir alle zu bequem und verwöhnt sind, um unseren Kaffee zuhause zu trinken, sondern lieber Millionen Einwegbecher nach wenigen Minuten Nutzungsdauer in den Müll geben und 80 Euro für das Pfund Kaffeekapseln in Alubecherchen ausgeben als ein Drittel des Geldes für einen fair gehandelten Kaffee, den man sich dann zwar selbst zubereiten müsste, aber dafür ein paar Menschen weniger Hunger litten und ein paar Tonnen weniger Müll anfielen? Aber wer will denn das hören? Wenn sich die Presse schon sicher ist, dass kein Mensch täglich vom Welthunger in der Zeitung lesen will, wer will dann diesen alten Hut in einem Slam-Text aufgewärmt bekommen. Da sagt sich doch jeder Juror mit dem „Coffee to go“ in der Hand: „Pah, das wird man ja wohl noch mal trinken dürfen!“.

Doch was, wenn die Zeitungen täglich davon berichteten? Vielleicht demonstrierten dann montags statt 20.000 besorgter Bürger 50.000 verantwortungsbewusste Menschen in Dresden, Frankfurt und Köln. Vielleicht säßen dann jetzt keine AfDler in den Stadtparlamenten, Landtagen und dem Bundestag. Vielleicht fühlten sich die etablierten Parteien dann nicht von einer medial geschaffenen Volksmeinung gezwungen nach rechts zu rücken, sondern hätten die nötige Majorität, um soziale und umweltgerechte Politik zu machen. Vielleicht werde ich mal einen Text über die gesellschaftliche Verantwortung der Presse schreiben. Die Punkte beim Slam wären mir dann auch egal, denn das anzusprechen wäre mir echt wichtig. Nur für die erweiterte Neuauflage unseres Poetry-Slam-Buchs habe ich leider keinen Text. Tut mir leid.

 

Tanasgol Sabbagh: Eine Stimme

Ich hab’ nur eine Stimme, man möge sie mir lassen!

Ein paar Worte, ein träger Handgriff auf Papier,

habe Angst, die Schrift in Tinte zu verfassen,

denn die Zeit lässt alle Spuren leicht verblassen

und ich verstumme auf den Seiten

und war somit niemals hier.

 

Und dann schwör ich immer wieder aus Notwendigkeit zu schreiben,

wenn mir das Unrecht unsrer Tage die Kehle zugeschnürt,

wenn es mich anstrengt, immer tatenlos zu bleiben,

wenn jedes Aufbegehren

bloß ins Leere führt.

 

Ja, dann zähl’ ich, was ich habe und ich lade meine Waffen,

lege Stift zu Stift, doch den Verstand beiseite,

ziehe Linien zusammen, als würde ich sie raffen

und verdichte Geschichte auf meine Weise.

 

Und ich umschließ uns, Phrase um Phrase,

so oft, dass kein Licht mehr hinüber scheint