Poisoned - Carolin Held - E-Book

Poisoned E-Book

Carolin Held

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Beschreibung

Um sich auf ihr Abitur vorzubereiten, nimmt Mai an einem zehntagigen Lernurlaub teil. Ihr Plan, die Zeit einfach zu genießen und sich auf den Unterricht zu konzentrieren, platzt schnell, denn sie begegnet Nate, welcher vom ersten Tag an ihre Welt auf den Kopf stellt. Eine Kurzgeschichte für Jugendliche ab 13 Jahren

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Seitenzahl: 84

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Inhaltsverzeichnis

Tag 1

Tag 2

Tag 3

Tag 4

Tag 5

Tag 6

Tag 7

Tag 8

Tag 9

Tag 10

Tag 1

Die siebzehnjährige Mai stieg zusammen mit ihrer Freundin Evelyn aus deren Auto aus. Sie liefen – eine rechts, eine links – um das Auto herum und öffneten die Kofferraumklappe um ihre Koffer herauszunehmen. Wobei das Wort „Freundin“ vielleicht zu viel gesagt war. Die beiden Mädchen waren schon einmal hier gewesen – letztes Jahr im Sommer, es war so eine Art „Nachhilfe-Urlaub“ für alle die auf der Kippe standen. Bei diesem Trip hatten Mai und Evelyn sich kennen gelernt und festgestellt, dass sie aus derselben Gegend kamen. Damals waren sie noch gemeinsam mit dem Zug nach Hause gefahren.

Jetzt war Frühling, Evelyn war bereits achtzehn und durfte Auto fahren und die zwei nahmen an einem „Abi - Vorkurs“ teil.

Die Mädchen zogen ihre Koffer klappernd hinter sich her und öffneten die Eingangstür. Mai mochte das Gebäude und es war ihr tatsächlich lieber, hier zu büffeln, statt allein zuhause zu hocken und eh nichts zu verstehen. Sie war nie die größte Glanzschülerin gewesen, aber ihr Abi war ihr wichtig. Sie wollte nicht einfach mit einer 4,0 dadurch rasseln. Eine 2,5 sollte schon drin sein.

„Maria Huber“, sagte Mai zu der freundlich lächelnden Frau hinterm Tresen.

„Evelyn Braun“, fügte ihre Freundin hinzu. „Wir hatten zu zweit reserviert.“

Die Frau hinter dem Tresen nickte und schob den Mädels ein Blatt Papier zu. „Einmal Namen und Adresse eintragen und unterschreiben“, erklärte sie. „Wart ihr schon einmal hier?“

Mai nickte, während sie die Spalte auf dem Blatt ausfüllte.

„Sehr gut“, meinte die Frau und hielt ihr einen Schlüssel entgegen. „Ihr habt Zimmer 210.“

Auch Evelyn füllte ihre Spalte aus und nahm ihren Schlüssel entgegen. Dann gingen die Mädchen in den Schlafbereich. Das Gebäude war in zwei Teile unterteilt. Rechts vom Eingang die Treppe hoch war der Schlafbereich, die Treppe runter der Freizeitbereich mit mehreren Räumen voller Sofas, einem Billiardtisch, Kicker und jeder Menge Gesellschaftsspiele, welche man sich ausleihen konnte.

Links vom Eingang waren die Unterrichtsräume.

Mai schloss die Tür zum Zimmer 210 auf. Es war ein geräumiges Zimmer wie Mai fand. Zumindest für zwei Personen. Ein Tisch mit zwei Stühlen stand in der Mitte des Raumes. Links und rechts an den Wänden stand jeweils ein Bett. Automatisch und unabgesprochen setzte Mai sich auf das linke Bett, während Evelyn ihren Koffer auf dem Rechten ablegte.

„Wann müssen wir unten sein?“, wollte Mai wissen.

„Weiß ich nicht mehr, steht das nicht irgendwo? Vielleicht zusammen mit dem WLAN-Passwort?“, fragte Evelyn hoffnungsvoll.

Mai lachte leise. „Schon gut, ich geh nachsehen.“

Mai verließ das Zimmer wieder, lief die Treppe hinunter und schnurstracks auf eine kleine Pinnwand zu, welche ihr vorher gar nicht richtig aufgefallen war.

Sie zückte zuerst ihr Handy und meldete es im WLAN an. Das funktionierte schon mal. Dann fotografierte sie das Passwort für Evelyn ab und las den Zettel, der daneben hing.

„Treffen zur Gruppenaufteilung um 12:00 Uhr in der

Aula.“

Mai sah auf die digitale Uhranzeige auf ihrem Handy. Jetzt war es 11:30 Uhr. Na toll, da blieb den Mädels ja keine Sekunde Ruhe.

Sie lief die Treppe wieder hoch, schloss das Zimmer auf und hielt Evelyn ihr Handy mit dem Foto entgegen. „Hier.“ Sofort kramte Evelyn ihrerseits ihr Handy aus der Hosentasche. „Toll, danke“, sagte sie während sie die Buchstaben und Zahlen abtippte.

„Wir müssen in zwanzig Minuten wieder unten sein“, teilte Mai ihr mit.

„Okay“, meinte Evelyn mit einem Schulterzucken. „Dann nur noch schnell ein paar Sachen auspacken.“

Während Evelyn ihre Klamotten fein säuberlich in den Schrank sortierte, holte Mai nur das Wichtigste aus ihrem Koffer. Die Box voller Süßigkeiten zum Beispiel, ihre Kopfhörer, ihr Ladekabel und ihre Kosmetiktasche mit der Haarbürste – ihre fuchsbraunen Haare verknoteten immer so unglaublich schnell.

Was ihre Klamotten anging, würde sie die nächsten zehn Tage aus dem Koffer leben, wie sie immer sagte.

„Wir müssen los“, meinte Mai, als ihr Handy 11:55 Uhr anzeigte. Evelyn nickte, schnappte sich ihre Zimmerschlüssel vom Tisch und ging voran aus dem Zimmer hinaus. Mai lief neben ihr her die Treppe hinunter, an der Eingangstür des Gebäudes vorbei in den linken Flügel. Die Aula befand sich ganz unten. Es war ein großer Raum, in dem Stuhlreihe an Stuhlreihe hintereinander aufgebaut waren – eine klassische Aula eben. Mai und Evelyn setzten sich an den Rand der fünften Reihe. Nicht zu weit vorne, aber auch nicht zu weit hinten.

Immer mehr Jugendliche strömten in den Raum. Mai ließ immer wieder ihren Blick durch den Raum schweifen. Am Ende mussten dort ungefähr hundert Schüler sitzen, welche sich auf ihr Abi vorbereiten wollten.

Zuletzt kamen die Kursleiter herein. Eine pummlige Frau mit einer großen Brille und kurzen Locken, welche ihr Gesicht unheimlich rund aussehen ließen, ein schlaksiger Mann mit einer Mütze auf dem Kopf und ein älterer Herr, welcher wirkte, als müsse er eigentlich zuhause in einem Sessel sitzen und Zeitung lesen, statt hier zu stehen, riefen nacheinander Namen von Schülern auf und verließen mit ihren Gruppen zu je zwanzig Personen den Raum.

Am Ende standen noch zwei Lehrer vorne. Eine Frau mit kurzen, knallrot gefärbten Haaren und ein junger Kerl, der kaum älter aussah als die Jugendlichen, die er unterrichten sollte.

Hoffentlich sind wir bei der Frau, dachte sich Mai, als diese vortrat. „Hallo“, rief sie in den Raum. „Ich bin Annette und in meinen Kurs kommen bitte Laura Arman, Susanne Bering, Evelyn Braun“, Evelyn und Mai wechselten einen Blick, bevor sie aufstand und nach vorne ging. Annette lächelte jede Person, die zu ihr kam einmal kurz an und wiederholte mit ihr ihren Namen.

„Maria Penelope Huber“, Mai schloss kurz die Augen und blies die Luft aus. Dann stand sie auf. „Einfach Mai“, posaunte sie heraus, noch bevor sie vorne angekommen war.

„Gut. Mai“, wiederholte Annette, als das Mädchen vorne stand, bevor sie weiter Namen vorlas und mehr Leute sich der Gruppe anschlossen. Die Mädchen wirkten auf Mai hauptsächlich zickig und die Jungs langweilig.

„Und der Letzte“, sagte Annette schließlich. „Nathaniel Wolff.“

Ein Junge stand auf und strich sich dabei wie in einer beiläufigen Bewegung durch die Haare. Eine dunkelbraune Locke hatte sich aus seinen zurückgekämmten Haaren gelöst und viel ihm vor die Augen. „Nate“, korrigierte er und wirkte dabei nicht mal im Ansatz so abgenervt wie Mai es bei ihrem Namen getan hatte. Sie runzelte die Stirn. Irgendetwas an ihm kam ihr… merkwürdig vertraut vor.

„Okay, wir sind dann vollständig“, sagte Annette.

„Dann also gleich zum Unterricht“, meinte Nate.

„Ich kenn ihn“, raunte Mai ihrer Freundin zu, welche sie daraufhin mit großen Augen ansah. „Wen? Diesen Nate?“

Mai nickte.

Evelyn zuckte bloß mit den Schultern. „Und wenn schon, vielleicht war er auch schon mal hier.“

„Seine Stimme“, murmelte Mai.

Evelyn zog ihre Freundin am Ärmel. Die Gruppe setzte sich in Bewegung, um die Aula zu verlassen und zu ihrem Unterrichtsraum zu gehen. „Oh ja, die ist schön. Ziemlich hoch, aber ich mag’s“, meinte sie dabei gleichgültig.

Mai sah Evelyn einen Moment an, zog die Nase kraus und schmunzelte leicht.

„Waaas?“, fragte Evelyn und lachte dabei leise.

Mai schüttelte den Kopf. „Ach, nichts.“ Die Stimme des Jungen klang in ihr nach. Irgendetwas daran… Sie schüttelte sich. Der Junge hatte einen Satz an ihre gemeinsame Dozentin gerichtet. Das war kein Grund innerlich so wabbelig zu werden.

Ihr gewählter Kurs war ein Pädagogik-Kurs. Sowohl Evelyn als auch Mai hatten es als Abiturfach gewählt. Und obwohl Mai sich in angemessenen Maße am Pädagogik-Unterricht in der Schule beteiligt hatte – sie war schließlich noch nie ein Mädchen gewesen, das ihren Mund geschlossen hielt, wenn es etwas zu sagen hatte – hatte sie dem Vorschlag ihrer Eltern, an dem Kurs teilzunehmen, sofort zugestimmt. Vermutlich wegen des Wortes „Urlaub“ in „Lernurlaub.“

„Bevor wir mit dem Thema anfangen, möchte ich gerne mit euch ein kleines ‚Speed-Date’-Szenario durchspielen“, erklärte Annette, als alle in einem riesigen Stuhlkreis Platz genommen hatten. „Schließlich seid ihr alle aus ganz unterschiedlichen Ecken angereist und sollt ja auch ein wenig wissen mit wem ihr es hier zu tun habt.“ Die Schüler zählten bis zwei durch. Jeder Zweite setzte sich in den Innenkreis gegenüber einer anderen Person. Evelyn saß Mai gegenüber und sie grinsten sich schon an, als Annette verkündete: „Jetzt rutscht der Innenkreis mal drei Personen im Uhrzeigersinn auf! Ich denke einige von euch kennen sich schon und haben nebeneinander gesessen. Das ist nicht der Sinn meiner Idee.“ Evelyn stand mit einem Seufzen auf und ging drei Stühle weiter.

Mais Blick wanderte nach rechts, dem Entgegen, was auf sie zukam. Nate. Oh ja, bitte, dachte sie. Der Junge, der aussah, als würde er bald in seinem übergroßen, schwarzen Pulli versinken, blieb vor ihr stehen. „Wie viele Plätze sollen wir weitergehen?“, fragte er. Seine Stimme klang hell, klar und rein. Mai grinste. „Drei.“

„Oh“, Nate ging noch einen Platz weiter. Verdrossen sah Mai ihm nach. Ein paar rote Pickel saßen auf seiner Stirn und seine Nase war ein Stück zu groß.

„Hey“, sagte Jemand und Mai richtete ihren Blick wieder geradeaus. Ein Mädchen setzte sich auf den Platz ihr gegenüber. Sie hatte eine Brille auf der Nase und durch ihre blonden, zu einem Pferdeschwanz gebundenen Haare zogen sich pastellrosa Strähnchen. „Ich bin Susi.“

„Susanne Bering“, sagte Mai. Sie erinnerte sich daran, wie das Mädchen direkt vor Evelyn aufgerufen worden war.

Susi verzog den Mund. „Richtig. Und du bist?“

„Mai.“

„Ah, richtig“, meinte Susi. „Maria Irgendwie.“

„Einfach nur Mai.“

„Okay“, Susi zuckte mit den Schultern. „Wo kommst du her?“

„Paderborn.“

„Ah. Ich wohne in Herford.“

Mai nickte bloß, richtete ihren Blick auf alles bis auf das Mädchen, das ihr gegenüber saß.

„Und was… machst du so in deiner Freizeit?“, startete Susi einen weiteren Versuch.

Mai sah die Blondine an und seufzte. „Ich tanze.“

„Das ist cool. Ich hab auch mal getanzt. Welchen Stil?“

„Street Dance.“

Susi sah etwas ratlos aus. „Ah“, machte sie trotzdem.

Mai musste lächeln. „Sagt dir der Begriff ‚Hip Hop’ mehr?“

„Ja!“, sagte Susi sofort. „Ich hab manchmal an Hip Hop Kursen im Ferienprogramm teilgenommen.“