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Studienarbeit aus dem Jahr 2001 im Fachbereich Pädagogik - Interkulturelle Pädagogik, Note: 1,3, FernUniversität Hagen (Institut für Interkulturelle Erziehungswissenschaft), Sprache: Deutsch, Abstract: Auf dem "Platz der drei Kulturen" in Mexiko-Stadt stehen ein zerstörter Aztekentempel, ein ehemaliges spanisches Kloster und moderne, mehrstöckige Zweckbauten des 20. Jahrhunderts dicht beieinander. Wenn hier die militärische Niederlage der Aztekenhauptstadt Tenochtitlan als schmerzhafte Geburt eines gegenwärtigen mestizischen Mexikos interpretiert wird, so drückt sich eine Haltung aus, die man immer wieder im mexikanischen Alltag beobachten kann: das Andenken und die archäologischen Überbleibsel der prähispanischen Hochkulturen werden gepflegt und in Ehren gehalten; das Christentum und die modernere Kultur der europäischen Eroberer haben die früheren Kulturen überlagert und bestimmen die Schicksale des Landes bis heute. Die Gedanktafel auf dem Platz verschweigt jedoch, dass auch in der Gegenwart nicht alle Mexikaner Mestizen sind, so werden zwischen 8-12% der Bevölkerung einer indianischen Ethnie zugerechnet. Doch diesen bleibt nur eine Existenz am Rande der sich als modern verstehenden mexikanischen Gesellschaft. Für das moderne Mexiko sind sie ein Dorn im Auge, gerne spielt man ihre Anzahl herunter oder blickt -nicht ohne Scham- von oben auf sie herab. Ausgehend von dieser Beobachtung im mexikanischen Alltag, die sich auch in einigen literarischen oder essayistischen Schriften widerspiegelt, geht es mir in der vorliegenden Arbeit darum, zu überprüfen, inwieweit die beschriebene Haltung durch mexikanische Schulbücher vermittelt wird. Da auch Wissenschaftler und Schulbuchschreiber niemals ganz von ihrer Erziehung und ihren persönlichen Werten absehen können, ist anzunehmen, dass sie in irgendeiner Form in die Schulbücher eingeflossen ist, und sich auf diese Weise in den Köpfen der nachfolgenden Generationen fortsetzen wird. Im folgenden werde ich mich allerdings nur auf einen Teil dieses doppelseiten Bildes der indianischen Völker beschränken: Ich beabsichtige, die Darstellung der prähispanischen Kulturen in mexikanischen Schulgeschichtsbüchern zu verfolgen, und dabei vor allem auf die Gewichtung dieses Themenkomplexes innerhalb des schulichen Curriculums, Schwerpunkte und Auslassungen, sowie wertende Stellungnahmen zu achten. Zusätzlich wird mich die Frage beschäftigen, ob die Geschichtsbücher Aussagen bezüglich der ethnischen Identität der heutigen Mexikaner enthalten, die mit den prähispanischen Kulturen in Zusammenhang stehen. Als Hintergrund und Vergleichsgrundlage dienen wissenschaftliche Schriften zur Geschichte und Kulturgeschichte Mexikos.
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Prähispanische Kulturen in mexikanischen Schulgeschichtsbüchern:
1. Schulbücher als Spiegel und Schöpfer von Alltagsmeinungen über Ethnien?
Auf dem "Platz der drei Kulturen" in Mexiko-Stadt stehen Bauwerke aus drei Zeitepochen dicht beieinander: ein zerstörter Aztekentempel, ein ehemaliges spanisches Kloster und moderne, mehrstöckige Zweckbauten des 20. Jahrhunderts. Wenn hier die militärische Niederlage der Aztekenhauptstadt Tenochtitlan als schmerzhafte Geburt eines gegenwärtigen me stizischen Mexikos interpretiert wird, so drückt sich eine Haltung aus, die man immer wieder im mexikanischen Alltag beobachten kann: das Andenken und die archäologischen Überbleibsel der prähispanischen Hochkulturen werden gepflegt und in Ehren gehalten; das Christentum und die modernere Kultur der europäischen Eroberer scheinen sich nicht nur in Form von Kolonialbauten über die früheren Kulturen gelegt und diesen ein jähes Ende bereitet zu haben, sondern bestimmen die Schicksale des Landes bis heute - die renovierungsbedürftigen Hochhäuser rund um den Platz bilden ein lebendiges Zeugnis dafür. Doch wird die Zerschlagung der alten Kulturen nicht als Niederlage gewertet, denn ihr Erbe ist angeblich in den Bewohnern des heutigen Mexiko -einem Volk von Mestizennoch lebendig.
Kaum jemand wird leugnen wollen, dass gegenwärtig ein Grossteil der mexikanischen Bevölkerung aus Mestizen besteht. Die Gedanktafel verschweigt jedoch, dass längst nicht alle Mexikaner Mestizen sind, so werden z.B.
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zwischen 8 -12% unter ihnen auch heute noch einer indianischen Ethnie zugerechnet, d.h. als direkte Nachfahren der altamerikanischen Bewohner der Region betrachtet.1Doch diesen bleibt nur eine Existenz am Rande der sich als modern verstehenden mexikanischen Gesellschaft. F ür das moderne Mexiko sind sie ein Dorn im Auge, gerne spielt man ihre Anzahl herunter oder blicktnicht ohne Scham- von oben auf sie herab.
Nur vereinzelt hört man mexikanische Stimmen, die die widersprüchliche Haltung vieler ihrer Landsleute -Verherrlichung der prähispanischen Kulturen und Geringschätzung oder Vergessen der aktuellen Indígenas2- aufdecken und offen ankreiden. Einer dieser Kritiker ist der Anthropologe Guillermo Bonfil Batalla: